Folge
8.19
„Deep
Inside“
Von lion
Co-Autoren:
Yamato, Stefan, HopelezZ, Mel, Cthulhu,
White Magic, Steffi
Bilderstellung:
HotWitch
Credits: Projekt 8 ist ein Projekt von www.slayerfanfic.de mit
spezieller Unterstützung durch ihre Partnerseiten pj-firepower.com,
buffy-online.com und slayerworld.info. Weiterhin bedankt sich das Projekt für
Unterstützung bei ihren Partnerseiten slayerzone.de, virtuelleserienonline.de,
entertainyou.net, sowie bei allen weiteren Partnern.
Disclaimer: Die virtuelle, achte Staffel baut auf das von Joss
Whedon erschaffene Buffy-Universum auf. Sie wurde von Fans für Fans geschaffen,
ohne dem Ziel damit Geld zu verdienen. Das Universum und seine Charaktere sind
das alleinige Gedankengut von Joss Whedon, Mutant Enemy, FOX, WB und Paramount
Vorsicht Spoiler: Wenn ihr die fünfte Staffel von Angel (genauer gesagt Folge
5x20 „The girl in question“)
noch nicht kennt und nicht gespoilert werden wollt (es
handelt sich hierbei allerdings nicht um gravierende Spoiler, die irgendetwas
über die Handlung verraten, nur um einen Casting-Spoiler,
den aber inzwischen jeder kennen sollte, und ein paar mehr oder weniger
unbedeutende Crossover-Szenen, die weder etwas mit
der Handlung der Angel-Staffel noch kaum etwas mit der Handlung der Angelfolge
zu tun haben) beachtet bitte die Warnungen und lest den rot markierten Text
nicht! Danke!
TEASER
Cleveland, College, Abend:
„Und
nun, da wir zurückblicken auf das vergangene Jahr können wir, denke ich, mit
gutem Gewissen sagen, dass wir mit dem Ergebnis zufrieden sind. Wir haben
einige großartige Studenten zu verabschieden, die es, da bin ich mir sicher, in
ihrem Leben weit bringen werden. Ich bin stolz darauf ihr Professor gewesen zu
sein, schon um eine Erwähnung in ihren Biografien vorweisen zu können, falls
sich unter ihnen ein zweiter Einstein verbergen sollte!“, die Anwesenden im
Saal lachten und spendeten ihren Beifall. Professor Bashir wartete einen kurzen
Moment, bis das Publikum sich beruhigt hatte: „Danke, doch nicht ich bin es,
der diesen Applaus verdient, es sind die Studenten.“
Willow
warf einen kurzen Blick auf die Uhr, verdammt, die Veranstaltung hatte schon
zehn Minuten zu spät angefangen und dennoch waren die Plätze, die sie extra
reserviert hatte noch frei.
„Ms.
Ackerly!“, rief Bashir die erste Studentin auf, „Ein sehr gutes
Abschlusszeugnis, ich gratuliere!“
Sie
hatte sich Plätze in der ersten Reihe gesichert, einer der wenigen Vorteile,
die man hatte, wenn man an der Organisation beteiligt war, doch ihren Freunden
schien das wohl egal zu sein.
„Mr.
Barnabas, auch ihnen, herzlichen Glückwunsch zu diesem hervorragenden Zeugnis,
sie haben es sich nach all den Jahren redlich verdient!“
Nicht
einmal Kennedy hatte es noch rechtzeitig geschafft, und dabei war sie schon
viel länger wieder hier, als all die anderen. Na ja, manchmal musste man für
den Kampf gegen das Böse eben Opfer bringen, und was bedeutete schon eine
Abschlussfeier?
Eine Woche früher,
Cleveland, Wächterzentrale:
Robin und Faith waren gerade dabei einige Nahrungsvorräte, die
wohl schon abgelaufen waren aus dem Bus zu schaffen, als Giles zu ihnen heran
trat: „Ihr wisst, was zu tun ist?“
Wood nickte nur, auch wenn Faith ihm einen missbilligenden Blick
zuwarf: „Ja, ich denke schon, ich hoffe nur Keiran wird auf mich hören,
immerhin bin ich noch nicht allzu lange Wächter.“
„Nun ja, uhm... ich hoffe es auch. Mit Keiran bin ich mehr oder
weniger befreundet. Wie die letzten Entwicklungen zeigen wohl eher weniger,
dennoch halte ich ihn trotz seinem Hang zu den alten Traditionen für einen
vernünftigen und intelligenten Mann. Er weiß, was vor sich geht und meiner
Meinung nach ist es nur eine Frage der Zeit, bis er einsehen wird, dass er
handeln muss. Doch Zeit ist etwas, dass wir leider nicht haben. Es ist wichtig,
dass er versteht, dass es bald zu spät sein wird und wenn er eine Entscheidung
treffen will, dann soll er sie schnell treffen.“
Vermutlich
waren die Plätze ihrer Freunde die einzigen im Saal, die nicht besetzt waren.
Natürlich verstand sie es, es gab Dinge, die wichtiger waren, und dennoch tat
es weh, dass keiner von ihnen Zeit für sie hatte, nicht einmal für diese
Abschlussfeier. Sicher würde Kennedy eine gute Entschuldigung haben. Ein
Vampirnest zum Beispiel, doch das änderte nichts an einer Tatsache: sie war allein.
„Mr.
Jones, sie haben ihr bestes gegeben und ich denke, dass sie mit dem Ergebnis
zufrieden sein können!“, der Professor gratulierte dem Studenten und
überreichte das Zeugnis.
„Xander, Kennedy, ihr werdet euch Daniel Westmann in Deutschland vornehmen“, teilte
Giles ihnen mit, „er war noch nie sehr involviert in Machtfragen innerhalb des
Rates, allerdings gilt er als einer der wichtigsten Wächter in Deutschland. Die
gute Nachricht, was ihn betrifft, ist, dass er Lily nicht bedingungslos
vertraut und das auch mit aller Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht hat. Die
schlechte Nachricht ist aber, dass es vermutlich schwierig wird ihn davon zu
überzeugen, dass diese Sache es wert ist dafür seinen Kopf hinzuhalten. Globale
Angelegenheiten waren noch nie wirklich seine Sache. Eine harte Nuss.“
Willow
warf erneut einen Blick auf die Uhr, vielleicht würden sie es wenigstens noch
rechtzeitig zum Ball schaffen? Zumindest Kennedy konnte sich doch nicht so sehr
verspäten, oder etwa doch? Und Xander war auch schon lange wieder da. Aber
vielleicht hatte er sie einfach vergessen? Wenn man nach seinem Verhalten in
letzter Zeit ging, war das vermutlich gar nicht so unwahrscheinlich. Immerhin
schien er nicht mehr allzu viel für seine alten Freunde übrig zu haben.
Buffys
und Andrews Flug aus Rom war erst heute Abend zurückgekommen. Es konnte gut
sein, dass er sich verspätet hatte.
„Romano Belussci ist einer von den ganz Alten. Er war schon lange
ein Mitglied des Rates, bevor ich es gewesen bin. Er genießt den Respekt der meisten
Wächter Italiens und wenn wir Glück haben sogar ganz Europas. Ich denke die
Chancen, dass sie auf ihn hören werden stehen nicht gerade schlecht. Leider
müssen wir aber auch sehen, dass er sehr an der alten Tradition hängt und über
die neue Lage nie wirklich glücklich war. Dennoch bezweifle ich, dass er bereit
ist, Lilys Verhalten, wenn er die Wahrheit kennt, zu dulden, denn sein
Gerechtigkeitssinn ist mindestens genauso ausgeprägt wie seine Liebe zur
Tradition. Am besten konfrontiert ihr ihn mit unseren Beweisen gegen Lily und
redet ihm genug ins Gewissen, um ihn zu überzeugen. Ich denke es wird nicht so
schwierig sein ihn auf unsere Seite zu ziehen. Doch selbst wenn uns das
gelingt, ist es immer noch die Frage, ob seine Position wirklich gefestigt genug
ist, um die anderen Wächter von unserer Version der Ereignisse zu überzeugen
oder ob Lily uns nicht erneut einen Schritt voraus ist.“, gab Giles seine
Anweisungen an die Beiden.
Wenigstens
schien die Veranstaltung so zu laufen wie geplant, die Dekoration sah großartig
aus, und das Essen war nach all den Problemen doch noch rechtzeitig geliefert
worden, wenigstens darum musste sie sich keine Sorgen machen.
„Ms.
Peterson, sie hätten es sicher besser gekonnt, dennoch ein großartiges Zeugnis.
Herzlichen Glückwunsch.“
„Ronah, Dawn - James Mufume ist einer der
wenigen Wächter in Afrika. Der gesamte Kontinent ist immer noch unterbesetzt.
Dementsprechend viele Jägerinnen fallen unter seine Obhut, was ihn sicher nicht
gerade zu einem Befürworter der neuen Umstände macht. Er kommt teilweise kaum
nach mit seiner Arbeit und muss immer wieder Verluste hinnehmen. Allerdings
können wir es zu unserem Vorteil nutzen, dass er kaum an den Traditionen des
Rates hängt. Ich denke, er wird unsere Argumente einsehen und sich auf unsere
Seite schlagen.“, Giles reichte den
beiden jungen Jägerinnen die Flugtickets.
„Mr.
Rogers, herzlichen Glückwunsch, und einen schönen Gruß an ihre Familie, vor
allem ihrem Vater!“, Bashir schüttelte die Hand des jungen Mannes und warf dann
wieder einen Blick auf seine Liste: „Ms. Rosenberg!“
Willow
trat vor. Sie warf einen letzten kurzen Blick auf die Sitzplätze, doch sie
waren immer noch leer. Professor Bashir warf einen kurzen Blick auf das
Zeugnis, bevor er es ihr reichte: „Beeindruckend! Sie haben das beste Zeugnis
dieses Jahrgangs!“
Er
schüttelte ihre Hand, bevor er ihr das Zeugnis überreichte. Das Publikum
applaudierte, und selbst die meisten ihrer Mitstudenten rafften sich auf, um zu
klatschen, obwohl sich bei einigen deutlich Neid in ihren Gesichtern
abzeichnete.
Willow
blickte in die Runde. Sie hatte nicht damit gerechnet, immerhin hatte sie durch
die viele Arbeit für den Rat erheblich wichtige Zeit verloren, und dann war da
natürlich noch dieser Vorfall bei einer Vorlesung gewesen, den der Professor
ihr heute noch übel nahm. Sicher freute sie sich, doch irgendwie… Ihr Blick
glitt auf die leeren Sessel und der Ansatz eines Lächelns in ihrem Gesicht
erstarb. Selbst ihren Eltern war das jüdische Seminar in der Schweiz wohl
wichtiger gewesen, als ihre eigene Tochter.
„Das
ist wirklich eine gute Leistung, wenn sie wollen, kann ich sie mit einigen
Leuten bekannt machen…“
Willow
nickte nur abwesend. War es wirklich zu viel verlangt gewesen, dass ihre
Freunde auf ihrer Abschlussfeier auftauchten? Konnte sie nicht wenigstens das
erwarten?
OPENING CREDITS
AKT 1
Eine Woche früher,
Cleveland, Nacht:
Dumpfe Schläge hallten
von der steinernen Decke hinab, und breiteten sich in den unterirdischen
Gewölben aus. Keiner wagte ein Wort zu sprechen, die fünf Frauen kauerten Angst
erfüllt auf dem Boden zwischen den riesigen mit Büchern und alten Schriften
voll gestopften Regalen, ihre Beine eng an die Körper gezogen und bemüht, nicht
ein einziges Geräusch zu erzeugen, das sie verraten könnte.
Die
Schläge kamen immer näher. Etwas Staub aus den Fugen löste sich und regnete auf
sie herab. Die Angst war in ihre Augen geschrieben. Ein lauter Schlag direkt
über ihnen ließ die kleine Gruppe zusammenzucken. Sie konnten sie nicht
gefunden haben!
„Bitte
nein, bitte nicht.“, die jüngste von ihnen senkte den Kopf, „Das darf nicht
passieren, dieser Ort ist geheim, sie dürfen ihn nicht finden!“
Aus
den Schatten trat eine sechste Frau heraus: „Die Bücher und Schriften, das
alles ist ersetzbar, doch eins müsst ihr immer im Kopf behalten, Schwestern.“,
Willows rotes Haar hob sich von dem weißen der anderen ab, „Töten, foltern und
uns die schlimmsten Dinge antun, zu denen sie fähig sind, können sie, doch
besiegen werden sie uns niemals. Sie werden niemals die Sache zerstören, für
die wir kämpfen!“
„Und
wie soll es weitergehen, es gibt zu wenige von uns, viel zu wenige, und wenn
sie so weiter machen, wird es irgendwann gar keine mehr geben.“, sie stand auf
und in ihrem Gesicht sammelten sich Tränen, „Wir sind verloren.“
„Nein,
und das weißt du auch, unsere Waffe bleibt verborgen, bis die Zeit für sie
gekommen ist das Schicksal dieser Welt zum Guten zu wenden! Und so lange wir
diese Gewissheit haben werden wir nie verloren sein.“, Willow trat vor zu ihrer
Schwester, „Die Stärke, die wir in uns tragen wird uns retten!“
„Das
sind doch alles nur leere Worte, wenn wir tot sind und alles, für das wir
gekämpft haben, verloren ist, was werden sie dann noch bedeuten?“, doch Willow
steckte ihre Hand aus und berührte sanft das Gesicht der Jüngeren: „Hoffnung
ist das einzige, was uns bleibt, doch wir haben genug davon, um das alles
überstehen zu können.“
Die
Schläge verstummten.
„Haben
sie aufgehört?“, wollte eine der Hüterinnen, die immer noch am Boden kauerten,
ängstlich wissen.
Willow
schloss kurz ihre Augen und konzentrierte sich: „Nein. Es ist nur die Ruhe vor
dem Sturm. Ihr müsst stark sein, Schwestern, der Weg, den ihr nach dem Ende
eurer körperlichen Existenz beschreiten werdet, ist nicht weniger steinig, als
der, der bereits hinter euch liegt.“
Ein
lauter Knall verkündete, dass die Ruhe zu Ende war. Eine der Deckenplatten
löste sich und zog in ihrem Sturz einige der Regale mit nach unten. Uralte
Bücher wurden unter den Steinen begraben.
Durch
das Loch an der Decke drang Fackellicht und die Stimmen einiger Männer waren zu
hören, die sich hektisch etwas zuriefen.
„Verbrennt
die Hexen!“, der Ruf hallte unter dem Stimmengewirr hervor, „Verbrennt sie!“
Willow
trat einige Schritte nach vorne, so dass sie durch das Loch nach oben blicken
konnte. Ein Mann blickte ihr entgegen. In seinem Gesicht zeichnete sich ein
niederträchtiges Lächeln ab: „Sterbt Ketzerinnen!“
„Ihr
denkt wirklich, dass es um euren „Rat der Wächter“ besser bestellt ist, als um
uns? Im Moment benutzt ihr die Inquisition für eure Zwecke, doch was denkt ihr,
wie lange es dauern wird, bis sie sich gegen euch wenden wird!“
Der
Wächter lachte schallend: „Mag sein, doch auf eure Worte wird nie jemand hören,
denn ihr seid in ihren Augen Hexen, im Gegensatz zu uns!“, er wandte sich an
einen von seinen Begleitern: „Verbrennt sie. Von ihnen und all ihrem
zerstörerischem Wissen, das sie hier angesammelt haben, soll nichts übrig
bleiben, außer Asche!“
Willows
Blick glitt zurück zu ihren Schwestern, sie sah die Angst in ihren Augen. Sie
wollten nicht sterben. Eine einzige Träne verirrte sich in Willows Augen und
glitt an ihrer Wange herab: „Wir müssen stark sein Schwestern. Seid stark!“
Einige brennende
Holzscheite wurden von oben durch das Loch hinab geworfen. Mit einem
knisternden Geräusch fingen die ersten Schriften Feuer.
Willow
spürte die Hitze in ihrem Rücken. Das Feuer kroch immer weiter nach vorne. Sie
schloss die Augen, als es sie erreichte.
Sie
verzog keine Miene, als das Feuer sich an ihr festfraß und an ihrem langen
Gewand hoch kletterte, denn Willow musste stark sein. Für sie. Stark.
Ein
lauter Schrei drang aus Willows Kehle hervor und sie richtete sich kerzengerade
in ihrem Bett auf. Ihr Körper war schweißgebadet und die entsetzlichen
Schmerzen aus dem Traum schienen noch nachzuwirken.
Sie
strich ihre Haare aus dem Gesicht und fühlte ihre Stirn, sie glühte förmlich.
Allmählich begannen die Details des Traumes aus Willows Kopf zu verschwinden,
doch die Gefühle blieben. Langsam und nachdenklich ließ sie sich auf das Bett
zurück gleiten. Sie musste unbedingt mit Giles darüber sprechen. Gerade als sie
sich wieder entspannen wollte, klingelte das Telefon.
Wächterhaus, früh
morgens:
Die anderen waren schon alle da, als Willow das Besprechungszimmer betrat, Giles
hatte nach dem Angriff in der letzten Woche durch die Mitglieder des
Tetsu-Clans sein bestes getan um zumindest ihn wieder herzurichten, doch
überall waren noch deutliche Spuren zu sehen. Mit einem Mal wurde ihr bewusst,
dass sie schrecklich aussehen musste, denn sie hatte keine Zeit für ihre Haare
gehabt, und der schlechte Schlaf hatte tiefe Ringe unter ihren Augen
hinterlassen.
Giles nickte ihr zu: „Schön, dass du gekommen bist, bitte setz dich doch!“, er stand selber auf und überreichte ihr seinen Stuhl, bevor er begann die Situation zu erklären: „Nun uhm..., erst einmal muss ich mich wohl entschuldigen, dass ich euch alle aus dem Bett geklingelt habe. Doch es ist extrem wichtig.“
Er trat einen Schritt
zur Seite und gab den Blick auf die Aufstellung ihrer Feinde und Verbündeten
frei: „Ich habe heute morgen einen Anruf vom Rat erhalten. Ich werde offiziell
heute in genau zwei Wochen zu einer Verhandlung vorgeladen, in der entschieden
wird, ob ich im Recht bin, oder nicht. Abstimmungsberechtigt sind insgesamt 133
Wächter, etwas mehr als die Hälfte davon aus England, der Rest Vertreter ihrer
Bezirke. Wenn Lily es schafft in dieser Abstimmung eine Mehrheit zu erhalten,
dann wird das alles, was sie bisher bewirkt hat, legitimieren, wenn aber nicht,
dreht sich der Spieß um und bringt sie in die Situation sich rechtfertigen zu
müssen. Das bedeutet, wir müssen so schnell wie möglich genug Wächter auf
unsere Seite ziehen.“
„Und
wie genau können wir dabei helfen?“, fragte Xander, auch er schien noch im
Halbschlaf zu sein.
„Nun
ja, in England befindet sich Lilys Basis, dort wird es am schwersten werden,
irgendetwas zu bewirken. Beruhigenderweise habe ich dort einige, anonyme
Kontakte, die mir ein paar Treffen mit Wächtern dort vermittelt haben. Doch was
mindestens genauso wichtig ist, ist, dass wir die Wächter aus anderen Ländern
von unserer Sache überzeugen müssen. Ich habe schon mit einigen über Telefon
gesprochen, und ein paar stehen bereits auf unserer Seite. Doch das sind, befürchte ich, die wenigsten. Daher möchte ich euch
bitten, ihnen persönliche Besuche abzustatten und sie von unserer Sache zu
überzeugen. Hierbei habe ich nur die Wächter berücksichtigt, von denen ich
denke, dass es möglich ist sie zu überzeugen, und die eine breitere Basis
vertreten. Ihr werdet noch heute fliegen. Die Tickets habe ich bereits
besorgt.“, der Wächter blickte den verschlafenen Gesichtern seiner Freunde
entgegen, auf denen sich neben Müdigkeit Unverständnis abzeichnete.
„Finden
sie nicht, dass das ein bisschen kurzfristig ist?“, schaltete Kennedy sich ein.
„Ja, doch, eh... ich
hatte nicht erwartet, nun. uhm, dass der Termin schon so bald sein würde. Wir
haben nicht mehr viel Zeit. Wenn die von euch, die einen Job haben, nicht
kurzfristig Urlaub nehmen können, kann ich das natürlich verstehen, aber es ist
wirklich dringend.“
„Also
zumindest bei mir sollte es kein Problem geben.“, stellte Xander fest. Seine
Chefin konnte ihm das wohl kaum verwehren.
Buffy grinste bei Xanders Worten zu Giles hinüber. „Und mein Chef muss mir ja frei geben.“ Giles lächelte trotz der ernsten Lage zurück, bevor ihn Willows Worte wieder zum Thema zurückbrachten.
Willow
hatte für einen Moment nachgedacht, doch dann meldete sie sich zu Wort: „Tut mir Leid, aber ich befürchte, ich habe
zu viel mit dem College um die Ohren, außerdem ist nächste Woche auch die
Abschlussfeier. Also muss ich ihnen wohl leider, was das betrifft, eine Absage
geben.“
„Oh,
nun... ja... das verstehe ich natürlich.“, Giles überlegte für einen Moment,
„Dann werde ich Ronah statt dir schicken. Faith und Robin, ihr werdet euch um
Keiran kümmern, ihn kennt ihr ja bereits. Xander, Kennedy, für euch habe ich
Tickets nach Deutschland, wo ihr euch mit Daniel Westmann
treffen werdet. Er war noch nie sehr involviert in Machtfragen innerhalb
des Rates…“
Einige Zeit später:
Das Geräusch des anfahrenden
Schulbusses, das durch die Gartentür drang, wurde langsam leiser. Willow war
dabei einige Unterlagen durchzusehen, die Giles ihr gegeben hatte, um sich
darum zu kümmern, während er weg war. Sie konnte ihn im Nebenraum hören, wie er
seine Tasche packte.
„Faith
und Wood sind jetzt weg, und wir müssen auch gleich los“, Buffy trat durch die
Tür, gefolgt von Kennedy, „Ich muss noch packen, also werden wir uns wohl nicht
mehr sehen, wenn du nicht mitkommst auf den Flughafen. Und leider wird es wohl
sehr knapp mit deinem Abschlussball, ich hoffe, dass ich und Andrew es
rechtzeitig schaffen, aber ich befürchte, wenn wir nicht ganz glatt
durchkommen, wird es sehr knapp, also wünsche ich dir jetzt schon mal alles
gute dafür!“
„Danke,
aber es ist wirklich kein Problem, wenn du nicht kommen kannst, dann geht es
eben nicht, es gibt Dinge, die wichtiger sind. Macht euch wegen mir keinen
Stress!“, Willow lächelte Buffy verständnisvoll an, „Viel Glück in Rom!“
Als Buffy gegangen war, blieb
nur noch Kennedy zurück: „Xander wartet draußen schon, wir haben also nicht
viel Zeit. Kannst du dich so lange ich weg bin um die Pflanzen in meiner
Wohnung kümmern?“
„Na klar, kann ich gerne
machen, kein Problem.“, Willow lächelte, doch in Kennedys Gesicht zeichnete
sich Besorgnis ab. Forschend musterte sie Willows Miene: „Du siehst nicht gut
aus! Warum wolltest du wirklich nicht verreisen? Ich weiß, dass du deine
Prüfungen schon alle geschrieben hast, also kann das College nicht der wahre
Grund sein.“
Willow
blickte für einen kurzen Moment auf den Boden, das Lächeln verschwand aus ihrem
Gesicht: „Mit geht es nicht so gut, und ich denke, dass mir das Fliegen im
Moment nicht so gut bekommen würde.“, sie fand zu dem Lächeln zurück, „Du musst
dir wirklich keine Sorgen um mich machen!“
Kennedy
schaute sie für einen kurzen Moment kritisch an, dann lockerte sich ihre Miene:
„Wenn du meinst. Pass auf dich auf und lass es dir gut gehen, so lange wir alle
nicht da sind!“
„Das
werde ich! Viel Spaß in Deutschland!“
Die
beiden umarmten sich, dann drehte sich Kennedy ohne ein weiteres Wort um und
verschwand. Willow blickte ihr nach, etwas in ihr wollte ihr nachlaufen und sie
zurückhalten, doch sie widerstand dem Drang. Kennedy hatte keine Zeit sich um
ihre Sorgen zu kümmern.
Sie
wandte sich wieder dem Ordner zu, den Giles ihr in die Hand gedrückt hatte, es
waren einige Notizen, mit denen sie nicht wirklich etwas anfangen konnte, und
eine Kopie eines Stadtplans, auf den überall Zahlen eingetragen worden waren.
Wenn sie durch diese
Aufstellungen durchblicken sollte, dann müsste sie Giles wohl noch einmal
danach fragen, vorsichtig klopfte sie an seine Tür, doch Giles war
offensichtlich schon vollkommen fertig mit packen, als er ihr öffnete: „Willow,
kann ich etwas für dich tun?“
„Ja,
diese Unterlagen, ich habe keine Ahnung, was ich damit anfangen soll!“, Willow
starrte ihn fragend an. Giles nahm ihr den Ordner ab, er schien für einen
Moment irritiert, doch dann erinnerte er sich wieder: „Das sind Aufstellungen,
die ich schon vor längerer Zeit gemacht habe, es geht um die Suche nach dem
Höllenschlund, falls du ein bisschen Zeit hast, wäre es nett, wenn du sie
ordnen könntest!“
„Kein
Problem, ich habe bestimmt etwas Zeit!“, sie nahm den Ordner zurück.
„Die
anderen sind schon weg?“, wollte der Wächter wissen, während er seinen Koffer
verschnürte, Willow nickte nur.
„Giles,
da ist noch etwas, über das ich mit ihnen sprechen wollte, ich hatte heute
Nacht einen merkwürdigen Traum und ich…“, setzte Willow an, doch Giles blickte
nur kurz auf die Uhr: „Tut mir Leid Willow, aber ich muss jetzt wirklich los,
ich bin schon verdammt spät dran, wir können ja ein anderes mal darüber reden!“
„Ja,
“ pflichtete Willow ihm bei, „tut mir Leid, es ist wirklich nicht so wichtig!“
Kennedys Wohnung, nächster Tag, gegen Mittag:
Willow kramte Kennedys Wohnungsschlüssel aus
ihrer Jackentasche und öffnete die Tür. Kennedys Apartment sah hell und
freundlich aus. Willow war noch nie aufgefallen, dass hier doch einige Pflanzen
auf kühles Wasser warteten. Irgendwie war sie gleichzeitig gekränkt und
aufgebracht. Sie hätte Giles gerne etwas über ihren Traum erzählt, und mit ihm
noch über ihre Visionen gesprochen. Aber natürlich verstand sie auch, dass er
seinen Flug erwischen musste.
Unmotiviert
ging Willow in die Küche, und drehte den Wasserhahn auf. Auch wenn sie ihr
Traum immer wieder einholte, wollte sie endlich an etwas anderes denken.
Vielleicht an die Recherchen, die sie tätigen musste? Allerdings kam ihr dieses
Thema auch wieder etwas unvielversprechend vor.
Vorerst wollte sie ihre Aufgabe, diese Blumen mit Wasser zu versorgen,
mit Bravour meistern.
Nachdem sie zweimal erneut Wasser in die Gießkanne gefüllt hatte,
öffnete sie die Badezimmertür, um dort nach Pflanzen zu sehen. Sie erinnerte
sich noch an das eine mal, als sie irgendein Grünzeug umgestoßen hatte, als sie
gerade mit Kennedy beschäftigt war. Doch es hatte überlebt, und beide hatten
sich bis nach dem ausgiebigen Bad nicht weiter darum gekümmert.
Zu Willows Überraschung, musste sie den Lichtschalter betätigen. Das
Sonnenlicht, das sich durch die schmale Spalte des Rollos drängte, reichte
nicht aus um den Raum zu erhellen.
Willow traute ihren Augen nicht, als sie ihren Blick durch das Badezimmer
schweifen ließ. Einige Teelichter, die um die Badewanne verteilt waren,
rundeten den Anblick der Badewanne noch mehr ab. Rote Rosenblätter zierten den
Wannenrand, andere lagen zusammen mit duftendem Badesalz in der Wanne.
Als Willows Augen zum Waschbecken wanderten, prangte ein großes rotes,
mit Lippenstift gemaltes Herz auf dem Spiegel. Dieses wurde von einem
Blumenstrauß, bestehend aus roten Rosen untermalt, die in einer Vase davor
standen.
Mit langsamen Schritten ging Willow auf das Waschbecken zu, und
entdeckte eine Grußkarte, die an der Vase lehnte. Vorsichtig öffnete sie den
Umschlag.
„Liebe Willow,
eigentlich wollte ich dieses Bad zusammen mit dir nehmen, um dich ein
bisschen von deinem Stress abzulenken. Doch leider haben wir ja heute erfahren,
dass ich für einige Tage nicht in Cleveland sein kann.
Ich hätte diese Kerzen gerne selbst für dich angezündet, und das warme
Wasser eingelassen. Aber ich wollte vermeiden, dass meine Nachbarn die
Feuerwehr rufen.
Ich wünsche dir alles Gute zu deinem Abschluss.
Ich liebe dich,
Kennedy“
Willow fühlte sich von einem Moment auf den anderen einfach glücklich.
Auch wenn sie noch immer andere Dinge im Nacken hatte, und diesen Moment nicht
mit Kennedy zusammen genießen konnte.
Mit einem Grinsen auf den Lippen goss sie die letzte Pflanze im Bad,
und bereitete das warme Wasser vor.
England, London, Rat der Wächter:
Junge,
weibliche Körper schwitzten unter der Anstrengung ihres Trainings –
Freikampfübungen im Zweikampf, Waffentraining, Ausdauertraining am Sandsack,
Lehrstunden in der Gruppe – und Lily beobachtete dies alles mit einem
zufriedenen Lächeln von ihrer geschützten Position weiter oben durch eine
Glasscheibe nach unten in den großen Trainingsraum. Die Mädchen waren zu
konzentriert, um zu bemerken, dass man sie beobachtete. Ja, Lily war mehr als
zufrieden, denn alles hier war ihr Werk und bald schon würde sie wissen, ob es
sich gelohnt hatte. Ihr Plan erschien ihr dieses Mal sicherer und viel-
versprechender... und gemeiner. Doch an letzteres wollte sie nicht denken.
Nicht, wenn sie daran dachte, was alles auf dem Spiel stand, wenn sie Schwäche
zeigen würde.
Lily wandte sich von dem Anblick folgsamer Jägerinnen ab, die unter der
Anleitung einiger Wächter ihr Training fortsetzten, um sich der Glasscheibe in
ihrem Rücken zuzuwenden. Der Blick in die Tiefe entlockte ihr dieses Mal kein
Lächeln, sondern ließ ihren Blick verfinstern. Dort unten, in einem kleineren
Raum saßen Jägerinnen, die an der Seite mit Buffy gegen das Urböse gekämpft
hatten. Jägerinnen, die sicher der Meinung waren, dass sie nicht gegen Buffy
und ihre Freunde rebellieren durften, nicht nachdem was sie alles gemeinsam
riskiert hatten, um die Welt vor dem Untergang zu beschützen. Sie waren ein
Risiko, aber eines, das Lily eingehen musste, wenn sie wollte, dass ihr Plan
aufging. Unter Lilys Position ging eine Tür auf und Emma trat in Begleitung
zweier Wächter in den Raum.
Lilys Gesicht entspannte sich wieder. Emma... sie würde dafür sorgen,
dass die Jägerinnen bald eine andere Meinung haben würden. Nicht dass die
Jägerinnen dort unten überhaupt wussten, wieso sie hier in diesem
Trainingslager waren. Oder Emma. Aber Emma war ihre beste Waffe. Emma war aus
Cleveland weggegangen, als Lily noch die „Gute“ war. Für Emma war die Welt noch
heil...
„Hallo, Leute“, richtete Emma ihre Worte an die neu Angekommenen und
lächelte gewinnend. „Schön, dass ihr hier seid und Zeit gefunden habt, euch in
der Wiege des Rates für das kommende Böse ausbilden zu lassen. Ich finde es
ungemein aufregend, so viele von euch kennen zu lernen, die schon mit Buffy
Seite an Seite gekämpft haben... aber na ja, darüber können wir uns später noch
unterhalten. Ich bin selbst seit einigen Wochen hier und ich muss sagen. es
lohnt sich. Es ist anstrengend, aber es macht auch Spaß. Ich bin besser im
Kampf geworden und ich weiß, wie ich meine Stärke einsetzen muss. Mr. Lawson
und Mr. Spoon hier werden euch gleich zeigen, wo ihr schlafen werdet.“ Emma
griff in eine Umhängetasche, die sie mit in den Raum gebracht hatte und zog
eine Spritze und ein Fläschchen hervor.
„Das hier gehört mit zum Training. Ein
Aufbauvitamin, das der Rat für seine Jägerinnen spendiert. Wir bekommen es am
Anfang einmal am Tag, später nur noch einmal die Woche und wenn wir fit genug
sind, ist es gar nicht mehr nötig. So viel Zeit zum Essen haben wir nämlich gar
nicht, um uns alles zurück zu holen, was wir beim Training verlieren, “ Emma
strahlte die Jägerinnen an und Lily wurde von einer sich öffnenden Tür in ihrem
Raum von Emmas nächsten Worten abgelenkt. Sie drehte sich in die Richtung und
sah einen Mann hereinkommen.
„Gibt es Probleme, Pete?“
„Nein, ich wollte nur nachsehen, ob sie mit den Entwicklungen zufrieden
sind?“
„Durchaus,“ lächelte Lily, „durchaus,“ setzte sie nach, als sie sah,
wie unten die ersten Jägerinnen aufstanden, um sich von Lawson die
„Vitaminspritze“ geben zu lassen. Bald würde der Kampf mit Buffy gegen das
Urböse nur noch eine kleine Erinnerung im Gedächtnis der Jägerinnen sein. Bald
würden sie anfangen können, den Jägerinnen klar zu machen, wer ihr neuer Feind
ist.
„Emma macht ihre Sache wirklich gut.“, nickte Pete Richtung
Glasscheibe. „Ich hätte nie gedacht, dass wir sie so lange täuschen können.
Aber wie es scheint, ist sie nach wie vor der Auffassung für die gerechte Seite
zu kämpfen.“
„Das tut sie auch“, sagte Lily scharf und sah Pete mit finsterer Miene
an. „Wir kämpfen für die gerechte Sache. Gäbe es uns nicht, würde dieses Chaos
weiter bestehen. Giles und seine Jägerinnen..., “ sie schnaubte kurz verächtlich
durch die Nase, schüttelte dann den Kopf und blickte von Pete zurück in den
Raum unter ihr. „Leider wird Emma nie erfahren, was passiert ist. Und wenn sie
je bemerken sollte, was gespielt wird, ist es zu spät. Dann wird der Kampf
toben. Manche Maßnahmen erscheinen grausam, aber sind notwendig. Wir brauchen
jede Jägerin auf unserer Seite, um zu siegen. Dafür ist mir jedes Mittel recht.
Auch wenn das bedeutet, dass wir diesen jungen Menschen ein Serum spritzen,
dass sie vergessen lässt, wer sie sind. Aber das spielt keine Rolle. Wir
brauchen „Soldaten“, die funktionieren.“
Pete zog es vor zu schweigen, nickte nur stumm und als Lily zu ende
gesprochen hatte, entschuldigte er sich hastig und verließ den Raum. Zurück
blieb Lily, überzeugt von ihrer Sache, deren Blick sich etwas aufhellte, als
sie sah, dass mehr als die Hälfte der Jägerinnen bereits den Raum verlassen
hatten und der Rest in einer Schlange stand, um sich das „Vitamin“ abzuholen.
Kennedys Wohnung, zur selben Zeit:
Ein angenehmer Geruch, der an Orange erinnerte, lag in der Luft, Willow hatte
die Augen geschlossen und genoss das herrlich warme Wasser, das ihren Körper
sanft umspülte. Nach all den Problemen der letzten Tage konnte sie so ein Bad
gut gebrauchen. Das Rauschen des Wassers war auf eine gewisse Weise sehr
beruhigend.
Der Schaum reichte
inzwischen fast bis zu ihrem Kinn und der Rest ihres Körpers war von ihm
bedeckt, langsam wurde es Zeit das Wasser abzustellen.
Das
leise Summen verstummte und wich einer wohligen Stille, genau das, was sie
jetzt brauchte. In Gedanken war sie schon dabei zu überlegen, wie sie sich bei
Kennedy für diese kleine Überraschung revanchieren konnte.
Willow
atmete tief ein und genoss den Geruch des Bades. Irgendwann würde sie dieses
Bad unbedingt mit Kennedy zusammen nachholen, irgendwann, wenn wieder Ruhe
eingekehrt war.
Plötzlich
fühlte sie einen leichten Stich in ihrer Armbeuge. Sie zog den Arm überrascht
aus dem Schaum heraus und sah eine rote Stelle, die langsam begann größer zu
werden. Hoffentlich keine allergische Reaktion, sie dachte darüber nach, das
Bad zu beenden, doch entschied sich dann dagegen. Vermutlich hatte sie es, was
immer es auch war, nur nicht früher bemerkt.
Während
sie ihren Arm noch betrachtete, spürte sie einen neuen Stich direkt neben dem
anderen. Für einen kurzen Moment kam es ihr so vor, als ob sich die Umgebung um
sie herum ändern würde: Sie war in einem schlecht beleuchteten Raum, vor ihr
ein Mann im Anzug, der irgendwie nach einem Wächter aussah und in ihrem Arm
steckte eine Spritze.
Mit
einem Schlag war alles vorbei. Sie war wieder Willow und lag in ihrem
Schaumbad, doch ihr blieb keine Zeit durchzuatmen, ein
weiterer Einstich in ihrem Arm ließ sie aufschrecken.
Ihr
Arm zitterte, als sie versuchte sich aufzustützen, um aus der Badewanne
herauszukommen. Ein weiterer Einstich hielt sie davon ab - ihr Arm rutschte ab,
schlug gegen den Wasserhahn und öffnete ihn. Das Wasser spritzte hervor, doch
statt einem beruhigenden Rauschen schien sein Klang nun bedrohlich.
Willow
versuchte ihren Arm aus dem Wasser zu heben, doch er bewegte sich keinen
Zentimeter. Immer mehr kleine Einstiche brannten in ihrer Armbeuge und sie
spürte, wie sich eine erschlaffende Wirkung in ihrem ganzen Körper ausbreitete.
Das
Wasser stieg bedrohlich hoch, und es erreichte fast ihren Mund. Mit letzter
Kraft gelang es ihr sich mit ihren Füssen etwas höher zu stoßen, doch dann
versagten auch sie ihren Dienst. Sie konnte sich nicht mehr bewegen.
„Eine sehr unangenehme Situation, möchte man meinen.“, plötzlich trat jemand neben sie – lautlos war der König der Rachedämonen aus dem Schatten aufgetaucht.
„D´Hoffryn!“,
zischte Willow. Sie versuchte erneut ihren rechten Arm zu bewegen, doch nicht
einmal der kleine Finger rührte sich.
Der
Dämon blickte auf sie hinab. Seine Augen gaben nicht Preis, was hinter ihnen
vorging: „Ich hoffe, diese Visionen bereiten dir nicht zu viele Umstände!“
„Dann seid ihr also
dafür verantwortlich!“, selbst ihren Kopf begann die Kraft langsam zu
verlassen, sie versuchte krampfhaft ihn über Wasser zu halten, doch selbst die
letzten Muskeln, die sie noch kontrollieren konnte, ließen langsam nach.
„Oh
nein, ich meine nur, dass es sehr schlecht wäre, wenn du dich nicht mit ihnen
arrangieren könntest, denn ich befürchte, “ er bückte sich zu ihr vor mit einem
diabolischen Lächeln im Gesicht, „ich befürchte, sie werden immer schlimmer
werden. Egal was du tust, sie werden dich verfolgen, unendliche Schmerzen
warten auf dich. Ich will nur, dass du das alles weißt.“
„Zu
gütig!“, das Wasser erreichte den Rand der Badewanne, lief erst langsam über,
dann immer schneller und verteilte sich auf dem Boden.
„So
bin ich eben. Ich will nur, dass du dich daran erinnerst, dass mein Angebot
immer noch steht, dein Potential für einen Rachedämonen ist außerordentlich
groß, und ich würde nur ungern darauf verzichten.“, sein Blick fiel auf den
Wasserhahn, „Soll ich dir damit helfen!“
„Nein danke, ich komme schon alleine zu Recht!“, zischte Willow trotzig.
„Was
immer du willst, doch denk an mein Angebot, wenn die Schmerzen schlimmer werden, denk daran, wenn
die Visionen so schlimm werden, dass sie anfangen, alles was du bist zu
zerbrechen!“, mit einem zufriedenen Lächeln im Gesicht wandte er sich um und
ließ Willow alleine zurück, unfähig sich zu bewegen oder um Hilfe zu schreien.
Clearfield, Pennsylvania, Nachmittags:
Langsam und abwesend glitt ihr Blick über die vorbeirasende Landschaft.
Bäume, Wiesen, Felder, Häuser und Menschen verschwammen zu einem einzigen,
beruhigenden Bild, dessen sich Faith nicht mehr entziehen konnte.
Und während Robin den Highway verließ, und dabei den gemieteten
Chrysler 300 M um eine scharfe Kurve fuhr, schweiften ihre Gedanken immer mehr
ab. Er räusperte sich kurz, wagte einen kurzen Seitenblick zu Faith, widmete
sich dann allerdings wieder der Straße.
„Ich versteh nicht wirklich, warum gerade wir zwei wieder zu Keiran
O’Bailey fahren müssen.“ Meldete sich nun Faith doch zu Wort, versuchte dabei
aber das Unbehagen, welches der Wächter das letzte Mal bei ihr hervorgerufen
hatte, zu verdrängen.
„Weil er uns schon kennt, und weil wir wissen, wie wir am schnellsten
bei ihm sind...“ antwortete der junge Wächter, bremste behutsam und blieb vor
einer roten Ampel stehen.
„Als hätten die anderen hier nicht her gefunden...“ antwortete sie,
strich sich die Haare aus dem Gesicht, und musterte dann wieder die Gegend.
„Clearfield ist doch echt zum kotzen. Ich versteh absolut nicht, wieso
es hier Dämonen her zieht.“
Als Robin wieder Gas gab, erblickte Faith auf der rechten Seite der
Fahrbahn eine Mutter mit ihrer Tochter. Sie standen vor der Auslage eines
Klamottenladens, unterhielten sich lebhaft, und schienen dabei mächtig Spaß zu
haben.
Faith schluckte, wandte sich dann vom Fenster ab, und schaltete das
Radio, das nun schon seit einigen Stunden im Dauereinsatz war, aus.
“Nein, Robin, ich meine das wirklich ernst. Ich denke noch immer nicht,
dass wir die Idealbesetzung für diesen Besuch sind. Keiran hat mir letztens
unmissverständlich klar gemacht, was er von mir hält.“
„Giles hat schon gewusst, warum er uns hier her geschickt hat. Mr.
O’Bailey ist einer der alten, eingeschworenen Wächter, er brauchte jemand mit
etwas mehr Erfahrung, daher hat er uns hier her geschickt.“
Robin steuerte direkt auf die Einfahrt des Hauses zu, in dem sie vor
rund einem halben Jahr schon einmal gewesen waren, um ein Buch über diese
mysteriösen Reiter abzuholen. Obwohl er es Faith nicht zeigen wollte, war er
sich über den genauen Ablauf dieses Besuches eigentlich selbst genau so
unsicher wie Faith. Sie wussten um die Einstellung von Keiran O’Bailey, und die
war definitiv nicht auf ihrer Ebene.
Er war einer der alten, verbohrten Wächter, der sich die alten Zeiten
zurück wünschte, und dabei auch das eine oder andere riskieren würde. Giles
hatte ihn und Faith hier her geschickt, weil der Wächter ein viel zu hohes
Risiko war. Niemand wusste, auf welcher Seite er wirklich stand. Es musste
jemand mit ihm sprechen, der es auch wirklich gut beherrschte, und das war nun
einmal Robin. Und Faith war aus einem ganz simplen Grund mitgeschickt worden:
Sie war eine Jägerin, eine der erfahrensten Jägerinnen, die ihnen zur Verfügung
standen. Wenn hier etwas schief ging, konnten sie sich wehren, auch gegen
andere Jägerinnen, wenn es sein musste.
Robin blickte noch einmal kurz zu seiner Jägerin und musste leicht
schmunzeln. Sie war so enorm stark, und doch verspürte sie innerlich Angst,
wenn sie an eine erneute Konfrontation mit diesem verbohrten Wächter dachte.
Aber das Gefühl der Angst und des Unbehagens hatten sie wohl alle schon zu gut
kennen gelernt. Robin dachte kurz wieder an Lily, und kam wieder zu der
Erkenntnis, dass er diese Frau absolut nicht verstehen konnte. Wie kann jemand,
der eigentlich seinen festen Platz in der Gesellschaft hatte, dem nie etwas
fehlte, und um den sich immer jemand kümmerte, nur so durchdrehen? Und was war
mit den anderen Wächtern los? Wieso gaben sie dieser Verrückten nur die Zügel
in die Hand?
Robin trat erneut auf die Bremse, parkte das Fahrzeug ein, und stellte
den Motor ab. Er musste wohl oder übel damit leben, dass er die Antworten auf
diese Fragen niemals bekommen würde. Sie konnten nur dagegen arbeiten, und
dabei ihr bestes geben.
„Okay, nichts wie ran an den Feind!“ sagte Faith, die anscheinend wie
aus dem Nichts neuen Mut gefasst hatte, und sprang aus dem Wagen. Robin griff
nach seiner Mappe, die auf dem Rücksitz lag, und voller Informationen über die
Vorgänge in Cleveland und England waren, er stieg ebenfalls aus dem Auto aus,
und sperrte dieses danach ab.
„Positives
Denken...“ sagte er leicht ironisch, trat zusammen mit Faith auf die
Eingangstür zu, läutete.
Faith versuchte ihr freundlichstes Lächeln aufzusetzen, und erwartete
Lisha O’Bailey, die ihr auch das erste Mal die Tür geöffnet hatte. Allerdings
wurde sie enttäuscht. Ein junges, verschwitztes Mädchen öffnete ihnen die Tür
und sah sie finster an. Robin und Faith war sofort klar, dass ihnen eine von
Keirans Jägerinnen gegenüber stand.
„Wie kann ich euch helfen?“ fragte sie, und ihr Gesicht erhellte sich darauf
unerwartet. Sie schienen das Mädchen
anscheinend nur unerwartet bei etwas gestört zu haben.
“Wir haben vor einigen Tagen bei Mister O’Bailey angerufen, und ihn um
ein Gespräch gebeten. Mein Name ist Robin Wood, ich bin der leitende Wächter
der Ratszentrale von Cleveland. Ich müsste wirklich dringend mit deinem Wächter
sprechen...“
„Oh, kein Problem. Kommen sie nur herein. Ich werde Keiran holen. Er
ist gerade bei seiner Frau im Garten. Moment...“ das Mädchen lächelte sie noch
einmal kurz an, nachdem sie die Tür hinter ihnen wieder geschlossen hatte, und
lief dann durch die Tür ins Freie.
Robin und Faith sahen sich verwundert an. Hier war irgendetwas anders.
Etwas stimmte nicht.
„Merkst du das auch….was...?“ flüsterte Robin und sah sich im Eingangsbereich
um.
„Es ist so still...“ antwortete Faith und sah ihn durchdringend an.
Gespenstische
Stille breitete sich aus, während sich die beiden vorsichtig umsahen, und dabei
auch kurze Blicke in die angrenzenden Räume warfen.
„Mister Wood! Schön, dass sie endlich angekommen sind!“ ertönte eine
Stimme, die früher vielleicht einmal laut und durchdringend war, nun allerdings
schon gebrechlich und kraftlos wirkte.
Die Beiden fuhren herum und sahen einen Mann, der nur mehr ein
Abklatsch des Keiran O’Baileys war, den Faith zuletzt getroffen hatte.
Er nickte ihnen freundlich entgegen, worauf sie ihm in sein Wohnzimmer
folgten, und 15 Minuten später auch Irish Coffee vor sich auf dem Tisch stehen
hatten.
„Wie geht es ihrer Frau, Mrs. Lisha?“ fragte Faith, und versuchte dabei
das komische Gefühl, dass sich hier einiges verändert hatte, zu vertuschen.
Keirans Gesichtsmuskeln zuckten kurz merklich, allerdings hatte er sich
einige Augenblicke später wieder im Griff. Die Jägerin, deren Name Linda war,
und am längsten bei O’Bailey lebte, hatte sich um die Getränke gekümmert, und
stand nun im hinteren Teil des Raumes.
“Meine Frau verstarb leider vor einigen Wochen...“ antwortete er knapp,
und nahm darauf einen Schluck.
Faith und Robin tauschten kurz einen überraschten Blick aus. Der Mann
hatte seine Frau verloren, deshalb hatte er sich so verändert. Er wirkte
irgendwie, als hätte ihm das das Fundament unter seinen Füßen weg gezogen.
„Warum ist es hier so still? Wo sind ihre Jägerinnen?“ fragte Robin, und
beobachtete, dass er mit der Frage ins Schwarze getroffen hatte.
„Ich hab sie, das heißt, alle bis auf Linda, auf Anraten von Ms. Usher
nach England geschickt. Sie werden dort einem Spezialtraining unterzogen, und
sollen in einigen Wochen wieder zurückkehren.“
‚Das denkst du aber leider nur!’ schoss es Faith durch den Kopf. Sie
war noch immer überrascht. Der Wächter schien sie nicht einmal mehr richtig zu
erkennen.
„Nun, dann wären wir ja schon beim Thema angelangt. Ich denke Ms. Usher
hat ihnen ihre Version schon erzählt. Nun kommt unsere. Wir verstehen, dass
dies alles sehr verwirrend für sie sein kann, aber nichtsdestotrotz sind wir
nicht hier her gekommen, um ihnen Lügengeschichten zu erzählen...“ Robin schlug
seine Mappe auf, nahm einige Zettel heraus und überreichte sie dem Wächter.
Dieser lauschte den Vortrag des jungen Kollegen skeptisch, zeigte nur
mit Nicken, dass er auch wirklich noch bei der Sache war, und unterbrach ihn
bis zum Schluss kein einziges Mal.
Kennedys Wohnung, später Nachmittag:
Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, und vermutlich wollte sie es
auch gar nicht wissen. Langsam begann das taube Gefühl, das ihren ganzen Körper
einhüllte, zu verschwinden und es war ihr mit ihrem Fuß gelungen das Wasser
abzuschalten. Dennoch war zumindest das Bad komplett überschwemmt. Hoffentlich
würde es ihr gelingen es so weit zu beseitigen, dass Kennedy nichts merken
würde, wenn sie zurückkam.
Mühsam gelang es ihr, nach dem schon einige Versuche gescheitert waren, aufzustehen und den Stöpsel der Badewanne zu lösen.
Ihre
Beine gaben immer wieder nach, als sie sich aus dem Badezimmer hinaus zu
schleppen versuchte. Sie fiel hin und hangelte sich schließlich an einem Regal
entlang hinaus ins Schlafzimmer. Zum Glück beschränkte sich die Überschwemmung
nur auf das Badezimmer, aber es wäre wohl unmöglich gewesen sich jetzt darum zu
kümmern, sie ließ sich nur auf das Bett sinken, schloss ihre Augen und
innerhalb weniger Minuten war sie weggetreten.
Als
sie sie wieder öffnete, war sie nicht mehr in Kennedys Raum, sie stand auf
einer Lichtung, es war Nacht und der Himmel war völlig wolkenfrei, als ob die
Sterne ihrem Tod persönlich beiwohnen wollten. Die Fesseln schnitten in ihre
Handgelenke und drückten sie fest an den Holzpfosten. Es gab kein Entkommen,
kein Erbarmen. Sie und ihre Schwestern waren verloren.
Die
in dunkle Umhänge gehüllten Männer auf der anderen Seite redeten leise, doch
Willow konnte nicht verstehen, was sie sagten. Sie hatte Angst, unendliche
Angst, ein kurzer Blick zu ihren Schwestern zeigte, dass es den beiden nicht
anders ging - starr blickten sie vor sich hin.
Nachdem
die Wächter sie mit dem Feuer aus der Bibliothek getrieben hatten, hatten sie
sie hier her gebracht. Die Älteste war den Flammen zum Opfer gefallen, und eine
der anderen hatten die Männer mitgenommen. Willow wusste nicht, welches
Schicksal ihr bevorstand und vermutlich wollte sie es auch nicht wissen.
Einer der Männer trat
vor. Um seinen Hals baumelte ein christliches Kreuz: „Nun werdet ihr endgültig
brennen!“, er ließ sich eine Fackel reichen und hielt sie Willow direkt unter
die Nase: „Was sagt ihr nun, im Angesicht eurer gerechten Strafe?“
„Was
ich sage? Ihr seid Narren! Ihr rennt in euren eigenen Untergang, doch wenn ihr
uns töten wollt, dann tut es, doch besiegen werdet ihr uns niemals!“, ereiferte
sich eine ihrer Schwestern.
„Sprich
nicht in diesem Ton mit mir, Weib!“, er stieß die Fackel in den Holzhaufen, der
zu ihren Füssen aufgestapelt worden war, „Und jetzt begegne deinem Untergang!“
Willow
schloss ihre Augen, Rauch stieg in ihre Nase auf und sie musste husten.
Auf
der anderen Seite hörte sie die Männer laut lachen, ihre Schwester schrie neben
ihr auf, als das Feuer sich an ihr hoch züngelte.
Verwundert
stellte Willow fest, dass die Angst in ihr mit einem Schlag verschwunden war,
stattdessen erfüllte sie eine erschreckende Gleichgültigkeit.
Sie
hörte die Stimmen der Wächter, die etwas abseits standen: "Gute
Arbeit. Wir kommen voran."
"Aber Roland, es wird schwieriger, die
meisten sind gewarnt und verstecken sich!“, wendete ein anderer ein.
„Ach was, die Sache mit den Hüterinnen wird sich
von selbst erledigen, auf dem einen oder anderen Weg. Schon bald werden sie
nicht mehr existieren.“
Als die Flammen Willows Füße erreichten, löste
sich ein Schrei aus ihrer Kehle, der weit durch die kühle Nacht hallte.
Deutschland, Frankfurt, später Abend:
„Was
willst du denn mit den Postkarten machen, wenn du sie nicht verschicken
willst?“, wollte Kennedy verwirrt wissen.
Der Taxifahrer warf ihnen durch den Rückspiegel
immer wieder misstrauische Blicke zu, vermutlich wunderte er sich, was sie
redeten, denn sein Englisch war nicht das Beste. Das hatte Xander feststellen
müssen, als er versucht hatte zu erklären, was ihr Ziel war. Letztendlich war es
ihnen aber zum Glück mit Hilfe einer Karte gelungen.
„Das sind Erinnerungsstücke, wenn ich irgendwann mal Kinder und Enkel
haben sollte, dann kann ich sie ihnen zeigen und sagen, dass ich wenigstens
einmal in Deutschland gewesen bin!“, versuchte Xander zu erklären, doch Kennedy
schien ihn nicht ganz ernst zu nehmen: „Ja du warst einmal in Deutschland,
für“, sie warf einen kurzen kritischen Blick auf ihre Uhr, „wenn alles gut
läuft und er uns nicht direkt weg schickt für etwa 12 Stunden!“
„Trotzdem!“, so leicht gab Xander sich nicht geschlagen, „Immerhin war
ich hier, und an ein paar von den Gebäuden auf den Karten sind wir bestimmt
vorbei gefahren. Zum Beispiel an dem hier!“, er hielt ihr eine der Postkarten
hin.
„Das Brandenburger Tor steht in Berlin!“, Kennedy musterte ihn
kritisch, „Wenn, dann hättest du sie nicht im Flughafen kaufen dürfen, sondern wenigstens
von einem der lokalen Händler hier.“
Das Taxi wurde langsamer und hielt schließlich ganz an, sie waren
angekommen. Während Kennedy bereits ausstieg, beglich Xander die Rechnung.
„Stimmt so!“, er hatte diesen Spruch aus einem alten Film, in dem
einige Deutsche eine Rolle spielten, und es hieß wohl, dass der Fahrer den Rest
behalten sollte.
Für einige Sekunden schien der Mann zu überlegen, ob er sich auf
Englisch bedanken sollte, doch dann nickte er ihm nur einigermaßen freundlich
zu und fuhr wieder los.
Kennedy trat neben Xander und deutete auf ein großes von Efeu
eingeschlossenes Tor, an dem eine gut erkennbare „23“ heftete: „Das muss es
sein!“
„Wow, das ist ja beinahe wie in einem Horrorfilm!“, er drückte auf die
bereits rostige Klingel, „Nur dass die
Häuser in diesen Filmen meistens in England stehen; hey, haben wir uns
vielleicht im Land vertan? Ich dachte Giles würde sich um England kümmern!“
„Wales, er ist in Wales, und sei lieber froh, dass er diese
Verwechslung nicht mitgekriegt hat.“
Sie warteten einige Minuten.
„Vielleicht zieht er es vor gar nicht erst raus zu kommen?“, mutmaßte
Kennedy. Sie presste ihr Gesicht an die Gitterstäbe, „Zumindest kann man Licht
dort im Haus erkennen.“
„Was war das?“, fragte Xander plötzlich. Kennedy fuhr erschrocken zu
ihm herum, als würde sie irgendein Monster erwarten.
„Regentropfen, jetzt sind es schon zwei!“, Kennedy blickte Xander für
einen Moment vorwurfsvoll an, dann richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf den
wolkenverhangenen Himmel, der immer dunkler wurde.
„Verdammt, er kann uns doch nicht hier draußen im Regen stehen
lassen!“, sie drückte die Klingel erneut.
„Na ja, wenigstens kann ich meinen Kindern und Enkeln dann was vom
deutschen Regen erzählen!“, stellte Xander fest, als sich endlich etwas in dem
Haus tat.
Jemand öffnete die Tür und kam auf das Tor zu. Es war ein relativ
kleiner Mann, wohl Mitte 50, und was das wichtigste war - er ließ sie herein.
„Danke, wir dachten schon, es würde niemand mehr kommen!“, erklärte
Kennedy erleichtert, „Wir wurden von Mr. Giles geschickt. Sie sind Mr.
Westmann?“
„Ja, das bin ich und ihr Besuch ist mir schon angekündigt worden.“,
seine Miene verzog sich kein bisschen, es war unmöglich zu sagen, was in ihm
vorging, „Jedoch befürchte ich, dass sie ein bisschen warten müssen, denn ich
habe bereits sehr wichtigen Besuch. Mr. Lenhardt direkt vom Rat der Wächter in
einer Sache von essenzieller Bedeutung, die keinen Aufschub verträgt.“
Rom, Placa del Rotonda, nächster Tag, Morgen:
“Il cane, il gatto, la pecora, la mucca…. “
Mit einer Hand löffelte Andrew sein Eis, während er mit der anderen sein Buch
festhielt. Zwar konnte Buffy den Titel nicht lesen, aber den Bildern zufolge
sah es aus wie eine italienische Fassung von “Old MacDonald’s“ – bunte Bilder
von einem Bauernhaus mit allerlei Tieren.
“Willst du den Wächtern morgen etwas über Bauernhöfe erzählen?“ fragte
Buffy amüsiert und faltete das bunte Papierschirmchen zusammen, das ihren
eigenen Eisbecher schmückte.
“Nein, ich bin nur ein bisschen am Üben.“ Andrew legte das Buch auf den
Tisch und widmete sich wieder den Notizen, die sie beide vor sich liegen
hatten. “Kinderbücher sind ziemlich praktisch, wenn man eine Sprache lernt. Und
dieses Italienisch ist viel komplizierter als Klingonisch, oder so, “ er warf
wieder einen Blick ins Buch, “ich meine, siehst du einen Sinn darin, dass
Katzen und Mähdrescher etwas Männliches sind, und Stühle und Schafe etwas
Weibliches?“
“Nein, ich sehe keinen Sinn darin.“ Buffy lehnte sich zurück, und
genoss eine angenehme Brise, die ihr Haar, und das leichte Sommerkleid zum
Flattern brachten. Es war ein warmer, sonniger Abend, ganz anders als in
Cleveland, wo Kleid und Sandaletten noch für mindestens einen Monat im Schrank
geblieben wären. “Ich glaub’ auch nicht, dass es hier Elben gibt“, fügte sie
hinzu und Andrew grinste.
Romano Belussci hatte sich als echter Glücksfall erwiesen. Er hatte
ihren Ausführungen ruhig und bedacht zugehört, und gleich für den nächsten Tag
ein Treffen der italienischen Wächter einberufen. Er selbst war von Giles’
Unschuld überzeugt, wusste jedoch nicht, inwieweit die anderen Wächter dem
zustimmen würden. So wie es aussah, lag einiges an Überzeugungsarbeit vor
ihnen.
“Ich
dachte, das wirkt vielleicht ganz gut, wenn ich ein bisschen italienisch
kann...du kennst ja das Klischee vom dummen Ami, der nix lernt außer Englisch.“
Andrew zog sein Jackett aus und hängte es über den Stuhl. Er trug einen der
Anzüge, die er mit Kennedy gekauft hatte, und dazu Flip-Flops. Zuerst war ihr
diese Kombination ein wenig seltsam vorgekommen, doch nachdem sie den vierten
oder fünften Geschäftsmann in ähnlichem Aufzug hatte vorbeihasten sehen, hatte
sie aufgehört, sich zu wundern.
Schritte auf dem Asphalt rissen sie aus ihren Gedanken, und die Tauben,
die um die Tische herumpickten, flatterten kurz auf. Der Kellner, ein äußerst
attraktiver junger Mann war an ihren Tisch getreten, auf seinem Tablett ein
sorgfältig gefalteter Zettel. “Signora Summers? Uno messaggio per lei.”
“Ich kenn’ hier doch niemanden”, wunderte sich Buffy, während Andrew
sich überschwänglich bedankte. Beide blickten dem Kellner für einen Moment
hinterher, Buffy riss sich jedoch zusammen, als sie denselben schwärmerischen
Ausdruck, den sie auch auf ihrem Gesicht vermutete, auf Andrews reflektiert
sah. “Was?“ fragte er mit unschuldigem Augenaufschlag.
“Nichts.” Buffy faltete das Papier auf. Sie hatte mit einer Nachricht
von Belussci gerechnet, aber dies hier...
“Der Unsterbliche?“ Andrew zog überrascht die Augenbrauen hoch. “Aber
wir sind doch erst seit ein paar Stunden hier. Woher...?“
“Er muss seine Augen und Ohren wirklich überall haben.“ Buffy überflog
die geschwungene Handschrift. “Hier steht, er entschuldigt sich, dass er mich
heute noch nicht empfangen kann, weil er erst morgen wieder in Rom sein wird,
aber...“
“…morgen ist das Treffen, “ wandte Andrew ein.
“Na, wunderbar.” Buffy stieß hörbar die Luft aus. “Perfektes Timing!“
“Halb so wild, “ beruhigte sie Andrew. “Signore Belussci und ich
kriegen den lahmen Wächterverein schon rum. Dass wir was über die Reiter
erfahren, ist viel wichtiger, du solltest auf alle Fälle da hingehen. “
Sie nickte langsam. Eigentlich war es das Vernünftigste, trotzdem
behagte ihr der Gedanke nicht, Andrew bei der Versammlung allein zu lassen.
Was, wenn der Junge damit überfordert war?
Aber es war wohl nicht zu ändern. Außerdem, Belussci hatten sie ja
schon auf ihrer Seite, und der Mann schien ihr eine starke Persönlichkeit zu
sein.
Ein Mann mit einer starken Persönlichkeit. Ohne, dass sie es
beabsichtigt hatte, wanderten ihre Gedanken zu ihrer ersten ’geistigen’
Begegnung mit dem Unsterblichen zurück. Wie es wohl sein würde, ihm in
Wirklichkeit zu begegnen?
AKT 2
Cleveland, College, Vormittag:
Willow versuchte immer noch zu verarbeiten was
gerade passiert war. Krampfhaft versuchte sie das Chaos in ihrem Kopf zu
sortieren.
In
Gedanken an ihren letzten Traum versunken, bemerkte die Hüterin ihren Professor
erst gar nicht, der sie neben sie gestellt hatte und sie missmutig anfunkelte.
Erst als er sie mit einem strengen „Miss Rosenberg?!“ aus ihren Gedanken riss,
zuckte die Rothaarige zusammen.
„Was? Entschuldigen sie, Professor. Ich war...“
„nicht ganz bei der Sache wie üblich!“ schnaubte der Professor
entrüstet. „In etwas mehr als einer Woche findet die Abschlussfeier statt. Ein
paar der freiwilligen Helfer sind ausgefallen. Ich habe deshalb vorgeschlagen
die Studenten, die einige Male negativ aufgefallen sind, unfreiwillig mithelfen
zu lassen. Unter anderem sie, Miss Rosenberg!“ Der Dozent kramte in seiner
braunen Ledertasche nach seinen Notizblock und notierte Willows Namen.
Die Hüterin klappte ihren Mund auf und zu. Noch nie war sie von einem
Lehrer oder Dozenten für negatives Verhalten bestraft wurden. Schon zu High
School Zeiten nicht. Die Lehrer waren mit Willow immer vollauf zufrieden
gewesen, hatten sie sogar schon öfter gebeten einzuspringen und die Klasse zu
unterrichten.
Eine Strafe machte sich nicht gerade gut in ihrer blütenweißen Weste
als Schülerin und Studentin. Abgesehen davon war sich Willow nicht bewusst
etwas unrechtes gemacht zu haben.
„Negativ aufgefallen? Aber Professor wann denn?“ entrüstete die
Rothaarige sich und war aufgestanden. Gelbe Funken tanzten in ihren Augen
während sie gespannt auf die Gegenargumentation ihres Dozenten wartete.
„Die letzte Vorlesung, erinnern sie sich? Sie sind umgefallen und haben
danach ohne ein Wort und unberechtigt die Vorlesung verlassen! Es tut mir leid,
Miss Rosenberg, aber wenn alle Studenten so handeln würden, ginge es hier bald
zu wie im Wirtshaus!“
Der Rothaarigen blieb nichts weiter übrig als sich mürrisch in ihr
Schicksal zu fügen obwohl sie keine Schuld an dem Vorfall trug. Schließlich
stand es nicht in ihrer Macht ihren Visionen zu befehlen bis nach der Vorlesung
zu warten.
Aber andererseits was konnte sie schon tun? Die Hüterin konnte ihrem
Professor ja schlecht erklären, dass sie aufgelöst von einer Vision zuerst
umgefallen und dann überstürzt die Vorlesung verlassen hatte. Mal ganz von der
Tatsache abgesehen, dass er ihr sowieso nicht glauben oder sie für verrückt
halten würde.
Willow seufzte, verschränkte die Arme vor ihrer Brust und betrachtete
das Thema als beendet. Genau wie der Professor, der sein Notizbuch zuklappte
und mit dem Unterricht fortfuhr
Ghana, Ophinso, Wächterzentrale, gleiche Zeit:
„Ein bisschen aufgeregt bin ich ja schon.“ Flüsterte Dawn Ronah zu,
während sie auf ihrem Sitz hin und her rutschte. Die Holzbänke waren doch
ziemlich glatt und unbequem. Sie saßen in einem Eingangsbereich der
Wächterzentrale von Afrika. Sie hatten sich hier mit dem obersten der Wächter
verabredet. Die beiden Jägerinnen befanden sich in Kapstadt. Von dieser Zentrale
aus wurden die Aktivitäten in Afrika geleitet.
Dawn und Ronah hatten es nicht glauben können. Als sie hier ankamen,
waren sie überrascht gewesen, wie heruntergekommen das Gebäude gewesen war. Der
junge Schwarze, der sie vom Flughafen abgeholte hatte, war ständig damit
beschäftigt gewesen das alte Auto auf der Straße zu halten. Noch nie hatten
Dawn und Ronah solche Angst beim Autofahren gehabt. Der Verkehr in Kapstadt war
mörderisch.
„Wieso denn?“ fragte Ronah, „Giles hat uns doch alles aufgeschrieben
und ist mit uns den Gesprächsverlauf doppelt und dreifach durchgegangen.“
Während sie dies sagte, blätterte Ronah in den Notizen, die ihr Giles
mitgegeben hatte. Allerdings fragte Sie sich, ob diese Informationen Ihnen
etwas nutzen würden. Wenn sie Pech hatten, würde der Wächter sie sicherlich
nicht einmal anhören. Wahrscheinlich hatte er sich eh schon ein eigenes Bild
gemacht.
„Ich
weiß einfach nicht. Für mich sieht das alles so sinnlos aus.“ Mokierte sich
Dawn. „Lily hat sicherlich überall ihre Finger drin und es würde mich nicht
wundern, wenn hier gleich die Wächterpolizei um die Ecke kommt. Mir ist einfach
mulmig.“
„Ach komm, so schlimm ist es doch hier nicht.“ Ronah ließ ihren Blick
über das schweifen, was sie bisher von der afrikanischen Wächterzentrale
gesehen hatte. Sehr afrikanisch sah es hier nicht aus. Eher wie in einem
Amtsgebäude. Auf dem Flur standen Holzbänke an der Wand, für die Wartenden. Die
Farbe an den Wänden sah recht abgeblättert aus und die Türen hätten schon
längst mal gestrichen werden müssen.
Auch mit Dekoration war es nicht weit her. Einige Kunstdrucke hingen an
den Wänden.
„Schau mal.“ Ronah war aufgestanden und schaute sich die Bilder an.
„Afrika ist so weit weg von England und wenn ich mich hier so umschaue, komme
ich eher auf die Idee, dass die hier noch nicht mal was davon wissen.
Wahrscheinlich kommen wir als Erste. Die Wächterzentrale hier hat sicherlich
nicht viel Unterstützung, sonst sähe sie nicht so schäbig aus.“
„Hm“, grummelte Dawn „Ich bin mir nicht so sicher. Giles hat auf jeden
Fall gesagt, dass wir vorsichtig sein sollen, mit dem was wir sagen und wie wir
es sagen. Sollten die Wächter hier doch schon Bescheid wissen, dann kann alles,
was wir sagen, die Sache noch schlimmer machen, wenn wir nicht aufpassen.“
„Ach Dawn, mach dir doch nicht so viele Gedanken. Aber er lässt echt
lange auf sich warten.“
Als Zeitpunkt für das Treffen hatten die Jägerinnen 10 Uhr
vorgeschlagen. James Mufume hatte nichts dagegen gehabt. Nun warteten die
Beiden schon fast eine Stunde und es war weit und breit nichts von dem Wächter
zu sehen.
„Ich finde, das ist kein gutes Zeichen, dass wir so lange warten
müssen. Wer weiß, wer hier gleich ankommt.“ Dawn hatte ein schlechtes Gefühl
und das wollte partout nicht weg gehen.
„Wer weiß, “ versuchte Ronah sie zu beruhigen, „Es ist ihm bestimmt was
dazw...“ Die letzten Worte blieben Ronah im Hals stecken.
Es hatte einen lauten Knall gegeben, als die Tür aufflog und mit der
stickigen Mittagshitze zwei völlig verdreckte und verschwitzte Gestalten
hereintaumelten.
Es handelte sich um ein junges, schwarzes Mädchen, das sich auf ein
sehr beeindruckendes Schwert stützte und einen jungen Mann hinter sich herzog.
Er schien Anfang 20 zu sein und hatte eine eher hellbraune Hautfarbe. Das
Mädchen ließ den jungen Mann los und fing an ihn zu beschimpfen. Dawn und Ronah
konnten nicht verstehen was sie sagte, aber der Tonfall ihrer lauten Stimme war
nicht misszuverstehen.
Plötzlich riss sich der Mann los und unterbrach sie mit einem Wort.
Laut und autoritär gesprochen stoppte dies die Schimpftirade der Jägerin. Dass
sie eine war, war ohne Zweifel. Wer lief sonst mit einem Schwert in der Hand
herum. Der Mann sagte noch etwas in der fremden Sprache, deutete mit dem Finger
in Richtung von Dawn und Ronah und die Jägerin machte sich mit finsterem
Gesichtsausdruck in Richtung der beiden auf den Weg.
Als sie an Dawn und Ronah vorbeikam, murmelte sie: „Jaja, große Klappe
und nichts dahinter.“ Zwinkerte den beiden zu, die sie verblüfft ansahen und
verschwand hinter der nächsten Biegung.
„Das hab ich gehört!“ rief der Mann hinter hier her.
Er schüttelte sich den Staub aus den Haaren. Obwohl das ein unmögliches
Unterfangen war. Der Staub klebte mit anderen ekligen Substanzen zusammen.
„Euren
erschrockenen Gesichtern entnehmen ich, dass ihr so was nicht gewohnt seid und da ich eure Gesichter auch nicht kenne, vermute ich
mal, ihr seid Dawn und Ronah. Herzlich willkommen in Afrika. Ich bin James
Mufume.“
„Tja, dann Hallo.“ Stammelte Dawn vor sich hin, während sie noch
überlegte ob sie ihm die Hand reichen wollte. Er sah wirklich reichlich dreckig
aus. Ronah war nicht so zimperlich.
„Hi, ich bin Ronah. Das war ja ein starker Auftritt. Haben Sie grad den
Weltuntergang verhindert oder waren Sie Schlammcatchen?“ James fing an zu
lachen.
„Du bist ja nicht auf den Mund gefallen. Ich bin ja gespannt, was ihr
beiden so dringendes mit mir besprechen wollt. Wenn ihr gestattet, würde ich
mich gerne erst mal schnell duschen, damit ihr nicht unter meinem Aussehen
leiden müsst.“ Sagte James mit einem Seitenblick auf Dawn. Sie wurde rot.
„Kommt erst mal in mein Büro, da könnt ihr was trinken und euch
bequemer hinsetzen. Ich weiß, was für Folterinstrumente hier im Gang stehen.“
James Büro war ganz anders als das restliche Gebäude. Es strahlte ein gewisse Wärme aus. Die Wände waren mit einem dunklen
Holz verkleidet und ein großer Schreibtisch nahm fast die Hälfte des ganzen
Zimmers ein. In einer Ecke unter dem Fenster stand eine kleine Sitzgarnitur und
auf dem Tischchen standen Getränke und Gläser.
Dawn und Ronah stürzten sich auf die Getränke, erst jetzt bemerkten
Sie, wie durstig sie waren.
Als James wiederkam setzte er sich zu den beiden in die Sitzecke.
„So dann schießt mal los. Ihr habt meine ungeteilte Aufmerksamkeit.“
Unsicher sah Dawn zu Ronah. Die schwarze Jägerin holte tief Luft und
fing an zu erzählen, wie sie es mehrfach mit Giles geübt hatte.
Cleveland, College,
Mittag:
Lustlos fuhr Willow mit
dem Löffel durch ihren Joghurt, das restliche Essen hatte sie ganz stehen
lassen, scheinbar wirkten sich die Visionen langsam auch auf ihren Hunger aus,
oder es war eine Nachwirkung von der Substanz, die den Jägerinnen verabreicht
worden war. Die Einstiche in ihrer Armbeuge juckten immer noch, wenn es
wirklich das war, für das sie es hielt, müsste sie es Giles unbedingt
berichten. Was immer Lily den Mädchen spritzen ließ, und Willow war davon
überzeugt, dass es auf Lilys Konto ging, es war eindeutig äußerst gefährlich.
Hoffentlich
würde Giles sie bald anrufen, denn sie wusste nicht, wie sie ihn erreichen
könnte, und sie müsste wirklich mit ihm sprechen. Immer wieder musste sie an
die Hüterinnen aus ihren Träumen denken, wann hatten sie gelebt? Wieso hatten
sie sterben müssen? Für sie stand es außer Zweifel, dass all diese Träume
wirklich so stattgefunden hatten. Vielleicht wäre es möglich etwas über sie
herauszufinden?
„Entschuldige,
darf ich mich setzen?“, die junge Kommilitonin lächelte Willow freundlich an.
„Oh
ja, sicher, bitte setz dich! Ich kann mich nicht oft genug bedanken für deine
Hilfe!“, Willow lächelte sie an, doch es wirkte eher lustlos, „Ohne dich hätte
ich die Abschlussarbeit wohl nie hingekriegt!“
„Übertreib
doch nicht, du weißt genau, dass du das alles auch von alleine gekonnt hättest!
Du hast verdammt viel Potential, du müsstest dich nur ein bisschen mehr
reinhängen!“, die junge Frau öffnete das Tablett und beäugte ihr Essen kurz
misstrauisch, bevor sie sich eine Gabel nahm, „Wieso hast du nur einen Joghurt,
ist irgendwas mit dem Essen nicht in Ordnung?“
„Ich
bin überzeugt, es ist alles bestens, ich habe einfach nur keinen Hunger!“,
Willow zwang sich einen Löffel mit Joghurt in ihren Mund zu führen.
„Na
dann. Ich habe gehört, du bist an der Organisation des Abschlussballes
beteiligt?“
„Ja,
aber sicher nicht freiwillig. Professor Rickman hat mich wegen dem Vorfall vor
einigen Wochen dafür eingeteilt.“, unmotiviert zog Willow den Löffel aus dem
Joghurt und führte ihn in ihren Mund.
„Hat er?“, die Kommilitonin war sichtlich erschüttert, „Deswegen? Oh bitte, er hätte sehen müssen, dass es dir nicht gut geht! Hat er das bis heute nicht eingesehen?“
„Offensichtlich nicht.“, bemerkte Willow mit hochgezogener Augenbraue, „Und ich habe so schon genug zu tun!“
Für
einen Moment starrte die junge Frau sie durchdringend an ohne eine Miene zu
verziehen, dann lächelte sie: „Naja, du musst das ganze einfach positiv sehen.
Pass auf, was hältst du davon? Ich werde den Professor gleich fragen, ob du mir
bei der Organisation des Buffets helfen kannst, das sind nur ein paar Anrufe,
die noch erledigt werden müssen.“
Willow
lächelte zaghaft: „Ja sicher, das wäre toll.“
„Gut,
dann habe ich genug Zeit um einige Freiwillige zu finden, die die Tische
aufstellen“, sie seufzte kurz, „und glaub mir, dein Teil der Aufgabe ist
weitaus einfacher!“
Willow
beschloss, dass es keinen Sinn hatte sich mit dem Joghurt herum zu quälen, sie
hatte einfach keinen Hunger, also stellte sie ihn bei Seite und wandte sich der
jungen Kommilitonin zu: „Danke! Ich weiß wirklich nicht, was ich hier ohne dich
machen würde, Gretchen.“
Italienische
Ratszentrale, Abends:
“Das sind schwere Anschuldigungen, die Sie da anbringen, wirklich
schwere Anschuldigungen.“ Das zerfurchte Gesicht der alten Wächterin Frapolli
verzog sich in einer Mischung aus Sorge und Misstrauen. “Und wir haben nichts,
außer Ihrem Wort.“
Zustimmendes Nicken in der Runde. Andrew blickte sich um, sah in die
skeptischen Gesichter. Größtenteils waren sie ablehnend, aber es war nicht die
Art von Ablehnung, die er befürchtet hatte. Diese Leute waren nicht unbedingt
auf Lilys Seite, sie waren nervös und misstrauisch, weil sie spürten, dass
etwas nicht in Ordnung war. Und sie wussten nicht, wem sie trauen konnten.
In diesem Moment bedauerte er es ganz besonders, dass Buffy nicht hier war.
Sie konnte so überzeugende Reden halten...
“Auch Ms. Usher hat keine wirklichen Beweise für ihre Behauptungen, “
begann Andrew, und spürte, wie seine Handflächen schwitzten. “Sie hat den Rat
in einer Nacht- und- Nebel -Aktion übernommen.“
“Das ist richtig“, kam ihm Belussci zu Hilfe. “Wir wurden vor
vollendete Tatsachen gestellt, was diesen Machtwechsel angeht. Alles, was wir
an Informationen erhalten haben, sind Bruchstücke, und ständig werden wir
vertröstet und hingehalten. Für mich hört sich das nicht nach einem seriösen
Vorgang an.“
“Darf ich sprechen, Signore Belussci?“ Die klare und entschlossene
Stimme einer jungen Frau durchdrang das Gemurmel. Andrew konnte sich nicht mehr
an ihren Namen erinnern, er wusste nur, dass sie eine Wächterin in Ausbildung
war. Als Belussci nickte, fuhr sie sogleich fort: “Wir haben also weder für Ms.
Ushers, noch für Mr. Giles’ Sichtweise einen eindeutigen Beweis. Ich kann mich
natürlich irren, aber für mich hört sich das alles sehr stark nach einem
Machtkampf an. Es gibt hier kein Richtig und kein Falsch, einfach nur zwei
Personen, die sich um die Vorherrschaft im Rat streiten. Und vermutlich sind
beide bereit, bis zum Äußersten zu gehen, wenn es darum geht, ihre Stellung zu
behaupten. Die Frage ist nur, sollen wir uns da mit hineinziehen lassen?“
“Es geht um viel mehr als das!“ Andrew war aufgestanden. “Ms. Usher hat
uns durch ihr verantwortungsloses Handeln in äußerste Gefahr gebracht. “
“Falls Sie von der drohenden Apokalypse sprechen,“ begann Wächterin Biancavelli,
eine attraktive Frau mittleren Alters, “so hat Ms. Usher bereits die notwenigen
Gegenmaßnahmen eingeleitet. Hat Signore Belussci Sie nicht darüber informiert,
dass bereits eine Armee von Jägerinnen aufgestellt wurde, um diese Apokalypse
aufzuhalten? Dieses Mal sind wir sehr viel besser vorbereitet.“
“Wir müssten diese Apokalypse überhaupt nicht aufhalten, wenn Ms. Usher
sie nicht verursacht hätte, “ protestierte Belussci. Andrew seufzte, sie
drehten sich hier im Kreis. Dass Lily für die Befreiung der Reiter
verantwortlich war, war ja genau das, was die Wächter nicht glauben wollten...
“Das ist ja absolut lächerlich...“
“Nein ist es nicht! Usher hat diesen Rat hinterrücks an sich
gerissen...“
“Wenn wir jetzt gegen sie vorgehen, sabotieren wir damit ihren Kampf
gegen die Apokalypse und bringen uns alle in Gefahr...“
Eine heftige Debatte war ausgebrochen, aber Belussci machte keinen
Versuch, sie abzuwürgen. “Lass sie diskutieren, “ meinte er leise zu Andrew,
der ihn fragend ansah. “Es ist ein bisschen viel gewesen, sie müssen das
erstmal verdauen.“
“Ich finde das so lächerlich!“ Die blonde junge Frau war aufgestanden,
und an Andrew herangetreten, damit sie sich Gehör verschaffen konnte. “Ms.
Usher und Mr. Giles haben zwar verschiedene Methoden, aber doch beide dasselbe
Ziel, die drohende Apokalypse aufzuhalten. Warum können sie ihre Differenzen
nicht wenigstens so lange beiseite legen, bis wir außer Gefahr sind? Dann
hätten sie immer noch genügend Zeit für Machtspielchen.“
“Nein, ich glaube nicht, dass Mr. Giles und Ms. Usher dieselben Ziele
verfolgen.“ Andrew schüttelte den Kopf. “Es geht hier nicht um Macht, oder
Methoden, schon längst nicht mehr. Es geht hier um unser aller Überleben.“
“Sie sind sich ihrer Sache sehr sicher, Mr. Wells.“ Ihre Stimme war
eine seltsame Mischung aus Bewunderung und Skepsis.
Ein trauriges Lächeln huschte über Andrews Gesicht. “Leider ja,
Signorina...“
“Biancavelli.“ Sie reichte ihm die Hand. “Caprice Biancavelli.“
Wächterhaus, Cleveland , nächster Morgen:
„Ja
sicher... nein ich verstehe schon, dass Sie nicht noch weiter mit dem Preis...
natürlich. Personalkosten, Reinigungskosten, Anlieferung... Sicher, aber ich
denke unter diesen Gegebenheiten muss ich leider weitersuchen. Bye.“ Frustriert
knallte Willow den tragbaren Hörer auf den Tisch, wo er zwischen alten
Handschriften, Büchern und Giles Notizen verschwand.
Das war jetzt ihr fünfter erfolgloser Anruf bei einem Partyservice
gewesen und Willow blieb nur ein weiterer Name auf der Liste, den sie durchstreichen
konnte. Die Liste war zwar lang, aber die Hoffnung auf den perfekten
Lieferanten für ihr Festbuffet am College schwand dahin. Das College hatte
einen recht großzügigen Betrag zur Verfügung gestellt, doch andere Teile für
die Feier fraßen einen großen Teil des Geldes auf – Dekorationen, gedruckte
Einladungen, Blumen, Geschenke für die Professoren, angemietete Stühle und
Geschirr... eigentlich hatte Willow damit gerechnet, dass man mehr Wert auf das
Buffet legen würde, aber im Grunde war ihr das eigentlich egal. Sie tat, was
man ihr sagte und war froh nicht mehr tun zu müssen als einen Ersatz für den
ausgefallenen Lieferanten zu suchen, auch wenn es sich schwierig zu gestalten
schien.
Sie legte die Liste wieder zur Seite und rieb sich die Augen. Vor ihr
lagen noch einige Stunden Arbeit, die Giles Notizen umfassten, mit denen sie
nicht wirklich vorangekommen war. Irgendwie fühlte sich die Hexe abgelenkt ohne
sagen zu können, ob das etwas mit ihrer Abschlussfeier zu tun hatte, oder mehr
mit ihren Träumen, den Visionen oder der Tatsache, dass sie nicht wirklich
vorankamen – weder in der Ratssache, noch die Reiter betreffend.
Willow starrte lustlos auf die ausgebreiteten Unterlagen vor sich. Die
Buchstaben einer alten Schriftrolle verschwammen vor ihren Augen, während ihr
bewusst wurde, dass sie im Moment Giles keine große Hilfe war.
Als das Telefon zwischen all den Schriften dumpf zu klingeln begann,
zuckte Willow erschrocken zusammen, fast ein wenig ertappt, weil sie an alles
mögliche dachte, nur nicht an das, was man ihr aufgetragen hatte. Sie kramte
hastig nach dem Hörer, verfluchte sich selbst dafür, dass sie ihn so achtlos
zur Seite geworfen hatte und fand ihn schließlich, während der geduldige
Anrufer es bereits zum sechsten Mal läuten ließ.
„Ja? “ fragte die Hüterin unsicher.
„Hallo Willow. Ich bin es, Giles.“
„Oh, hi Giles. Gibt es etwas Wichtiges? Oder.. eh Neues?“ Willows
schlechtes Gewissen wurde durch diesen Anruf natürlich nicht besser. Als Alibi
zog sie sich einen Notizblock heran, auf dem Giles ein paar Namen gekritzelt
hatte, die sie überprüfen sollte. Damit fühlte sie sich fast besser.
„Nicht wirklich. Ich habe hier bereits mit einigen Wächtern gesprochen,
aber es ist so schwierig, wie ich befürchtet habe. Sie zeigen Verständnis und
hören zu, aber es fehlt ihnen am Willen uns zu unterstützen. Lilys Einfluss
scheint größer zu sein, als ich angenommen habe. Jedenfalls werden mir nicht
gleich die Türen vor der Nase zugeschlagen, “ Giles lachte ein wenig nervös.
„Aber ich werde auch nicht gerade mit offenen Armen empfangen. Vielleicht
steigen unsere Chancen in drei Tagen. Ich werde mich da mit einem nicht
unbedeutenden Wächter treffen, der einigen Einfluss hat. Ich fahre dazu nach
Wales. Falls mich jemand zu erreichen versucht.“
„Klingt doch gut“, meinte Willow etwas knapp, wenn auch erleichtert,
dass er nur den Stand der Dinge durchgeben wollte und kein Interesse an ihrem
Vorankommen zeigte. „Soll ich etwas für die anderen notieren?“
„Nicht nötig. Wie kommst du voran?“
Die befürchtete Frage, schoss es Willow durch den Kopf. „Nun ja, kommt
darauf an, auf was sich Ihre Frage bezieht“, lächelte Willow schwach am Hörer
und ihr Blick schweifte zwischen den Aufzeichnungen und der Partyservice-Liste
hin und her. „Da gibt es ein paar Probleme in meinem Privatleben, am
College...“
„Ich meine natürlich meine Aufzeichnungen, Willow. Uns läuft die Zeit
davon und da ich hier nichts anderes tun kann, als in den nächsten drei Tagen
das hässliche Wetter zu genießen, bis mich Mr. Fräser empfangen wird, wäre es
hilfreich, wenn ich mit neuen Erkenntnissen ...“
„Ich komme überhaupt nicht weiter,“ unterbrach ihn Willow ein wenig
gereizt. War ja natürlich nicht anders zu erwarten, dass Giles nichts weiteres
interessierte als seine Recherche. Wie schon am Tag seiner Abreise, als sie
versucht hatte mit ihm über ihre Träume zu reden. Meine Güte, es gab trotz
Apokalypse und Machtspiele noch andere Dinge im Leben. Träume über
Hexenverbrennungen zum Beispiel, Nadeleinstiche, die plötzlich auf ihrem Arm auftauchten,
ein verrückter Dämonenkönig, der sie noch immer als Rachedämonin haben
möchte... aber das war natürlich nicht so wichtig. Wenn er es nicht hören
wollte... es war nicht ihr Problem, wenn sie dadurch vielleicht wichtige
Informationen übersahen.
„Nun, dann musst du dich einfach uhm. ein wenig dahinter klemmen,
Willow. Es ist wichtig“, betonte Giles und ignorierte großzügig den gereizten
Tonfall der Hexe. “Versuche jede freie Minute dafür zu opfern.“
„Sicher,“ brummte Willow wenig überzeugt in den Hörer, fühlte sich
missverstanden und unwichtig, als sie sich von Giles verabschiedete und
auflegte. Als würde sie etwas anderes tun.
Ihr Blick ruhte auf den alten Schriften, während ihre Hand stattdessen
nach der Liste mit den Telefonnummern der Partyservice griff. Sie musste
anfangen Prioritäten zu setzten.
Rom, Villa des
Unsterblichen:
„Wow“, entfuhr es Buffy, als sie zum ersten Mal die Behausung des
geheimnisvollen Unsterblichen sah.
Die Villa war beeindruckend. Ganz in weiß, vereinigte sie sowohl
Elemente aus alten als auch neuen Baustilen miteinander, in einer Weise, die
eine Wohltat für das Auge war.
Je länger sie auf das prachtvolle Gebäude starrte, desto mehr drängte
sich ihr der Gedanke auf, dass dieser Mann – was immer er auch war – kein
Vampir sein konnte.
Die Untoten waren Sklaven der Mode, die zu ihrer Zeit geherrscht hatte.
Kein Vampir wäre darauf gekommen, so etwas zu bauen. Einmal ganz abgesehen
davon, dass die Villa ziemlich offen angelegt war und viele Glasflächen zeigte,
die sich jedoch durch irgendeinen Trick perfekt in die verzierte Fassade
einfügten, ohne zu stören.
Sie
schrak zusammen, als sich plötzlich die Tür der Limousine öffnete, in der sie
abgeholt worden war. Eine Hand streckte sich ihr entgegen und Buffy ließ sich
aus dem Wagen helfen...und starrte direkt in das Gesicht ihres Gastgebers.
Der Unsterbliche lächelte erneut auf jene wild-sanfte Art und seine
Augen nahmen ihre sofort gefangen: „Seid gegrüßt, Mylady“, sagte der Mann und
nahm ihre Hand, beugte sich vor und hauchte einen Kuss auf ihren Handrücken –
jedoch, ohne die Haut zu berühren.
Er hatte Recht gehabt – er sah wirklich so aus wie bei ihrer ersten
Begegnung. Während er allerdings beim ersten Mal sein schulterlanges Haar offen
getragen hatte, war es nun zu einem Zopf gebunden. Ebenso war der etwas
altmodische Anzug einer einfachen Kombination aus Hose und Hemd gewichen...die
ihm dennoch verdammt gut stand.
„Ja...gleichfalls“, flüsterte Buffy, sein
sanftes Lachen riss sie endlich aus dem selbstgeschaffenen Bann und sie
runzelte die Stirn...lachte er sie aus? Nein...es gab keine Häme in seinem
Gesicht. Er war lediglich amüsiert...wenn auch auf eine etwas dreiste Art, die
jedoch nicht ohne Reiz war.
„Wir sollten hineingehen. Ich habe bereits einiges an Informationen
zusammengetragen. Und natürlich ein Essen zubereitet.“, er bedeutete ihr,
voranzugehen und Buffy tat dies auch. Langsam fing sie sich wieder. Warum musste
sie sich plötzlich wie ein Teenager benehmen?
Gut, die Antwort wollte sie eigentlich gar nicht hören...und schon gar
nicht akzeptieren.
Die Tür stand noch offen und Buffy trat hindurch. Auch das Innere war
atemberaubend und ähnelte sehr dem äußeren Eindruck.
Vor allem herrschte auch hier weiß vor. Allerdings waren sämtliche
Möbelstücke so ausgewählt, dass man nicht den Eindruck steriler Räume hatte.
Sie blickte kurz zurück. Der Unsterbliche schloss gerade die Tür hinter sich
und erwiderte ihren Blick.
„Nette Einrichtung“, sagte sie nach einem letzten schweifenden Blick.
„Es freut mich, dass es Euch gefällt, Mylady. Ich umgebe mich gern mit
hellen Farben. Das erinnert mich daran, dass das Leben keine so düstere
Angelegenheit ist, wie manche glauben.“, er lächelte wieder und Buffy fühlte
sich gezwungen, das Lächeln zu erwidern. Irgendwie wirkte es ansteckend.
Vielleicht, weil es einfach ehrlich war.
„Aber Sie tragen dunkle Anzüge...“ gab sie dann zurück. Er zuckte mit
den Schultern.
„Das liegt vielleicht daran, dass ich in weiß einfach...albern
aussehe“, gab er zu, bevor er dann wieder eine ausladende Bewegung in Richtung
eines breiten Durchgangs machte.
„ Wir sollten zuerst essen. Ich diskutiere das Übernatürliche nicht
gern vorher. Meist fällt dabei der Appetit den Details schneller zum Opfer, als
einem lieb sein kann.“
Buffy nickte und ließ sich von ihm in den Speiseraum leiten. Der Raum
war mit einer breiten Fensterfront ausgestattet, die ihn größer wirken ließ,
als er eigentlich war. Ein großer, jedoch nicht zu wuchtiger runder Tisch
dominierte die Mitte des Raumes. Zwei Stühle standen am Tisch und selbiger war
reich gedeckt. Es roch phantastisch.
Mit einer fließenden Bewegung geleitete er sie zu ihrem Platz und zog
den Stuhl zurück, damit sie sich setzen konnte. Er selbst nahm ebenfalls Platz:
„Probiert, was Euch gefällt und esst, soviel Ihr wollt, es ist genug da.“
Buffy zögerte kurz, als ihr natürliches Misstrauen die Oberhand gewann,
doch dann schalt sie sich selbst. Wenn er ihr schaden wollte, hätte er es
längst tun können. Schließlich folgte sie seinem Angebot. Er wartete, bis sie
sich bedient hatte, bevor er selbst seinen Teller belud.
Es schmeckte hervorragend. Buffy hatte lange nichts so gutes gegessen.
„Kompliment an den Koch“, sagte sie anerkennend zwischen zwei Bissen, zu
ihrer Überraschung deutete er eine Verbeugung an und sagte, „Danke. Ich fühle
mich geehrt.“
Buffy sah ihn fragend an: „Sie haben das selbst
gekocht? So ein großes Haus...und Sie haben keine Dienstboten?“
Er lächelte wieder und schüttelte dann den Kopf:
„Nein, wozu? Ich habe doch genug Zeit. Wenn man sich, wie ich, nicht um den Tod
Sorgen machen muss, dann sollte man sich lieber eine Beschäftigung suchen,
ansonsten geht man vor Langeweile ein. Nur einen Chauffeur habe ich und der ist
auch gleichzeitig dafür da, alles zu erledigen, wofür ich gerade keine Zeit
habe. Schließlich kann ich ja auch nicht überall sein, oder?“
Buffy seufzte. Im Grunde gab ihr dies das Stichwort für eine Frage, um
die sich sich lieber herumgedrückt hätte, die sie aber stellen musste, um die
Jägerin in sich zu beruhigen.
„Wollen Sie mir nicht sagen, was Sie sind? Kein Mensch lebt ewig...es
sei denn, es hat was mit Magie zu tun.“
„Ist das wirklich so wichtig? Ich habe Euch doch keinen Grund gegeben,
mir zu misstrauen, oder? Wenn doch, tut es mir leid. Aber schließlich seid Ihr
auch keine normale Frau und damit meine ich nicht Eure außergewöhnliche
Schönheit. Ich frage auch nicht nach. Es hat auch keine Bedeutung. Wichtig ist,
dass Ihr heute hier seid. Das allein zählt. Wollen wir es nicht dabei
belassen?“
Bei dem Kompliment spürte sie, wie sie kurz rot wurde, doch es fiel
trotzdem auf, dass der Unsterbliche zwar weiterhin um eine Antwort herumredete,
aber ohne böse Absicht. Sollte er wirklich nichts zu verbergen haben? Oder
schämte er sich einfach für nichts? Aber warum verweigerte er die Antwort? Oder
war es wirklich ohne Bedeutung?
Gegen ihren Instinkt musste Buffy sich eingestehen, dass es im Grunde
keinen Unterschied machte. Sie waren hier und genossen die Gegenwart des
jeweils anderen. Sie entschloss sich, nachdem sie eine Weile schweigend
weitergegessen hatten, auf etwas anderes zu sprechen zu kommen.
„Also haben Sie...viel zu tun? Viele Beschäftigungen?“
Er sah sie kurz an und sie sah es in seinen
Augen amüsiert aufblitzen. Es verwirrte sie...wann immer er sie auf diese Weise
ansah, hatte sie zwar einerseits das Gefühl, er mache sich über sie lustig,
aber nicht in einer herablassenden Art, eher so, wie man die Fehler eines alten
Bekannten belächelt. Dabei kannten sie sich erst seit kurzem.
„Ich vertreibe mir mit vielen Dingen die Zeit. Zum Beispiel koche ich
gern. Ich lese viel und treibe auch gern Sport. Ansonsten unterhalte ich mich zurzeit
gern mit den Mitteln moderner Kommunikation...Internet, Fernsehen...Aber nichts
von alldem ist unterhaltsamer als die Gesellschaft einer so faszinierenden Frau
wie Euch. Für Euch mag das vielleicht wie leere Phrasen klingen, aber ich
spreche nur aus, was mich bewegt. Unsterblichkeit wird von manchen, die sie
erreicht haben, als Last gesehen. Das ist Unsinn. Ich genieße die
Unsterblichkeit. Man muss einfach nur mit der Zeit gehen...und so interessante
Personen wie Euch kennen lernen. Dann kann Unsterblichkeit ein Segen sein.“
Buffy errötete erneut und entschloss sich, bevor das noch peinlich
wurde, schweigend weiterzuessen. Er nahm das lächelnd zur Kenntnis und
schließlich stand er auf, als beide fertig waren.
„ Nun kommen wir zum ernsteren Teil.“, er bedeutete ihr, ihm zu folgen
und zusammen betraten sie die Bibliothek, einen großen Raum, der voll mit
Bücherregalen stand.
Vom Alter der Bücher erinnerte es sie ein bisschen an die
Büchersammlung von Giles...aber diese Bücher waren hauptsächlich – sofern sie
die Schrift auf den Einbänden lesen konnte – Literaturklassiker und hatten
wenig mit dem Okkulten zu tun.
Der kleine Stapel Bücher auf dem fast schwarzen Tisch in der Mitte des
Raumes entsprach dem allerdings nicht. Er geleitete Buffy zum großen Sofa und
setzte sich dann ihr gegenüber in einen großen Ohrensessel.
„Also, Mylady, ich habe mich ein wenig umgehört und einiges über diese
Reiter herausgefunden.“, er seufzte schwer.
„Nichts Gutes?“ fragte sie vorsichtig.
„Tut mir leid, Euch enttäuschen zu müssen. Das,
was ich in Erfahrung gebracht habe, klingt gefährlich. Erstmal sind diese
Reiter keine normalen Dämonen. Sie zählen zu den Alten, die einst diese Welt
beherrschten.“
„Das hab ich befürchtet...und weiter?“ fragte Buffy resignierend...mit
jedem Fetzen Information gestaltete sich die Sache schwieriger.
Er hub an und begann, die restlichen Informationen darzulegen und Buffy
fühlte sich bestätigt: „Ich bin betrübt, Euch so zu beunruhigen. Aber es gibt
noch weitere Quellen, doch hatte ich bisher nicht die Zeit, sie alle aufzutun.
Wenn Ihr also noch eine Weile warten wollt...“
„Ich könnte ja vielleicht helfen...“ bot sich Buffy an, „ Allerdings muss
ich sagen, dass Recherche nicht zu meinen Spezialgebieten gehört.“, sie
lächelte verlegen.
„Und dennoch wäre es mir eine Ehre, mit Euch
zusammenzuarbeiten. Es gibt vieles, was wir dabei lernen könnten...nicht nur
über Eure Gegner, sondern auch von- und übereinander. Die Zeit, die ich mit
Euch verbringe, ist kostbar. Lange habe ich nicht mehr ein Herz so sehr
gewinnen wollen wie Eures. “
Buffy
hob die Brauen. Was sah sie dort...die Wangen des Mannes hatten sich leicht
gerötet...doch sie sah in seinem Blick keine Scham oder Hintergedanken. Er
sprach aus, was er dachte und wollte. Und irgendwie wusste sie, dass er fast
alles bekam, was er wollte. Ohne schmutzige Tricks.
Vorsichtig lehnte er sich nach vorn und ergriff mit seiner Hand die
ihre, die die ganze Zeit auf den Büchern geruht hatte. Ihre Blicke trafen sich
erneut und irgendwo hinter den Kulissen fand ein stummes Einverständnis statt.
Buffy stand nun auch halb auf und ihre Gesichter näherten sich einander.
Doch plötzlich zögerte Buffy. Vor ihrem inneren Auge stiegen die Bilder
vorheriger Beziehungen auf, die nicht gerade so glücklich verlaufen waren.
Eine maßlose Untertreibung. Was bewahrte sie davor, erneut so zu enden?
Vielleicht spielte er ihr nur etwas vor? Oder hatte er noch düstere Gedanken?
„Das...ist zu schnell...ich weiß nicht, ob ich...“
„Mir vertrauen kann? Entscheidet selbst. Auch wenn wir jetzt
auseinander gehen, wird dieser Augenblick auf ewig in meinem Herzen eingebrannt
sein. Eure Nähe ist zu kostbar, um sie je zu vergessen. Welche Mächte auch
immer uns lenken mögen, Eure Nähe ist ein Geschenk an mich. Selbst wenn Ihr
jetzt geht, bleibt in mir nur Dankbarkeit.“
Er lächelte erneut auf jene hintergründige Art, die Buffy so sehr zu
faszinieren vermochte.
In einem Sekundenbruchteil traf sie ihre Entscheidung.
Ihre Lippen berührten sich und es war sie, welche den Kontakt
verstärkte. Er gab nach, ließ sie gewähren, zeigte ihr, dass sie alles unter
Kontrolle hatte. Erst als beide keine Luft mehr hatten, brachen sie den Kuss.
Buffy atmete tief durch. Das war in mehr als einer Hinsicht
atemberaubend gewesen.
Insbesondere, da er ihr das Gefühl gegeben hatte, sie sei die
bestimmende Kraft gewesen, doch ohne seine eigene Stäke aufzugeben. Alle
anderen vor ihm hatten entweder das eine oder das andere gekonnt, doch dies war
anders. Erfrischend. Neu.
Und
auch mysteriös, wenn dem Unsterblichen auch das Düstere fehlte, was man
normalerweise mit dem Wort in Verbindung brachte: „Ich...wir...Sie...“ brachte
sie hervor.
„Wir sollten uns duzen, meinst du nicht auch?“,
fragte er lächelnd, doch ebenso atemlos wie sie.
„Ja...sicher. Ich wusste nur nicht ganz,...“ er
schmunzelte, „Es lag an meiner Ausdrucksweise, nicht wahr? Ich kann reden wie
jeder normale Mensch. Wie gesagt, ich gehe mit der Zeit. Aber es gefiel dir.
Und an deinem Herzen liegt mir viel, also hab ich ein paar Jahrhunderte
zurückgeschaltet.“
Er streichelte sanft ihre Wange.
„Ich muss erstmal...überlegen, wie das gehen soll. Du bist kein...und
ich...“
„Natürlich. Ich rufe gleich den Wagen. Fahr nach Hause und denke nach,
soviel du magst. Ich werde mich morgen melden. Immerhin haben wir noch was über
ein paar alte Dämonen herauszufinden.“
„Und über uns...“ flüsterte Buffy und lächelte.
„Ja...es wird eine aufregende Zeit“, gab er zurück.
Cleveland,
angemietetes Büro, nächster Tag:
“Ich
wünschte, ich hätte bessere Neuigkeiten.“ Gretchen zog schmollend die Oberlippe
vor, und betrachtete ihre Fingernägel. Eigentlich war dies nur ein Vorwand, um
ihrem Boss nicht in die Augen sehen zu müssen.
D’Hoffryn hatte während des Gesprächs keine Miene verzogen. Er saß
immer noch in seinem Bürosessel, eine Hand auf dem Konferenztisch, die andere
in einer seltsamen metallenen Apparatur eingespannt. Ein schwaches Licht
schimmerte um seine Fingerspitzen, und ging langsam auf eine gläserne Phiole
über, die sich am Ende der Apparatur befand.
“Tut das nicht weh?“ fragte das Mädchen unvermittelt
“Nicht so sehr, wie die Enttäuschung über deine Misserfolge!“
entgegnete der Dämon spitz, und Gretchen öffnete sofort den Mund, um zu
protestieren. Wieso war das schon wieder ihre Schuld? Sie konnte doch in Sachen
Willow überhaupt nichts unternehmen, ohne ihre Tarnung zu gefährden.
Aber D’Hoffryn interessierte sich nicht im Geringsten für ihre
Rechtfertigungen, er starrte nur düster und gedankenverloren vor sich hin. Was,
wenn es alles schief laufen würde? Was, wenn es wirklich keine Möglichkeit gab,
Willow davon zu überzeugen, den richtigen Weg zu beschreiten? Die große
Schlacht stand unmittelbar bevor, jetzt gab es kein Zurück mehr. War es
vielleicht die falsche Entscheidung gewesen, an diesem Kriegsrat teilzunehmen?
Sein Plan, der ihm anfangs so hieb- und stichfest erschienen war, begann
langsam, aber sicher zu bröckeln.
Nein. Er würde nicht zulassen, dass es soweit kam. Er würde eine
Möglichkeit finden, Willow zur Vernunft zu bringen, und zwar jetzt gleich. Sie
würde einsehen müssen, dass sie keine andere Wahl hatte.
“Gretchen.“ Mit dem Umlegen eines kleinen Hebels schaltete er die
Maschine ab, und begann seinen Arm loszuschnallen. “Es gibt eine kleine
Planänderung. Wir werden...nein, das erkläre ich dir, wenn du zurück bist.“
Behutsam nahm er die schimmernde Phiole aus ihrer Fassung und reichte
sie seiner Untergebenen. “Sei bloß vorsichtig damit! Falls das Ding
zerbricht...“
“Ich pass schon auf, “ versicherte das schwarzhaarige Mädchen. “Wie
lange wird die Energie reichen?“ erkundigte sie sich.
“Ein paar Tage, vielleicht eine Woche...“ Er zuckte mit den Schultern,
in Gedanken immer noch ganz woanders.
Doch, sie hatte eine andere Wahl. Und er wusste verdammt noch mal, was
mit ihr geschehen würde, wenn sie sie traf.
Und er würde es um jeden Preis verhindern.
Motel, früher
Abend:
Der Chrysler fuhr langsam auf den Parkplatz des „Cowner Inn“, dessen
enormes Leuchtschild den Parkplatz mit rotem Licht erhellte. Hinter den meisten
Fenstern des Gebäudes brannte kein Licht, und der Parkplatz war nur spärlich
mit anderen Fahrzeugen bestellt.
„Du willst wirklich hier übernachten?“ fragte Robin und sah Faith
schief an. Das Motel war heruntergekommen, und während das große N bei der
Leuchtschrift wenigstens noch leicht flackerte, hatte das W schon den Dienst
versagt.
„Wieso nicht? Wir sind beide todmüde. also was soll´s. Ich besorg uns
ein Zimmer!“ Faith beugte sich noch schnell zu Robin, küsste ihn, und warf dann
die Tür auf. Sie sprintete auf eine große, dunkelrote Tür zu, über der
„Rezeption“ stand, und öffnete die Tür.
“Guten Abend! Wie kann ich Ihnen helfen?“ begrüßte sie die mürrische
Stimme eines alten Mannes, der hinter dem Tresen stand, und in der rechten Hand
eine Schrotflinte hielt.
“Wow, wenn sie ihre Gäste immer mit diesem Ding begrüßen, ist es
logisch, warum so wenige Leute hier sind. Stecken sie das Ding weg, Alter. Wir
brauchen nur ein Zimmer...“ Faith lächelte ihn gekünstelt an und trat auf den
Tresen zu.
„Ha. Als hätte so ein hübsches Ding wie du eine Ahnung von der
richtigen Welt. Es ist gefährlich da draußen.“ Antwortete der Alte, und legte
dabei seine Waffe auf einen kleinen Beistelltisch, der neben der Tür stand, die
ins Hinterzimmer führte.
„Oh, danke für den Tipp. Ich werde auf mich achten...“ antwortete
Faith, und musste dabei innerlich loslachen. Wie verrückt war diese Situation
eigentlich? Dieser Motelbesitzer wollte sie vor dem Bösen in der Welt warnen,
und hatte nicht mal den Hauch einer Ahnung, was da draußen wirklich vor sich
ging.
„Wie auch immer. Ich bräuchte für heute Nacht ein Zimmer für 2
Personen. Wenn es geht, bitte nicht gleich neben der Straße, wir würden gerne
auch etwas schlafen...“
Der Alte musterte sie von oben bis unten, griff nach einem kleinen
Block, und suchte dann noch nach einem Stift.
“Die Namen, bitte…“ murmelte er, während er in einer der Schubladen
kramte.
Sie wartete, bis er den Kugelschreiber endlich gefunden hatte, und
sagte dann „Robin Wood und Milli Rogers“
„Okay. Hier ist der Schlüssel für Zimmer Nr. 12. Es ist das ruhigste
Zimmer, das wir haben. Gute Nacht, Mädchen!“ Er nickte ihr noch einmal
freundlich zu, schob ihr den Schlüssel über die Theke und verdrückte sich dann
mit seiner Waffe wieder in das Hinterzimmer.
„Nicht gerade das Plaza, aber immerhin besser, als im Auto zu
schlafen...“ merkte Robin an, nachdem er die Tür hinter sich schloss. Er warf
seine Jacke über einen Stuhl, suchte nach der Fernbedienung und machte es sich
am Bett bequem, während sich Faith im Bad duschte.
Nach 15 Minuten betrat sie nur mit einem Handtuch bekleidet wieder den
Raum und sah ihn verträumt an.
„Was?“ Robin sah sie verwirrt an. So sah er sie selten. In letzter Zeit
war so viel passiert, dass sie sich überhaupt weniger hatten. Klar sahen sie
sich oft am Tag, aber alleine waren sie so gut wie nie.
“Schalt aus...“ flüsterte sie, und ging langsam auf ihn zu.
„Warum?“ antwortete er lächelnd, und beobachtete sie genau.
„Darum...“ antwortete sie, stellte sich vor ihn, und nahm ihm die
Fernbedienung aus der Hand. Sie schaltete aus, warf sie in eine Ecke, und
küsste ihn daraufhin sinnlich. Faith erhob sich wieder und löste das Handtuch,
woraufhin dieses an ihrem trainierten Körper zu Boden fiel.
„Okay, das Programm scheint doch besser zu sein...“ sagte Robin
lächelnd und zog sie an sich heran. Sie küssten sich, er strich ihr die Haare
aus dem Gesicht und sah ihr tief in die Augen. Er sah ihre Kraft wie Flammen
darin aufblitzen, und in diesem Moment drehte sie ihn auf den Rücken, und
setzte sich auf ihn.
„Darauf kannst du wohl wetten…“ flüsterte sie, und riss sein Hemd auf.
Sie strich über seinen durchtrainierten Körper, und küsste ihn dann ein
weiteres Mal.
Während sich die Zeit weiter bewegte, konnten Robin und Faith nach
langer Zeit endlich wieder die Probleme des Alltages hinter sich lassen, sich
einfach ihren Gefühlen, ihren Sehnsüchten und ihrer Leidenschaft hingeben.
nicht nur einmal.
Wächterhaus, spät Abends:
Willows
Kopf ruhte auf Giles Schreibtisch, der mit Bergen von Notizen überfüllt war.
Sie hatte, da es heute keine wichtigen Vorlesungen mehr gegeben hatte, den
ganzen Tag dazu genutzt um Giles Aufstellungen zu überarbeiten, außerdem war es
ihr endlich gelungen einen Party Service zu finden, der so kurzfristig hatte
einspringen können.
Ihr leises Atmen durchzog den Raum, während vor
ihrem inneren Auge fetzenhafte Bilder vorbeihuschten. Sie war auf dem
Abschlussball ihrer Highschool in Sunnydale, überall um sie herum die Menschen, die sie seit ihrer Kindheit kannte.
Auf der Bühne spielte eine Band eine traurige
Melodie und auf der Tanzfläche tummelten sich die Paare, die sich im langsamen
Rhythmus der Musik bewegten, sie sah auch Buffy und Angel. Neben ihr stand
Gretchen, sie lächelte sie an: „Ich bin froh, dass alles so gut geklappt hat
mit dem Essen.“
„Oh, das war doch kein Problem, habe ich
gerne gemacht.“, Willow lächelte zurück. Wo zur Hölle war Kennedy? Sie wollte
auch tanzen!
„Gut, ich hoffe du hast auch die Leute besorgt,
die nachher alles abbauen!“, Gretchen wiegte sich im Klang der Musik von einer
Seite zur anderen, „Sonst musst du das nachher alles alleine machen!“
„Was? Davon hast du mir nichts gesagt, ich
sollte nur das Essen besorgen!“, Verzweiflung stieg in Willow auf, sie konnte
es doch nicht vergessen haben.
„Nun ja, Pech, aber vielleicht helfen dir deine
Freunde ja dabei, wenn du sie danach fragst!“, Gretchen zuckte gleichgültig mit
den Schultern, „Du entschuldigst mich jetzt bitte, mein Tanzpartner wartet.“
Verwirrt drehte Willow sich um, Buffy und Angel
waren von der Tanzfläche verschwunden und auch keinen der anderen konnte sie
erblicken. Plötzlich spürte sie einen Finger auf der Schulter und fuhr herum.
Eine Gruppe von Hüterinnen hatte sich um sie
herum versammelt: „Schwester, wir haben dich überall gesucht, sie sind hinter
uns her. Sie werden kommen.“
„Tut mir Leid.“, das ganze war Willow sehr
unangenehm, „Ich befürchte ich kann euch nicht helfen, ich muss erst meine
Freunde finden, sie sollen mir beim Abbauen helfen!“
„Bitte!“, eine der weißhaarigen, mageren Frauen
ergriff ihren Arm, „Wir brauchen dich, du musst uns retten!“
„Tut mir wirklich leid!“, Willow riss sich los,
Tränen stiegen in ihren Augen auf, während sie schnellen Schrittes in Richtung
Tanzfläche floh.
Sie sah Gretchen, die mit D´Hoffryn tanzte, doch
sie erblickte keinen ihrer Freunde. Was sollte sie bloß tun? Sie konnte das
alles unmöglich alleine aufräumen. Warum war keiner für sie da, wenn sie
unbedingt jemanden gebraucht hätte?
Jemand stieß sie an, es war Xander, der gerade
mit Eve, seiner neuen Freundin, tanzte. Er entschuldigte sich augenblicklich:
„Tut mir Leid, ich habe dich nicht gesehen!“
„Macht doch nichts, Xander. Bin ich froh dich
zu sehen, Xander!“, Willow fiel ihrem alten Freund um den Hals, „Ich dachte
schon, ich müsste alles alleine aufräumen!“
Freundlich aber bestimmt stieß er sie von sich
weg: „Verzeihung, sollte ich dich kennen?“
„Aber, aber Xander…?“, sie wollte ihn
zurückhalten, doch er wandte sich schon wieder Eve zu: „Entschuldige Schatz,
ich weiß wirklich nicht, wer das war!“
Wie konnte selbst Xander sie vergessen haben
nach allem, was sie zusammen durchgemacht hatten? Wieso wollte niemand mehr
etwas mit ihr zu tun haben? Für einen Moment dachte sie darüber nach zu den
Hüterinnen zurück zu gehen, doch die Wächter hatten sie inzwischen wohl schon
verbrannt.
„Wollen wir tanzen?“, sie drehte sich um und sah
Andrew vor sich stehen, er sah komisch aus in seinem Anzug und dennoch passte
er zu ihm, „Es würde mich wirklich freuen.“
„Wenn du willst.“, Willow war überrascht, dass
er sie überhaupt gefragt hatte.
Mit einem mal gab es
einen lauten Knall, der sie aus dem Traum heraus riss, der Wind hatte das
offene Fenster gegen die Wand geschlagen und es regnete von draußen auf sie und
ihre Notizen. Obwohl sie noch halb im Traum war sprang sie auf und verschloss
das Fenster.
Hätte es noch länger herein geregnet, wären die
meisten Aufzeichnungen wohl nicht mehr brauchbar gewesen, jetzt war schon
einiges kaum noch entzifferbar. Verdammt.
Die Müdigkeit hatte sich seit dem Vorfall in der
Badwanne stetig gehalten und musste sie wohl übermannt haben. Schlaff ließ sie
sich zurück in den Schreibtischstuhl sinken. Wenigstens konnte sie von diesem
Traum sagen, dass er wohl niemals so stattgefunden hatte, dennoch war er
reichlich merkwürdig gewesen.
Sie beschloss für diesen Tag Schluss zu
machen und begann die Notizen zusammen zu räumen, als plötzlich ein Lachen in
ihrem Kopf ertönte. Es war zu erst ganz leise, kaum mehr als ein Echo und
dennoch ließ es sie aufschrecken.
An ihren Handgelenken bildeten sich
Druckstellen, irgendetwas stimmte nicht.
„Hallo Willow!“, klar und deutlich klang
D´Hoffryns Stimme in ihrem Kopf wieder, „Ich dachte mir, ich sollte mal wieder
von mir hören lassen!“
Etwas bohrte sich in ihre Magengrube, sie sank
auf ihre Knie herab, etwas knallte gegen
ihre Schläfe und ließ sie endgültig zu Boden sinken.
Von einem auf den anderen Moment befand sie sich
an einem anderen Ort. Die Schreie des Mädchens verhallten in der unendlichen
Finsternis, die sie umgab, ihre Hände und Füße waren an einem steinernen Altar
befestigt. D´Hoffryn kniete neben ihr: „Ich hoffe, du empfängst diese kleine
Botschaft, denn ich dachte, das wäre ein netter Weg sie dir zukommen zu
lassen!“
Ganz langsam zog er das Messer wieder aus
ihrem Bauch heraus, ein leises Wimmern löste sich aus ihrer Kehle und tiefrotes
Blut quoll aus der Wunde hervor und verteilte sich über ihre zarte, weiße Haut.
„Die Schreie dieser Mädchen werden das letzte
sein, was du hörst. Du hast keine Chance ihnen zu entkommen, egal wohin du
gehst, sie werden dich verfolgen, bis sie dich eines Tages zerstören!“
Die Atmung des Mädchens wurde schneller, als er
das Messer in die Nähe ihrer Augen führte, seine grauen Finger umschlossen die
Klinge sicher.
„Denk darüber nach. Du musst nur „Ja!“ sagen und
ich werde dich von all diesen Qualen befreien!“
Langsam führte er den Dolch hinab zu ihrer
Kehle, ganz sanft drückte er zu, die Haut spannte sich. Pure Furcht war in die
Augen des Mädchens geschrieben und D´hoffryn genoss das Gefühl alle Zügel in
der Hand zu halten.
„Es ist ein ganz einfaches Wort. Sag es und es
wird dir wieder gut gehen, sogar besser, als jemals zuvor!“
Die Haut riss unter dem Druck des Messers und
der erste Tropfen Blut trat hervor. Langsam bohrte er die Klinge immer tiefer
in ihre Kehle hinein. Nun schrie sie nicht mehr, Blut sammelte sich in ihrer
Mundhöhle.
„Doch es ist wohl leider deine eigene
Entscheidung. Ich kann nicht mehr tun, als dir zu zeigen, was passieren wird.“,
er seufzte bedeutungsschwanger.
Willow wurde schwarz vor Augen, mit einem Schlag
hörten die Schmerzen auf, das Mädchen war tot. Sie lag auf dem Boden von Giles
Arbeitszimmer, ihren Kopf umgab eine Blutlache. Sie weinte leise, denn zu mehr
war sie nicht in der Lage. Er hatte die Jägerin nur ihretwegen getötet, nur um ihr zu zeigen, wie
verletzlich sie war.
AKT 3
Rom, Belusscis Wohnung, Abends:
“Bella
fantastica!“ Andrew ging um Buffy herum, um ihr Abendkleid von allen Seiten
bewundern zu können. “Dreh dich mal,“ forderte er sie auf.
“Lass doch den Quatsch!“ Geschmeichelt und ein wenig verlegen kam die
blonde Jägerin schließlich seinem Wunsch nach. “Zufrieden?“
Kritisch besah sie sich im Badezimmerspiegel. “Hm...vielleicht sollt’
ich doch lieber das Blaue...“
“Zu brav, “ protestierte Andrew. “Ein Date ist schließlich kein
Pfadfinderinnen – Kuchenverkauf!“
“Hey, wer hat hier was von einem Date gesagt!“ Spielerisch schubste
Buffy Andrew den Ellbogen in die Seite. “Erstens werden wir wieder
recherchieren, und zweitens...“
“...entführt er dich danach ins Nachtleben Roms, “ ergänzte Andrew. “In
den protzigsten – ich meine natürlich exklusivsten Club, den man sich
vorstellen kann.“
“Okay, okay, es ist ein Date.“ Buffy griff nach ihrem Lippenstift.
“Blablabla...geheimnisvoller Typ, dunkle Vergangenheit...nette Jungs sind
langweilig, das Thema hatten wir schon...“
Urplötzlich stieß sie einen Seufzer aus, ließ den Lippenstift fallen,
und stützte den Kopf in die Hände. “Warum muss das immer nur mir passieren?“
“Weil du einen schlechten Geschmack hast, schönste Jägerin?“ Andrew hob
den Lippenstift auf, und überreichte ihn ihr mit einer Verbeugung und einem
Handkuss. “Irgss, küss mich nicht mit diesem Mund, “ protestierte Buffy.
“Es ist ein braver Mund.“ Unschuldig hob Andrew die Wimpern. “Seit wir
hier in Italien sind, hat er sich nur ein einziges Mal daneben benommen...“
“Sei still, und zerstör nicht mein Weltbild.“ Buffy warf noch einen
letzten Blick auf ihr Make-up, und lief dann ins Wohnzimmer, um nach Schuhen zu
suchen. Einen Augenblick später steckte sie wieder den Kopf zur Tür herein.
“Caprice? Ihre Freundin, von der ich den Namen nicht mehr weiß? Oder etwa der
Kerl aus dem Eiscafé?“
“Zieh die hellen Schuhe an, “ sagte Andrew anstatt einer Antwort. “Die
machen dir schlankere Fesseln.“
Draußen hupte es und als Andrew einen Blick durchs Fenster warf, konnte
er eine dunkle Limo erkennen, die soeben vorgefahren war. Dieser Unsterbliche
hielt sich wohl für den italienischen James Bond. Hoffentlich stellte sich
nicht am Ende heraus, dass er in Wirklichkeit Dr. No war!
Aber selbst eine verliebte Buffy konnte gut auf sich aufpassen, soviel
war sicher.
Er hörte die Tür ins Schloss fallen und einen Moment später das
Klackern ihrer hohen Absätze auf dem Asphalt. Warum sollte sie sich nicht einen
schönen Abend gönnen? Die letzten Tage waren Stress
pur gewesen, und sie wussten immer noch nicht, inwieweit es ihnen gelungen war,
die italienischen Wächter zu überzeugen. Na ja, sie hatten ihr Bestes gegeben.
Jetzt hieß es abwarten.
Ein schrilles Klingeln riss ihn aus seinen Gedanken. Hatte Buffy noch
etwas vergessen?
Cleveland, nächster Tag:
Kennedy war immer noch müde, ihr Flug war erst um drei Uhr
morgens in Cleveland eingetroffen mit fünf Stunden Verspätung und bis sie und
Xander dann auch noch ein Taxi gefunden hatten, waren Ewigkeiten vergangen.
Offensichtlich hatte Willow die
kleine Überraschung gefunden, die Kennedy für sie vorbereitet hatte, auch wenn
ihr Badezimmer nun so aussah, als ob es komplett überschwemmt gewesen
wäre.
Langsam
schlenderte sie durch die Gassen, sie war auf dem Weg zum Wächterhaus, doch sie
konnte sich etwas Zeit lassen, Willow wusste nicht, dass sie schon wieder in
der Stadt war. Außerdem war sie nicht sicher, dass sie dort sein würde, sie war schon bei ihrer
Wohnung im College gewesen und hatte sie dort auch nicht angetroffen.
Sie
ließ ihren Blick vorbeigleiten an den ganzen Cafes, die die Einkaufsstraße
säumten, als sie plötzlich einen roten Haaransatz sah, der sie für einen Moment
anhalten ließ, konnte das Willow sein?
Wenn
sie es wirklich war, dann konnte sie sich ihren Weg zum Wächterhaus wohl
sparen, also bahnte sie sich langsam ihren Weg zu dem kleinen Cafe.
Willow
nahm einen tiefen Schluck aus ihrem Glas, Gretchen schien abwesend, als ob sie
über irgendetwas nachdachte: „Und ist bei dir auch alles gut gelaufen? Hast du
die Leute besorgt, die alles aufstellen?“
Die
junge Frau schreckte auf wie aus einem Traum gerissen: „Oh ja, natürlich.
Danke, dass du dich um alles gekümmert hast, ich konnte wirklich nicht ahnen,
dass es so schwierig werden würde jemanden zu finden, der uns Essen liefert!“
„Hast
du auch jemanden, der am Ende aufräumt?“, hakte Willow besorgt nach, die
unangenehmen Erinnerungen an ihren Traum kamen in ihr auf.
„Oh
ja, das ist alles geregelt, du musst dir keine Sorgen machen!“, Gretchen
lächelte freundlich, „Du kannst dich entspannen, lass es einfach auf dich
zukommen. Abgesehen von einer Sache: Wie viele Plätze soll ich für deine Gäste
reservieren lassen? Ich habe noch einige sehr gute weit vorne frei, und da ich
die Verteilung übernehme…“
„Naja“,
Willow überlegte kurz, sie wusste nicht genau, wer von ihren Freunden
rechtzeitig hier sein würde, „Ich weiß nicht, ich bin mir nicht sicher, ob sie
alle kommen?“
„Wieso
das denn?“, Gretchen tat schockiert, „Das ist doch ein verdammt wichtiges
Ereignis für dich, wenn du ihnen wichtig wärst, würden sie sich zumindest diese
Zeit nehmen!“
„Sie
haben mir versprochen, dass sie ihr bestes tun werden um zu kommen, und sie
haben andere wichtige Dinge zu erledigen.“, Willow seufzte leicht, „Wie auch
immer, halt acht Plätze für mich frei.“
Gretchen
guckte sie für einen Moment nachdenklich an, dann notierte sie es auf ihrem
Block: „Nun zu einem anderen Thema: Hast du schon ein Date für den Ball?“
„Ich
ähm…“, bevor Willow sich überlegen konnte, spürte sie eine Hand auf ihrer
Schulter: „Habe ich doch gewusst, dass du es bist!“
„Kennedy?“, Willow war
sichtlich überrascht, als sie sich umdrehte und in das Gesicht ihrer Freundin
blickte, „Ich hatte nicht erwartet, dass du schon da bist, wie ist es
gelaufen?“
„Lass
uns später darüber reden.“, schlug Kennedy mit einem kritischen Blick in
Gretchens Richtung vor.
„Oh,
ich habe vergessen euch beide vorzustellen! Gretchen, das ist Kennedy, eine
Freundin. Kennedy das ist Gretchen, sie ist mit mir zusammen auf dem College.“
Gretchen
war bereits aufgestanden und reichte Kennedy ihre Hand: „Freut mich dich kennen
zu lernen, Willow erzählt kaum etwas von ihren Freunden. Entschuldigt mich, ich
wollte sowieso gehen.“
„Freut
mich auch.“, antwortete Kennedy noch, bevor Gretchen das Cafe schon verlassen
hatte, sie zuckte mit den Schultern und setzte sich auf einen der Stühle und
fragte unsicher: „Denkst du, dass ich sie verscheucht habe?“
„Nein,
bestimmt nicht. Sie hat viel zu tun mit der restlichen Organisation des Balls“,
beruhigte Willow sie, obwohl sie sich dessen bei weitem nicht sicher war, „Und
wie ist es denn nun gelaufen?“
„Frag
besser nicht! Es war schon einer von Lilys Schergen da, Westmann hat uns zwar
zu Wort kommen lassen, doch er hat deutlich gemacht, dass er uns nicht glaubt
und Giles für einen Verrückten hält; seine Stimme haben wir wohl definitiv
verloren. Ich hoffe nur, die anderen hatten mehr Erfolg.“, gedankenverloren
blickte sie ihre Freundin an, Willow sah noch schlechter aus als vorher.
„Oh,
das hört sich ja nicht gut an. Wie ist Deutschland denn so?“, wollte Willow
wissen.
„Naja,
es geht. Nicht sonderlich beeindruckend, wenn ich ehrlich bin, aber wir haben
auch nicht zu viel dort gesehen. Allerdings habe ich dir was mitgebracht.“, sie
holte ein T-Shirt, das sie im Flughafen gekauft hatte, hervor, „Es ist nichts
besonderes, aber ich fand es witzig.“
Auf
der Vorderseite prangte in großen weißen Lettern der Schriftzug: „Meine
Leute waren in Deutschland, und alles was sie mir mitbrachten, war dieses
Scheiß T-Shirt?“
„Danke.“,
Willow tat ihr bestes um zu Lächeln, doch sie brachte es nicht zu Stande.
„Ich
hoffe, es ist deine Größe, ich hatte nicht viel Zeit zu suchen.“, Kennedy
guckte ihre Freundin besorgt an.
„Es
wird schon passen.“, Willow streifte ihre Jacke ab und presste das T-Shirt
gegen ihre Brust, „Siehst du, es ist perfekt.“
Kennedy
lächelte matt, doch ihr Blick blieb an der roten Stelle in ihrer Armbeuge
haften, an der noch deutlich die Nadeleinstiche zu erkennen waren.
Rom, Belusscis Wohnung, Abends:
Spoiler!
“Spike! O mio dio!” Bevor der platinblonde Vampir reagieren konnte,
hatte Andrew sich ihm schon an die Brust geworfen. “E come un sogno
incantevole!“ Er drückte Spike fest an sich, und trat einen Schritt zurück, um
sein Gegenüber mit schwärmerischem Blick in Augenschein zu nehmen. “Was machst
du hier?“
“Dasselbe wollten wir dich gerade fragen.“ Angel stand mit
verschränkten Armen daneben, sein Gesichtsausdruck düster und misstrauisch.
Vielleicht fühlte er sich ignoriert, überlegte Andrew, weil er nicht geknuddelt
worden war. Aber warum sollte er auch. Angel und er waren sich nie wirklich
nahe gekommen, nicht so, wie er und Spike auf dem Motorrad. Das war so etwas
wie eine Seelenverwandtschaft!
“Buffy und Dawn lassen mich hier übernachten!“ Ein kleines bisschen plagte
ihn sein Gewissen doch, dass er Spike nicht die Wahrheit sagte, aber es würde
zu viele Diskussionen nach sich ziehen. “Mein Casa ist in die Luft geflogen,
als diese Sache passiert ist.“
“Welche Sache?“ fragte Spike und zog argwöhnisch die Augenbrauen
zusammen.
“Kulturelles Missverständnis,“ stammelte Andrew hastig und versuchte,
nicht rot zu werden. ’Warren kann viiiel cooler gucken’, versicherte er sich
selbst, und brach in ein nervöses Kichern aus. “Aber lass uns von angenehmeren
Dingen reden. Entrate pure. Ich teile meine Schwelle.“
Keiner der beiden Vampire regte sich. Sie starrten ihn nur mit
ahnungslosen und verwirrten Blicken an.
“Ich meine, meine Wohnung, das ist doch offensichtlich.” Andrew machte
eine einladende Handbewegung. Hoffentlich würde Signore Belussci später nicht
sauer sein, dass er zwei Vampire...aber na ja, die beiden hatten schließlich
eine Seele...Seelen.
Offensichtlich hatten die zwei endlich verstanden, was er meinte, denn
sie traten gleichzeitig einen Schritt nach vorne – und blieben prompt im
Türrahmen stecken. Mit etwas Mühe gelang es Angel schließlich doch, sich an
Spike vorbeizuwinden, so dass er als erster das Wohnzimmer betreten konnte.
Hastig wetzte Andrew herum, und versuchte ein wenig Ordnung zu
schaffen. Tja...uhm... eigentlich hatt’ ich später noch was vor,“ wandte er
sich wieder an seine Gäste, “aber das könnt’ ich ändern, falls ihr was machen
wollt. Ich könnte euch Rom bei Nacht zeigen - eine Stadt der Gegensätze. Wo
immer ihr hin wollt, was immer ihr seh’n wollt...“
“Buffy!“ schrieen Angel und Spike wie aus einem Mund.
“Na klar, weil ihr beide...“ Andrew nickte und stemmte die Hände in die
Hüften. “Ja. Aber sie ist nicht hier.“
“Wo ist sie hin?“ wollte Angel wissen.
“Sie
trifft sich mit dem Unsterblichen.” Andrew hatte keine Lust mehr, sich etwas
auszudenken, außerdem sollten die beiden ruhig wissen, dass Buffy wieder
jemanden hatte. Was hatten sie erwartet? Dass sie ewig herumhockte und darauf
wartete, dass einer von ihnen auf einem weißen Pferd angeritten kam?
“Ganz allein?“ fragte Spike entsetzt.
“Ich hab’ euch doch gesagt, ich hab’ was vor.“
“Wann ist sie gegangen?“ wollte Angel wissen.
“Habt sie grad verpasst.“
“Dann ist es noch nicht zu spät.“ Die Vampire warfen einander verschwörerische
Blicke zu. “Es hätte schlimmer sein können.“
“Wenn ihr meint.“ Andrew ließ sich auf die Couch fallen. Offenbar
hatten die zwei es noch immer nicht gecheckt. Aber na ja, wenn es um Buffy
ging, waren sie sowieso nicht die Hellsten.
Er nahm ein Kissen, und drückte es spielerisch an sich. “Die meisten
Nächte verlassen sie eh’ nicht das Haus, sie rollen sich auf der Couch zusammen
und kuscheln.“
So ganz stimmte das zwar nicht, die meisten ihrer Treffen hatten in der
Villa des Unsterblichen stattgefunden, wo er und Buffy - zumindest nach ihrer
Aussage – außerordentlich fleißig und strebsam recherchierten.
“Sie kuscheln?“ Angel zog die Stirn in Falten.
“Für den Anfang.“ Andrew ließ das Kissen los und setzte sich auf.
“Wartet mal, ihr habt nicht gewusst, dass sie zusammen sind?“
Zusammen? Angel und Spike wechselten einen nervösen Blick.
“Es ist schlimmer,“ sagte Spike.
Spoiler Ende!
Villa des Unsterblichen, gleiche Zeit:
Buffy seufzte tief und Frustration schwang in ihrer Stimme mit, als sie
sprach.
„ Also, was haben wir jetzt...die Reiter sind allein übel, zu viert
zerstören sie die Welt. Die „Tiere“, auf denen sie reiten, geben ihnen mehr
Kraft und jeder hat seine eigene Waffe, mit der er Katastrophen auslösen kann,
diesen komischen Spruch...“
„ ‚Die Töchter von Sineya, darunter zwei, durch ein gemeinsames Erbe
verbunden...ihnen ist die Kraft gegeben, die Macht der Alten zu brechen’“,
zitierte der Unsterbliche.
„ Das macht keinen Sinn. Und, als ob das nicht schon unklar genug wäre,
haben wir noch das hier...“. Sie hob das
schimmernde Amulett auf, welches ganz oben auf dem Bücherstapel lag.
Es war so groß wie eine menschliche Hand und rund. Im Grunde bestand es
aus einer Reihe von Ringen, die gedreht werden konnten, wobei ein Edelstein im
Innern zu funkeln begann. Doch außer einem Wirrwarr von Farben gab es nichts
von Belang darin zu erkennen.
Die Ringe selbst waren mit Zahlen und einer Reihe arkaner Symbole
versehen, deren Anblick Schwindelgefühle auslöste.
Eigentlich wäre so was ein gefundenes Fressen für Willow gewesen. Sie
hätte diesem kleinen Ding schon alle Geheimnisse entlockt.
Aber Willow war nicht hier.
Der Unsterbliche schüttelte müde den Kopf. Seit über einer Stunde
probierten sie jetzt an diesem Amulett herum...ohne dass sich eine Lösung des
Problems präsentiert hätte.
„Ich stehe vor einem Rätsel. Mein Kontakt hatte
mir gesagt, das Ding wäre die Antwort auf unsere Fragen. Aber jetzt werde ich
das Gefühl nicht los, dass man mich übers Ohr gehauen hat. Das könnte auch billiger
Kitsch sein. Aber dafür ist in den Symbolen zuviel System.“
Er zuckte mit den Schultern, hob in einer Ohnmachtsgeste die Hände und
ließ sie dann auf die Schenkel fallen.
„Ich gebe mich geschlagen. Im Moment bin ich ratlos.“
„Das heißt?“ fragte Buffy vorsichtig. Es war offensichtlich, dass es
ihm nicht behagte, das Problem nicht lösen zu können. Wobei er sich weniger
darum scherte, wie das vor ihr wirkte als vielmehr, welche Folgen es haben
konnte, wenn sie bei dieser Sache versagten.
Das war überhaupt das Außergewöhnliche an ihm, das
Faszinierende...diese fast schon unheimliche Selbstsicherheit, die er
ausstrahlte.
Vor ein paar Tagen hatte sie ihn darauf angesprochen und er hatte
lediglich gesagt: „Ich habe die Unsterblichkeit genutzt, um mich selbst kennen
zu lernen. Und dabei hab ich gemerkt, dass ich mich für nichts entschuldigen
müsste.“
Buffy hatte schnell bemerkt, dass neben seiner offensichtlichen
Attraktivität genau dieser Wesenszug es war, der sie so für ihn eingenommen
hatte. Er war stets er selbst, auch dann, wenn er ihre Wünsche in den
Mittelpunkt stellte. Sie musste sich nicht dafür entscheiden, eine starke oder
schwache Rolle ihm gegenüber einzunehmen, denn sie wusste, er konnte mit beidem
umgehen.
Er sah ihr in die Augen und langsam schlich sich dieses tiefgründige
Lächeln zurück auf seine Lippen. „Das heißt, dass wir beide jetzt losziehen
werden. Vielleicht fällt uns was ein, wenn wir erstmal auf andere Gedanken
gekommen sind.“
Er stand auf und streckte ihr die Hand entgegen. Als sie aufstand,
sagte er: „ Habe ich dir eigentlich gesagt, dass du zauberhaft aussiehst?“
Fast schon grinsend hob Buffy die Hand und hielt zwei Finger hoch.
„Macht der Gewohnheit“, erwiderte er, beugte sich vor und küsste sie.
Sie erwiderte den Kuss und Arm in Arm gingen sie zur Tür.
Im Augenblick war das Amulett vollkommen
vergessen....
Belusscis Wohnung, gleiche Zeit:
“Signore Belussci...“ stammelte Andrew, “Sie sind schon wieder zu
Hause?“ Verlegen blickte er an sich hinunter, er trug immer noch T-Shirt und
Bademantel. Zum Glück hatte er schon ein bisschen aufgeräumt, nicht das der
Wächter noch glaubte, er wolle sich hier breit machen.
Belussci schien jedoch ganz andere Sorgen zu haben. “Hören Sie, Mr.
Wells, ich wurde soeben von Herrn Lenhardt, einem Mitarbeiter von Ms. Usher
kontaktiert. Angeblich gibt es einen Notfall in London, meine Anwesenheit wird
unverzüglich verlangt. Ich fliege mit der nächsten Maschine.“
“Sagte dieser Wächter etwas von ’P.S. Das ist eine Falle?’ erkundigte
sich Andrew misstrauisch.
“Mir ist es nicht...wie sagt man...geheuer.“ Besorgnis machte sich in
Belusscis Miene breit, und er senkte nachdenklich den Blick. “Trotzdem, würde
ich mich weigern, hätte Ms. Usher sofort Gewissheit, dass ich ihr nicht mehr
traue. Und dieses Risiko sollte ich nicht eingehen.“
Andrew nickte. “Seien Sie vorsichtig, Signore Belussci. Lily Usher hat
kein Problem damit, die Leute, die ihr im Weg sind, aus demselben zu räumen.“
Er setzte sich wieder auf die Couch, während Belussci an ihm vorbei
ging, und kurze Zeit später mit einem hastig gepackten Tageskoffer
zurückkehrte. “Wenn Sie und Ms. Summers die Wohnung verlassen, werfen Sie bitte
den Schlüssel nicht in den Briefkasten, sondern übergeben Sie ihn jemandem...“
“Ich treff’ mich heut Abend mit der Tochter von Wächterin Biancavelli,“
schlug Andrew vor, “soll ich ihr den Schlüssel geben?“
“In Ordnung.“ Belusscis Miene hellte sich etwas auf, als er Andrew zum
Abschied die Hand reichte. “Es hat mich sehr gefreut, Sie kennen zu lernen, Mr.
Wells. Richten Sie bitte Ms. Summers meine Wertschätzung aus, und mein
Bedauern, dass ich mich nicht persönlich verabschieden konnte.“
“Das werd’ ich machen,“ versicherte Andrew. “Es hat mich auch sehr
gefreut.“ Er blickte dem alten Herrn hinterher, als
dieser die Wohnung verließ. Hoffentlich lief er nicht direkt in eine Falle
hinein.
Er schnappte sich das Telephon, und wählte Caprices Nummer. Hatte ihre
Mutter ebenfalls eine Nachricht von Lily bekommen?
Spoiler!
Es mochten kaum Minuten vergangen sein, als es wieder an der Tür
klopfte. Andrew schreckte hoch, hatte Belussci etwas vergessen? Mit dem
Telephon in der Hand wetzte er zur Tür.
“Ist Buffy schon daheim?“ wollten Angel und Spike wissen.
“Leute, es ist erst acht Uhr dreißig.“ Andrew stieß hörbar die Luft
aus. So cool Spike auch sein mochte, heute war er eine richtige Nervensäge.
“Stimmt.“ Die beiden Vampire wechselten einen verlegenen Blick. “Yeah.“
“Weißt du, wo sie hingegangen ist?“ fragte Angel schließlich.
Spoiler Ende
England, London, Rat der Wächter:
Vor ihr auf dem Tisch war allerhand Material verteilt, das ihr helfen
sollte die Verhandlung gegen Giles vorzubereiten. Den Mitgliedern des Rates zu
verstehen zu geben, dass man Giles nicht mehr vertrauen könnte, war eine Sache,
es vor einem Gericht zu beweisen eine andere.
Den größten Teil der Arbeit hatte George bereits für sie erledigt,
jetzt ging es nur noch darum sich einzuarbeiten und zu entscheiden, welche
Details sie am besten ausführte, und welche kaum einer Erwähnung bedurften. Was
Verdrehung von Fakten und Beweisen betraf, hatte George sicher gute Arbeit
geleistet, doch das war nicht das, worum es in dieser Verhandlung gehen würde.
Manipulation. Inszenierung, das waren die Faktoren, die alles
entscheiden würden. Sowohl sie als auch Giles hatten beweisbare und absolut in
sich schlüssige Versionen der Ereignisse, ganz abgesehen davon, ob sie der
Wahrheit entsprachen oder nicht, doch darauf kam es gar nicht an. Das
entscheidende war, wie man sich selbst verkaufte, und gerade auf diesem Gebiet
war Lily äußerst erfahren.
Aber das war es eigentlich auch nicht, was Lily Sorgen bereitete. Sie
würde ihre Show abziehen, so wie sie es immer getan hatte, doch dieses Mal gab
es einen neuen Faktor, der alles ins Wanken bringen könnte. Sie durfte sich
nicht davon beeinflussen lassen, dass er anwesend sein würde, wenn sie es tat,
dann wäre es ihr Untergang.
Sie müsste stark sein, wenigstens dieses eine Mal noch, sie musste ihm
in die Augen blicken können und sagen können, dass er ein Lügner war, wenn sie
das konnte, dann wäre all das andere ein Kinderspiel, doch konnte sie es?
Damals als Lily seine Stimme am Telefon gehört hatte, war es ihr schon
schwer gefallen, und verdammt, da war es nur seine Stimme gewesen! Sie versuchte
die Vorstellung seines vorwurfvollen Blickes zu verdrängen, doch er tauchte
immer wieder vor ihrem inneren Auge auf.
Bisher hatte sie das alles auf die Beine gestellt, es durfte einfach
nicht daran scheitern. Sie würde es sich nicht verzeihen können, ihre heilige
Pflicht als Wächterin nicht erfüllen zu können, nur weil sie ihn liebte. Sie
würde es einfach nicht zulassen. Sie konnte es nicht zulassen; das war sie
ihrem Vater schuldig und all den anderen Wächtern, die vor ihm gewesen waren
und auch denen, die noch kommen würden. So schwierig konnte es schon nicht
sein. Jedenfalls war es nicht unmöglich.
Aber jetzt war es erst einmal wichtig all die Notizen und Beweise von
George durchzugehen, denn auf die Verhandlung konnte sie sich vorbereiten, im
Gegensatz zu der Begegnung mit Giles.
Rom, Tanzclub, gleiche Zeit:
Buffy hatte jegliches Zeitgefühl verloren, während sie sich
unermüdlich auf der Tanzfläche bewegte. Ihre übernatürliche Ausdauer ebenso wie
die des Unsterblichen taten ihr Übriges, ließen sie Durst oder Erschöpfung
vergessen.
Beide schienen ihre Umgebung kaum noch wahrzunehmen, ihre Blicke waren
auf den jeweils anderen fixiert, während sie sich, getrieben von der Musik,
fast im Einklang bewegten.
Es war fast ein Wunder, dass sie niemanden anrempelten, war doch der
Rest der Tanzfläche schon vor langer Zeit aus ihrer Wahrnehmung entschwunden.
Es gab nur noch sie beide...für eine ziemlich lange Zeit.
Der Unsterbliche trug jetzt wieder einen dunklen Anzug, der an jedem
außer ihm in dieser Situation fehl am Platze gewesen wäre. Er sah beinahe
unnatürlich attraktiv aus.
Buffy grinste, als sie daran dachte, wie lange es her war, dass sie
sich bei diesem Gedanken ertappt hatte. Zu lang. Immerhin.. trotz aller
Jägerinnenkräfte war sie nach wie vor ein Mensch. Ein Teil von ihr blieb
einfach die Frau, die sich nach einer zärtlichen Berührung sehnte. Und dieser
Teil war froh, dass sie jetzt einmal Jägerin sein lassen konnte.
Zumindest, soweit es die kommende Apokalypse zuließ.
Spoiler!
Für einen Moment riss Buffy ihre Augen von dem anziehenden Gesicht ihr
gegenüber los und ließ ihren Blick über die tanzende Menge schweifen... und
zögerte.
Was hatte sie dort gesehen? Zwischen all den sich bewegenden Körper
drängte sich jemand hindurch, dessen auffällig blonde Haare im Discolicht fast
weiß erstrahlten. Kurz hinter ihm jemand, der gut mit Haargel
umzugehen verstand. Das konnte doch nicht...
Schnaubend schüttelte sie den Kopf. So weit kam es gerade noch. Sie war
endlich wieder mit einem Mann zusammen und schon erschienen ihr ihre
Verflossenen.
Frisurtechnische Verirrungen gab es sicher auch in Italien.
„Alles in Ordnung?“ fragte der Unsterbliche und
stoppte.
Buffy winkte ab. „Ich dachte, ich sehe jemanden,
den ich kenne...aber war ne Täuschung.“
„Sollen wir eine Pause einlegen?“
„Geht schon. Ich bin nicht müde. Ist wohl nur der
Stress der letzten Tage. Lass uns weitermachen.“
Langsam fanden sie ihren Rhythmus wieder und
wiegten sich im Takt der Musik...
Einmal glaubte Buffy noch, die beiden Köpfe in der Menge zu sehen,
diesmal deutlich näher, doch sie ließ sich nicht beirren... wenn ihre Sinne
auch etwas angespannter blieben.
Irgendwo in der Menge gab es plötzlich Bewegung, so als versuche
jemand, sich an den Tanzenden vorbeizudrängeln.
Spoiler Ende!
Plötzlich schien sich alles um sie herum zu verlangsamen, als von
irgendwoher eine Idee ihren Geist erreichte und sich dort festsetzte.
Natürlich...es war so einfach gewesen....
Ohne Vorwarnung blieb sie stehen und packte den
Unsterblichen am Arm.
„Was ist?“ fragte er erstaunt.
„Das Amulett! Ich weiß, was wir damit machen
müssen!“
Er zögerte kurz, dann lächelte er breit. „Du
steckst voller Überraschungen...“ murmelte er, bevor sie beide sich durch die
Tanzenden schlängelten und bald darauf wieder an der frischen Luft waren.
Schnell nahm der Unsterbliche sein Handy zur Hand und rief seinen
Wagen.
„Gut“, sagte er daraufhin, „ damit wäre das Rätsel auch gelöst...“
Dann war er still und Buffy erkannte in seinen Augen die gleiche Schlussfolgerung,
die sich auch ihr aufdrängte...und die ihnen beiden nicht gefiel.
„Du musst wieder zurück“, sprach er schließlich aus, was beiden auf dem
Herzen lag.
Sie nickte bedächtig. „Den Weltuntergang
verhindern. Wie immer.“
Womit wir mal wieder bei dem alten Thema Jägerin kontra Beziehung
wären, dachte sie grimmig. Aber was sollte man machen?
Für einen Moment versanken beide in Schweigen.
„Ich möchte dich nicht missen“, ergriff er nach einer halben Ewigkeit
das Wort, „und ich wäre untröstlich, wenn das jetzt das Ende wäre.“
„Das muss es ja nicht sein. Ich gehe ja nur nach Amerika, nicht auf den
Mond oder so.“
Sie konnte hören, wie er erleichtert aufatmete. Lag ihm wirklich so
viel an ihr?
Sie sollte endlich aufhören, das in Frage zu stellen. Immerhin hatte er
ihr bisher nicht den Grund geliefert, etwas anderes zu vermuten.
„Vielleicht wäre es so das Beste...immerhin hast
du viel zu tun. Gelegentliche Besuche sind vielleicht leichter mit deinen
anderen...Pflichten zu vereinbaren als meine ständige Anwesenheit“, erwiderte
er.
„Vorausgesetzt, wir kriegen das mit der Apokalypse auf die Reihe“, gab
sie zu bedenken, was bei ihm zu einem besorgten Stirnrunzeln führte.
„Ja...aber ich glaube, dass du es schaffst. Es
gibt keinen Grund, weshalb du verlieren solltest.“
Nett gesagt, dachte sie...aber es gab genug Gründe. Die Tatsache, dass
die Reiter mit ihren Schwertern Naturkatastrophen auslösen konnten, war noch
einer der Geringsten.
Von fern hörte sie das Geräusch eines sich nähernden Wagens. Die
Limousine fuhr vor und Buffy traf einen Entschluss. Die Apokalypse konnte bis
morgen warten.
Doch bevor sie etwas sagen konnte, hörte sie plötzlich Lärm hinter
sich. Es klang, als würden mehrere Personen aufeinander losgehen...begleitet
von lautem Geschrei.
„Vielleicht sollte ich...“ fing sie an, doch er legte ihr sanft eine
Hand auf die Schulter.
„Ist nicht nötig. So was passiert hier öfter.
Ist halt das italienische Temperament. Die Security kümmert sich drum, die sind
das gewöhnt.“
Er wollte sich gerade umwenden, als Buffys Hand auf seiner Schulter
landete und sie ihn zu sich heranzog, um ihn zu küssen. Der Kuss dauerte
ziemlich lange und war auf beiden Seiten gleichermaßen heftig. Der Chauffeur
entschloss sich nach den ersten 30 Sekunden, lieber seine Fingernägel zu
betrachten.
Schließlich trennten sie sich voneinander und Buffy sah ihm tief in die
Augen.
„Wir kümmern uns um die ganzen Probleme morgen.
Erstmal das Amulett und dann...bleibt uns noch der Rest der Nacht.“
Er hob eine Augenbraue. „Meinst du...?“ begann er und las dann in ihren
Augen die Antwort.
„ Wie ihr wünscht, Mylady“, sagte er lächelnd und öffnete ihr die Tür.
Es wurde eine lange Nacht.
Belusscis Wohnung, gleiche Zeit:
Buffys Worte schwirrten ihm immer noch im Kopf
herum, auch die angenehmen warmen Wassertropfen konnten sie nicht vertreiben.
Hatte er wirklich Gefühle für Caprice? Oder fand er einfach ihre Gesellschaft
so angenehm?
Das sowieso. Sie war nett, und man konnte sich unheimlich gut mit ihr
unterhalten. Sie war tatsächlich der erste Mensch, mit dem er einen ganzen
Abend lang reden konnte, ohne dass sie dabei auf irgendeinen Film zu sprechen
kamen. Und er langweilte sich dabei kein Stück. Schon wirklich seltsam.
Er griff nach seinem Shampoo, musste plötzlich an Warren denken, und
bekam sofort ein schlechtes Gewissen. Da war er mal zwei Wochen weg von zu
Hause, und schon machten sich solche bösen Gedanken in seinem Kopf breit.
Aber schließlich war es alles nur Phantasie. Genau wie seine
Vorstellungen, im bunten Superheldenkostüm durch die Lande zu fliegen, und
Leute zu retten. In Gedanken konnte man alles tun, und alles sein, und er war
nicht der einzige, der solche Gedanken hatte. Wenn sie daheim vor der Glotze
hockten, und Lucy Liu, oder Angelina Jolie in knappen Klamotten über den
Bildschirm turnten, kriegte Warren immer diesen sabbernden Gesichtsausdruck,
und dann war es ziemlich klar, dass er sie nicht deshalb anschwärmte, weil sie
coole Action Heldinnen waren, so wie Andrew es tat.
Caprice war keine Action Heldin, eher ein Bond Girl der alten Schule.
Und er brauchte sich nichts vorzumachen, schön und nett und tolle Gespräche
reichten absolut nicht aus, sich in jemanden zu verlieben. Dazu gehörte noch
sehr viel mehr, auch wenn er es nicht wirklich in Worte fassen konnte.
Beschreibungen wie Feuer und Schmetterlinge und kleine Explosionen im Magen
trafen es vielleicht noch am ehesten.
Und wenn es etwas gab, das er letztes Jahr aus dem missglückten Date
mit Dawn gelernt hatte, dann dass Mädchen diese Gefühle in ihm nicht auslösten.
Nein, gewusst hatte er das eigentlich schon viel früher, aber er hatte
versucht, es zu verdrängen, nachdem damals alles in einer solchen Katastrophe
geendet hatte...
War das ein Klopfen an der Tür? Andrew stellte das Wasser ab,
vergewisserte sich, dass seine Haare wieder shampoofrei waren, und griff nach
seinem Bademantel. Oh je, es konnte doch nicht schon so spät sein! Er war doch
noch gar nicht fertig!
Spoiler
“Ist Buffy schon zurück?“
Zum dritten Mal in dieser Nacht standen Angel und Spike vor der Türe,
mit denselben misstrauischen Mienen wie zuvor. Nur dass Angel jetzt kein
Schwarz mehr trug, sondern eine seltsame rot-weiße Sportjacke.
“Tut mir leid.“ Andrew zuckte bedauernd die Achseln. Ihr könnt gern
reinkommen, wenn ihr wollt. Ich muss allerdings gleich weg.“ Er trat zurück, um
die beiden Vampire einzulassen.
“Schicke Jacke, übrigens, “ wandte er sich mit einem leichten Grinsen
an Angel.
“Die neueste Mode.” Angel schloss die Tür und versuchte, nicht allzu
verlegen auszusehen.
“Andrew.“ Spikes Stimme klang jetzt sehr ernst. “Hat Buffy sich
irgendwie seltsam verhalten? So, als ob der Unsterbliche sie mit einem Zauber
oder so kontrolliert?“
“Eine gute Frage. Nein.“ Andrew bemühte sich nicht allzu sarkastisch zu
klingen, schließlich konnte er sich vorstellen, dass die Situation für die
Ex-Freunde nicht gerade einfach sein würde.
Er marschierte ins Bad zurück, ließ die Tür jedoch offen, um sich
weiter mit den beiden unterhalten zu können. Hastig begann er sich fertig
abzutrocknen und suchte nach dem Kamm.
“Könnte es sein, dass er irgendwie ihren Geist kontrolliert?“ fragte
Angel von draußen, und Spike fiel sofort ein: “Oder ein Liebestrank! Hat sie
einen Liebestrank getrunken?“
“Ganz ehrlich, Alter, ich hab’ auch an all diese Sachen gedacht.“ Dass
diese dummen Haare einfach nicht glatt werden wollten. Andrew legte den Kamm
beiseite und nahm etwas Gel zu Hilfe. “Aber es hat sich rausgestellt, Buffy hat
sich von selbst in den Unsterblichen verliebt – und jetzt ist sie glücklich.
Das ist alles.“
Er betrachtete sich im Spiegel. So sah das alles doch schon viel besser
aus.
“Aber sie ist doch noch nicht fertig gebacken!“ Angels Stimme klang
verzweifelt. “Ich soll warten, bis sie fertig gebacken ist, weißt du, sich
selbst gefunden hat und so, genau so wollte sie das haben. Toll. Ich warte brav
und geduldig, und währenddessen – kommt der Unsterbliche daher und isst
Kuchenteig!“ Ein tiefer Seufzer erklang aus dem Wohnzimmer.
Andrew, der sich gerade sein Hemd zuknöpfte, hielt mitten in der
Bewegung inne. “Uhm, Spike?“ fragte er vorsichtig. “Weint Angel etwa?“
“Nein!” Spikes Stimme klang ziemlich trotzig, und einen Augenblick
später fügte er etwas leiser hinzu. “Noch nicht.“
“Versuch’ dein Wasser zu halten, großer Junge,“ scherzte Andrew in
einem Versuch aufmunternd zu wirken, und kämpfte weiter mit seinen Hosenbeinen.
“Der Unsterbliche ist schon cool und so, aber er ist auch nicht perfekt! Er hat
seine Fehler!“
“Echt?“ Angel hörte sich wieder ein wenig hoffnungsvoller an.
“Die…die wären?” Spike dagegen klang sehr gespannt.
Andrew stieß einen Seufzer aus, und band seine Fliege. Dass Männer auch
immer zu kleinen Kindern werden mussten, wenn es um Frauen ging. “Der Punkt
ist, sie entwickelt sich weiter. Ihr solltet das auch tun, und vielleicht
erwischt ihr sie eines Tages. Na ja, einer von euch. Aber wenn ihr immer nur
auf der Stelle tretet, werdet ihr bald herausfinden, dass sie längst
weitergelaufen ist.“
Eine Weile war es still im Wohnzimmer, Andrew hörte nur ein Flüstern,
als ob sich die beiden leise unterhielten. Offenbar hatten seine Worte sie zum
Nachdenken gebracht. Na ja, wurde auch Zeit.
Er zog sein Jackett an und betrachtete sich im Spiegel. Nicht schlecht.
Wieder einmal machte er sich eine gedankliche Notiz, sich bei Kennedy zu
bedanken, dass sie ihn damals zum Anzugkaufen geschleppt und ihm europäische
Manieren eingetrichtert hatte.
“Buffy liebt euch beide, aber sie lebt nun mal ihr Leben. Leute
verändern sich.“ Er marschierte aus dem Bad und amüsierte sich insgeheim über
ihre entgeisterten Blicke, als sie ihn im vornehmen Anzug sahen. “Ihr solltet
es auch mal versuchen.“
Es klopfte wieder, und als Andrew diesmal öffnete, sah er sich Caprice
und ihrer Freundin gegenüber, die ihn fröhlich anstrahlten. “Caprice, se bella
come la notte,“ flirtete er, als er sie mit den hier üblichen Wangenküsschen
begrüßte. “Et tu, Isabella,“ wandte er sich an die andere junge Frau, “superi
perfino le stelle.“
Er drehte sich einen letztes Mal zu Angel und Spike um, die immer noch
dastanden, wie begossene Pudel. “Ciao.“
Spoiler Ende!
Cleveland, College, Willows Zimmer, nächster Morgen:
„Komm rein, aber ich habe nicht viel Zeit für dich!“, Willow war in einen
Morgenmantel gekleidet, als Kennedy ihre Wohnung betrat, „Ich muss gleich los.
Was führt dich denn hier her?“
„Kann
ich dich nicht einfach besuchen?“, ein besorgter Ausdruck zeichnete sich in
Kennedys Gesicht ab, während sie auf Willows Bett Platz nahm, „Ich komme gerade
vom Patrouillieren und habe gedacht, es wäre eine gute Idee mal bei dir vorbei
zu schauen.“
Willow war inzwischen im Bad verschwunden: „Ich
befürchte, ich muss dich enttäuschen, Gretchen kommt gleich und holt mich ab.“
„Macht ja nichts.“, Kennedy ließ sich auf das weiche
Bett hinabsenken, „Nach so einer Nacht brauche ich sowieso erstmal ein bisschen
Schlaf. Scheinbar sind die Dämonen und Vampire in unserer Abwesenheit
selbstsicherer geworden, und nicht nur das: Ich muss auch noch für Faith und
Buffy mitpatrouillieren!“
„Naja, es ist ja nur noch für heute!“, warf Willow
ein, sie trug eine Jeans und Kennedys T-Shirt, als sie wieder aus dem Bad
heraus trat.
„Ja, doch gerade heute ist es ungünstig wegen deinem
Abschlussball, ich weiß nicht, ob ich es rechtzeitig schaffe.“, Kennedy rückte,
setzte sich wieder und machte Platz für Willow, die sich jedoch nicht zu ihr
setzte.
„Mach dir keinen Stress wegen mir, es ist wichtiger, dass du dich um die
Dämonen kümmerst!“, Willow wirkte auf eine komische Art abwesend.
„Hey,
du weißt doch genau, dass ich alles machen werde, was ich kann um rechtzeitig
zu kommen!“, Kennedy blickte sie ein bisschen vorwurfsvoll an, doch es hielt
nicht lange an. Warum musste sie in letzter Zeit immer so gleichgültig sein?
Willow nickte nur kurz, doch es gelang ihr nicht,
ein ganz kleines Lächeln, das über ihr Gesicht huschte, zu verbergen: „Denkst
du, dass irgendwer von den anderen es schaffen wird? Wenn nicht, kann Gretchen
eure Plätze für jemand anderen reservieren.“
„Ich denke, die Chancen stehen gut, dass sie es
rechtzeitig schaffen, wenn ihr Flieger rechtzeitig ankommt.“, stellte Kennedy
fest, „Ich denke, wir behalten die Plätze.“
Sie blickte ihre Freundin lange und durchdringend
an, einige Minuten vergingen, ohne, dass sie eine einziges Wort wechselten,
schließlich atmete Kennedy tief durch und gab sich einen Ruck: „Willow, gibt es
vielleicht irgendwas, worüber du mit mir reden möchtest?“
Die rothaarige Hexe schien überrascht: „Was meinst
du?“
„Guck dich doch mal an, irgendwas ist nicht in Ordnung mit dir. Und ich
frage mich manchmal… ob du überhaupt noch was mit mir zu tun haben willst, wenn
du nicht mal mit mir darüber sprechen willst.“, die Worte sprudelten geradezu
aus ihrem Mund hervor, „Und ich habe die Einstiche an deinem Arm gesehen!“
Willow starrte Kennedy an, als ob sie einen Geist
gesehen hätte, dann lachte sie, es war kein fröhliches Lachen, doch immerhin
ein Lachen: „Du denkst doch nicht wirklich, dass ich…? Es geht um etwas völlig
anderes und hat überhaupt nichts mit dir zu tun.“, endlich nahm sie neben ihr
Platz und begann über ihre Wange zu streichen, „Die letzte Woche war für mich
sehr anstrengend, das musst du verstehen. Tut mir leid, wenn ich dir zu selten
zeige, wie viel du mir bedeutest, aber glaub mir, ohne dich wüsste ich nicht,
wie ich das alles schaffen sollte.“
Kennedy lächelte verlegen und Willow erwiderte das
Lächeln, ihre Gesichter näherten sich gerade, als sie plötzlich von einem
Klingeln aufgeschreckt wurden, Willow warf einen Blick auf die Uhr: „Das muss
Gretchen sein, wir müssen ein anderes mal darüber reden!“
Xanders Appartement, Abend:
„Und wozu hast du diese Postkarten jetzt genau gekauft?“, fragte Eve
kritisch, sie lag schräg auf seinem Bett, während Xander seinen Koffer
ausräumte.
„Nur als Erinnerung, dass ich wenigstens einmal in meinem Leben in
Deutschland gewesen bin. Verdammt, meine ganzen Klamotten hätte ich eigentlich
gar nicht einpacken brauchen.“, er verstaute die letzten Sachen im Schrank und
setzte sich dann zu ihr auf die Bettkante.
„Ich war auch einmal in Deutschland, aber ich habe nicht allzu viel
gesehen, ich war nur einmal geschäftlich in Frankfurt.“, stellte Eve fest,
während sie sich aufrichtete und ihm Platz machte.
„Frankfurt? Ah ja. Na ja, wie auch immer, auf jeden Fall wollte ich,
wenn ich schon mal da bin, auch eine Erinnerung mitnehmen.“, er schloss sie in
seine Arme, und stellte fest, dass sie Ringe unter den Augen hatte, „Und wie
ist es dir so ergangen, als ich weg war?“
„Du weißt ja, wie es auf der Arbeit zu geht, eine Sekretärin von der
dritten Etage hat Ärger gemacht, ich habe ihr eine offizielle Verwarnung
ausgesprochen, außerdem hat ein äußerst zäher Kunde die ganze Zeit genervt.
Doch lass uns nicht weiter darüber reden, es ist jetzt nicht wichtig.“, sie
küsste seinen Hals sanft, „Im Moment haben wir etwas anderes zu tun.“
„Hat die Sekretärin etwas über uns gesagt?“, wollte Xander wissen. Eve
blickte langsam auf: „Was wäre, wenn es so gewesen ist?“
„Ach ich weiß auch nicht.“, Xander drückte sie sanft zur Seite, „Ich
weiß einfach nicht, ob unsere Beziehung eine Zukunft haben kann.“
Er konnte förmlich sehen, wie sie diese Aussage direkt ins Herz traf.
Er begann ein schlechtes Gewissen zu bekommen. Vielleicht hätte er erst gar
nicht davon anfangen sollen.
„Wegen dem Gerede in der Firma?“, wollte sie wissen, „Das ist doch
wirklich vollkommen unwichtig! Oder ist es für dich etwa wichtig?“
„Zumindest
finde ich es nicht gut, außerdem sind Beziehungen auf der Arbeit immer sehr
problematisch.“, vermutlich war es das noch nicht mal, was ihm solche Sorgen
bereitete. Doch was war es dann?
Immer wieder kamen ihm Gedanken an die Nacht, in der er mit Eve vor den
Dämonen geflüchtet war, ihre Angst und ihre Versuche, rationale Erklärungen zu
finden; wenn sie mit ihm zusammen wäre, würde sie immer wieder an Dämonen
geraten. Er lebte in einer Welt, die mit ihrer nicht viel gemein hatte, und
immerhin hatte er schon eine Freundin an die Apokalypse verloren, eine
Erfahrung, die er niemals wieder durchmachen wollte.
Doch Eve war nicht Anya und es war sicher ein Fehler, die beiden zu
vergleichen, und dennoch…
Doch warum suchte er so sehr nach einem Vorwand, um die Beziehung zu
beenden und fand keinen, der ihm selbst schlüssig schien? Wollte er sich
vielleicht nur selbst davor schützen, erneut jemanden zu verlieren, der ihm so
wichtig war? Doch das würde bedeuten, dass sie ihm doch sehr wichtig war.
Er wollte mit ihr Schluss machen, um sie nicht zu verlieren? Irgendwie
ergab das, was in seinem Kopf vorging, alles keinen Sinn. Aber so weitergehen
konnte es auch nicht, er hatte sich in letzter Zeit einfach zu sehr verändert.
Nicht nur, dass er sich immer mehr von seinen Freunden entfernte, nein, er
verhielt sich gegenüber ihnen auch unmöglich und stieß sie zurück, so als ob er
nicht mehr er selbst wäre.
„Na ja, vielleicht können wir es ja einfach versuchen.“, Eve lächelte
ihn traurig an, „Ich will dich wirklich nicht mehr verlieren.“
„Wie spät ist es?“, sein Blick fiel auf die Uhr und er wusste, dass er
etwas vergessen hatte, „Willows Abschlussfeier!“
Cleveland,
College, Abend:
„Beeindruckend!
Sie haben das beste Zeugnis dieses Jahrgangs!“
Er schüttelte ihre Hand, bevor er ihr das Zeugnis überreichte. Das Publikum applaudierte, und selbst die meisten ihrer Mitstudenten rafften sich auf, um zu klatschen, obwohl sich bei einigen deutlich Neid in ihren Gesichtern abzeichnete, nur Gretchen lächelte ihr aufmunternd zu.
Willow
blickte in die Runde. Sie hatte nicht damit gerechnet, immerhin hatte sie durch
die viele Arbeit für den Rat erheblich wichtige Zeit verloren, und dann war da
natürlich noch dieser Vorfall bei einer Vorlesung gewesen, den der Professor
ihr heute noch übel nahm. Sicher freute sie sich, doch irgendwie… Ihr Blick
glitt auf die leeren Sessel und der Ansatz eines Lächelns in ihrem Gesicht
erstarb. Selbst ihren Eltern war das jüdische Seminar in der Schweiz wohl
wichtiger gewesen als ihre eigene Tochter.
„Das
ist wirklich eine gute Leistung, wenn sie wollen, kann ich sie mit einigen
Leuten bekannt machen…“
Willow
nickte nur abwesend. War es wirklich zu viel verlangt gewesen, dass ihre
Freunde auf ihrer Abschlussfeier auftauchten? Konnte sie nicht wenigstens das
erwarten?
„Ja.“,
Willow wollte sich gerade umdrehen, das Klatschen war schon fast zum Stillstand
gekommen, als sie plötzlich sieben Gestalten in der hinteren Ecke bemerkte, die
nicht aufhörten zu klatschen. Sie waren nachträglich hinzugekommen.
Als erstes erkannte sie Kennedy, dann Buffy,
Andrew und all die anderen, nur Giles war, wie es zu erwarten gewesen war,
nicht da. Ein warmes Lächeln zeichnete sich in ihrem Gesicht ab.
Einige Tränen bahnten
sich den Weg in ihre Augen, doch sie schaffte es erfolgreich sie zu
unterdrücken; die anderen hatten es doch noch rechtzeitig geschafft!
Überglücklich
drehte sie sich um und kehrte zu den anderen Studenten zurück, der Abend war
gerettet. Ihr Blick fiel auf das Abschlusszeugnis in ihren Händen, erst jetzt
wurde ihr klar, was es bedeutete: Sie war die Beste ihres Jahrgangs! Das
öffnete ihr alle Türen, was immer sie auch machen wollte.
Die
Zeremonie wurde fortgesetzt, und der nächste Student wurde aufgerufen. Willow
stellte sich direkt neben Gretchen, die ihr überschwänglich gratulierte: „Wow,
habe ich dir nicht gesagt, dass du das Zeug dazu hast?“, sie deutete zu Kennedy
und den anderen herüber, „Deine Freunde?“
„Ja!“,
Willow hob ihre Hand und winkte den anderen zu.
„Sie
sind aber reichlich spät gekommen!“, begann Gretchen, doch Willow würgte sie
ab: „Aber sie sind gekommen, und das ist, was zählt!“
Das
einzige, was ihr nun noch den Abend ruinieren könnte, wäre D´hoffryn und in
dieser Angelegenheit konnte sie wohl nichts anderes tun, als zu beten, dass er
sich fernhalten würde.
Wales, Wächterhaus, selbe Zeit:
Draußen
prasselte der Regen gegen die Scheiben und verlieh dem nur durch Kaminfeuer
beleuchteten Arbeitszimmer eine noch viel gemütlichere Atmosphäre. Langsam
drehte Giles den Löffel in seinem Tee: „Vielen Dank, dass sie mich empfangen,
Mr. Fraser! Das ist bei Leibe keine Selbstverständlichkeit mehr. Viele der
anderen Wächter, selbst solche, die vorher meine Freunde gewesen sind, haben
mir den Rücken gekehrt.“
„Ich verstehe ihre Situation vollkommen, Mr. Giles, doch erzählen sie
weiter!“, der alte Wächter mit stechendem schottischen Akzent nahm einen tiefen
Schluck aus seiner Tasse.
„Gut, ich danke ihnen. Nun ja, wo soll ich anfangen? Ms. Usher treibt
ihr eigenes grausames Spiel mit dem Rat. Die neue Situation ist ihr ein Dorn im
Auge. Sie will zu den alten Regeln zurückkehren. Die Unterwerfung des Rates ist
ein erster Schritt, doch sie wird es nicht dabei belassen! Ich selbst habe
erlebt, wie skrupellos sie sein kann; um ihre Ziele zu erreichen, ist ihr
letztendlich jedes Mittel recht, das haben ich und meine Freunde in Cleveland
am eigenen Leibe erfahren müssen. Sogar den Tod von einigen Jägerinnen nahm sie
bereitwillig in Kauf.“, begann Giles seine Ausführungen.
Fraser hörte ihm aufmerksam zu und warf hier und da einige Fragen ein.
Als Giles schließlich mit seinem Bericht abschloss, nickte der schottische
Wächter anerkennend: „Ja, ich denke, ich verstehe nun alles.“
„Also werden sie mir helfen?“, Hoffnung keimte in Giles auf, wenn die
anderen genauso viel Erfolg hätten, wie er, dann wäre es nur eine Frage der
Zeit, bis Lily die Kontrolle verlor.
„Wie bereits gesagt, ich verstehe es nun.“, seine Finger tasteten unter
seine Lehne, und ein leises „Klick“ ertönte.
„Was…?“, Giles sprang aus seinem Sessel auf, während sich eines der
Bücherregale zur Seite schob und den Blick auf drei Jägerinnen freigab. Ihre
Armbrüste waren im Anschlag direkt auf Giles Kopf gezielt.
„Ich
verstehe nun, was Ms. Usher meinte, als sie von ihren Wahnvorstellungen sprach.
Ich verstehe, was sie meinte, als sie sagte, dass sie schon fast selbst an ihre
Lügen glauben würden und sie absolut überzeugend vortragen könnten. Ich
verstehe, wieso Ms. Usher in ihnen solch eine Bedrohung für den Rat sieht! Wie
können sie eigentlich noch in den Spiegel schauen? Die Welt steht am Rand des
Abgrundes, und sie denken an nichts anderes als an ihre eigene Macht und wollen
den Rat teilen, nur um ihre Stellung wieder zu verbessern! Wie egoistisch
müssen sie sein, um nicht zu sehen, was ihr kranker Wahnsinn anrichtet?“,
Fraser erhob sich aus seinem Sessel, und in seinem Gesicht zeichnete sich
blanke Wut ab. So weit hatte Lily die Wächter schon gebracht?
Der Funke Hoffnung war erloschen.
Die Jägerinnen traten aus dem kleinen Raum, der scheinbar eine Art
versteckte Waffenkammer war. Plötzlich erkannte Giles eine von ihnen: „Emma?“
„Was wollen sie?“, die junge Frau schien irritiert.
„Emma, wieso tust du das? Du musst es nicht tun!“, flehte Giles sie
beinahe an. Was hatte Lily nur mit ihr gemacht? Ihre Augen wirkten irgendwie
leer.
„Sie wurden speziell von Ms. Usher ausgebildet.“, erklärte Fraser.
Giles konnte sich lebhaft vorstellen, wie diese spezielle Ausbildung ausgesehen
haben musste. „Sie hat mir die besten von ihrer neuen Rats-Sicherheitsgarde
geschickt, damit sie ihre Lügen nicht weiter verbreiten können. Noch morgen
wird ihnen in London der Prozess wegen Hochverrats gemacht! Ich persönlich
werde Sorge tragen, dass sie dort erscheinen. Jägerinnen, führt ihn ab!“
Eine Armbrust wurde tief in Giles Rücken gepresst und Emmas eiskalte
Stimme befahl gebieterisch: „Vorwärts!“
AKT 4
Cleveland,
College, Abend:
„Oh, look around you
Look down the bar from you
The lonely faces that you see
Are you sure that this is where you want to be?”
Die traurige Stimme des Sängers durchzog den ganzen
Ballsaal und übertönte die leise Musik der Band, einige Pärchen tanzten auf der
Tanzfläche. Willow schlenderte durch die Menschenmenge auf der Suche nach ihren
Freunden, als sie Buffy erblickte, die bei den Getränken stand und sie zu sich
rüberwinkte.
Als
Willow dort war, gratulierte Buffy ihr überschwänglich: „Hey, herzlichen
Glückwunsch, ich hab doch gleich gewusst, dass du so gut bist!“
Willow
lächelte ihr entgegen: „Danke, schön, dass ihr es noch rechtzeitig geschafft
habt!“
Auch
Andrew reichte Willow die Hand, doch sein Blick war irgendwie komisch, so als
ob er sie durchdringen würde, aber vermutlich bildete sie es sich nur ein,
immerhin hatte er eine äußerst merkwürdige Rolle in ihrem Traum gespielt.
Willow
sah noch schlechter aus als sonst, die Ringe unter ihren Augen waren fast
schwarz, doch noch beängstigender war ihre Miene, sie schien versteinert, als
würde sie irgendetwas unterdrücken, es schimmerte selbst durch, wenn sie
lächelte. Andrew warf Buffy einen kurzen Blick zu, doch die blonde Jägerin
schien es nicht zu bemerken.
„Da
bist du ja, wie haben dich schon gesucht!“, Kennedy und Xander traten zu ihr
rüber und gratulierten ihr ebenfalls.
“These are your friends
But are they real friends
Do they love you the same as me
Are you sure that this is where you want to be?”
“Danke,
vielen Dank. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.“, Willow legte ihre Hand
in Kennedys, „Es ist mir verdammt wichtig, dass ihr alle heute hier seid, um
mit mir zu feiern!“
„Uns
ist es auch sehr wichtig hier zu sein, ich hatte verdammte Gewissensbisse, weil
wir so spät dran waren!“, berichtete Buffy, „Ich befürchte, ich war nicht
sonderlich freundlich zum Taxi-Fahrer.“
Die
anderen lachten.
“You seem in such a
hurry to leave this kind of life
And you´ ve caused so many pain and misery”
Willow
blickte sich um, scheinbar schien alles so weit ganz gut zu laufen, das kalte
Buffet, das sie organisiert hatte, war gut besucht, und auch der
Getränkeverkauf funktionierte scheinbar sehr gut.
Etwas
weiter entfernt an der Bar sah sie Gretchen, sie wandte sich wieder ihren
Freunden zu, „Entschuldigt mich bitte für einen Moment!“
Sie
kämpfte sich ihren Weg an all den Menschen vorbei, die anstanden, um etwas zu
trinken zu bekommen, Gretchen schien sie nicht zu bemerken, bis sie direkt
hinter ihr stand: „Hey.“
„Hi,
Willow.“, die junge Frau schien ein bisschen abgelenkt, „Und was haben deine
Freunde zu deinem Ergebnis gesagt?“
„Sie
haben sich für mich gefreut!“, Willow überlegte, ob sie sich etwas zu trinken
kaufen sollte, als sie plötzlich einen ziehenden Schmerz in ihrem Magen spürte.
Gretchen setzte ein
freundliches Lächeln auf: „Wie schön für dich.“, sie atmete tief durch, „Bei der Organisation scheint ja alles glatt
gegangen zu sein, auch wenn ich mir wohl noch den ganzen Abend Gedanken darüber
machen werde!“
„Ach
komm schon, du hast alles gemacht, was du konntest, hab doch einfach ein
bisschen Spaß!“, riet Willow ihr und versuchte so aufmunternd wie möglich zu
klingen, die Schmerzen in ihrem Bauch ließen langsam nach, dafür begann ihr
Kopf zu dröhnen, „Entschuldige mich bitte, ich muss eben auf die Toilette.“
„Warte,
eine Sache noch.“, Gretchen hielte sie zurück, sie zögerte ein bisschen, bis
sie ihre Frage stellte, „Was hältst du von dem Song? Meinst du, er passt
nicht?“
„Nein,
nein er ist toll!“, log Willow, bevor sie endgültig verschwand.
“Look around you, take a good look
And tell me what you see
Are you sure that this is where you want to be?”
“Hat
einer von euch noch mal Kontakt mit Giles gehabt?“, fragte Buffy besorgt,
während sie an ihrem Drink nippte, „Bei mir hat er sich seit drei Tagen nicht
mehr gemeldet!“
„Also
ich weiß, dass er heute einen Termin mit einem Wächter hatte, Fraser hieß er,
glaube ich. Das hat Willow mir zumindest erzählt!“, Kennedy studierte die
Getränkeliste, „Wie ist es bei euch in Italien eigentlich gelaufen?“
„Oh
ganz gut, wir haben die meisten Wächter dort von unserer Sache überzeugen
können! Allerdings muss ich fairer Weise sagen, dass das meiste davon Andrews
Verdienst war.“, Buffy guckte sich um, doch Andrew war offensichtlich nicht
mehr da, vermutlich war er zum Buffet gegangen, „Und wie sah es bei euch aus?“
„Leider eher mager.“, schaltete
Xander sich ein, „Mister Westmann hatte schon einen „hohen Gast“ aus England
da. Das einzige, was man ihm wohl zu gute halten kann, ist, dass er sich alles,
was wir gesagt haben, angehört hat.“
“Don't let my tears
persuade you, I had hoped I wouldn't cry
But lately, teardrops seem a part of me”
Ein
besorgter Ausdruck zeichnete sich in Buffys Gesicht ab: “Ich hatte gehofft,
dass wir Giles wenigstens ein bisschen Rückendeckung geben könnten.“, sie
wandte sich ihrer jüngeren Schwester zu, die gerade zusammen mit Ronah, Faith
und Robin vom Buffet zu ihnen stieß,
„Dawn, wie ist es bei euch gelaufen?“
„Ich
bin mir nicht ganz sicher, Mr. Mufume hat sich alles angehört, und ich denke,
die Chancen, dass er für Giles stimmen wird, stehen nicht zu schlecht.“,
berichtete Dawn.
„Auf
Mr. O´Bailey können wir wohl leider auch nicht vertrauen, der Tod seiner Frau
hat ihn ziemlich mitgenommen.“, ergänzte Faith.
Sie
und die anderen schwiegen, für einen kurzen Moment.
„Dann
ist Giles wohl auf sich alleine gestellt, wir haben unser bestes getan, um ihm
zu helfen.“, stellte Buffy fest, „Doch das ist Willows Feier, also lasst uns
einfach nicht mehr darüber reden und einen schönen Abend haben.“
Die
anderen nickten zustimmend.
“Oh, look around you, take a good look
At all the lonely used-to-be's
Are you sure that this is where you want to be?”
“Wo
ist eigentlich Willow? Wollte sie nicht schnell wieder zurückkommen?“, Kennedys
Gesichtsausdruck war von Besorgnis gezeichnet.
England, London, Rat der
Wächter:
Emmas
Blick war nicht wirklich als kritisch zu bezeichnen, eher als überrascht, doch
in ihrer Stimme ließ sie sich nichts anmerken: „Natürlich können sie zu ihm,
Ms. Usher.“
Fraser, der hinter ihr stand, schien besorgt zu sein, doch er war Lily
mehr oder weniger egal, eine kleine, unbedeutende Figur in ihrem groß
angelegten Spiel: „Vielleicht sollte ich wenigstens mit ihnen zusammen dort
hinein gehen, immerhin kann man befürchten, dass er zu grober Gewalt fähig
ist.“
„Nein, Fraser, das ist wirklich nicht nötig, glauben sie mir. Ich habe
über ein halbes Jahr mit ihm zusammen in einem Haus gelebt, er würde mir nie
physischen Schaden zufügen, das ist nicht seine Art, er ist nicht eines von den
Monstern, die wir bekämpfen, er ist etwas viel schlimmeres, ein Verräter.“,
Lily nahm den Schlüssel, den Emma ihr reichte, an, steckte ihn in das Loch.
Bevor sie ihn umdrehte, atmete sie noch einmal tief durch, sie musste es
wissen, es wäre zu riskant, ihm in der Verhandlung gegenüberzutreten ohne ihn
vorher wenigstens einmal gesehen zu haben.
Der Raum war kaum beleuchtet, als sie eintrat, und Giles hockte
zusammengekauert in der hinteren Ecke. Fraser warf ihr interessierte Blicke
nach, also stieß sie die Tür hinter sich zu.
Es gibt so viele
Dinge, die ich dir unbedingt sagen muss, es war nie geplant, dass es so laufen
würde!
„Auf diesen Moment hast du wohl ewig gewartet, wie?“, Giles riss Lily
aus ihren Gedanken, „Mir endlich ins Gesicht sagen zu können, dass du gewonnen
hast? Und wie ist das Gefühl?“
Bitte, bitte lass
es mich doch erklären! Ich tue das alles doch nicht, um dir weh zu tun, ich
wünschte, ich müsste es nicht, doch es gab keinen anderen Weg!
„Du bist verletzt!“, war das einzige, was sie herausbrachte.
„Nur ein paar Kratzer, die ich deinen Jägerinnen zu verdanken habe,
aber nicht der Rede wert, danke, es geht mir gut!“
Oh verdammt,
Rupert, warum muss alles so schwierig sein? Wenn du einfach nur akzeptieren
könntest, dass die Dinge so sind, wie sie sind…
„Soll ich dir Kleidung bringen lassen? Deine scheint etwas in
Mitleidenschaft gezogen worden zu sein.“, bat sie ihm an.
„Oh
ja, danke. Zu aufmerksam von dir. Wir wollen ja nicht, dass unserer Freunde im
Rat sehen, wie deine abgerichteten Jägerinnen mit mir umgegangen sind!“
Verdammt Rupert, es
ist doch auch für mich nicht einfach! Warum kannst du mir nicht einfach ein
bisschen entgegenkommen? Ich verlange ja nicht viel, reiche mir nur einen
kleinen Finger und du wirst meine ganze Hand kriegen.
„Gut, ich werde veranlassen, dass man dir einen Anzug gibt, wenn sie
dich gleich zur Verhandlung abholen!“, sie drehte sich um und ging.
Warum kann ich
nicht die Dinge sagen, die ich dir sagen will? Verdammt, warum nicht?
Zumindest wusste sie nun, dass sie ihm noch ins Auge blicken konnte,
und das war eigentlich der Grund gewesen ihn zu besuchen. Auch wenn jede
Sekunde ein neuer Stoß in ihr Herz war, sie konnte ihre Fassade halten, sie
konnte es.
Langsam ließ sie den Schlüssel aus ihrer Hand gleiten und vernahm dumpf
sein Scheppern, als er auf dem Boden
landete. Während sie sich wie von selbst in Richtung des Versammlungssaals
bewegte, konnte sie Frasers fragenden Blick förmlich im Rücken spüren, doch es
war ihr egal. Für einen Moment war ihr alles egal, doch dann fing sie sich
wieder, es gab einen Kampf zu gewinnen.
Cleveland,
College, Damentoilette:
Nein, es ging ihr gut. Wirklich gut. Die
Kopfschmerzen waren schon wieder verschwunden.
Sie würde sich weder von D’Hoffryn, noch von Lily fertig machen lassen,
soviel war sicher. Und erst recht würde sie sich diesen Abend nicht mehr
zerstören lassen.
Willow hob den Kopf und betrachtete ihr Gesicht im Spiegel. Gut, sie
sah ein wenig blass aus, und die Augenringe kamen, aber das konnte auch von der
Feier kommen. Ihre Freunde wussten ja schließlich, wie nervös es sie machte,
vor vielen Leuten reden zu müssen.
Hinter ihr öffnete sich die Tür zur Damentoilette und schloss sich mit
einem leisen Klacken wieder. Willow wandte sich langsam um und bekam einen
kurzen Schreck, als sie plötzlich Andrew im Eingang stehen sah.
“Uhm...du weißt schon, dass es hier drin für Jungs verboten ist?“
fragte sie ein wenig empört.
“Und wenn schon.“ Andrew zuckte die Achseln. Seine Stimme hatte einen
Hauch von Zynismus, als er fortfuhr: “Laut einer gewissen Person bin ich
schließlich kein richtiger Junge, sondern ein Alien vom Zuckerwatteplaneten –
aber das muss man nicht verstehen,“ fügte er schnell hinzu, als Willow ihn
verwirrt ansah.
“Ich kann ja im Lexikon nachsehen, unter ’H’ wie Homophobie,“ schlug
Willow vor, während sie sich wieder dem Spiegel zuwandte, und ihre Schläfen
massierte. Vielleicht wurden die Kopfschmerzen ja leichter, wenn sie ihre Haare
aufmachte?
Andrew stieß einen Seufzer aus. “Weißt du, dann solltest du auch gleich
’nen Abstecher unter ’I’ machen, wie “Ich tu so, als wär’ alles in Ordnung.“
Oder unter ’W’, wie ’Warum keiner wissen darf, dass es mir scheiße geht.’“
“Was
soll das?“ fauchte Willow, und fuhr herum, “Mir geht es wirklich gut. Ich habe
gerade ein verdammt gutes Zeugnis wiederbekommen und bin endlich mit dem
College durch, also hör bloß auf damit, solchen Unsinn zu erzählen!“
“Du musst es mir ja nicht sagen,“ wehrte Andrew ab, “ich bin eh’ nicht
die geeignete Person dafür. Du solltest lieber mit Buffy reden, mit Xander,
oder mit Kennedy. Ich meine nur, die Probleme gehen nicht weg, wenn man die
Augen zumacht, und so tut, als wären sie nicht da. Und du kannst auch nicht
erwarten, dass die anderen deine Gedanken lesen können!“
“Bist du jetzt fertig?“ Willows Stimme bebte, sie merkte kaum, wie ihr
die Haarspange aus den zitternden Fingern glitt, und zu Boden fiel.
“Schon gut, ich bin ja schon weg,“ beruhigte er sie und hob abwehrend
die Hände. Offensichtlich ließen sich nicht alle Leute so bereitwillig
Ratschläge erteilen,
Spoiler!
wie gewisse Vampire.
Spoiler Ende!
Er wandte sich zur Tür und wollte sie schon öffnen, als sie vorsichtig
fragte: “Sag mal... wie kommst du überhaupt auf solche Ideen?“
“Welche Ideen?“ fragte er zurück. “Dass es dir mies geht, und du, statt
deine Freunde um Hilfe zu bitten, lieber vor dich hin brütest? Hm...wenn ich
jetzt sage, ich kenne diese Verhaltensweise von einer gewissen anderen Person,
dann krieg’ ich bestimmt einiges von dir zu hören. Also geh’ ich jetzt lieber,
damit du...uhm... mit jemandem reden kannst, mit dem du eine...weniger
komplizierte Vergangenheit hast.“, er schloss die Tür hinter sich.
Es war gut, dass er nicht weiter vordrang, ein weiterer Vortrag über
die Ähnlichkeiten zwischen ihr und Warren war nun wirklich das Letzte, was sie
jetzt gebrauchen konnte. In Gedanken hatte sie dieses Thema schon bis zur
Genüge durchgekaut und Leute wie D’Hoffryn sorgten ohnehin dafür, dass sie es
nicht vergaß.
Nein, sie hatte nicht vor, mit überhaupt jemandem zu reden, soviel war
sicher. Jetzt war ihre Feier, und alle wollten sich amüsieren und keine
Probleme wälzen. Sie hatten schon genug Ärger und Probleme und da wollte sie
ihnen nicht auch noch das letzte bisschen Spaß verderben...
Einen Schritt in Richtung Tür machte sie noch. Dann knickten die Beine
unter ihr weg, und ihr Kopf schien erneut zu explodieren.
Unsanft landete sie auf dem kalten Boden. Sie
versuchte zu atmen, doch es gelang ihr nicht, obwohl sie nach Hilfe schreien
wollte, kam kein einziger Laut aus ihrer Kehle hervor.
Mit einem mal öffnete sich die Tür und sie
spürte einen frischen Luftzug auf ihrer Haut: „Willow!“, Gretchen trat zu ihr
heran und blickte auf sie hinab.
Es gelang Willow etwas Luft einzusaugen, sie
musste husten: „Bitte, hilf mir!“
„Ich dir helfen?“, ihre Stimme klang ungewohnt,
so kalt und gehässig, „Wie soll ich dir bitte helfen?“
Sie beugte sich über sie, packte ihre Haare und
zog sie nach oben, Willow keuchte vor Entsetzen, Gretchens Gesicht hatte sich
gewandelt in die Fratze eines Rachedämonen: „Keiner kann dir helfen, nur du
selbst!“
„Nein!“, kreischte Willow, mit neu gewonnener
Kraft riss sie sich los, stieß die Tür auf und floh in den Gang. Nirgendwo
waren Leute, der ganze Gang war wie
ausgeleert. Sie stolperte, die Tür zum Ballsaal, in dem ihre Freunde waren, war
ganz nah.
Mit ihren zittrigen Beinen und Armen gelang es
ihr sich wieder aufzurichten, sie blickte über ihre Schulter und sah, wie
Gretchen langsam aus der Toilette heraus trat.
Endlich erreichte sie die Tür und stieß sie auf,
doch auch der Ballsaal war wie leer gefegt. Das war nicht möglich, wo waren all
die Leute? Wo waren ihre Freunde?
„Du bist allein, wann merkst du es endlich?“,
Gretchen stand mit einem mal neben ihr, „Niemand kann dir helfen, niemand kann
dich verstehen, außer dir selbst!“
„Was willst du? Was soll ich mir wünschen? Du
musst ja ein ziemliches Interesse an mir haben, wenn du dich so lange mit mir
beschäftigst!“, schrie Willow sie an.
„So tapfer von dir, doch das wird dir nichts
nützen. Denn letztendlich gibt es für dich nur eine einzige Wahl. Nicht ich bin
es, der an dir interessiert ist, doch das weißt du längst.“, sie war nun ganz
nah an ihrem Gesicht, „Nimm sein Angebot an! Nimm das Angebot an, oder die
Schmerzen werden dich zerstören!“
Plötzlich begann der Ballsaal sich um sie herum
aufzulösen, Gretchens Lachen hallte in ihrem Schädel wieder, als sie eine neue
Welle von Schmerzen überkam.
England, London, Rat der
Wächter:
Der Anzug passte wie angegossen, und was ihn noch mehr erschreckte, er
wusste genau, was Lily damit sagen wollte: Ich kenne dich, ich weiß, was du tun
wirst und ich weiß, wie ich alles, was du tun wirst, umkehren kann.
Es war erschreckend, fast so erschreckend wie ihr leerer
Gesichtsausdruck, als sie mit ihm gesprochen hatte, er hatte wirklich
gedacht, dass es ihr etwas ausmachen würde, ihm gegenüber zu treten, doch
scheinbar hatte sie alle Schuldgefühle abgelegt, wenn sie überhaupt jemals
welche gehabt hatte.
Er hatte nicht gedacht, dass sie das alles so kalt ließ, und auch wenn
er ein verdammter Narr sein musste, etwas in ihm hatte gehofft, dass er ihr
wenigstens noch etwas bedeuten würde, aber offensichtlich hatte er sich in ihr
getäuscht - nicht zum ersten Mal.
Die schwere Holztür öffnete sich und gab den Blick auf die versammelten
Wächter frei, sie warfen ihm interessierte Blicke entgegen, er war der
Angeklagte, das Monster. Er erwiderte die Blicke nicht sondern schaute
erhobenen Hauptes gerade aus, ohne auch noch einen einzigen mit seinem Blick zu
streifen.
Er nahm Platz auf dem Stuhl, den man in der Mitte des Raumes
aufgestellt hatte. Der Stuhl war zwar nicht sonderlich bequem, aber vermutlich
konnte er froh sein, dass Lily keine Fesseln hatte anmontieren lassen.
Lily hatte einen Platz zwischen den anderen Wächtern, ein geschickter
Schachzug, sie war einer von ihnen, nicht wichtiger als sie, sie sollten nicht
denken, dass sie nur mit ihnen spielte, zumindest mit denen, die das Spiel
nicht selbst durchschauten und bereits eingestiegen waren.
Er warf einen kurzen Blick in die Runde, doch das Gesicht, das er
suchte, konnte er nicht ausmachen. Doch auch noch einige andere fehlten, wie
Giles erschrocken feststellte, wo war Belussci? Wo…
„Meine Damen und Herren, willkommen!“, George L. Martin erhob sich,
„Ich habe die Leitung der heutigen Sitzung übernommen. Leider muss ich
mitteilen, dass einige der internationalen Vertreter wegen der Vorverlegung der
Verhandlung nicht mehr rechtzeitig erscheinen konnten, es wurde daher
entschieden, ihre Stimmen an ihre nächsten Nachbarn abzugeben, so wird zum
Beispiel Daniel Westmann aus Deutschland für seine Kollegen aus Italien und
Österreich, die leider verhindert waren, abstimmen. Nun ja, hiermit erkläre ich
die Verhandlung gegen Rupert Giles wegen Hochverrates als eröffnet! Die
Anklageschrift bitte!“
Lenhardt, der neben ihm saß, stand auch auf und räusperte sich, dann
begann er die Anklage zu verlesen: „Rupert Giles wird zur Last gelegt gegen die
Interessen des Rates seine eigenen Ziele verfolgt zu haben, indem er versuchte
die Kontrolle des Rates an sich zu reißen. Als dies fehlschlug, nutzte er die
ernste momentane Lage aus, um erneut eine Intrige im Rat zu beginnen, ohne
dabei Rücksicht auf mögliche Auswirkungen seiner Handlungen zu nehmen.“
Gleichzeitig:
Das war seine letzte Chance und er wusste es. Er würde kämpfen, kämpfen
wie ein wildes Tier, mit allen Mitteln, die ihm zur Verfügung standen. Warum
konnte er nicht einfach aufgeben? Das würde alles so viel einfacher machen.
Warum zwang das Schicksal sie in diesen Kampf? Einen Kampf, aus dem sie nicht
als Sieger hervor gehen würde, selbst wenn sie ihn gewinnen würde.
„…auf mögliche Auswirkungen seiner Handlung zu nehmen. Ihm wird
weiterhin Verschwörung mit unseren Feinden vorgeworfen, sowie der leichtfertige
Umgang mit dem Leben derer, die er seinem Eid nach schützen sollte. All dies
resultiert aus seinem Drang nach Macht und ist somit schärfstes zu
verurteilen!“, Lenhardt beendete die Anklageschrift und übergab wieder an
Martin.
Lilys alter Freund wartete für einen Augenblick, als wollte er die
Vorwürfe erst einmal nachwirken lassen, dann erteilte er Giles das Wort: „Der
Angeklagte möge nun sprechen!“
Und das würde er, es würde ein entsetzlicher letzter Aufschrei sein,
Lily konnte sehen, wie er sich bereit machte, bereit für seinen Angriff, er
würde alles geben, um sie zu zerstören. Langsam stand er auf: „Danke!“
Das war das einzige, was er sagte, elendige Momente der absoluten Ruhe
erfüllten den Saal, langsam begann es Lily unangenehm zu werden, sie warf
George einen signalisierenden Blick zu, doch ihre Sorge war unbegründet, nach
einer halben Ewigkeit, wie es ihr schien, setzte Giles erneut an: „Danke, dass
ich das Recht habe zu sprechen. Oh nein, ich sehe das nach dem, was in den
letzten Wochen geschehen ist, wirklich nicht mehr als Selbstverständlichkeit
an. Das Recht zu sprechen, es ist in diesen Tagen wirklich rar gesät. Ich
wollte sprechen, doch man hat mir den Mund verboten, ich wollte erklären, doch
man hat mich nicht erklären lassen. Für diese ganze Zeit durfte nur eine
Version der Wahrheit an ihre Ohren kommen“, er erhob seinen Finger und richtete
ihn auf Lily, „Ihre Wahrheit. Was könnte ich jetzt noch berichten, um diese
Wahrheit umzustoßen? Ich bitte sie alle objektiv zu werten, doch die Frage, die
sie sich stellen sollten ist, ob sie das wirklich können. In wie weit wurden
sie vorher beeinflusst? Sind sie überhaupt noch fähig objektiv zu werten? Ist
es nicht vollkommen egal, was ich erzähle, sie würden ihm doch keinen Glauben
mehr schenken? Ich bitte sie darüber nachzudenken, ich bitte sie nur, das zu
berücksichtigen, was heute hier gesagt wird und nichts darüber hinaus. Ich
bitte sie ihre persönlichen Ansichten über Ms. Usher und auch über mich
zurückzulassen und objektiv zu werten, wer im Recht ist. Und nun, nun werde ich
ihnen meine Sicht der Ereignisse schildern…“
Cleveland, College,
Damentoilette:
Besorgt hob Buffy die
Haarspange vom Boden auf: „Sie ist wirklich hier gewesen, doch wo ist sie
jetzt? Sie kann die Toilette nicht verlassen haben, sonst hätte jemand es
gesehen!“
Die
anderen drängten sich um sie herum, sie alle schienen sehr besorgt.
„Aber
sie kann doch nicht einfach verschwunden sein, oder?“, warf Xander ein, „Ich
meine, natürlich können Leute und Dinge einfach so verschwinden, das wissen wir
nur allzu gut, doch warum sollte ihr das passieren? Und warum ausgerechnet
hier?“
„Ist dir vielleicht irgendetwas
an ihr aufgefallen in den letzten Tagen?“, wollte Buffy von Kennedy wissen.
Kennedy
überlegte kurz, natürlich war da die Sache mit den Einstichen gewesen, doch
davon konnte sie den anderen nur schlecht erzählen: „Naja, sie hat sich schon
ein bisschen komisch verhalten, doch ich dachte, das würde an dem ganzen Stress
liegen, immerhin musste sie sich um die Aufgaben von Giles kümmern und dann
kamen noch die ganzen Vorbereitungen für die Feier hier zusammen mit Gretchen…“
„Gretchen? wer ist
Gretchen?“, fuhr Faith auf, „Braune Haare? Pferdeschwanz?“
„Ja,
wieso, kennst du sie?“, Kennedy war erstaunt.
Faith
Miene wurde noch besorgter: „Das kann man wohl sagen! Sie ist eine
Rachedämonin!“
„WAS?“,
entfuhr es Buffy und Kennedy zur gleichen Zeit.
„Das
ist nicht möglich, sie ist mit Willow befreundet, offenbar schon das ganze
Semester lang!“, erklärte Kennedy, „Obwohl, ich hatte ein ungutes Gefühl in
ihrer Gegenwart.“
„Das
kann doch nicht sein! Wir haben ein ganzes Jahr lang nicht gemerkt, dass Willow
mit einer Rachedämonin befreundet war?“, wunderte sich Buffy, ein schlechtes
Gewissen schwang in ihrer Stimme mit.
„Scheinbar
ist es nicht das einzige, was ihr nicht an ihr bemerkt habt.“, Andrew trat
durch die Tür.
Irgendwo, Irgendwann:
Dunkelheit lag um sie herum und eine vollkommene
Leere. In ihrer Magengegend fühlte sie ein unangenehmes Ziehen, beinahe so, als
ob sie mit hoher Geschwindigkeit nach oben flöge. Aber da es um sie herum keine
Anhaltspunkte gab, konnte sie es nicht feststellen.
Das Dunkel wurde heller, lila, und weinrot, durchmischt mit
lavendelfarbenen Schwaden. Ein rotvioletter Himmel spannte sich über sie ein
Himmel mit Wolken aus dunklem Purpur hinter denen das Licht glühte. Eine Sonne
besaß er jedoch nicht.
Sie befand sich auf einer gewaltigen Terrasse, die hoch über einem Meer
aus glühender Lava zu schweben schien. Das Meer verlor sich in der Ferne, wo es
am Horizont mit dem Purpurhimmel verschwamm, ein Ufer war nicht zu erkennen.
Als sie sich umwandte, erkannte sie, dass ihre Terrasse jedoch nur eine von
vielen war, steinerne Treppen führten zu weiteren Terrassen und Anhöhen nach
oben und nach unten. Es war ein gewaltiges Bauwerk aus vielen verschiedenen
Ebenen, wie die Blätter einer mächtigen Staude.
Wo war sie hier gelandet? Sie hatte bereits eine Vermutung...und diese
verhieß nichts Gutes.
Zögernd machte sie einige Schritte auf die Treppe zu, die ihre Ebene
mit der nächst höheren verband. Sie konnte sich ganz normal bewegen, und auch
die Luft atmen, obwohl diese sehr heiß und drückend war.
Ob sie ihre Magie hier verwenden konnte? Probeweise versuchte sie einen
einfachen Lichtzauber, und er gelang. Doch bevor sie Erleichterung darüber
verspüren konnte, erfasste sie eine erneute Welle des Schmerzes, und es war ihr
nicht möglich, sich zu konzentrieren. Sie taumelte auf die Treppe zu, und hielt
sich an deren Geländer fest, um nicht zu stürzen.
Sie horchte, aber um sie herum war es vollkommen still. Kein Geräusch
durchdrang die brütende Hitze der Zeitlosigkeit, selbst das gleichförmige
Zischen der Lava schien sich auf seltsame Weise mit der drückenden Atmosphäre
zu verbinden, und darin unterzugehen.
Die Lava war hier so allgegenwärtig wie ein Wasserspiel. Sie sprühte
aus den Mündern starrer Krokodile, schlängelte sich in gewundenen Bahnen die
Wege entlang, und durchströmte die feinen Linien auf den Panzern der beiden
mächtigen Wasserschildkröten, welche den vor ihr liegenden Torbogen bewachten.
Am Ende ihrer Reise würde die glühende Flut zurück ins Feuermeer fließen, dem
sie entstammte. Alles kehrte immer zum Anfang zurück...
"Sei nicht so nervös, Kindchen!" Eine betont fröhliche Stimme
riss Willow aus ihrer Erstarrung. "Geh einfach rein, er wird sich freuen,
dich zu sehen."
Gretchen war vor ihr aufgetaucht, sie stand auf der nächst höheren Terrasse hinter dem Schildkrötentor. Ihr Sari
schleifte über die Treppenstufen, als sie hocherhobenen Hauptes auf Willow
zuschritt. Eine Stufe über ihr blieb sie stehen, und blickte mit wohlwollender
Herablassung auf ihre menschliche Freundin hinunter. Sie legte eine Hand auf Willows
Arm, und schob sie sanft an, als habe sie es mit einem störrischen Kind zu tun.
“Lass mich in Ruhe!“ Willow riss sich los, und sah sie mit funkelnden
Augen an. “Wage es nicht noch mal, mich anzufassen, sonst...“ Sie hob drohend
die Hand und ließ ein paar kleine Blitze zwischen ihren Finger knistern.
“Also wirklich, behandelt man so eine Freundin?“ gab Gretchen empört
zurück. “Aber wie du meinst, ich hab’ eh keine Zeit, mit dir zu plaudern, ich
hab’ zu tun. Mit einem Fingerschnippen verwandelte sie sich wieder in eine
modern gekleidete junge Frau des 21. Jahrhunderts. Theatralisch wedelte sie
noch einmal mit den Armen, bevor sie in einem wirbelnden Feuerstrudel
verschwand.
Willow seufzte tief auf, und ging die restlichen Stufen nach oben, um
den Torbogen zu durchschreiten. Sie hatte also Recht gehabt mit ihrer
Vermutung. Dies war D’Hoffryn’s Welt, womöglich befand sie sich in seinem
Palast.
Er hatte sie hier hergebracht, um...was? Mit ihr zu reden? Sie zu
zwingen, sein Angebot anzunehmen? Sie gefangen zu halten?
Als sie weiterging, wurde es dunkel um sie herum. Über den hinteren
Teil der Terrasse wölbte sich ein gewaltiges Becken in Form einer Orchidee. Es
war bis obenhin mit Lava gefüllt, die in feurigen Blutspuren zwischen den
schwarzen Blütenblättern hinunterrann, und sich in den Vertiefungen eines
Bodenreliefs sammelte. Das Bild stellte die Zerstörung einer biblischen Stadt
dar, deren Namen sie leider vergessen hatte, doch es war auch ohne Belang.
“Willow,
meine Liebe.“ D’Hoffryn’s Gesicht tauchte in der Glut auf, mitsamt einen selbstzufriedenen
Lächeln darüber. "Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde: ‘Was für eine
Überraschung, dich hier zu sehen!‘ Und du weißt ja, wie sehr ich das Lügen
verabscheue."
Wie üblich triefte seine Stimme vor Sarkasmus, doch sie hatte nichts
anderes erwartet. Betont gleichmütig stieg sie die letzte Treppe nach oben, und
stand nun direkt vor ihm. Er musterte sie, versuchte in ihrem Gesicht zu lesen,
doch sie wusste, dass es nichts über ihre aufgewühlten Emotionen verriet.
Kannte er sie gut genug, um das Inferno dahinter zu sehen?
"Willst du mir nicht Gesellschaft leisten?" Einladend deutete
er auf das Becken, über welches violette Schwaden zogen, ähnlich, wie die
Wolken an diesem seltsamen Himmel.
“Du kannst dir deine Spielchen sparen,“ entgegnete Willow ruhig. Auf
keinen Fall würde sie jetzt die Nerven verlieren. Ob in ihrer Dimension, in
seiner, oder in irgendeiner anderen...sie hatte D’Hoffryn ihre Antwort gegeben,
und sie würde sie nicht ändern.
“Gut, kommen wir gleich zum Punkt.“ Genussvoll streckte sich der
Rachedämon in der feurigen Glut aus, winzige Flammen umzüngelten seinen
gehörnten Kopf. “Ich bin nicht zufrieden mit deiner Antwort, und...oops!“ Er
wich einem Eiskristall aus, welcher nahe an seinem Kopf vorbeischoss.
“Gefällt dir diese Antwort vielleicht besser?“ fragte Willow kalt.
Feiner Dunst stieg von ihren Händen empor. “Beim nächsten Mal ziele ich nicht
vorbei!“
“Wag es nicht, die Hand gegen mich zu erheben,“ schrie D’Hoffryn, und
schlug mit der Faust in die Lava, so dass sie glühend aufspritzte. Willow stieß
einen Schmerzensschrei aus und kleine Brandwunden bildeten sich an ihren
Händen. Wie war das möglich? Sie stand doch gar nicht nahe genug bei ihm, die
Spritzer hätten sie gar nicht treffen dürfen...
“Also du bist für das alles verantwortlich,“ fauchte sie mit
schmerzverzerrtem Gesicht. “Du schickst mir diese Schmerzen, um mich in deine
Gewalt zu bekommen. Aber es wird dir nicht gelingen!“
Sie konzentrierte sich trotz der Schmerzen und schleuderte weitere
Eiskristalle auf den Dämon, diesmal zielte sie direkt auf ihn. Dem ersten
Angriff wich er aus, doch dann krachte ihm das Eis mitten ins Gesicht, und er
ging unter.
Im nächsten Moment wurde Willow von der Wucht eines ihrer eigenen
Kristalle zurückgeschleudert, und stürzte die Treppe hinunter. Rasender Schmerz
breitete sich in ihrem gesamten Körper aus, doch er brach plötzlich ab, als sie
mit dem Kopf gegen eine Steinstufe kracht. Erneut wurde es dunkel um sie herum.
England, London, Rat der
Wächter:
Die
Beweisaufnahme war weit fortgeschritten, und Giles war zäher, als sie es
erwartet hatte. Auch wenn es sie sehr verwirrte, musste sie sich eingestehen,
dass sie so etwas wie Stolz für ihn empfand. Sie wollte es nicht und dennoch
musste sie zugeben, dass er ihr in diesem Moment ohne weiteres das Wasser
reichen konnte. Als hätte er von ihr gelernt. Es würde interessant werden.
Seine Beweise hatte er fast so souverän vorgetragen, wie Lily und die
anderen ihre, es war ihm gelungen einige ihrer Behauptungen als nicht richtig herauszustellen,
doch es waren nur kleine Dinge gewesen, die das ganze nicht wirklich
gefährdeten. Dennoch, bei zu vielen Rissen, egal ob groß oder klein, gibt das
beste Fundament nach. Vielleicht war ihr perfekter Plan doch nicht so
"perfekt", wie sie geglaubt hatte und alles nur, weil sie Rupert
unterschätzt hatte.
Allerdings musste man sehen, dass die Version der Ereignisse, die er
dem Rat präsentierte zwar natürlich, da sie der Wahrheit entsprach, in sich
schlüssig war, doch er hatte bei weitem nicht genug Beweise um sie
wirkungsvoller zu unterbauen. Ein äußerst wackliges Fundament.
Und dennoch, das war es nicht wirklich, worauf es in dieser Verhandlung
ankam, es ging viel mehr um den Eindruck, den man hinterließ und Giles hatte
mit seiner Rede einiges für sich herausgerissen. Er hatte sie an ihre
Unabhängigkeit erinnert, daran, dass sie ihr eigenes Urteil fällen mussten, ein
überaus geschickter Schachzug. Er appellierte an ihren Verstand sich selbst zu
fragen, was sie zu ihrem Urteil brachte. Das war es, was Lily am meisten Sorgen
bereitete, wenn die anderen darauf anspringen würden, könnte es das Ergebnis
der Verhandlung von Grund auf verändern.
„…hier sehen wir Mr. Giles, wie er mein Haus betritt.“, Fraser war
gerade bei seiner Aussage, er sollte belegen, wie Giles versucht hatte die
Wächter gegen Lily aufzuwiegeln, hoffentlich war das Video gut geworden.
Sie konnte sich nicht wirklich auf das Video konzentrieren, immer
wieder musste sie Giles anschauen, er schien gerade krampfhaft zu überlegen, ob
er bei Fraser irgendetwas getan oder gesagt hatte, dass gegen ihn ausgelegt
werden könnte.
Vermutlich war er sich mehr als bewusst, dass ihr Blick auf ihm
lastete, doch er tat so, als ob es ihn kein bisschen interessierte.
„Gut, ich danke ihnen. Nun ja, wo soll ich anfangen? Mrs. Usher treibt
ihr eigenes grausames Spiel mit dem Rat.“, begann Giles auf dem Video seine
Ausführung, verdammt, er hatte bestimmt keinen Fehler gemacht.
Mit einem mal wendete er seinen Kopf und sah sie direkt an, in seinem Blick
lag Hass und zurückgekehrter Kampfgeist, doch das war nur die Oberfläche, Lily
wusste, dass dies das war, was er ihr zeigen wollte, doch da war noch mehr in
seinen Augen. Sie sah eine unbeschreibliche Verletztheit, die ihr fast den Atem
raubte und einen Funken von etwas, das sie nicht genau bestimmen konnte.
Vielleicht enttäuschte Liebe? Nach allem?
Irgendwo, Irgendwann:
Als sie wieder zu sich kam, hörte sie den lauten
Schrei eines Mädchens, doch sie wusste, dass nicht sie selbst es war, die
geschrieen hatte. Sie lag immer noch auf der Treppe, es mochten nicht mehr als
ein paar Sekunden vergangen sein.
“Ich dachte, du wolltest niemanden mehr umbringen,“ sagte D’Hoffryn
gehässig, während sie sich mühsam hochrappelte. “Fast hättest du es nämlich geschafft.“
Er wedelte kurz mit der Hand.
Die
violetten Schwaden glitten beiseite, und gaben den Blick auf eine kleine
steinerne Plattform in der Mitte des Beckens frei. Dort lag ein gefesseltes
junges Mädchen, ihre Augen voll Angst. Ihr Knebel war verrutscht, und so wusste
Willow sofort, dass sie diejenige war, die geschrieen hatte.
Auf ihren Armen und Händen waren Brandwunden, genau, wie auf den Armen
und Händen von Willow. Ihre Wange blutete dort, wo Willows Eiskristall sie
erwischt hatte, genau wie die Wange der Hüterin.
“Oh Göttin, das...das wollte ich nicht,“ stammelte die Hexe
verzweifelt. “D’Hoffryn, du mieses Scheusal,“ schrie sie. “Du hast die Jägerin
als lebenden Schild benutzt!“
“Ich war nicht derjenige, der kämpfen wollte!“ D’ Hoffryn hob eine
Hand, die noch von Lava tropfte und hielt sie über das Bein des Mädchens.
Willow macht sich auf den nächsten Schmerz gefasst, doch er zog seine Hand
rechtzeitig zurück. “Mir scheint, du hast bereits verstanden, wie es
funktioniert,“ erklärte er.
Willow versuchte zu begreifen, auch wenn die Schmerzen kaum einen
klaren Gedanken zuließen. Hatte D’Hoffryn die Jägerinnen in seine Dimension
gebracht, um sie zu foltern, und ihr dadurch Schmerzen zu verursachen? Kannte
er einen Zauber, der die Schmerzen der Jägerinnen auf sie übertrug? Oder hatte
die Dimension von Arashmaharr automatisch solche Auswirkungen, und er nutzte
sie nur aus?
Nein, das war nicht möglich. Keine der anderen Jägerinnen war in
Arashmaharr gewesen. Sie waren in Silent Hill, oder in Boston, oder meinetwegen
am Nordpol gewesen, aber nicht in anderen Dimensionen. Damit hatte es nichts zu
tun, oder doch?
“Willst du tatsächlich eine Hüterin bleiben?“ fragte D’Hoffryn, und
diesmal zog er seine Hand nicht zurück, ein Tropfen der glühenden Lava brannte
eine Wunde in Willows Haut, und die das Mädchens. “Wie lange willst du das noch
mitmachen? Ein Leben lang? Dein Leben wird nicht mehr sehr lange dauern, das
ist dir doch klar, oder? Selbst, wenn ich dieses Mädchen verschone, ein anderes
wird sterben, und wieder eines. Und noch eines. Und bald wirst du auch in
deiner Heimatdimension alle ihre Schmerzen genauso deutlich fühlen, wie du es
hier tust. Wie lange wirst du durchhalten, sag mir das? Wie lange? Selbst wenn
du für eine Weile noch genügend Kraft hast, deine Wunden zu heilen, irgendwann
ist auch deine Kraft verbraucht!“
“Warum?“ schrie Willow, und diesmal gelang es ihr nicht, das Schluchzen
in ihrer Stimme zu unterdrücken. Tränen liefen über ihre Wangen, aber ihre
Hände schmerzten zu sehr, um sie wegzuwischen. “Warum tust du das, was hast du
überhaupt davon? Du weißt doch ganz genau, dass man durch Zwang und Erpressung
niemanden zwingen kann, ein Rachedämon zu werden! Derjenige muss es freiwillig
wollen! Sonst ist es überhaupt nicht möglich!“
Eine weitere Welle des Schmerzes überkam sie, und wieder wurde es
dunkel.
England, London, Rat der
Wächter:
Was wollte sie ihm sagen? Ihr direkter Blick war ihm unangenehm, doch
er zeigte ihr auch, dass sie nicht mehr ganz von ihrem Sieg überzeugt war,
verlorene Hoffnung begann neu zu keimen. Er konnte es schaffen und er hielt
noch ein Trumpf bereit.
Doch
in ihrem Blick lag noch etwas anderes, etwas, das er vorher nicht gesehen
hatte, sie versteckte es gut, und dennoch war es da. Reue. Etwas in ihren Augen
schien zu sagen: „Verzeih mir, bitte verzeih mir!“
Auf eine komische Art und Weise verschaffte ihm das einen kleinen,
eigenen Triumph, egal wie unantastbar sie sich auch gab, das alles hier ging
nicht spurlos an ihr vorbei, und vielleicht, nur vielleicht hätte er, bevor das
hier alles endete, noch die Chance das zu seinem Vorteil zu nutzen.
Wer von ihnen beiden wohl als erstes den Blick lösen
würde? Er würde sich alle Mühe geben nicht derjenige zu sein, der es tat, es
wäre eine Zeichen von Schwäche und das war das, was er sich ihr gegenüber am
wenigsten leisten konnte.
Sie schien den Triumph in seinen Augen zu bemerken und begann unruhig
zu werden, er konnte ihr Verlangen, den Blick zu lösen, beinahe spüren, und
dennoch blieb sie standhaft.
Fraser war gerade dabei irgendetwas an Hand des Filmes zu erklären, den
er aus diesem Zweck angehalten hatte, doch weder Giles noch Lily schenkten ihm
Aufmerksamkeit, es galt eine wichtigere Schlacht auszufechten.
Gleichzeitig:
Sie musste ihm standhalten, sie durfte nicht nachgeben. Das wollte er
nur.
Wenn er schon ihre Schwäche gesehen hatte, dann sollte er sie
wenigstens nicht verlieren sehen. Aber auch er würde nicht aufgeben.
Fraser beendete seine Ausführungen: „Und somit ist eindeutig belegt,
auf welch perfide Art und Weise Mr. Giles versucht die Mitglieder des Rates
gegeneinander auszuspielen. Jedem von uns hier sollte klar sein, dass dies vor
allem in diesen Zeiten nicht tolerierbar sein kann und ist. Wir haben einfach
nicht die Zeit um uns zu streiten, und genau das ist es, was Mr. Giles
versucht, einen Streit anzufangen, er versucht unsere Einheit zu zerstören.
Lassen sie das bitte nicht zu. Ich danke ihnen für ihre Aufmerksamkeit!“, unter
verhaltenem Applaus nahm er Platz. Zeigte das etwa schon die allgemeine
Stimmung an? Für einen Moment löste Lily den Blick, ohne dass ihr wirklich klar
war, was sie tat. Als sie es merkte, war es schon zu spät.
„Dies war der letzte Zeuge, damit wird die Beweisaufnahme
geschlossen.“, verkündete George, „Es sei denn, Mr. Giles will eine
Gegendarstellung abgeben.“
Der Triumph in Giles Augen hatte einen neuen Höhepunkt erreicht, als er
sich wieder George zuwand: „Wenn sie gestatten, würde ich das gerne in mein
Plädoyer einfliesen lassen.“
„Nein, ich denke nicht, dass dagegen etwas einzuwenden ist.“, George
blickte zuerst Lenhardt und dann Lily fragend an. Sie reagierte nicht einmal,
sie fixierte Giles, den das jedoch nicht mehr im Mindesten zu stören schien,
auf ein weiteres Duell würde er sich nicht mehr einlassen. Das erste hatte er
bereits gewonnen.
„Gut, dann kommen wir jetzt zum Plädoyer, Mr. Giles, sie haben das
Wort.“, George nickte, als ob er ihnen allen zu verstehen geben wollte, dass es
gleich geschafft wäre.
„Danke!“, langsam erhob er sich und blickte in die Runde, er schien
jeden einzelnen von ihnen für einen kurzen Moment zu fixieren, bevor er zu
sprechen begann, „Wissen sie, was ich sehe, wenn ich in eure Gesichter schaue?
Ich sehe keine neutralen Richter, die mich verurteilen oder freisprechen
werden, ich sehe eine Organisation, die sich um jeden Preis vor Neuerungen
schützen will. Ich sehe die Mitglieder dieser Organisation, denen die Wahrheit
nichts bedeutet, sondern nur alte Traditionen, und die für diese über Leichen
gehen würden.“
Er drehte sich langsam um und sein Blick traf sich erneut mit Lilys:
„Machen wir uns nichts vor, die Frage, über die sie entscheiden werden, wird
nicht sein, wer Recht hat, ich oder Mrs. Usher, sondern wessen Ansichten eher
zu ihren eigenen passen. Sie werden eine Entscheidung treffen zwischen einer
Anpassung an die neuen Regeln und der bedingungslosen Beibehaltung der alten
Traditionen. Ich kann nur an sie appellieren sich der Wahrheitsfindung zu
verpflichten und nicht ihrer eigenen Meinung, doch wie könnte ich in dieser zur
politischen Phrase verkommenen Verhandlung erwarten, dass sich noch
irgendjemand für die Wahrheit interessiert? Ich kann darauf hoffen, ich kann
sie bitten es zu versuchen, doch glauben, glauben daran kann ich nach allem,
was in den letzten Wochen geschehen ist, nicht mehr.“
Alle Blicke waren auf ihn gerichtet, keiner wagte auch nur die kleinste
Bewegung. Er ging wirklich äußerst geschickt vor, indem er ihnen vorhielt
parteiisch zu sein, was sie zweifellos auch waren, er appellierte an ihr Gewissen
und schaffte Sympathien. Wirklich äußerst geschickt.
„Ja, wie Mr. Fraser richtig feststellte, ja, ich habe versucht die
Wächter überall auf der Welt von meiner Unschuld und von Lilys Schuld zu
überzeugen, doch warum sollte ich nicht die gleiche Chance haben wie sie auch?
Wenn sie alle nur Lilys Version des ganzen kennen, wie soll ich sie da noch von
der Wahrheit überzeugen können? Ich bitte sie zu bedenken, dass Ms. Usher hier
in England genau das gleiche getan hat und ich hoffe, dass sie mir dies nicht
zu meinem Nachteil auslegen.“, sein Blick haftete immer noch hier, für einen
kurzen Moment huschte etwas, das entfernt nach einem Lächeln aussah, über sein
Gesicht, es schien zu sagen: Ich habe den Speer umgedreht; nun mach dich bereit
für den Stoß, denn er wird hart sein.
Er atmete kurz durch und fuhr dann fort: „Nun ja, es ist eigentlich
alles gesagt worden, was gesagt werden musste, nur eins noch - eine letzte
Sache.“, er legte eine theatralische Pause ein, seine rechte Hand glitt unter
sein Hemd, „Bevor sie ihr Urteil fällen, möchte ich, dass sie-“, er zog etwas
hervor, „-dass sie Ms. Ushers wahres Gesicht sehen!“
Die Maske! Wie zur Hölle hatte er sie hier hinein bekommen? Beinah
hätte sie diesen Gedanken laut ausgesprochen, verdammt!
„Unter dieser Maskierung tötete sie zwei unschuldige Mädchen, mit
magisch veränderten Pfeilen, die armen Dinger hatten nicht die geringste
Chance. Was sagst du, Lily?“
Alle Blicke im Raum waren nun auf sie gerichtet, sie musste reagieren,
doch wie? Der Anblick von Vi, die auf sie zugestürmt kam, drängte sich in ihr
Bewusstsein: „Ich… Ich habe diese Maske noch nie gesehen!“
Gestottert! Wie konnte sie nur gestottert haben? So einen Fehler konnte
sie sich nicht leisten, abgesehen davon, dass es auch ansonsten nicht im
Entferntesten überzeugend geklungen hatte.
„Sehen sie sie an, sehen sie mich an und entscheiden sie aus ihrem
Gewissen heraus, wer von uns beiden lügt, nicht wessen politische Ansichten sie
teilen! Mehr habe ich nicht zu sagen, danke!“
„Gut,“, George schien sichtlich mitgenommen, selbst er schien gemerkt
zu haben, dass sie sich ihrem Sieg bei weitem nicht mehr sicher sein konnten,
„Wir werden nun mit der Abstimmung beginnen. Jeder von ihnen hat eine Stimme,
es sei denn, er wurde als Vertreter für einen oder mehrere Kollegen eingesetzt,
dann erhält er deren Stimmen zusätzlich zu seiner eigenen. Wir werden sie der
Reihe nach aufrufen und sie können entweder auf schuldig oder nicht schuldig
plädieren. Aufgerufen werden sie zuerst nach der Anzahl der Stimmen, die sie
haben, dann nach alphabetischer Ordnung. Mr. Lenhardt, bitte beginnen sie.“
„Daniel Westmann.“
Der deutsche Wächter erhob sich, er warf Lenhardt kurz einen unsicheren
Blick zu, dann Lily, bevor er ansetzte etwas zu sagen. Hoffentlich hatte
Lenhardt ihn vollkommen von ihrer Sache überzeugt, doch wenn Lenhardt sich
nicht sicher gewesen wäre, dann würde Westmann jetzt nicht hier sitzen.
Immerhin hatte er nun auch die Stimmen von Belussci aus Italien und Lanner aus
Österreich: „Nicht schuldig!“
Irgendwo, Irgendwann:
Diesmal erwachte sie nicht auf der Treppe. Als
sie die Augen wieder öffnete, lag sie mitten in einem nächtlichen Wald, es war
dunkel und eisig kalt um sie herum. Der Boden unter ihr war nass und sumpfig.
“Sehr gute Arbeit, Tristen.“ Eine Männerstimme ließ sie hochfahren,
aber da sie gefesselt war, konnte sie sich kaum bewegen. Eine Flut langen
schlohweißen Haares fiel über ihre Augen, und nahm ihr die Sicht
“Ich danke ihnen, Mr. Usher,“ entgegnete eine zweite, etwas jüngere
Stimme. “Ich habe ihnen sofort Bescheid gegeben, da dies vermutlich die letzte
Hüterin ist.“
“Die Letzte?“ Die erste Stimme klang ein wenig amüsiert. “Wir sollten
uns nicht zu früh freuen. Aber der Tag wird kommen, an dem der Rat der Wächter
von dieser Pest befreit ist. Und das schon bald...“
Diese beiden Männer waren Wächter. Wächter des Rats. Ganz genau, wie in
ihrer anderen Vision. Es stimmte tatsächlich, es stimmte alles! Die Wächter
hatten die Hüterinnen aus dem Weg geräumt, eine nach der anderen. Sie selbst
hatten die Unterlagen verschwinden lassen, so dass Hunderte von Jahren später
nichts Schriftliches mehr über Hüterinnen existierte. Es war alles eine riesige
Verschwörung...
Hände griffen nach ihr, packten sie und ließen sie wieder fallen. Für
einen Augenblick sah sie das Gesicht eines alten Mannes vor sich, war dies
derselbe kühle Blick, den sie von Lily kannte? Die Gesichtszüge waren sich
nicht unbedingt ähnlich, aber dann, wer konnte wissen, wie lange diese
Begebenheit zurücklag, und welcher von Lilys Vorfahren hier sein grausames Werk
vollendete.
Diesmal schlug sie nicht auf dem Boden auf, er war nicht hart genug.
Sie klatschte mitten in den Schlamm, einen Schlamm, der sie nicht trug. Tiefer,
immer tiefer sank ihr Körper in den morastigen Untergrund. Sie konnte weder
schreien, noch mit den gefesselten Händen um ihr Leben kämpfen, es war
aussichtslos. Selbst wenn die Hüterin, die sie jetzt war, magische Kräfte
besessen hatte, so hatte sie sie nicht einsetzen können.
Sie hatte die Augen geschlossen, und sich in ihr Schicksal ergeben.
Hatte gespürt, wie ihre Kräfte sie verließen, und die Gesichter der anderen
Hüterinnen vor sich gesehen, die bereit waren, diese Kräfte und die Bürde der
Hüterinnen aufzunehmen.
Schmerz hatte sie keinen gespürt, soviel Kraft, geistig oder magisch,
war ihrem Körper noch geblieben. Ehe er in den Tiefen der Erde verschwand, und
ihr Geist heimwärts flog.
Aber der Schmerz kehrte sofort zurück, als sie die Augen aufschlug und
sich wieder in Arashmaharr befand.
Oder doch nicht?
England, London, Rat der
Wächter:
Es lief gut für ihn, ob gut genug, würde sich bald zeigen. Viele der
Wächter, vor allem die internationalen Vertreter hatte er von seiner Unschuld
überzeugen können, doch auf der anderen Seite waren da noch die britischen
Wächter, die fast geschlossen gegen ihn standen.
Irgendwo bei vierzig Stimmen für ihn und achtunddreißig gegen ihn war
er aus dem Zählen heraus gekommen, doch es war nun nicht mehr wichtig, er hatte
sein möglichstes getan und konnte nun nur noch abwarten. So oder so, das
Ergebnis würde sehr knapp werden. Er warf einen kurzen Blick hinüber zu Lily,
doch sie beachtete ihn nicht. Stattdessen fixierte sie Lenhardt, der das
Ergebnis gewissenhaft notierte.
„Nicht schuldig!“
Sie wusste es genau wie er, die Schlacht zwischen ihnen beiden würde
jetzt und hier ausgetragen werden und einer von ihnen beiden würde diesen Raum
als Sieger verlassen, egal wie knapp es war.
„Schuldig!“
Die Aufzählung näherte sich langsam ihrem Ende.
„Schuldig.“
Giles sah, wie Westmann ihm freundlich zunickte und er erwiderte die
Geste, warum hatte Lily gerade ihn teilnehmen lassen, wenn sie sich nicht
absolut sicher gewesen wäre, dass er auf ihrer Seite stand? Wie auch immer, es
würde sie aufregen, und das verschaffte ihm ein kleines Maß von Genugtuung.
„Patrick Zabel.“
Das war der letzte, angespannt wartete Giles auf die Antwort des jungen
Mannes.
„Nicht schuldig.“
„Gut, das waren alle Stimmen!“, teilte Lenhardt mit und reichte die
Aufstellung an George Martin weiter, der einen kurzen Blick auf sie warf, sich
jedoch nichts anmerken ließ, seine Miene blieb regungslos. Es herrschte
gespenstische Stille.
„Insgesamt zählen wir 133 abgegebene Stimmen. Für nicht schuldig…“, die
Anspannung im Raum war kaum noch zu ertragen, als er schließlich, „…liegen
genau 66 Stimmen vor, und somit für schuldig 67. Hiermit wird Rupert Giles des
Hochverrats gegenüber dem Rat der Wächter für schuldig befunden. Über ein
angemessenes Urteil wird abgestimmt werden, sobald die Lage weniger kritisch
ist, so lange wird Rupert Giles in der Sicherheitsverwahrung des Rates
bleiben.“
Eine verdammte Stimme! Warum konnten es nicht wenigstens 10 sein? Es
war wie ein Faustschlag in sein Gesicht, er war so nah an einem Sieg gewesen,
doch nun war alles wieder verflogen.
Für einen kurzen Augenblick sah er zu Lily herüber, ihr schienen
ähnliche Gedanken durch den Kopf zu gehen, auf jeden Fall war sie alles andere
als glücklich.
Das konnte doch nicht wahr sein. Nur einen mehr hätte er überzeugen
müssen, nur einen einzigen!
Emma und eine weitere Jägerin traten von hinten an ihn heran, ohne
irgendwelchen Widerstand zu leisten ging er von selbst in Richtung Ausgang.
Hinter sich hörte er Lily, die ihre Stimme erhob, es klang, als wäre
sie verunsichert: „Nun, da wir hier eine Entscheidung getroffen haben, möchte
ich dem Rat einen Vorschlag unterbreiten. Angesichts der momentanen Lage sind
die Wächter bewegungsunfähig. Entscheidungen müssen getroffen werden, schnelle
Entscheidungen, darum würde ich vorschlagen, so lange, bis diese neue Krise
bewältigt ist, die Vollmacht im Rat einer einzigen Person zuzusprechen…“
Die Tür schlossen sich hinter ihm.
Irgendwo, Irgendwann:
Nein, die Schmerzen kehrten nicht zurück. Die
Brandwunden auf ihrer Haut waren verschwunden, sie fühlte sich zwar nicht
frisch und ausgeruht, aber wieder einigermaßen Herrin ihrer selbst.
“Wie mir scheint, hast du nichts begriffen.“ Sie hörte D’Hoffryn nur
mit halbem Ohr zu, das Wichtigste war jetzt, irgendwie an die Jägerin
heranzukommen, ohne dass diese mit der Lava in Berührung kam. “Ich bin nicht
für deine Schmerzen verantwortlich, Willow, ich nicht, und auch niemand sonst.
Die Verbindung zu den Jägerinnen ist Teil der Aufgabe einer Hüterin. Nur, wenn
sie die Gefühle der Jägerin versteht, kann sie diese zu einem reifen,
verantwortungsbewussten Menschen erziehen. Die Wächter allein sind dazu nicht
in der Lage. Sie sind für Training und Ausbildung zuständig, nicht für
moralische Reife...sie verstehen nicht die tieferen Zusammenhänge...sie sind
nur Generäle, welche die Soldaten in die Schlacht schicken...“
Willow erstarrte mitten in der Bewegung. Teil der Hüterin? Sagte
D’Hoffryn tatsächlich die Wahrheit, oder machte er ihr nur etwas vor?
Auf gar keinen Fall konnte sie ihm trauen...
“Durch das Ritual sind die Macht und die Bürde der Hüterin auf mich
übergegangen,“ sagte Willow ruhig, bemüht, sich nichts von ihrer Angst anmerken
zu lassen. “Dieser Verantwortung kann ich mich nicht entziehen!“
“Doch, das kannst du.“ In D’Hoffryn’s Stimme schwang jetzt Nervosität
mit, und diese ließ Willow aufhorchen. Ein nervöser Dämon war ein gefährlicher
Dämon. “Es war nie vorgesehen, dass eine einzige Hüterin für so viele
Jägerinnen verantwortlich ist. Diese Aufgabe ist nicht zu bewältigen. Sie wird
dich das Leben kosten.“
“Manche Aufgaben sind es wert, dafür sein Leben zu riskieren.“ Willow
spürte, wie eine gewisse Ruhe in ihre Worte und in ihren gesamten Körper
einkehrte. “Buffy tut das, seit sie berufen wurde. Auch eine Jägerin kann nicht
vor ihrer Aufgabe davonlaufen.“
“Sie könnte es ohne weiteres, wenn sie jemanden fände, der mächtig
genug wäre, ihr zu helfen. Du hast diese Person gefunden. Ein Wort von dir
genügt, und du kannst dich vor einem Schicksal retten, dass dir nichts außer
dem Tod bringen wird...“
’Jetzt,’ dachte Willow. Sie war nahe genug an ihn herangetreten, und er
passte nicht auf...
Sie riss die Arme hoch, und fühlte, wie ihre Kräfte sie durchströmten.
In einer einzigen fließenden Bewegung formten ihre Hände einen Flügel, ein
stummes Gebet an die Göttin Hermione, Tochter des Hermes. Unsichtbare Schwingen
rauschten und die Jägerin wurde empor gehoben und zu Willow hinübergetragen.
Willow fing das erschöpfte Mädchen mit den Armen auf, wandte sich ab
und stolperte die Treppe hinunter. Sie hatte keine Ahnung, wo der Ausgang war,
aber sie musste jetzt einen ruhigen Ort finden, wo sie ihre Kräfte sammeln
konnte. Vielleicht gab es eine Möglichkeit ein Dimensionstor nach Hause zu
öffnen. Oder herauszufinden, wo sich eines befand.
Sie erstarrte. D’Hoffryn stand unten am Fuß der Treppe und erwartete
sie.
“Lass uns vorbei!“ Die Drohung in ihrer Stimme war nicht zu überhören.
“Du weißt, dass es keinen Sinn hat.“
Innerlich machte sie sich auf einen Kampf gefasst.
“Du hättest ewig leben können,“ schrie D’Hoffryn und irgendwo in der
Ferne explodierte etwas und eine Lavafontäne schoss in
die Höhe. “Du verdammtes störrisches Ding! Warum willst du unbedingt in deinen
sicheren Tod rennen, was hast du davon? Was hat die Welt davon, und alle Leute,
denen du wichtig bist?“
“Du quälst ein unschuldiges Mädchen, um mir deinen Willen
aufzuzwingen,“ schrie Willow zurück. “Jetzt erzähl mir nicht, ich wäre dir
wichtig! Dir ist nichts wichtig, außer dir selbst! Selbst wenn du behauptest,
mich retten zu wollen, ist das nur purer Egoismus, sonst nichts!“
D’Hoffryn wandte sich ab und schwieg. Innerlich bebte sie, sammelte er
seine Kräfte für einen Angriff? Oder war die Enttäuschung und
Niedergeschlagenheit, die sie in seiner ganzen Haltung zu lesen vermochte,
wirklich echt?“
Endlich, nach einer Ewigkeit, wie es schien, wandte er sich ihr wieder
zu. “Fünf Tage.“ Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. “Es ist nur fair,
dass du es erfahren sollst.“
Cleveland,
College, Damentoilette:
Stille herrschte vor, keiner schien zu wissen,
was zu sagen war.
Xander warf Buffy einen fragenden Blick zu, doch
sie erwiderte ihn nicht. Wie war es möglich, dass das alles Andrew aufgefallen
war und ihm nicht? Immerhin kannte er Willow schon, seit sie noch klein gewesen
waren, und dennoch war ihm das alles entgangen. Selbst zu ihrem Abschluss war
er zu spät gekommen, man konnte wohl wirklich nicht behaupten, dass er ihr in
letzter Zeit ein guter Freund gewesen war.
Es war frustrierend, Buffy hätte am liebsten
irgendeinen Vampir zusammengeschlagen, über all die Angelegenheiten mit dem Rat
und die Sache mit dem Unsterblichen war sie so blind geworden, dass sie nicht
einmal gesehen hatte, wie mies es ihrer besten Freundin ging. Verdammt, sie
konnte doch nicht nur einfach hier herum sitzen und darauf warten, dass etwas
geschah.
Kennedy starrte vor sich hin, natürlich war es
ihr aufgefallen, doch es war viel zu spät gewesen, sie hätte sie nicht einfach
so davon kommen lassen dürfen mit dieser Ausrede, und nun würde sie sie
vielleicht nie mehr wieder sehen. Tränen sammelten sich in ihren Augen.
Andrew blickte von einem zum anderen, doch
keiner schien irgendetwas sagen zu sollen, sie alle waren noch mitgenommen von
dem, was er ihnen berichtet hatte und dabei war wirklich nicht viel dabei
gewesen zu erkennen, wie es Willow ging, wenn man nur ein bisschen unter die
Fassade blickte, die sie um sich herum aufgebaut hatte.
Mit einem Mal gab es einen Knall und der Raum
war erfüllt von grellem Licht, Buffy, die zu nah an ihm stand wurde
zurückgeworfen, ein Zischen wie ein nicht enden wollender Schrei hallte für
einige Sekunden wieder, dann herrschte Stille.
In der Mitte des Raums stand Willow, auf ihre
Schulter stützte sich ein verletztes Mädchen: „Schnell, jemand muss ihr
helfen!“
Während Faith das Mädchen übernahm und Robin
sein Handy hervorholte, fiel Kennedy, die inzwischen in Tränen ausgebrochen
war, Willow um den Hals: „Ich dachte, ich hätte dich verloren!“
„Psst ist ja gut!“, Willow lachte aufmunternd,
„Ich hätte auch noch ein Wörtchen mitzureden, und so lange ich das hab, wirst
du mich nie verlieren!“
Nach einer halben Ewigkeit löste sie sich von
ihr und machte Platz für Buffy und Xander, die Willow nacheinander in den Arm
schlossen. „Warum hast du denn bloß nichts gesagt?“, wollte Xander wissen, „Was
immer auch los ist, wir können dir bestimmt helfen.“
„Ich wollte euch nicht belasten, doch das ist
jetzt alles egal.“, Willow lächelte, „Es ist vorbei!“
Cleveland,
Wächterzentrale:
„Und wieso haben die
Schmerzen plötzlich aufgehört?“, wollte Buffy noch mal wissen, und schaute
Willow an, die zuvor ihre Geschichte erzählt hatte.
„Ich
weiß es nicht, es war wie ein `Klick` in meinem Kopf und die Schmerzen waren
verschwunden, einfach so!“, sie lächelte, „Ich denke, meine Träume mit den
Hüterinnen wollten mir zeigen, wie ich mit den Visionen fertig werden kann, ich
verstehe zwar noch nicht ganz, was passiert ist, aber das werde ich bestimmt
noch irgendwann. Jetzt bin ich erstmal froh, dass alles vorbei ist!“
„Und
D´hoffryn hat dich einfach so gehen lassen?“, fragte Buffy verwirrt.
„Ja,
er hat wohl keinen Sinn darin gesehen mich weiter dort zu behalten, er wusste,
dass ich nie auf sein Angebot eingehen würde.“, Willow zuckte mit den
Schultern, „Aber eigentlich ist doch nur wichtig, dass ich lebend dort raus
gekommen bin und es mir wieder einigermaßen gut geht, über das „Warum“ kann ich
mir später Gedanken machen.“
„Schön, dass es dir wieder
besser geht!“, pflichtete Xander bei, „Auch wenn du eigentlich hättest wissen
müssen, dass wir immer für dich da sind, egal was passiert!“
„Das
weiß ich doch, aber diese Zeiten im Moment sind so schon schwer genug. Aber
lasst uns nicht mehr davon sprechen!“, beendete Willow das Thema, „Gibt es
schon was neues von Giles?“
„Nein,
er hat nur auf den Anrufbeantworter gesprochen, er wollte sich heute noch
melden.“, berichtete Faith.
„Gut,
dann warten wir so lange!“, setzte Buffy fest und warf Xander und Dawn einen
raschen Blick zu, die beiden nickten, das alles schien Willow zu entgehen.
Die
Tür öffnete sich und Robin trat ein: „Ich habe gerade im Krankenhaus angerufen,
Marie, der Jägerin, die mit Willow gekommen ist, geht es den Umständen
entsprechend gut!“
„Das
ist gut!“, Willow lächelte, auch wenn ihre Gedanken an das Mädchen, das D´hoffryn
ihretwegen getötet hatte ihre Gedanken verschatteten. Wer sie wohl gewesen war
und woher sie wohl gekommen war? Sie würde es vermutlich nie erfahren, ein
sinnloses Opfer, wie so viele.
„Gut,
ich denke, dann werde ich wohl nach Hause fahren, etwas Schlaf wird mir gut
tun. Kennedy, kommst du mit?“, Willow stand auf.
„Nein.“,
riefen Buffy, Xander und Dawn auf einmal.
Willow
starrte ihre Freunde irritiert an: „Was wird hier denn gespielt?“
„Psst,
es soll eine Überraschung werden!“, erklärte Buffy entschuldigend, mit einem
verschmitzten Ausdruck im Gesicht.
Später,
ca. 22 Uhr:
Willow schreckte kurz hoch, als die Türklingel laut durch das Haus
schrillte, wollte schon aufstehen, um sie zu öffnen, wurde jedoch von Dawn
aufgehalten, die an ihr vorbei lief, ein „Ich mach schon auf“ von sich gab und
daraufhin die Treppe hinunter polterte.
„Habt ihr alles besorgt?“, fragte sie leise, nachdem sie die Tür
geöffnet hatte und Eve, Shin und Cliff vor der Tür stehen sah.
„Klar doch..“, antwortete Shin , beugte sich vor, um sie zu küssen,
zeigte ihr daraufhin die zwei Sektflaschen, die er in der Hand hielt, als auch
auf die Schachtel mit Popcorn und Chipstüten, die Eve trug und die DVD, die
Cliff in der Hand hatte.
„Oh, schon da?!“, hörte Dawn Xanders überraschte Stimme hinter sich. Er
erkannte Eve sofort, nahm ihr die Kiste ab, und küsste sie ebenfalls.
„Nur herein mit euch. Ronah ist bereits oben..“, sagte Xander lächelnd
und nickte Cliff zu, der auch ihm noch zunickte und sich dann an ihm vorbei
drückte.
“Also das war wohl mehr als kurzfristig..“ sagte Eve lachend und trat
nun ebenfalls ein. „Ich wollte gerade ein Bad nehmen. Aber mir war klar, dass
ich diese Einladung nicht abschlagen konnte..“, Sie legte ihren Mantel ab,
strich Xander noch einmal mit ihrer rechten Hand durchs Haar und folgte denn
Dawn und Shin , die sich schon ins Wohnzimmer im ersten Stock begeben hatten.
Newquay, England, 3 Uhr Morgens:
Langsam
ging Claire McFaden um die Ecke der Cliff Road und bog damit in die etwas
ruhigere Fore Street ein. Ihr Ziel war diese Nacht klar dargelegt: sie musste
zum Hafen. Newquay, England, war zwar ein verschlafenes Kaff, allerdings war es
einer der wenigen Orte auf der Welt, in dem sich die bösen Kräfte ohne
irgendeinen Grund bündelten und jeden Abschaum anzogen.
Sie war die Jägerin von Mr. James O'Connery, einem Mann, der erst seit
kurzem für den Rat der Wächter arbeitete. Früher wäre er lange nicht an eine
Jägerin heran gekommen, diese Zeiten hatten sich allerdings verändert.
Die dunkle Straße, die nur ab und zu von alten, schmutzigen
Straßenlaternen beleuchtet wurde, lag verschlafen im Nebel, der sich in den
frühen Morgenstunden meist vom Meer aus über die Stadt legte. Claire war 17
Jahre alt, sah allerdings mit ihren kurzen, blonden Haaren und dem trainierten
Körper einige Jahre älter aus. Sie ließ ihren Blick durch die Gegend schweifen
und blieb abrupt stehen, als sie von hinten ein Auto auf sie zufahren hörte.
Eine laute Sirene ertönte, bevor es neben ihr zum stehen kam, der Fahrer die
Tür öffnete und ausstieg.
„Claire McFaden..“ flüsterte der Polizist, während er um sein Auto ging
und mit seiner Taschenlampe die nähere Umgebung ableuchtete. „Du weißt schon,
wie spät es ist, oder?“
Er blieb lächelnd einige Schritte von ihr entfernt stehen.
Die Jägerin setzte ein unschuldiges Lächeln auf und sah überrascht auf
die Uhr. „Oh mein Gott, schon so spät? Ich kann gar nicht glauben, wie die Zeit
verfliegt, wenn man einen kleinen Spaziergang am Strand macht..“ sagte sie und
sah ihn frech an.
„Claire.. lass den Schwachsinn. Komm, steig ein. Ich bring dich nach
Hause..“ antwortete der Polizist und öffnete die rechte hintere Tür seines
Wagens.
„Tom, ich weiß deine Hilfe wirklich zu schätzen, allerdings hab ich
noch was im Hafen zu erledigen“ Claire zwinkerte ihm zu, drehte sich um und
wollte schon weitergehen, als er ihren Namen rief.
“Claire. Du kannst nicht in den Hafen. Du hast es doch in der Zeitung
gelesen..“ rief er ihr nach, wurde aber von der Jägerin unterbrochen, bevor er den
Satz beenden konnte.
„Tom, ich weiß, was dort los ist, und du weißt es auch. Lass mich meine
Arbeit erledigen, dann halte ich euch auch den Arsch frei.“
„Okay, Claire. Aber ich komme mit!“ sagte er, wechselte noch kurz
einige Worte mit seinem Kollegen, der mittlerweile auf den Fahrersitz
gewechselt war, überprüfte dann seine Schusswaffe und folgte ihr.
Cleveland:
„Also,
ich denke, es wird Zeit, dass wir anstoßen!“ sagte Buffy und nahm eine der
Sektflaschen. Sie blickte in die, den Umständen entsprechend, glücklichen
Gesichter ihrer Freunde und nun zauberte sich auch ein ernst gemeintes Lächeln
auf ihr Gesicht. Sie alle hatten auf ihre Weise schon so viel durchgemacht,
dass es schon fast ein Wunder war, dass sie alle noch so unbeschadet vor ihr standen.
Sie löste die Folie und das Gitter, welches den Korken schütze, und entfernte
diesen mit einem lauten „Plopp“, woraufhin sie den Inhalt der Flasche in die
Sektgläser vor sich goss.
„Also, nehmt euch eure Gläser.“ Sagte Wood, der neben Buffy getreten
war, und ihr dabei lächelnd eine Hand auf die Schulter legte. Sie nickte ihm zu
und griff dann nach einem Glas.
Die Runde hob die Gläser, und richtete ihre Blicke auf Robin, und
wartete ab, ob der amtierende Wächter noch etwas zu sagen hatte.
„Also, wie ihr sicherlich mitbekommen habt, haben wir heute zwei
Gesichter hier, die für den einen oder anderen wahrscheinlich noch ziemlich neu
sind..“ sprach Robin und lächelte in die Runde, blieb allerdings bei Eve
hängen.
“Hiermit
wollen wir dich, Eve..“ er nickte ihr zu, und richtete seinen Blick dann auf
Ronah’s Freund „und dich, Cliff, herzlich in unserem Freundeskreis begrüßen“
„Hört, hört!“ fügte Faith hinzu, die neben ihn getreten war und ihm mit
ihrer linken Hand über den Rücken strich.
„Danke..“ antworte Eve und nickte den Scoobies lächelnd zu, nur bei
Faith verdunkelte sich ihr Blick kurz, aber merklich. Xanders Freunde schienen
ziemlich freundlich zu sein, diese Faith war ihr allerdings alles andere als
geheuer.
„Ja, danke für die Einladung..!“ fügte nun auch Cliff lächelnd hinzu
und drückte dabei Ronahs Hand.
„Okay, nach den Förmlichkeiten nun zum eigentlichen Grund der Party…“
sagte Buffy und hob ihr Glas an. Die Blicke der Gruppe wanderten zu Willow, die
überrascht, aber freudig lächelte.
Willow blickte glücklich in die Runde. Es war unglaublich. Außer Giles,
der in England gerade dabei war, die Sache mit dem Rat zu bereinigen, war jeder
ihrer Freunde anwesend. Kennedy, Buffy, Andrew, Dawn mit Shin , Xander mit Eve,
Faith mit Wood und Ronah mit Cliff. Sie alle waren nur für sie hier her
gekommen und haben diese nachträgliche Party organisiert. Voller Freude hob sie
ihr Glas an, und als plötzlich alle wie aus einem Mund „AUF WILLOW!“ sagten,
spürte sie Tränen, die sich den Weg in ihre Augen suchten, doch sie blieb
standhaft.
„Danke, ich bin wirklich froh, dass ihr das alles hier für mich
organisiert habt. Es bedeutet mir viel heute mit euch allen zusammen sein zu
können: Mit meinen Freunden, die ich schon eine halbe Ewigkeit kenne, mit neuen
Freunden aus den letzten Jahren und mit denen die euch sehr wichtig sind, auch
wenn ich sie teilweise leider noch nicht wirklich kennen gelernt habe. Doch
auch sie sind heute Abend willkommen; lasst uns nicht nur auf mich anstoßen,
sondern auf uns alle, und darauf, dass wir alle heute zusammen sein können,
denn auch wenn ich hoffe, dass es noch weit entfernt ist, irgendwann werden
Zeiten kommen, in denen es nicht mehr möglich ist. AUF UNS! AUF UNSERE
FREUNDSCHAFT!“, Willow hob ihr Glas trank einen Schluck Sekt.
„Gut gesprochen!“, Xander erhob sein Glas als
zweiter, „Auf Willow und auf unsere Freundschaft!“
Die anderen taten es ihnen gleich.
„Also, was haben wir heute für einen Film?“ fragte Faith, nachdem sie
ihr Glas geleert hatte und anfing, die Popcorn- und Chipstüten zu verteilen.
„Da die ganze Sache ziemlich schnell gehen musste, hab ich einfach eine
meiner neueren DVDs geschnappt..“, sagte Cliff und warf es Ronah zu, die sie
lächelnd auffing und sie in den Player einlegte. „.. ist nur irgend so ein
Slasher – Horror Film über Leute, die sich im Wald verirren und..“
Andrew unterbrach Cliff mit leuchtenden Augen „.. und von Kannibalen
gejagt werden?“ Andrew sah Cliff an, sprach jedoch weiter, ohne auf eine
Antwort zu warten. „Den Film kenn ich. Hab ich im Kino gesehen..“
„Toll, Andrew. Wage es nicht, uns den Inhalt vor dem Film zu verraten, oder
du wirst es bereuen!“ schrie Dawn lachend und warf ihm ein Kissen zu. Andrew
verdrehte die Augen und setzte sich neben Buffy aufs Sofa. Genau wie er war sie
auch alleine hier. Warum also nicht? Er hatte ja zuerst auch daran gedacht,
Warren anzurufen, allerdings hatte er sich dann dazu entschieden, dass es doch
keine gute Idee gewesen wäre.
Willow
lächelte über die Diskussion der anderen, vermutlich würde ihr der Film nicht
einmal gefallen, sie hatte noch nie sehr viel für Horrorfilme übrig gehabt,
doch das war es auch nicht, worauf es ihr heute Abend ankam.
Newquay, England:
„Nicht schon wieder..“ flüsterte Tom, nachdem er
Claire endlich eingeholt hatte, neben ihr stehen blieb, und den grässlichen
Schauplatz des Verbrechens beäugte. Ungefähr 20 Leichen lagen quer verteilt am
Parkplatz des Hafens. Sie hatten alle vor Angst und Schrecken geweitete Augen
und aufgedunsene Haut.
„Ich sollte Verstärkung holen..“ flüsterte er und griff nach seinem
Funkgerät.
„Nein, das wirst du nicht. Ich kann hier nicht noch mehr von deiner
Sorte gebrauchen. Ich kann nicht mal dich hier brauchen…“ flüsterte Claire,
während sie den Griff des Schwertes, welches sie aus ihrem Rucksack gefischt
hatte, fest umgriff.
„Was, denkst du, ist hier passiert?“ fragte Tom Simmons, langjähriger
Bekannter von James O’Connery und Freund und Helfer des Wächters und der
Jägerin.
„Eine Hexe oder ein Dämon. Die Leute sind anscheinend alle ertrunken..
ich kann mir das noch nicht genau erklären..“ antwortete Claire, nachdem sie
die Leiche eines jungen Mädchens untersucht hatte. „Er, es oder sie tötet
anscheinend nur aus Spaß. Den Körpern fehlt nichts.. „
Tom zog seine Pistole, als Claire plötzlich herum wirbelte. Der Nebel
war merklich dichter geworden, und das Rauschen des Meeres lauter. Eine
Gänsehaut lief über Toms Rücken, während Claire all ihre Muskeln anspannte und
sich auf einen Angriff vorbereitete. Sie schärfte all ihre Sinne. Etwas stimmte
hier nicht. Sie waren nicht mehr alleine, das spürte sie genau.
Plötzlich, von einer Sekunde auf die andere, hörte sie ein lautes
Donnern, dass bei genauerem Hinhören ehe ein dumpfes Vibrieren der Straße war.
‚Ein Pferd? Ist das möglich?’ schoss es ihr durch den Kopf. Schon im nächsten
Augenblick wurden im Nebel die Umrisse eines Reiters sichtbar.
„OH mein Gott..“ flüsterte Claire, ließ vor lauter Schock das Schwert
fallen, wurde im nächsten Moment von einem mächtigen Schlag getroffen und flog
einige Meter durch die Luft bis sie gegen die Holzwand der alten Lagerhalle
schlug. Holz splitterte, und ein unglaublicher Schmerz schoss durch ihren
ganzen Körper.
Cleveland:
„Gott,
Mädchen, pass doch auf!“ schrie Dawn und stopfte sich daraufhin eine Hand voll
Popcorn in den Mund. Die Gruppe von 20 – Jährigen war von den Kannibalen schon
halbiert worden, und es waren nur mehr 2 Frauen und ein Mann am leben, die nun
durch den Wald flüchteten. Eigentlich wollten sie sich ja in einem alten
Holzturm verstecken, aber wie Andrew ganz altklug gesagt hatte, „ging das total
in die Hose, da die Kannibalen schon etwas von Feuer gehört hatten.“
„Die geht sicher gleich drauf..“ sagte Faith und trank daraufhin von
ihrem Sekt. Sie kuschelte sich in die starken Arme von Robin, der hinter ihr
saß und ihr seinen Oberkörper als Lehne anbot.
„Na ja, wenn sie sich aufteilen würden, hätten sie eine bessere Chance.
Wieso bleiben die drei auch zusammen?“ gab Buffy zu denken.
“Na ja, du hast doch gesehen, was mit den ersten zwei passiert ist, die
beim Auto zurück geblieben sind..“ antwortete Xander
„Na ja, aber das war doch eine ganz andere Situation. Jetzt sind 3
Kannibalen hinter 3 Menschen her. Wenn sie sich aufteilen würden, hätte jeder
von ihnen eine größere Chance, diese Dinger zu bekämpfen…“, antwortete Kennedy.
“Stimmt..“ sagte Buffy und musste kurz schmunzeln. Hatte sie gerade
Kennedy Recht gegeben? Na ja, soll es auch geben. Sie musste über sich selbst
lachen.
Willow
beobachtete amüsiert das Treiben ihrer Freunde, während sie sich dicht an
Kennedy heran schmiegte, es war fast wie eine Videoabend in alten Zeiten, nur
mit Buffy, Xander und ihr. Abgesehen davon, dass es heute ein paar mehr waren.
„Autsch.. ich glaub, das hat weh getan..“ sagte Xander wieder und
strich dabei über Eves Schultern, die neben ihm saß und sich fest an ihn
drückte.
“Wie ekelhaft. Der hat mit der Axt ihr Gesicht in zwei Hälften
geteilt..“, flüsterte diese leise, nahm sich dann aber wieder Chips aus der
Tüte und knabberte weiter.
„Na ja, selbst schuld, wenn sie so blöd sind. Wie kann man sich nur so
in die Enge treiben lassen?“ sagte Faith und schüttelte gespielt übertrieben
den Kopf. Es war schön, nach so langer Zeit endlich wieder mal einen etwas
entspannteren Abend miteinander zu verbringen.
Willow nahm einen Schluck Sekt, sie starrte auf den Bildschirm, doch
ihr Blick war abwesend.
Newquay, England:
Für Tom passierte alles viel zu schnell. Wie aus dem Nichts war ein
dunkler Schatten aus der dichten Nebelwand aufgetaucht und hatte Claire über
den halben Parkplatz geschleudert. Daraufhin hatte er die Waffe gezogen und wie
wild durch die Gegend geschossen, aber wahrscheinlich nichts getroffen.
Zitternd und mit Schweißperlen auf der Stirn stand er nun alleine mitten auf
dem Parkplatz und versuchte sich zu beruhigen.
‚Verdammt noch mal, ich steh hier vor 20 Leichen, Claire ist
verschwunden und ich hab scheiss Angst…’ schoss es ihm durch den Kopf.
Er hörte ein Geräusch hinter sich, doch nachdem er sich umgedreht
hatte, war nichts zu sehen. Dumpf hörte er lautes Schnaufen und ein Pferd, das
anscheinend rund um den Parkplatz ritt. Plötzlich spürte er eisige Kälte bei
den Füßen und er sah nach unten. Tom wusste zwar nicht, woher das es kam, aber
er stand plötzlich knöcheltief in eiskaltem Meerwasser.
„Oh mein Gott..“ flüsterte er und sah sich panisch um. „CLAIRE? WO BIST
DU? BIST DU OKAY?“ schrie er, bekam allerdings als Antwort nur das laute
Fauchen des Pferdes. Ruckartig drehte er sich um und erkannte in einiger
Entfernung die Umrisse eines Pferdes mit Reiters langsam auf sich zukommen.
Er riss seine Pistole hoch und feuerte das gesamte Magazin auf das
Wesen, doch es schien die Kugeln nicht einmal zu spüren. Im Abstand von einigen
Metern blieb das Pferd plötzlich stehen und ließ den Reiter absteigen. Tom
begann am ganzen Körper zu zittern, Tränen liefen ihm aus den Augen und seine
Knie gaben nach. Mit einem lauten „Platsch“ landete er mit den Knien im Wasser.
Zitternd beobachtete er die Kreatur, die auf ihn zukam, und ihn fest am Kragen
packte. Ohne eine Sekunde zu zögern legte der Dämon seine linke Mischung aus
Hand und Klaue auf den Brustkorb des Polizisten. Ein helles Licht erschien, und
Tom begann für einige Sekunden zu schreien. Danach war alles vorbei. Die
Kreatur schloss befriedigt die Augen, während es den toten, ausgeschwemmten
Körper fallen ließ.
Cleveland:
„Ich
versteh das echt nicht. Warum stehen die Beiden da nur blöd rum, und schauen
zu, wie dieses nervige Ding ihre Freundin abschlachtet?“ fragte Buffy wieder
und sah Xander an, der allerdings nur mit den Schultern zuckte.
“Na ja, mit dem Mann ist sie eigentlich nicht befreundet. Die kennen
sich ja erst seit ein paar Stunden..“ gab Andrew zu denken.
„Und was tut das zur Sache?“ konterte Kennedy genervt und verdrehte
sich Augen. „Es geht immerhin nicht um die Intensität ihrer Freundschaft,
sondern darum, dass die zwei die Zeit hätten besser nutzen sollen.“
„Hmm, ich denke es liegt einfach am Schock..“ meldete sich Eve zu Wort.
„Was?“ fragte Buffy verwirrt
„Na ja, es wäre ja nicht so, als wäre es normal für die Protagonisten,
dass sie von Kannibalen verfolgt werden, die sie zerstückeln und auffressen
wollen. Das ist eine Ausnahmesituation und daher reagiert man da oft falsch..“
Eve dachte mit Schrecken an den Abend zurück, an dem sie selbst mit Xander in
ihrer Firma von komischen Monstern angegriffen wurde. Sie wusste damals auch
nicht, was zu tun war.
„Ich versteh nicht, warum sie nicht zurück zur Hütte gehen und sich
Waffen besorgen..“ sagte Dawn und fuhr daraufhin Shin über die Hand, der sie
kurz anlächelte, seine Aufmerksamkeit dann jedoch wieder auf den Film richtete.
„Na ja, zu spät..“ meldete sich nun Faith zu Wort. „.. jetzt haben sie
sie. Na dann gute Nacht..“
Newquay, England:
Obwohl sich ihr Kopf anfühlte, als hätte jemand mit einem Hammer darauf
gehauen, schaffte Claire es, langsam die Augen zu öffnen. Kurze
Orientierungslosigkeit und Schwindelgefühle ließen ihre Alarmglocken sofort
läuten.
Sie tastete mit ihren Händen den Boden ab, auf dem sich plötzlich
einige Zentimeter hohes Wasser gesammelt hatte. Claire stand unsicher auf, und
versuchte sich unter Schmerzen in dem dichten Nebel zu orientieren, als sie
plötzlich Toms lauten Todesschrei hörte. Von einer Sekunde auf die andere
wusste sie wieder, wo sie war, und warum sie hier war. Ihre Sinne schienen sich
wieder zu schärfen, und sie erkannte die Kreatur in einigen Metern Entfernung
bei Tom stehen.
‚Ich brauch mein Schwert..’ schoss es ihr durch den Kopf, und Sekunden
darauf ließ sie ihren Blick durch den Nebel gleiten. Nachdem sie es wie durch
ein Wunder nur wenige Schritte entfernt liegen sah, schnappte sie sich die
Waffe und lief von hinten auf den monströsen Reiter zu.
In dem Moment, in dem dieser Toms Leiche zu Boden fallen ließ, bohrte Claire
dem Dämon das Schwert von hinten tief in den Körper. Der Reiter ließ einen
lauten, dumpfen Schmerzenschrei aus und stürzte zu Boden. Claire zog das
Schwert aus dem Körper und stach ein weiteres Mal zu.
“Stirb, du Schwein! Wie konntest du nur! STIRB VERDAMMT NOCHMAL!“
schrie sie, und stach immer wieder zu.
Der Dämon schrie auf, bewegte sich allerdings nicht. Nachdem sie 6-mal
in den Körper gestochen hatte, fiel ihr Blick auf Toms Leiche, und bleib dort
hängen. Der Reiter nutzte die kurze Unachtsamkeit, sprang hoch, drehte sich um
, und schlug ihr fest ins Gesicht. Claire stolperte einige
Schritte nach hinten, schaffte es aber, auf den Füßen zu bleiben.
„Was fällt dir überhaupt ein, du minderwertiges Geschöpf! Hast du
überhaupt eine Ahnung, was für Schmerzen du mir zugefügt hast!“ Er funkelte sie
böse an, und von einer Sekunde auf die andere war plötzlich sein Pferd neben
ihm.
„Wieso hast du diese Menschen alle getötet?“ fragte Claire, die ihre
rechte Hand gehoben hatte, um ihre blutende Unterlippe zu berühren und sah den
starken, monströsen Dämon unsicher an.
„Weil es nötig war. Dies war nur der Anfang..“ antwortete der Reiter
und strich dabei mit seiner linken Hand über das nasse Fell seines Pferdes. In
der nächsten Sekunde erfasste er den Griff des Doa – Schwertes und zog es
sofort aus der hölzernen Scheide . Er trat weiter auf sie zu, versuchte sie zu
schlagen, doch Claire konnte seinem Schlag ausweichen und schlug ihm fest ins
Gesicht.
“Jetzt reicht es aber!“ schrie er, holte mit der Hand aus und schlug
sie fest zu Boden. „Gute Nacht!“
Er holte aus, und stieß der Jägerin sein Schwert mitten ins Herz.
Claire gab ein kurzes, gurgelndes Geräusch von sich, starrte ihn schockiert an,
und ließ dann leblos ihren Kopf zur Seite fallen. Helles Licht ging von der
Leiche der Jägerin auf den Reiter über.
Kurz darauf bestieg dieser wieder das Pferd und machte sich nun frisch
gestärkt auf den Weg zu seinem ursprünglichen Ziel.
Cleveland:
Willows
Blick war starr auf die Bildschirm gerichtet, als Kennedy aufstand, um sich
Nachschub von Sekt aus dem Kühlschrank zu holen. „Willst du auch noch was,
Schatz?“ fragte sie die Hexe und sah sie fragend an.
Willow reagierte einige Sekunden nicht, schien dann aber wie aus einem
Traum zu erwachen und lächelte Kennedy dann liebend an: „Nein, danke,
Schätzchen, ich hab noch.“
In dem Moment, in dem sich Kennedy umdrehte, hallte plötzlich ein
lauter Schrei durch die Wohnung und Willows Glas zersprang in tausend Stücke,
als es auf dem harten Boden aufschlug.
Die Scoobies drehten sich sofort geschockt zu Willow, die gebannt auf
den Bildschirm sah. Schweißperlen standen ihr auf der Stirn.
„Ist alles in Ordnung mit dir?“ fragte Kennedy, die sich sofort wieder
neben ihre Freundin setzte, und nach ihrer linken Hand griff.
Willow sah sie geschockt an. „OH.. ja. Es ist alles in Ordnung. Ich ..
hab mich nur total erschrocken, als dieses Ding das Hackebeil auf die Kamera
zugeworfen hat…“ Willow lächelte Kennedy unsicher an.
“Ist wirklich alles in Ordnung?“, fragte nun auch Buffy, die näher
heran gerückt war. Andrew sah Willow misstrauisch an.
„Ja, wirklich Leute. Es ist nichts. Ich hab mich nur erschreckt, das
ist alles..“, Willow lächelte in die Runde, „Ihr braucht euch keine Sorgen mehr
um mich zu machen!“
Grrrrrr…Arrrgh…