Folge 8.16
von HopelezZ
Co-Autoren: Mel, Yamato, Stefan, Steffi, White
Magic
Credits: Projekt 8 ist ein Projekt
von www.slayerfanfic.de mit spezieller Unterstützung durch ihre Partnerseiten
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Disclaimer: Die virtuelle, achte Staffel baut auf das von Joss Whedon
erschaffene Buffy-Universum auf. Sie wurde von Fans für Fans geschaffen, ohne
dem Ziel damit Geld zu verdienen. Das Universum und seine Charaktere sind das
alleinige Gedankengut von Joss Whedon, Mutant Enemy, FOX, WB und Paramount.
TEASER
China – 24 Stunden zuvor
Es blieb
den Einwohnern der ostchinesischenKüstenstadt keine
Sekunde, um darüber nachzudenken, ob das anmutige Pferd mit dem graziösen
Reiter darauf nur ein Hirngespinst waren – denn als es sich über der riesigen
Flutwelle aufbäumte, die über die Stadt hereinzubrechen drohte, hatte jeder nur
eines im Kopf – die Flucht.
Natürlich
war ihnen allen bewusst, dass der Versuch zu entkommen zwecklos war, aber
insgeheim glaubten und hofften die Einwohner dem
Tsunami entfliehen zu
können.
Wie auf
Kommando des Reiters, der sein Dao-Schwert als
Zeichen des Angriffs aus der hölzernen Scheide zog, brach die Flutwelle
aus großer Höhe in sich zusammen, und die Fluten von Wasser begruben alles
unter sich, was ihnen im Weg stand – sämtliche Häuser, andere Bauten, und
schlussendlich Menschenleben...
Der Mond warf karges Licht durch das
offene Fenster und Dawn glaubte über die Parkplatz suchenden Autos hinweg Wind-
und Wasserrauschen vom nahe gelegenen Erie-See zu hören – jedenfalls, wenn sie sich darauf konzentrierte. Und das war durchaus interessanter, als weiter zu Buffy
am anderen Tischende zu blicken, die zwar mit ihr reden wollte, aber
offensichtlich nicht bereit war, den ersten Schritt zu machen.
Im Wohnzimmer lief das Radio, doch dieses wurde von
beiden gekonnt ignoriert. Beide starrten gedankenverloren vor sich hin.
Wahrscheinlich erwartete ihre große Schwester,
dass sie den ersten Schritt machte, was auch angebracht wäre. Immerhin war es
Dawn gewesen, die Buffy über Monate hinweg belogen hatte.
„I walk
into the room
you don't have to scream I can hear you
bad trip, the needle sticks
you get your
kicks from confrontation.”
„Buffy?“,
fragte Dawn so leise, dass es erstaunlich war, dass ihre Schwester sie
überhaupt hören konnte.
Die Angesprochene drehte
ihren Kopf, sodass sie Dawn ansehen konnte. Die Traurigkeit in ihren Augen und
die Verletzlichkeit waren schmerzlicher als alles, was Dawn bisher erlebt
hatte, weil sie wusste, dass der Schmerz von ihr herrührte und nicht von
Xander, Willow, Giles oder ihr beider Vater.
„Ich…wollte es dir die
ganze Zeit schon sagen, aber…“ Dawn versagte die Stimme. Tränen standen ihr in
den Augen und dafür schämte sie sich etwas, denn Buffy schien trotz der
angespannten Lage beherrscht. Dawn wollte dieselbe Stärke an den Tag legen,
aber irgendwie fiel es ihr sehr schwer, denn Buffys Blick schwankte zwischen
Zorn und Verzweiflung. Vermutlich wusste Buffy nicht einmal selbst, was sie
fühlen sollte.
„Weißt du eigentlich, in welche Gefahr du dich gebracht hast?! Vi war auch eine
Jägerin, besser trainiert als du und trotzdem ist sie gestorben!“, fuhr Buffy
ihre jüngere Schwester plötzlich aufgebracht an. In ihren Augen tanzten gelbe
Funken.
Verdammt! Sie hätte
wissen müssen, dass mit Dawn etwas nicht in Ordnung war. Wie lange jagte Buffy
jetzt Vampire? Fast 9 Jahre? Da dachte man, dass man Erfahrung genug hatte, um
solche Dinge ahnen zu können und dann so etwas! Es war ja mehr als logisch,
dass Dawn eine Jägerin war. Die Mönche hatten sie schließlich aus Buffys Blut
erschaffen. Wie hatten sie nur all die Jahre diese Möglichkeit nie ernsthaft in
Erwägung gezogen? Ihr Blut ... eine Tatsache, die Buffy Dawn vor vier Jahren
sogar selbst zu erklären versucht hatte, als diese bezweifelt hatte, mit Buffy
real verwandt zu sein:
„I try to
make it past
I don't wanna get into it right now
can't this family have one day
to get away from all the pain.”
Die Blondine stand auf
und wandte sich dem Fenster zu. Dawn sollte die Tränen in ihren Augen nicht
sehen, die trotz Wut hervorbrachen und eher Zeichen von Verzweiflung und Angst
waren. Verzweiflung, weil sie nicht wusste, wie sie in Zukunft mit Dawn umgehen
sollte. Angst, die sie im nachhinein empfand, wenn sie
an all die Kämpfe dachte, die Dawn bisher erspart geblieben waren, aber jeder
Zeit hätten stattfinden können. „Was habe ich falsch gemacht, Dawn? Habe ich
dir das Gefühl gegeben, du könntest…“ Buffy versagte die Stimme und auch ohne
sie anzusehen wusste Dawn, dass sie weinte und diese Erkenntnis trieben ihr
erneut Tränen in die Augen.
„Ich war mir nicht
sicher, wie du reagieren würdest. Ich dachte, dass du nicht gerade in Freude
ausbrechen würdest, wenn du erfährst, dass ich eine Jägerin bin!“, versuchte
die jüngere Summers sich zu erklären. Sie versuchte das Zittern ihrer Stimme zu
verbergen.
„Mein Gott, natürlich bin ich nicht
begeistert!“, erwiderte die ältere Jägerin nun etwas ruhiger und setzte sich
wieder hin.
„Nicht begeistert“,
traf es noch nicht einmal ansatzweise. Buffy hatte Angst und hasste dieses
Gefühl mehr als die zahllosen Dämonen und Vampire, die sich hier am
Höllenschlund herumtrieben. Die Chancen für Dawn, eines Tages ein normales
Leben zu führen, hatten nicht so schlecht gestanden. Nun standen diese Chancen
gleich Null.
„Du willst immer als reif und erwachsen
respektiert werden, aber dieses Verhalten zeugt nicht gerade von Reife. Du hast
mit deinem Schweigen nicht nur dich in Gefahr gebracht, sondern jeden anderen,
der an deiner Seite nachts durch Cleveland gegangen ist – deine Freunde, diese
Mara...“ Buffy runzelte die Stirn, um sich an all die Namen zu erinnern und
fast befürchtete sie zu versagen, als ihr doch noch die beiden anderen
einfielen: „Josh und Sam. Oder Andrew...“
„Ich weiß“, hauchte Dawn
niedergeschlagen und ließ den Kopf hängen. „Aber ich ... konnte es dir einfach
nicht sagen. Es war nie der richtige Zeitpunkt da – erst sind wir uns in Europa
nahe gekommen wie noch nie, dann bist du alleine weitergereist, die Verluste in
Cleveland... ich befürchtete, ich würde dich nur noch mehr beunruhigen...
ich... ich wollte doch nur, dass du dir keine Sorgen um mich machst.“
„Und jetzt... ist
irgendetwas anders?“, fragte Buffy behutsam. „Ich mache mir doch immer Sorgen
um dich. Selbst wenn du keine Jägerin wärst.“
Ein kleines, kurzes
Lächeln huschte über Dawns Gesicht.
“and
through the night I see the light
shining from the neighbor's windows
I dream of life where I'm safe.”
„Du weißt, ich habe mir für dich immer ein normales
Leben gewünscht, aber manchmal kann man den Lauf der Dinge nicht steuern. Wenn
doch, dann stünde es in unserer Macht, vieles zu verändern, was uns nicht
gefällt. Wir steuern auf einen großen Kampf zu und ich will mir, wenn es so
weit ist, nicht Sorgen machen müssen, dass du getötet wirst. Lily wäre es fast
gelungen.“
Bedrückende Stille legte
sich über den Raum. Buffy kaute nachdenklich auf ihrer Unterlippe, während Dawn
wieder zum Fenster hinaussah. In all dem Trubel waren sie noch gar nicht dazu
gekommen, mit Giles zu reden. Sicher brauchte er jemanden, der für ihn da war.
Alles lag erst knapp 48 Stunden hinter ihnen und der Schmerz in Buffys Oberarm
erinnerte sie jede Minute an den Kampf gegen die Echsendämonen in der Höhle.
„in a
home where I am not alone
some day I will lay me down
on the grass where everything is greener
it always seems so good on the other side.”
„Ich wünschte, ich hätte
es dir früher gesagt. Vor... Willow...“, sagte Dawn mit Nachdruck und warf
ihrer großen Schwester einen Seitenblick zu.
Buffy
lächelte traurig. „Ja. Das wünschte ich auch!“
Sie
stand auf und ging ins Wohnzimmer, um die Unterhaltung mit ihrer Schwester
hinter sich zu lassen. Um ihre eigenen Gedanken zu übertönen, drehte sie die Lautstärke des Radios eine Stufe höher und folgte
den Worten des Nachrichtensprechers.
„Ein 30 Meter hoher
Tsunami brach gestern Nacht über die Küstenstadt Lianyungang im Osten von China
herein. Derzeit kämpfen hochqualifizierte Ärzte um die Leben der wenigen
Überlebenden. Schon seit mehreren Jahren wurde das Land nicht mehr von einer
solch verheerenden Katastrophe heimgesucht.
Nordafrika – vor 24 Stunden
Der abendliche Himmel über
dem kleinen Dorf verdüsterte sich von einer Sekunde zur anderen. Passanten, die
zu der heißen Abendszeit unterwegs waren, blickten misstrauisch nach oben und
rechneten mit einer schlimmen Regenflut, die in dieser Jahreszeit zwar
ungewöhnlich, aber nicht wirklich unausgeschlossen war. Man beeilte sich
einfach, ein wenig schneller nach Hause zu kommen oder seine Besorgungen zu
machen.
Ein Schatten glitt über
die Dächer der Häuser, unbemerkt von den Einheimischen, die in Angst vor Regen
und durchnässten Kleidern kopflos umhereilten und ihren Blick nicht mehr nach
oben richteten. Ansonsten hätten sie beim Anblick des gewaltigen Rosses vor
Schreck jeden Gedanken an Regen und Unwetter vergessen. Der dunkelhäutige
Reiter zog gebieterisch am Zügel und das Tier stieg auf, um hinter der Front
dunkler Wolken zu verschwinden. Kurz bevor sie in die Wolken eintauchten, zog
der Reiter mit der Schamanenmaske auf dem Kopf ein gewaltiges afrikanisches
Schwert aus Elfenbein aus einer Scheide, die er quer über den Rücken trug, und
zeigte damit hinunter auf das Dorf.
Ein greller Blitz schoss
aus der Spitze der Waffe und schlug unaufhaltsam in das alte, baufällige Haus
unter ihnen ein. Ein ohrenbetäubender Knall war zu hören und kurz darauf
züngelten Flammen aus den offenen Fenstern des Hauses. Diese griffen schnell
auf das nächste Haus über und es dauerte nicht lange, bis der Feueralarm über
die Dächer hinweg hallte...
Giles’
Blick war starr auf das Doppelbett in seinem Schlafzimmer gerichtet. In seinem
Kopf herrschte einmal mehr die merkwürdige Leere, die er empfand, als Buffy ihn
über das Telefon von Lilys Verrat informiert hatte.
Wie in Trance griff er
nach dem zweiten Kopfkissen und verstaute es im Kleiderschrank, ehe er die
große Decke gegen eine schmalere eintauschte und mit traurigem Blick erneut auf
das Bett hinunter starrte, das ihn seit Lilys
Enttarnung Nacht für Nacht alleine empfing. Er hatte sich erstaunlich schnell
an die Zweisamkeit gewöhnt gehabt.
Schließlich riss sich
Giles vom Anblick des verwaisten Bettes los und verließ das Zimmer. Es gab noch
weit aus unangenehmere Dinge zu beseitigen, die ihn an Lily erinnerten. Auf dem
Flur wurden ihm die letzten Takte von Norah Jones aus dem Wohnzimmer
entgegengetragen, wo die Stereoanlage lief:
„He was only your fool for a while
Now he’s gone back home
Is it lonely
Lonely
Lonely”
Er
ging weiter, um die leeren Kartons zu holen, die er auf den Couchtisch
abgestellt hatte und wollte nicht unbedingt daran denken müssen, dass Lily
tatsächlich nur mit ihm gespielt und er sich damit zum Idioten gemacht hatte,
Pläne für ihre Zukunft im Kopf zu entwerfen.
Etwas unschlüssig stand Giles mit den Kartons in der rechten Hand für einen Moment da, rieb sich den Nacken und blickte zwischen der Bade- und Gästezimmertür hin und her, als im Radio zur Werbung übergeblendet wurde. Er entschloss sich schließlich für das Gästezimmer und drehte den Türknauf herum, um einzutreten. Sofort schlug ihm der leichte, süße Duft von Lily entgegen und es fiel ihm ungemein schwer, vollends über die Schwelle zu treten. Er ließ seinen Blick über die Koffer in der Ecke hinter dem Bücherregal schweifen, die ordentlich aufgeräumt nicht den leisesten Verdacht auf ein baldiges Aufbrechen von Lily aufkommen ließen. Notizen, Kopien und Bücher stapelten sich auf dem kleinen Schreibtisch am Fenster.
Mit
einem schweren Seufzer verließ er seinen Platz an der Tür und ging durch das
kleine Zimmer, um an den Tisch heranzutreten, wo er damit anfing, wahllos
Bücher durchzusehen, ehe er sie nach wichtig und unwichtig zu sortieren begann,
wobei die unwichtigen in die Kartons wanderten. Sein Gesicht verriet nicht im
leisesten seine Gefühle, während er Lilys Sachen durchging. Obwohl in seinem
Innersten die widersprüchlichsten Gefühle tobten und über allem die Frage
stand, ob Lily ihre Liebe ihm gegenüber wirklich nur gespielt hatte, oder ob es
am Ende doch mehr gewesen war, hatte er sich erstaunlich gut im Griff. Erst als
er einen kleinen Kodex vom Tisch nahm und sein Blick auf die Notiz darunter
fiel, veränderte sich seine Miene. Er runzelte die Stirn, rückte seine Brille
zurecht und zu seinem Erstaunen mischte sich auch Erkenntnis, als er sich die
Skizze einer Maske genauer ansah, die dem Objekt, das Faith und Willow in der
Fabrik gefunden hatten, nicht ungleich war.
Er legte achtlos das Buch
zur Seite und nahm die Unterlage auf. Rasch überflog Giles die Notizen, die
Lily in ihrer schnörkellosen, strengen Handschrift daneben geschrieben hatte,
und beschloss, diese den anderen unbedingt zu zeigen. Es fügte ein fehlendes
Teil in ihr Puzzle ein und erklärte die Verbindung zwischen Lily und Samielle.
Und was viel schlimmer war – es würde auch den Mord an Vi erklären. Mit
verhärtetem Gesichtsausdruck trug Giles die Kartons weiter ins Badezimmer, als
im Radio die Nachrichten über steigende Haushaltskosten, neue Überfälle auf
US-Soldaten im Irak und mögliche Orkanstürme im Landesinneren berichteten und
schließlich zu internationalen Meldungen übergingen:
"Es wird ausgeschlossen, dass die gestrige
Überschwemmung etwas mit dem unerklärlichen Brand in
einem kleinen Dorf Nordafrikas zu tun hat, wo ein ungeklärtes, verheerendes
Feuer auf Grund eines gewaltigen Blitzeinschlages Tod und Zerstörung brachte.
Ebenso wird nicht angenommen, dass ein unerwarteter Eissturm auf
Island..."
Die Welt
schien einmal mehr verrückt zu spielen und mit seiner eigenen, kleinen
Katastrophe beschäftigt konzentrierte sich Giles mehr darauf, Lilys Badeutensilien mit gequältem Gesicht in die Kartons
zu befördern, als neuen Naturkatastrophen seine Aufmerksamkeit zu schenken.
Island – vor 24 Stunden
Natürlich
war es selten, wenn in den späten Frühlingsmonaten die Temperaturen auf über 11
°C stiegen, aber es durfte doch auf ein Wunder gehofft werden. Dieses Jahr sah
es so aus, als hätte sich der Golfstrom etwas anderes vorgenommen. Von Alt bis
Jung, jeder freute sich, einmal eine Ausnahme zu erleben.
Doch zur Enttäuschung der
Inselbevölkerung waren bereits am frühen Nachmittag dieses Tages vereinzelte,
schwarze Regenwolken hoch am Himmel zu erkennen.
Als es wenige Minuten
später zu regnen begann, kümmerte sich niemand darum, dass auch die eine oder
andere Schneeflocke zu erhaschen war. So war der Frühling auf Island einfach –
unberechenbar.
Am
Gipfel des Hekla, dem Tor zur Hölle, stand er – der kolossale Reiter auf seinem
Ross, von Leder und Fellen gegen den eisigen Wind geschützt, gekrönt von einem
gewaltigen Wikinger-Helm. Sein Pferd bäumte sich auf, und streckte sich dem
Himmel entgegen.
Der Reiter ließ sich Zeit damit, das schwere Schwert zu erheben, um so den
Wolken ein Stück näher zu sein. In Sekundenschnelle kristallisierte sein
Schwert, und zeigte winzige Eissterne auf der sonst so blitzblanken Schneide.
Er
schwang die Waffe durch die Luft, wodurch immer mehr Schneeflocken zu Boden zu
fallen schienen, die Kälte nahm zu und der eisige Wind jagte über die Berge,
durch Dörfer, Städte und Fischerortschaften. Niemand glaubte mehr an einen
harmlosen Frühlingsscherz
des Wetters.
Das eisige Schwert
leuchtete bläulich, als sich langsam eine millimeterdünne Eisspur von der
Spitze aus in den Himmel streckte. Als der letzte Regentropfen zu Eis und
Schnee kristallisiert war, schob er seine Klinge zufrieden in die Scheide und
beobachtete vom höchsten Punkt des Vulkans das aufgebrachte und hektische
Treiben im Dorf unter seinen Füssen.
Was
die Inselbewohner noch nicht ahnen konnten war, dass schon in wenigen Sekunden
mehr Schneeflocken als je zuvor dieses Dorf vereisen lassen und der tiefste
Winter über sie hereinbrechen würde...
Das Klacken der Tastatur
war durch die Musik zu hören, die die Boxen von Willows Laptop in den Raum
warfen. Der Sender des Webradios spielte seit Tagen nur die
selben Lieder, aber die Hüterin war zu faul, sich eine andere Adresse zu
suchen. Die angenehme Stimme des Radiosprechers war der einzige Pluspunkt.
Langsam wuchsen ihre Kopfschmerzen an. Ob es sinnvoll war, jede einzelne
Suchmaschine nach neuen Erkenntnissen über die Reiter des Todes zu untersuchen?
Wahrscheinlich nicht. So lange Giles nicht die Übersetzung des Buches hatte,
würden alle Versuche ins Leere gehen.
„...weder China,
Nordafrika noch Island wurden verschont. Wir können nur hoffen, dass wir den
Schneesturm auf Island als letzte Katastrophe in kürzeren Abständen bezeichnen
können.“
Willow horchte auf. Was
hatte der Radiosprecher soeben erzählt? Naturkatastrophen auf den
verschiedensten Kontinenten? Einerseits war sie überrascht, dass dieser Sender
so etwas wie richtige Nachrichten überhaupt brachte, und andererseits, dass der
Kontinent Amerika keine Katastrophe erlebt hatte. Insgeheim fühlte sie sich in
ihrer Theorie bestätigt. Wenn sie sich ein paar Tage zurückerinnerte, wurde ihr
klar, dass sie Amerika bereits als möglichen Herkunftsort des vierten und
letzten Reiters gekennzeichnet hatte. Also war Dawns Traum doch ausschlaggebend
gewesen. Oder aber sie begann langsam wie Giles in alles irgendetwas
hineinzuinterpretieren. Vielleicht steckte überhaupt nichts dahinter.
Schließlich gab sie die
Suche auf, fuhr ihren Laptop herunter, und packte ihn zusammen mit ihren
Notizen in den nächstbesten Rucksack. Sie hatte Kennedy versprochen, sie heute
zu besuchen. Vielleicht konnte ihre Freundin sie ja bei ihren Überlegungen
weiterbringen, außerdem könnte sie selbst als Hüterin wohl leider keine
Naturkatastrophe verhindern.
Cleveland,
Cuyahoga River, am selben Abend
Ein
paar einzelne Boote lagen friedlich am Steg des Cuyahoga River, während durch
den leichten Nebel die Röte des Horizontes deutlich wurde. Auf der einen Seite
des Flusses hatten bereits die hiesigen Restaurants ihre Terrassen zum Ufer hin
geöffnet. Einige Lampen beleuchteten das alte Kraftwerk, sowie die große
Brücke, die über den Cuyahoga River gebaut wurde.
Die
Sonne ging langsam unter und ein paar leise Schritte waren auf der leicht
verrosteten Brücke zu hören.
Plötzlich durchbrach ein
einzelner, gequälter Schrei die Atmosphäre. Er übertönte sogar den Krach, den
das Geländer verursachte, als es in den Fluss stürzte. Ein zweiter Schrei
folgte, der eindeutig einem Kind gehörte – ein Junge, der versuchte, sich über
Wasser zu halten.
Der Duft von frisch gewachsenem
Gras und der feuchte Boden ließen vermuten, dass es die vorherigen Stunden noch
stark geregnet hatte. Doch jetzt nieselte es. Die Höhe des Flusses war
angestiegen und die Strömung riss die Boote fast mit.
Im
nächsten Augenblick, bevor der Junge seine Kraft verlor und sich nicht mehr am
Leben halten konnte, bereits mehrmals mit dem Kopf unter die Strömung geriet,
packte ihn etwas am Kragen und zog ihn heraus.
Atemlos
kniete der durchnässte Knabe am Boden und spuckte Wasser. Der kalte Wind ließ
ihn nur noch mehr zittern. Sein Blick wanderte ein paar Meter
nach vorne, wo er die Füße seines Retters sah. Nachdem ein paar Sekunden
vergangen waren, in denen der Junge sich beruhigt hatte, versuchte er sich
wackelnd aufzurichten. Das einzige Geräusch, das den Abend durchbrach, war das
fließende Gewässer und das Zirpen einer einzelnen Grille, die dem hässlichen
Wetter trotzte. Als sein dankbarer Blick seinen Gegenüber fixierte, blieb der
Junge geschockt stehen, die Augen weit aufgerissen, der Mund zu einem stummen
Schrei geöffnet...
Mit einem Grinsen packte die dunkle Gestalt den schwarzhaarigen Jungen mit einer Hand am Hals. Mit der letzten Kraft die der Knabe besaß, schrie er um sein Leben, doch langsam verstummte seine Stimme - aus Furcht, weil er gerade erkannt hatte, dass sein Retter grell leuchtende Augen sowie spitze und verfaulte Zähne besaß. Sein dunkelbrauner und mit Narben besetzter Körper war nur noch als Kontrast in der hereinbrechenden Nacht zu erkennen. Langsam gaben die Stimmbänder des Jungen ihre Funktion auf und durch die Dunkelheit, die über Cleveland hereingebrochen war, konnte der Dämon den kristallisierten Atem des Jungen sehen, der ihn mit Panik in den Augen ansah.
Das Opfer des Dämons hörte auf zu atmen und die grinsende Gestalt sog den weißen Nebel des Jungen auf. Mit einem zufriedenen Lächeln schmiss er den leblosen Körper des Knaben wieder in den Cuyahoga River. Der Regen wurde zunehmend stärker und die Augen des Dämons leuchteten heller, als die Glühbirnen vor dem veralteten Kraftwerk.
Akt 1
Irgendwo – Irgendwann
Langsam traten ihre Füße über den Kieselboden, an
den sie sich in den letzten Wochen schon so gewöhnt hatte, vorbei an den
Grabsteinen anderer Menschen, die entweder zu jung, zu früh oder überraschend
gestorben waren.
Es dämmerte
noch und dünne Nebelschwaden zogen über den Gräbern hinweg, als sie überraschenderweise die Umrisse einer Gestalt vor dem Grab
ihrer Freundin sah. Wer das wohl war? Irgendwie kam ihr die Gestalt bekannt
vor.
Von
einem Augenblick auf den anderen wurde sie plötzlich von rechts am Arm gepackt
und hinter einen der uralten Eichenbäume gezogen.
„Eve?“
Geschockt aber kampfbereit starrte Faith die junge Frau an, die ihr aus Silent
Hill so bekannt war.
“Scccchhh!“,
zischte diese, nickte
mit dem Kopf zu der Gestalt beim Grab und trat einen Schritt von Faith zurück.
„Was willst du von mir?“,
fauchte Faith verwirrt. Was war das hier? DAS war nicht Xanders kleine
Büroschlampe, das war IHRE Eve aus Silent Hill. Ein Blick in die verrückten
Augen reichten Faith, um das zu wissen.
„Beruhig
dich, Glückskind!“, antwortete die blonde, mysteriöse Frau und lächelte Faith
verschmitzt an. „Wir haben keine Zeit für einen deiner hysterischen Anfälle.
Diese Chance hast du nur einmal.“
Faith
sparte sich die Antwort und sah Eve nur verwirrt an. Sie verstand das ganze
Szenario nicht. Hatten ihr die Magier nicht gesagt, dass diese EVE in Wahrheit
nicht existierte? Was machte sie dann hier?
„Da vorne
steht deine Nemesis. Sie hat Vi dorthin gebracht, wo sie jetzt liegt. Viel Spaß“, flüsterte Eve, zwinkerte der verwirrten Jägerin
noch einmal zu, und verschwand im Dunkeln, zwischen den Bäumen
Ohne eine weitere Sekunde
zu warten trat Faith wieder hinter der alten Eiche und ging langsam auf die
unbekannte Gestalt zu. Der Kiesel knirschte unter ihren Schritten, bevor sie
ruhig neben der Person zum stehen kam. Langsam hob sie ihren Blick und erkannte
die Mörderin ihrer Freundin.
„Usher?“,
flüsterte Faith und sah die Wächterin halb geschockt und halb verärgert an.
Diese Frau hatte also Vi getötet. Diese verrückte Wächterin hatte Vi einfach so
erschossen?!
„Lauf!
LOS!“, schrie Faith noch bevor Lily den Mund öffnen konnte.
Kein
Funke von Angst spiegelte sich im Gesicht der Wächterin wieder, als sie sich zu
Faith drehte, und sie anlächelte.
„Faith?
Willst du mich für etwas strafen, was du selbst getan hast? Der, der ohne Sünde
ist, werfe den ersten Stein.“ Sie lächelte und drehte sich um. „Ich habe Vi nur
vor einem erbärmlichen Leben bewah...“, doch Lily konnte den Satz nicht
beenden.
Faith
sprang die Wächterin von hinten an, riss sie herum und knallte ihr die Faust
ins Gesicht, sodass sie erschrocken zu Boden fiel.
Lily
kroch auf allen Vieren nach hinten, bis sie spürte, wie sie mit ihrem Rücken an
einen weiteren Grabstein stieß. Wie ein Riese stand die dunkelhaarige Jägerin
über ihr.
„Faith...
warte. Du willst doch nicht noch einen Menschen töten“, flüsterte Lily und
suchte verzweifelt nach einem Ausweg.
Die
Jägerin holte mit ihrem rechten Fuß aus, traf allerdings nur den harten Grabstein.
Lily hatte sich nur Sekunden davor weg gedreht, aufgerappelt und lief nun in
die Richtung los, in der sie ein Tor vermutete, das sie von diesem Friedhof
wegbrachte.
Faith zog
ihr Messer aus der Jackentasche, umfasste den Griff und begann die Wächterin zu
verfolgen.
Schnaufend
lief Lily um die nächste Ecke, als sie spürte, wie ihr eigenes Blut aus ihrer
Nase über ihr Gesicht lief und schlussendlich von ihrem Kinn tropfte. Schweiß
bildete sich auf ihrer Stirn und sie hatte das Gefühl, als würde ihr Gesicht
langsam von ihrem Schädel laufen.
Schnaufend
wich sie einem umgefallenen, alten Eimer aus, stolperte über eine Wurzel und
schaffte es nur mit letzter Mühe, sich auf den Beinen zu halten, als sie
endlich einen Ausgang erreichte.
“Nicht
so schnell!“, hörte sie auf einmal Faith, die sie irgendwie überholt hatte und
nun einige Meter vor ihr auf dem Weg stand. Sie hielt etwas Glänzendes in der
Hand.
„Nein...
Faith... nicht... ich kann es dir... erklären...“, schnaufte die Wächterin, als
sie erneut von der dunkelhaarigen Frau gepackt wurde.
„Von
ihnen brauche ich keine Erklärungen mehr!“, fauchte Faith und funkelte Lily
böse an.
Geschockt trafen sich ihre
Augen, als die Jägerin zustach und das Messer wie in Butter in den Bauch der
Wächterin glitt. Faith ließ Lily los, die mit ihren Händen zu der Wunde
tastete, aus der Blut quoll. Geschockt starrte sie die
Jägerin an, während sie langsam, unsicher rückwärts stolperte.
Wie in Zeitlupe umfasste
Lily den Griff des Messers und plötzlich wanderte ein Lächeln auf ihr Gesicht.
„So
bekommst du mich nicht, du dreckige Jägerin!“, würgte Lily hervor, schloss die
Augen und zog sich mit einem Ruck das Messer aus der Wunde. Triumphierend
starrte Lily die Waffe an, lachte und warf es daraufhin in die Büsche. Ohne
weiter auf Faith zu achten drehte sie sich um und stolperte in die
Nebelschwaden.
„Gut gemacht“, sagte Eve
ironisch, als sie neben die Jägerin trat und ebenfalls Lily nachblickte.
„Ach
halt die klappte!“, antwortete Faith und wollte schon los laufen, als sie Eves
Hand wieder auf ihrer spürte.
„Hier,
ein kleines Geschenk von mir...“ Eve streckte die Hand aus und reichte Faith
eine Armbrust.
„Hast
du heute deinen fürsorglichen Tag, oder was?“, antwortete Faith, wartete jedoch
nicht auf eine Reaktion, sondern riss Eve die Waffe förmlich aus der Hand,
legte an, zielte und schoss.
Laut
zischte der Pfeil durch die Luft, bevor er sich gefolgt von einem lauten Schrei
in das Herz der Wächterin bohrte.
Eve
lachte und begann zu klatschen, als sie langsam auf Lilys Leiche zuging.
“Guter
Schuss, Jägerin!“, sagte sie lachend, als Faith schwarz vor Augen wurde und
sie...
...
plötzlich die Augen aufriss. Sie schnaufte viel zu schnell, als sie aus dem
Bett hochfuhr und dabei die Decke zur Seite trat. Schweißperlen standen auf
ihrer Stirn.
Eine
Hand legte sich auf ihre Schultern, doch sie schüttelte diese sofort wieder ab.
„Faith,
was ist los?“
Langsam
drehte sie sich zu Robin um. Nicht in der Lage, einen Ton zu sagen, starrte sie
ihn nur geschockt an.
Cleveland, Kennedys Schlafzimmer, früher Morgen
„Mmmh...?“ Kennedy drehte sich um und versuchte
die verdrehte Decke von ihrem Körper zu werfen. In den letzten Tagen wurde es
immer wärmer, und zwar schon um diese Uhrzeit.
„Was
ist das für ein ohrenbetäubender Lärm?“, murmelte die Jägerin, als sie langsam
ihre Augen aufmachte. Sie tastete mit einer Hand nach Willow, doch sie war
nicht da. Leider hatte sie anscheinend etwas Besseres zu tun, als am Morgen mit
ihr zu kuscheln. Irgendwie war sie enttäuscht, aber ihre Freundin musste – wie
immer in letzter Zeit – sämtliche Bücher studieren.
‚Ring – Ring...’
Ach
so... das Telefon... sie musste irgendwann den Klingelton ihres Telefons umstellen.
So früh am Morgen waren Kopfschmerzen nicht besonders gut.
Nur
noch ein paar mal. Dann würde es endlich aufhören, der
Anrufbeantworter würde das Band abspielen und sie konnte wieder in die Welt der
Träume eintauchen.
Als ein Klicken zu hören war,
warf sie sich zurück ins Bett, und machte zufrieden die Augen zu.
„Hallo,
hier ist der Anrufbeantworter von Kennedy Richards. Bitte hinterlassen sie eine
Nachricht nach dem Piepton.“
Wenn
sie sowieso den Klingelton änderte, konnte sie doch auch einmal mit Willow
zusammen ein spannenderes Band besprechen.
„Hallo,
meine Tochter.“ Eine tiefe, leicht reservierte Stimme sprach aufs Band.
War das
etwa... oh Gott...
ihr Vater? „Verdammt!“, stöhnte Kennedy und bekam dieses Mal tatsächlich
Kopfschmerzen. Der Tag hätte so schön werden können.
Die Jägerin
sprang aus dem Bett und hechtete zum Telefon. Im Nächsten Moment drückte sie es
sofort an ihr Ohr.
„Morgen,
Dad!“, entgegnete Kennedy, sichtlich geschockt über den Anruf. „Wie kommt es,
dass du einfach so unter der Woche anrufst? Hast du meine Kontonummer
verloren?“, scherzte sie.
„Darf dein Vater dich
nicht einmal anrufen, ohne dass irgendetwas Finanzielles besprochen werden
muss?“
„Doch,
schon... aber worüber willst du dann mit mir reden?“ Er hatte schon seit
Ewigkeiten nicht mehr angerufen. Wenn sie genau darüber nachdachte, hatte sie
sich wohl genauso lange nicht mehr bei ihnen gemeldet. Und so schlimm war das
nicht einmal...
„Es
geht um etwas Berufliches.“
„Also
doch etwas Finanzielles?“, entgegnete Kennedy verwirrt.
„Nein,
nein. Ich habe von meiner Firma aus etwas in der näheren Umgebung von Cleveland
zu tun. Also haben deine Mutter und ich beschlossen, schon etwas eher
loszufliegen, um noch etwas Zeit für einen Besuch bei dir zu haben. Außerdem
wollen wir uns vergewissern, dass unser schwer verdientes Geld gut angelegt
ist“, antwortete ihr Vater ruhig.
Kennedy
blieben ihre Worte im Mund stecken. Ihre Eltern, hier? Das konnte doch nur in einer
Katastrophe enden.
„Kennedy?“,
fragte ihr Vater, als die Jägerin für ein paar Sekunden verstummte.
„Ja?“
Er riss sie aus ihren Gedanken.
„Du
antwortest schon wieder nicht. Was ist los?“
„Ich...“
Kennedys Blick wanderte durch ihr Zimmer und blieb auf dem Bett ruhen.
Plötzlich
legte sich eine Hand auf ihre Schulter. Sie zuckte zusammen.
„Wah...
verdammt, erschreck mich doch nicht so!“, entgegnete Kennedy etwas lauter, als
Willow nichts ahnend hinter ihr stand.
„Ist
da noch jemand?“, fragte ihr Vater etwas gereizt.
„Ähm...
nein... ja eh...“ Irgendwie verwirrte sie die ganze Situation. „Tut mir leid...
es ist nur... ich bin gerade eben erst aufgewacht... ich lag noch im Bett und
musste erst einmal richtig wach werden“, antwortete sie schnell, um abzulenken.
„Im
Bett? Mit wem? Willst du ihn uns nicht vorstellen?“
„Ihn?“,
dachte sie und starrte Willow mit offenem Mund an. Am besten wäre sie einfach
im Bett liegen geblieben. Oder noch besser – sie hätte das Wochenende bei
Willow schlafen können und wäre rein zufällig nicht zu Hause gewesen.
„Ach...
ähm, von wem redest du?“ Kennedy versuchte nichts ahnend zu klingen.
„Von
demjenigen, der dich vom Telefon ablenkt. Ich kenne doch meine Tochter. Du wolltest
schon früher jeden vor uns verstecken. Wer ist es?“
Kennedys
Augen wanderten von Willow zur Kommode. Dort lag die gestrige Tageszeitung.
Darauf prangte das Bild eines mit Ruß verschmierten Feuerwehrmanns, der gerade
eine Familie aus einem brennenden Haus gerettet hatte. Darunter war ein
blonder, junger Mann im weißen Arztkittel zu sehen...
„Blond“,
antwortete Kennedy in Gedanken versunken. Wie sollte sie das alles gerade
biegen? Aber diese Lüge war immerhin noch besser, als den beiden erklären zu
müssen, dass sie sich eher für das gleiche Geschlecht interessierte und Männer
einfach nicht so anziehend fand. Sie hatten ihr eigenes, engstirniges Weltbild
und sahen schon bei dem kleinsten Ausrutscher rot.
„Du
hattest es noch nie mit guten Beschreibungen. Am besten stellst du ihn uns
einfach am Wochenende vor.“
„Welches
Wochenende?“, entgegnete Kennedy schon fast in Panik.
„Dieses“,
antwortete ihr Vater gelassen und verabschiedete sich. „Deine Adresse haben wir
ja!“
Ohne
auf ihre Antwort zu warten, legte er den Hörer auf.
„Wer
war das?“, fragte Willow unwissend, als ihre Freundin das Telefon absetzte.
„Mein
Vater. Und ich glaube, ‚wir’
bekommen in zwei Tagen Besuch von meinen Eltern. Ich habe nur keine Ahnung, wie
ich dich in einen blonden Mann umwandeln soll, und ich glaube auch nicht, dass
ich irgendeinen kenne, der so aussieht.“
Willow
grinste. „Da hast du dich ja in was Schönes reingeritten. Hast du deinen Eltern
denn nie erzählt, dass du eine liebenswerte Freundin hast?“ Willow zwinkerte
ihr zu.
„Nein, irgendwie nicht.“
Kennedy suchte nach den richtigen Worten.
„Hm...hast
du tatsächlich Angst davor? So kenne ich dich gar nicht. Wer bist du und was
hast du mit Kennedy gemacht?“ Willow verkniff sich
ein Lächeln. Anscheinend war das ganze doch nicht so witzig. Sie hatte
eigentlich noch nie viel mit Kennedy über deren Familie gesprochen.
„Ich
glaube, du verstehst das nicht. Es geht nicht um dieses ‚Ich habe Angst davor,
meinen Eltern zu sagen, dass ich lesbisch bin’. Es geht um etwas anderes.“
„Und
worum?“, antwortete Willow misstrauisch.
„Geld“,
sagte Kennedy knapp. Sie hatte keine Angst davor, die Liebe ihrer Eltern zu
verlieren. Eigentlich hatte sie diese nie richtig gespürt, sondern stattdessen
nur erkaufte Zuneigung erfahren. Eine Entschuldigung, dass sie nie da waren,
wenn Kennedy sie brauchte, würde auch nichts mehr bringen. Es war schon so
lange her und schließlich hatte sie sich mit Geld abgefunden.
„Das...
kann doch nicht dein Ernst sein?“, sagte
Willow.
„Die
Arbeitswelt ist einfach nicht für mich geschaffen. Ich glaube, das wäre eine
Bestrafung für uns alle. Aber ich denke, ich habe gerade ein anderes Problem.
Woher zum Teufel soll ich einen blonden Typen herbekommen? Wie wär’s, wenn wir
Xander zum Friseur schleifen?“ Ein siegesgewisses Lächeln machte sich auf ihrem
Gesicht breit.
„Es
wäre mal was neues, aber ich glaube nicht, dass Xander damit einverstanden
wäre... Xander... Xander...“ Willow dachte nach. „Auch wenn mir die Idee gerade
auch nicht gut gefällt, dich mit ihm ‚teilen’ zu müssen, aber wie wäre es mit
Andrew? Er ist blond!“
„Andrew?“,
fragte Kennedy fast sarkastisch.
„Andrew!“
„Spinnst
du? Ich glaube, er würde vom geistigen Stand aus eher als mein Sohn durchgehen!
Die Idee ist absurd. Da steck’ ich dir ja noch lieber eine Socke in die
Unterwäsche.“, antwortete Kennedy mit hochgezogener Augenbraue.
„Aber
gar nicht so abwegig. Immerhin ist er blond und wenn er sich ein bisschen
anstrengt... vielleicht lässt er sich ja mit ein paar Comics gerade biegen.“
„Besser
als niemand“, entgegnete die Jägerin. Sonst war einfach niemand in Aussicht und
einen Wildfremden als ihren Freund auszugeben, wäre auch nicht gerade
schmackhaft.
„Ich
glaube, ich mache mich gleich mal auf den Weg. Kommst du mit?“
„Nein,
ich hab’ wohl noch eine Verabredung mit meinen Notizen“, antwortete die Hüterin
genervt.
Cleveland,
Xanders Schlafzimmer – selbe Zeit
Xander
drehte sich mehrmals im Bett. Heute Nacht war es anscheinend
überdurchschnittlich heiß gewesen, denn einige Schweißperlen bildeten sich auf
seiner Stirn. Er hatte bereits seine blaue Bettdecke auf den Boden geworfen und
lag nun nur noch mit Boxershorts da. Doch ohne spürbaren Effekt. Als sein Blick
auf den Wecker fiel, erkannte er, dass es bereits sechs Uhr war.
Xander
hatte sich gestern kurzfristig frei genommen, um ein langes Wochenende mit
seinem neuen Auftrag verbringen zu können. Allerdings sah es an diesem Morgen
nicht so aus, als würde ihm dieser das Frühstück ans Bett bringen.
Frustriert
drehte er sich auf den Rücken und sah zu seinen Vorhängen. Er hatte sich Gott
sei Dank nicht überreden lassen, hier irgendwelche Motive von Superhelden oder
Dinosauriern auszusuchen, sondern ein schlichtes Weiß gewählt.
Da die
Wohnung auf der Sonnenseite des Hauses lag, warf die aufgehende Sonne schon ein
paar Lichtstrahlen durch das Fenster. Xander blinzelte. Es brannte in seinem
Auge. Genauso wie dieses unangenehme Brennen vor etwa zwei Wochen, das ihn 150
Dollar gekostet hatte.
--
„Aber
Clem braucht die Erinnerungen, ich kann sie auch bezahlen!" --- die
magisch anziehende Holzschachtel --- "Ich mache dir ein Angebot.“ ---
"Ok, ich nehme sie!" --- Larr, Xander die Augen zuschiebend
--
Xander
zuckte zusammen. Hätte er dieses Angebot doch nie angenommen, aber immerhin war
es für einen guten Zweck gewesen. Der Schweiß in seinem Gesicht rann langsam
weiter hinunter. Das Wegwischen nützte nichts, also vergrub er sein Gesicht
wieder im Kopfkissen.
--
Ein
beißender Schmerz durchzuckte seinen Kopf. --- der Wasserhahn, das Waschbecken,
die Handtuchständer --- "Xander? Brauchst du noch lang da drinnen?"
--- "Nein, alles in..."
--
Willow
hatte Recht gehabt. Dieses Auge wäre fast sein Verhängnis gewesen. Er hätte es
nie einsetzen dürfen. Doch wenn er genauer darüber nachdachte...
--
Willow und Dawn im
Ratsgebäude --- „Es geht nicht darum. Zudem ist er selbst schuld.“ --- „Du hast
es gewusst?“ --- Dawns ernstes Gesicht ---„Tust du mir einen Gefallen?“
--
Er
erinnerte sich wieder an das Gespräch, das er mit Willow über sein Auge geführt
hatte. Durch sein magisches Auge hatte er noch
mehr herausgefunden – vielleicht auch zu seinem
bedauern. Sie hatten es lange geheimgehalten, dass in Dawn eine Jägerin
steckte. Vielleicht sogar zu lang. Trotzdem verstand er Dawns Wunsch und auch
ihre Reaktion an diesem Tag, als
Willow nicht sehr diplomatisch in Anwesenheit der anderen, vor allem von Buffy,
darüber zu sprechen anfing.
Xander
beschloss, sich ein Glas Wasser zu holen. Seine Boxershorts klebten regelrecht
an ihm.
Als er durch das dunkle Wohnzimmer stolperte, erinnerte er sich an Andrew, der
beim Aufstehen gerne den Fernseher laufen ließ, um vor der Arbeit noch ein paar
Cartoons vom Vortag zu sehen. Doch diesmal war der Fernseher aus.
--
“Wirklich
tolle Ausrede, Andrew!“ --- Xander taumelt zurück --- “Dann stimmt es also nicht,
dass du hinter unserem Rücken gemeinsame Sache mit diesem... diesem
psychopathischen Frauenmörder machst?“ --- Xander höhnisch lachend ---
„Freundschaft?“ --- “Ich lebe in der
Realität. Ich bin real, Warren ist real.“
--
Nein,
das letzte was er wollte war, an Andrew zu denken. Als er den Küchenschrank
aufmachte, fiel sein Blick auf die japanische Cornflakes-Schüssel, die sein
ehemaliger Mitbewohner ihm geschenkt hatte. Wie von selbst ergriff er diese
anstatt des Glases und musterte sie. Ein kleiner Manga-Luke-Skywalker sah ihn
an, doch seine Haare entwickelten sich bald zu Andrews. Genauso wie seine Augen
und sein Gesicht, das ihn angrinste. In seiner Hand hielt er eine
Con-Eintrittskarte.
Dann fing Xanders Hand zu
zittern an. Er erinnerte sich an den Geruch in der Wohnung, der einfach so
verschwunden war. Der leichte Duft von alten Comics und Süßigkeiten. Und
diversen Deos...
„Nein,
nie wieder“, flüsterte er und ließ wie in Trance die Schüssel fallen.
Dieses
verdammte klirrende Geräusch erinnerte ihn an das Fallen rostiger Nägel...
Xander
wollte sich nicht weiter darauf konzentrieren. Er trank einige Schlücke unter
dem laufenden Wasserhahn und ging langsam in sein Zimmer zurück.
Wo
war er stehen geblieben? Sein Blick fiel auf ein altes Foto über der Pinnwand
seines Schreibtisches. Willow, Buffy und er selbst grinsten um die Wette.
--
„Was ist los Buffy?“
--- „Ich glaube, du tust ihm unrecht.“ --- „Ich finde es auf jeden Fall sehr merkwürdig.“
--- „Ein kleiner... winzigkleiner... du könntest ein Auge auf Lily und Giles
werfen.“ --- „Bist du verrückt, Buffy?“ --- „Dann sorgen wir dafür, dass er es
nicht herausfinden wird.“
--
Xander
erinnerte sich an das Gespräch zwischen Willow und Buffy. Auch wenn er es
verdrängen wollte, so hatte er doch gewisse Dinge mit seinem magischen Auge
gesehen, die nicht nur ihn etwas angingen. Vielleicht war es falsch, vielleicht
aber auch irgendwie richtig, wenn er mit Giles darüber sprach. Aber würde das
gut gehen? Wenn er ohne mit Buffy und Willow zu reden zum Ratsgebäude rannte
und seine zwei besten Freundinnen verriet? Mit denen er schon so viel
durchgestanden hatte? Die sicher einen guten Grund für dieses geheime Abkommen
hatten?
Leider war dieses Foto,
auf dem sein Blick noch immer ruhte, schon vor einer Ewigkeit geschossen
worden. Xander seufzte – am liebsten würde er beide einfach am Wochenende
einladen, um sich endlich mal wieder genauso wie früher anzustrahlen und
einfach sorgenlose Stunden mit ihnen zu verbringen. Es war hart, erwachsen zu
sein.
Xander war sich sicher, dass sich seine beiden Freundinnen nicht mehr so ohne
weiteres mit ihm treffen würden, nach er erst einmal bei Giles gewesen war.
„Was
soll’s... am besten erst einmal im Bett bleiben“, dachte Xander müde.
Vielleicht würde er Giles auch später einen Besuch abstatten und diplomatisch
anfragen. Möglicherweise wusste der Wächter ja schon längst
Bescheid...
Kennedy
zog sich um und schloss die Tür hinter sich. Hoffentlich würde sie den
richtigen Weg zu Xanders und Andrews Wohnung finden. Sie war nicht oft da
gewesen. Wenn sie sich recht erinnerte, höchstens dreimal... es hatte nie
Gründe gegeben, sich dort zu treffen. Nicht einmal, als sie zu dritt die
Stellung hier in Cleveland gehalten hatten, bis Giles mit Willow und später
Buffy nachgekommen waren. Und Cleveland war groß. Die Gefahr, sich zu
verlaufen, bestand...
Doch sie hatte ihren Orientierungssinn stark unterschätzt, als sie einen
Häuserblock später vor einem Hochhaus stand, das ihr vertraut erschien. Sie
musterte die kleinen Schildchen neben den Klingeln, bis sie den gesuchten Namen
fand.
„Ja“,
drang Xanders leicht gereizte Stimme durch die Sprechanlage, nachdem Kennedy
geduldig dauergeklingelt hatte.
„Ich
bin’s, Ken. Mach auf...“ Ein Summen war zu hören und Kennedy stieß die Tür auf.
Ken rannte
die Treppen leichtfüßig nach oben, bis sie schließlich vor der Tür mit der 42 stand, neben der auf einem kleinen Schild
der Name „A.Harris“ stand. Ein kleines Stück des Papiers war abgerissen.
Sie begann wild gegen die Tür zu klopfen.
Ein verschlafener Xander
öffnete die Tür. „So früh geweckt zu werden ist nicht gerade angenehm. Es ist
sieben Uhr morgens!“, sagte er aufgebracht. Nach seinen Überlegungen vor einer
Stunde war er endlich wieder eingeschlafen. „Ist irgendetwas passiert? Mit
Wi...“
„Wo
ist Andrew?“, antwortete die Jägerin ohne eine Begrüßung, ohne ihn zu beachten
und rannte ihn dabei auch noch halb um.
Sie
betrat eine unaufgeräumte Wohnung, aber darauf legte sie gerade kein Augenmerk.
In der Küche sah es mit den ganzen Scherben auch nicht gerade wohnlich aus.
Anscheinend sollte sie ihr Porzellan verstecken. Hoffentlich würde es mit
Andrew nicht schon nach fünf Minuten bei ihr so aussehen.
Sie
öffnete alle Türen, doch keine Sicht von ihm.
Xander
schloss die Tür und kratze sich am Hinterkopf.
„Hast du
nicht mitbekommen, dass er nicht mehr hier wohnt?“, entgegnete
er etwas genervt davon, dass diese Information anscheinend doch noch nicht die
Runde gemacht hatte, wie angenommen.
„Wo
dann?“
“Ich weiß nicht und ich will es auch gar nicht wissen. Vermutlich ist er aber
gerade auf der Arbeit, im Games In. Schon mal davon gehört? Ist im
Einkaufszentrum.“
„Ich glaube, ich bin dort
schon vorbei gegangen. Übrigens – du sahst schon mal besser aus. Danke für die
Info. Bye.“
„Danke
für das Kompliment“, murmelte Xander perplex, als Kennedy die Wohnung bereits
wieder verlassen hatte. „Und keine Ursache... immer wieder willkommen in
Xanders Informationszentrum“, fügte er hinzu und machte sich auf den Weg zurück
ins Bett.
Cleveland, Ratsgebäude
Garten, selber Morgen
„Faith?“ Langsam
richtete sich Robin auf und sah die Jägerin besorgt an. Er hob seine Hand und
strich ihr über die Schultern, wurde aber sofort wieder abgeschüttelt.
„Faith, was ist los?“, fragte er wieder und rückte näher an sie heran.
Fassungslos starrte sie ihn an. Sie atmete viel zu schnell und unregelmäßig,
während sie ohne eine Regung zu zeigen ins Nichts starrte.
Robin streckte langsam wieder die Hand aus und berührte sachte die ihrige.
„Was ist los? Was hast du gesehen?“, fragte er, während er noch näher an seine
Freundin heran rückte.
Als wäre sie aus tiefem Schlaf gerissen worden, sah sie ihn plötzlich geschockt
an, riss sich wieder los und sprang aus dem Bett.
„Ich... ich muss sofort hier raus...“, brabbelte sie schnell, während sie sich
ein T-Shirt über den verschwitzten Körper zog und auf die dünne Schiebetür
zuging, die ihren Schlafbereich vom restlichen Bus abtrennte.
„Warte!“, schrie Wood, sprang ebenfalls aus dem Bett, packte sie fest bei den
Schultern und drehte sie zu sich um.
Nur einige Zentimeter waren zwischen seinem und ihrem Gesicht, als er leise zu
sprechen begann.
„Hör mir jetzt zu Faith. Du kannst jetzt nicht einfach gehen. Du musst mir
sagen, wovon du geträumt hast. Nein, nicht weil ich dein Wächter bin, sondern
weil ich dich liebe. Ich mache mir sorgen um dich. Es scheint, als würden deine
Träume immer heftiger und häufiger kommen. Lass mich dir helfen...“
Faith verdrehte leicht den Kopf, dachte zuerst daran, ihn mit voller Kraft von
sich zu stoßen, entschied sich dann aber dafür, das zu tun, wonach sie sich so
sehr sehnte.
Sie hob ihren Kopf und sah ihm tief in die Augen. Der Wächter löste seinen
Griff, woraufhin Faith ihre Arme hob und sein Gesicht an sich heran zog. Sie
küsste ihn zärtlich, schlang ihre Arme um ihn und drückte ihn fest an sich.
„Was hast du gesehen?“, flüsterte er leise in ihr Ohr.
„Eve... sie hat mir gesagt, dass Lily Vis Mörder ist...“, antwortete Faith
leise, während sie Robin weiter an sich drückte, ihren Kopf auf seine Schultern
legte und sich Feuchtigkeit in ihren Augen sammelte.
„... und ich habe sie... hingerichtet... ich habe sie in dem Traum wie ein
Monster abgeschlachtet...“, flüsterte sie leise.
Cleveland, Wächterhaus
Giles Büro, etwas später
„Ich habe
in Lilys Büro einige Funde gemacht, die dich interessieren könnten.“ Giles saß
mit Buffy in seinem Büro. Die Jägerin blätterte in einem schwarzen Ordner, den
ihr der Wächter ausgehändigt hatte.
„Oh...
vielleicht einen Hinweis wo sie sich jetzt aufhält? Oder vielleicht noch
besser... ein Geständnis?“ Buffy sah zu Giles auf und bedauerte zugleich ihre
etwas scharfen Worte, als sie sein betretenes Gesicht sah. Giles musste sich
furchtbar fühlen... schließlich hatte er den „Feind“ mitten unter sie gebracht.
„Nein... nein, es ist
eher... hier.“ Er reichte Buffy einen Stapel Notizblätter, die er in eine Mappe
gesteckt hatte. Zu oberst lag die Handskizze und
Notizen von Lily über die Holzmaske, die sie in der Fabrik gefunden hatten.
„Ich schätze, wir wissen nun, wer hinter der Maske steckte und Vi tötete. Zudem
sind darunter noch einige interessante Notizen über Samielle...“
Buffy
sah Giles einen Moment lang schockiert an, als ihr bewusst wurde, was dieser
gerade so nebenbei gesagt hatte. Vi... Lily... wobei, wirklich überraschen tat
sie diese Neuigkeit nicht mehr. Nicht nach dem, was Lily mit Dawn vorgehabt
hatte.
„Oh je... besser wir sagen Faith nicht all zu viel davon... für den Fall, dass
sie lieber selbst Hand an Lily legen wollen.“ Buffys Grinsen missling und sie
wurde durch ein plötzliches Klopfen an der Tür gerettet.
Nachdem
Giles ‚Herein’ gerufen hatte, öffnete Xander die Tür.
„Guten
Morgen... oh, Buffy.“ Er hätte nicht gedacht, sie hier in Giles Büro zu finden.
Wie dumm von ihm... sie arbeitete doch hier... innerlich ohrfeigte er sich
dafür. Xander war sich sehr sicher, dass ihm sein schlechtes Gewissen ins
Gesicht geschrieben stand.
„Hey
Xander... wieder auf einen kurzen Besuch hier.“ Sie grinste und schloss den
Ordner, als sie bei der letzten Seite angelangt war.
„Eh... ja... da ich frei
habe... dachte ich, ich schau mal vorbei.“ Er lächelte nervös und als Buffy von
ihrem Stuhl aufstand, um sich ihre Tasse Tee neben dem Kopierer zu holen,
beugte sich Xander verschwörerisch etwas nach vorne, damit ihn nur Giles hören
konnte.
„Giles, ich glaube ich
muss mit ihnen reden. Alleine.“
Giles
wirkte überrascht. Es war nicht alltäglich, Xander hier mit einer
verschwörerischen Bitte in seinem Büro begrüßen zu dürfen. Also schien es
wichtig zu sein. Vorsichtig warf Giles einen Blick auf die Uhr. „Buffy, ich
glaube du solltest dich besser beeilen, um rechtzeitig zu deinem Zug zu
kommen.“
„Müssen
sie mich jetzt daran erinnern, Giles...“ Buffy verdrehte die Augen und stand
auf. „Verschonen sie mich bitte in Zukunft mit solchen Aufträgen... da koche
ich doch noch lieber den ganzen Tag Tee für sie.“ Buffy warf den beiden noch
ein Lächeln zu und legte den Ordner zurück auf Giles’ Tisch.
„Worum geht
es?“, fragte Xander etwas verwirrt, als Buffy den Raum verließ.
„Nicht so wichtig. Nur um einen kleinen Sonderauftrag“,
winkte Giles ab. „Und... und um was geht es bei dir?“
Xander
stand unschlüssig da und kratzte sich am Kopf. Es war schwierig den richtigen
Einstieg zu finden. „Na ja, zuerst war ich mir nicht sicher, ob ich es ihnen
erzählen soll. Aber da ich sowieso immer zwischen den Fronten stehe...“ Xander
lächelte gequält.
„Das...
bedeutet?“, fragte Giles gewohnt ruhig, aber mit hochgezogenen Augenbrauen.
„Ich habe
eine gewisse Information erhalten, nun ja, als ich das Auge hatte, und irgendwie... brauchte ich Zeit, um mich
durchzuringen, um damit zu ihnen zu kommen“, führte Xander fort.
„Moment...
eine Information? Durch dein magisches Auge?“, fragte Giles.
„So ist
es.“ Xander nickte. „Auch wenn sie vielleicht denken, dass man diesem Auge
nicht immer vertrauen kann...“
„Das
denke ich wirklich nicht.“ Der Wächter setzte seine Brille ab.
„Oh...
gut... dann... eh... ehm... Was sie mit meiner Info anfangen, überlasse ich
ihnen. Ich glaube nur, dass sie es wissen sollten.“
„Wir
drehen uns im Kreis. Xander... was sollte ich wissen?“
„Verdammt!“
Xander verpasste sich in Gedanken sich erneut eine Ohrfeige. „Sehr
diplomatisch, Mr. Harris, wirklich sehr diplomatisch. Du kannst das bei weitem
besser“, ermahnte sich der junge Mann selbst, sah aber ein, dass es jetzt zu
spät war, um noch irgendetwas vorsichtig zu hinterfragen. Giles würde sicher
nicht eher Ruhe geben, bis er alles wusste. Und zudem – wie sollte man etwas
zur Sprache bringen, wenn man es nicht direkt erwähnte?
Buffy
würde ihn dafür umbringen... keine Frage... besser, er sprach mit ihr, bevor
Giles es tat.
“Nun... sagen wir mal, ich wüsste von zwei Personen, die ihnen nahe stehen,
dass sie ein kleines Bündnis gegen sie, Lily und den Rat hatten... so ’ne
Art... Agentensache.“
Giles
Gesicht nahm einen schwer deutbaren Ausdruck an, als er Xanders Worte zu folgen
versuchte. „Xander, es tut mir leid. Wenn du nicht klar sagst, was du meinst,
wird es mir schwer fallen, dir beim Erleichtern deines schlechten Gewissens zu
helfen.“
Gut, dass hieße dann wohl,
dass Giles wirklich noch nicht darüber Bescheid wusste und er sich dummerweise
keine Hintertür offen gelassen hatte. Wer A sagt, muss auch B sagen...
„Eh,
na ja... jemand Bestimmtes sollte von jemanden anderes Bestimmtes...“
„Xander!“
Giles Stimme nahm etwas Drohendes an und Xander zuckte resigniert die
Schultern.
„Okay,
Mann... ich kann dann wenigstens behaupten, sie haben mich gefoltert, damit ich
das verrate, was ich weiß.“ Giles verdrehte kurz die Augen über Xanders Worte,
der fortfuhr: „Buffy wollte, dass Willow ein Auge auf sie wirft. Sie schien
kein Vertrauen gehabt zu haben. Keine Ahnung, wie lang das her ist... hab’ noch
nicht mit einer der beiden deswegen gesprochen.“
Giles Rücken straffte
sich, als sein Verstand zu begreifen schien, was Xander ihm gerade anvertraute.
„Ich meine... genauer
gesagt, wohl eher auf sie als Wächter und Lily...“, fuhr Xander vorsichtig
fort, stand auf und schob seinen Stuhl wieder so hin, wie er ihn vorgefunden
hatte. „Es tut mir leid, dass sie es durch mich erfahren mussten und gut
möglich, dass es falsch von mir war, nicht vorher mit Buffy oder Willow
gesprochen zu haben... ach, ich weiß auch nicht“, murmelte er verlegen, bevor
er sich von Giles mit einem halbherzigen Winken verabschiedete und den Wächter
mit seinen Gedanken zurückließ.
Cleveland,
Einkaufszentrum
Eine Stunde später am Morgen
Kennedy
stand vor dem Games In und warf rasch einen Blick
nach links und rechts. Nur für den Fall, dass irgendjemand den sie
kannte in der Nähe war. Niemand sollte sie
beim Betreten des Ladens beobachten. Schließlich wanderte ihr Blick wieder auf
das Geschäft. Ob es die richtige Entscheidung war, an diesem roten Gipsdrachen
vorbei zu gehen? Sie biss die Zähne zusammen und trat dann ein.
So
weit das Auge reichte, sprangen ihr sämtliche Comics und Actionfiguren, die sie
noch nie gesehen hatte, entgegen. Um die DVD’s machte sie gleich einen großen
Bogen. In der Luft hing ein leichter Plastik- und Gummigeruch, der sich mit
Druckerschwärze mischte und auch nicht von der laufenden Klimaanlage vertrieben
werden konnte.
Plötzlich
stand ihr etwas im Weg, das sie zugleich fast
umrannte. Von diesem weichen Etwas ging eine Stimme aus, die über den Laden
hinweg dröhnte:
„Andrew,
steh nicht so gelangweilt herum, arbeite!“
Kennedys Blick wanderte nach oben und musterte die langen und fettigen Haare
eines Monstrums, das sich gerade zu ihr umdrehte, und sie beängstigend
anlächelte. Die grässliche Szenerie auf seinem T-Shirt wirkte abstoßend und Ken
war sich nicht sicher, ob sie lieber einem Dämon begegnen wollte, als diesem
Kerl, der wohl Andrews Chef war.
“Was
kann ich für dich tun?“ Er versuchte freundlich zu wirken, aber das gelang ihm
nicht wirklich. Jedenfalls fühlte sich Kennedy nicht wohl bei diesem Grinsen.
„N-Nein,
ich suche nur etwas.“ Insgeheim hoffte sie, dass er bald hinter dem
Perlenvorhang verschwinden würde, den sie gerade hinter der Theke erblickt
hatte.
„Klar.
Aber wie heißt es so schön: nicht lesen, kaufen!“ Mit diesen Worten packte er
noch einen vollen Karton und machte sich auf den Weg, um tatsächlich hinter dem
Perlenvorhang zu verschwinden. ‚Was für ein Glück.’
Als endlich die Sicht frei
war, entdeckte sie auch gleich ihren Retter in der goldenen Rüstung, der im
hinteren Teil des Ladens stand und aus einem Karton neu eingetroffene
Spielfiguren in ein Regal einsortierte. Jedenfalls nahm Ken dies an, denn
Andrew wirkte etwas abwesend, während er jede Figur einzeln herausnahm und sie
erst einmal in den Händen hielt und drehte, als wäre sie Gott persönlich oder
aus purem Gold.
„Andrew!“
Erschrocken drehte er sich um. Fast wäre ihm eine der Figuren aus den Händen
gerutscht. Er hatte Mühe, das Unglück zu verhindern und während er noch dastand
und ungeschickt in der Luft mit den Händen wedelte, um den Absturz der Figur zu
vermeiden, steuerte die Jägerin auf ihn zu.
„K-Kennedy?“
Als sie näher auf ihn zu kam, ging er einen Schritt
zurück und stieß gegen das Drehregal hinter ihm, das glatt ins Wanken geriet.
Bevor ihn die alt riechenden, dicken Bände unter sich begruben, packte die
Jägerin Andrew am Kragen und hinderte ihn so am Fallen. Mit einem Fuß fing sie
das Regal auf halbem Weg auf. Trotzdem polterten die Comic-Bände zu Boden.
„Ich
hab’ doch gar nix gemacht! Was immer Xander dir über mich erzählt hat, es ist
nicht wahr. Okay, vielleicht ist es wahr, aber du machst schließlich genau
dasselbe, nur dass Willow nach England gegangen ist...“ Andrew plapperte
erschrocken drauf los.
„England?“
Die Jägerin hob eine Augenbraue. „Das ist ein gutes Stichwort! Los, nimm dir
’ne Kaffeepause und komm mit!“, antwortete sie energisch, ließ ihn dann aber
los.
„England
ist cool! Da gibt es Dr. Who, Herr der Ringe wurde dort erschaffen und Harry
Potter und man kann dort lernen, dass man keine Leute umbringt.“
“Was auch immer...“ Kennedy verdrehte die Augen. Das würde lustig werden, aber
auch viel Arbeit bedeuten.
In
Kennedys Blick erkannte Andrew, dass sie es ernst meinte.
„S-Scott?“
Nichts rührte sich, als Andrew Richtung Vorhang rief. „Scohooott“, rief er
lauter und lächelte dabei nervös Ken an.
Nach
ein paar Sekunden kam sein Chef durch den Perlenvorhang geschlendert, und war
sichtlich stolz auf sein neues Slayer T-Shirt, das ihm anscheinend mehr als
eine Nummer zu klein war. Was ihn aber nicht daran hinderte, seinen Bauch in
die Höhe zu strecken, damit es jeder sehen konnte. Am liebsten wäre Kennedy im
Erdboden versunken.
„Darf
ich mir eine Kaffeepause nehmen?“, fragte Andrew unschuldig.
Scott
warf Kennedy einen vielsagenden Blick zu. „Du brauchst wirklich ein Auto,
Kleiner!“, antwortete er Andrew.
Kennedy
traute ihren Ohren nicht. Nachdem Andrew rot wurde, zog sie ihn am Ärmel seines
T-Shirts aus dem Laden, nicht ohne ein paar Action-Figuren auf den Boden zu
befördern.
„Hey...
erst räumst du die Sauerei hier auf“, brüllte Scott, als seine Augen auf das
umgestürzte Drehregal fielen.
Cleveland, Wächterhaus
Konferenzraum, früher Mittag
Nachdem Kennedy die Wohnung verlassen
hatte, wurde Willow klar, dass die halbherzig geschriebenen Informationen über
die Inquisition aus dem Internet nicht reichten, um ein gutes Referat
abzuliefern. Nicht ohne sich noch einen Kaffee zu holen, machte sie sich auf
den Weg zu Giles, um Bücher über Hexenvernichtung zu suchen. Vielleicht würde
ja hier etwas Brauchbares zu finden sein. Natürlich hatte sie sich früher schon
zusammen mit Tara über das ganze unterhalten, aber sachliche Informationen
würden sie einen weiteren Schritt nach vorne bringen.
Als sie die Tür öffnete, war weit und breit keine
Spur von Giles zu sehen. Anscheinend saß er in seinem Büro, und ihn zu stören
war bestimmt keine gute Idee, nicht nachdem sie nach Lilys Verschwinden noch
mehr Rätsel aufbekommen hatten. Sie würde schon selbst finden, wonach sie
suchte.
Nun stand sie vor den Bücherregalen und suchte nach
den passenden Titeln. Nach kurzer Zeit zog sie ein verstaubtes Buch hervor und
blätterte es durch. In Gedanken vertieft bemerkte sie nicht, wie eine Person
hinter sie trat.
„Ähem“, räusperte sich Giles und versuchte gelassen
zu wirken, während Willow so heftig erschrak, dass sie zugleich Kaffee auf dem
Boden und auf ihren Schuhen verschüttete.
„Guten Morgen, Giles. Erschrecken sie mich doch
nicht so!”, antwortete die Hüterin und drehte sich mit einem gequälten Lächeln
um.
Giles schaute etwas anklagend auf den Boden unter
ihren Füßen. Willows Blick folgte dem seinigen. „Oh, tut mir leid. Ich werd’ das gleich wieder in Ordnung
bringen.“
„In Ordnung“, sagte Giles knapp und ein
wenig reserviert. Er griff instinktiv nach der Brille, um sie gerade zu rücken,
ehe er bemerkte, dass er keine auf hatte und die Hand wieder sinken ließ. „Du
hast nicht zufällig Xander getroffen?“ Eigentlich hatte er nach Xanders Besuch
und dem Gespräch mit dem jungen Mann beschlossen, die Sache ruhig und sachlich
anzugehen: Als erstes würde er mit Buffy sprechen. Er musste wissen, was sie
dazu bewegt hatte, hinter seinem Rücken Willow dafür auszunutzen, Lily und ihn
zu bespitzeln. Danach hätte er noch immer mit Willow reden können. Doch Buffy
war außerhalb Clevelands unterwegs und würde nicht vor Abend wieder
zurückkehren. Das bedeutete für Giles, voller Ungeduld auf ihre Rückkehr warten
zu müssen, da er das ganze nicht am Telefon besprechen wollte. Und von seiner
selbst auferlegten Selbstbeherrschung war nicht mehr sehr fiel übrig, während
Willow vor ihm stand, unschuldig den Kopf schüttelte und nicht wusste, was los
war. Er fühlte sich, wenn er ehrlich zu sich selbst war, ein wenig verraten und
hintergangen.
„Stimmt... stimmt etwas nicht?“ Willow blickte ihn
verwirrt an.
„Ich weiß nicht, sag du es mir!“, Giles ging um sie
herum an den Konferenztisch und lehnte sich mit verschränkten Armen gegen die
Kante.
„Ich verstehe nicht?“ Willow runzelte die Stirn.
„Nun, dann werde ich deinem Gedächtnis etwas auf die
Sprünge helfen müssen.“ Giles Blick war auf Willow gerichtet und seine Augen
fixierten ihre.
Sie fühlte sich unbehaglich und schuldig, auch wenn
sie schwören konnte, dass sie nichts angestellt hatte. Aber irgendetwas war
geschehen... das letzte Mal als er sie so angesehen hatte, standen sie beide in
Buffys Küche und sie hatte ihm voller Stolz, in Hoffnung auf ein Lob, von
Buffys Wiedererweckung erzählt.
„Nun... zugegeben“, fuhr Giles
schließlich fort. „Lily erwies sich, ganz wie Buffy vermutet hatte, als uhm...
nicht vertrauensvoll. Ich war blind und unvorsichtig. Buffy mag vielleicht aus
der Vergangenheit klug geworden sein und richtig damit gehandelt zu haben, mit
mir nicht über Lily und ihren Verdacht zu sprechen. Aber dann kam... uhm...
nun... ein magisches Auge hat doch auch seine Vorteile...“
„Worum geht es hier eigentlich?“, fragte
Willow vorsichtig, leicht verwirrt, aber mit einem leisen Verdacht.... sie
hatte Buffy damals gesagt, dass es eine schlechte, eine sehr, sehr schlechte
Idee wäre, hinter Giles’ Rücken ein Auge auf den Rat zu werfen...
„Das ich dachte, wir wären alle älter und klüger
geworden. Das wir gelernt hätten, uns zu vertrauen und miteinander zu reden. In
Gottes Namen, Willow, ich hätte nie von dir erwartet, dass du auf Buffys
Vorschlag eingehen würdest!“, sagte der Wächter aufgebracht. „Nicht nachdem
ich, ohne zu wissen, was eine Hüterin ist, oder ob dich deine Fähigkeiten zu
einer machen, dir eine vorläufige, vertrauensvolle Stelle im Rat eingeräumt
habe.“
Der Hüterin ging ein Licht auf. Xander hatte doch
nicht etwa diese Unterhaltung gesehen? Und Giles davon erzählt... Oder doch?
Was hatte sich Xander dabei nur wieder gedacht?
„Aber Giles... ich... so war das nicht“, fing Willow
unsicher an, wurde aber von einer raschen Handbewegung von Giles unterbrochen.
„Ich frage mich gerade, ob dein über die Monate
gezeigtes Interesse an mir, meiner Arbeit und an den Fortschritten des Rates
nur vorgespielt war, um für Buffy Informationen zu sammeln.“
„Jetzt warten sie mal Giles“, fiel ihm Willow mutig
und langsam etwas aufgebracht ins Wort. „Es ging doch nicht so sehr um sie,
sondern vor allem um Lily und den Rat. Ich habe es ja Buffy ausreden wollen,
aber sie war damals... so verunsichert über ihre Stellung, ihre Zukunft, dass
ich ihr zuliebe zugestimmt habe. Und ich denke, gewisse Ereignisse haben uns
gezeigt, dass es doch mehr als nötig gewesen wäre, darauf ein noch genaueres
Augenmerk zu legen“, antwortete Willow um sich zu verteidigen.
„Es ging genauso um mich und auch, wenn ich
vielleicht einen Fehler in bezug auf Lily gemacht habe, ist das kein Grund,
hinter meinem Rücken solche Dinge... zu... uhm... besprechen.“ Giles spürte
seinen neu entflammten Zorn bereits wieder verebnen. Er wurde ruhiger und nahm
die Arme von der Brust. Das letzte was er wirklich wollte, war ein Streit mit
Willow. Dafür hatten sie seit ihrer Zeit in England zu hart um Vertrauen
gekämpft. Vielleicht fühlte er sich auch gerade deswegen mehr von Willow enttäuscht,
als von Buffy. „Ich wäre der letzte, der in bezug auf den Rat irgendwelche
vorschnellen Entscheidungen treffen würde. Du hättest zu mir kommen und mit mir
über Buffys Ängste sprechen sollen.“
„Das habe ich doch getan“, verteidigte sich Willow.
„Richtig. Aber du hättest weiterhin von Buffys
Wunsch dir gegenüber reden müssen... anstatt es mir zu verheimlichen. Das Buffy
mir nicht vertrauen wollte, dass sie und ich nicht miteinander reden konnten...
das verstehe ich alles – jetzt, irgendwie. Aber wir... wir beide hatten genug
Zeit, das alte, gegenseitige Vertrauen wieder aufzubauen. Erinnere dich an
England, die Hilfe, die ich dir entgegengebracht habe, obwohl du mich für deine
Rache töten wolltest, wie ich versucht habe, dir nach Taras Tod beizustehen...“
„Nicht...“ Willow hob lahm eine Hand und brachte
Giles zum Verstummen. Es war nicht fair, wenn er jetzt davon zu reden anfing.
Auch wenn sie verstand, dass er versuchte sie wachzurütteln. Aber das war nicht
nötig. Sie wusste, dass das, was Buffy von ihr vor Monaten verlangt hatte,
unmoralisch war. „Bitte reden sie nicht davon... ich... ich verstehe, dass sie
sich gekränkt und verletzt fühlen. Und das habe ich alles Buffy gegenüber als
Einwand hervorgebracht. Das können sie mir glauben, Giles. Und ich habe nie
wirkliche Versuche unternommen, an irgendeine Information zu kommen. Buffy
wollte nur, dass meine Vertrauensstelle, mich näher an die Geschehnisse heranbringen, um sie dann zu informieren. Das ist doch alles
passé.“ Willow machte einen unsicheren Schritt auf Giles zu. „Diese kleine
Aktion von Buffy hat niemandem geschadet und am Ende hat sie doch sogar recht behalten. Aber wenn sie unbedingt jemanden anklagen
wollen, wenden sie sich an Buffy!“ Willow spürte auf einmal tatsächlich Wut. Es
war doch nicht einmal ihre Idee gewesen, wieso fiel nun all das auf sie zurück?
Sie hatte Buffys Wunsch nur halbherzig erfüllt und immer versucht, dass Giles
nichts mitbekam von all dem Misstrauen, dass ihm Buffy vor Monaten noch
entgegengebracht hatte.
Und jetzt, wo zwischen
Wächter und Jägerin alles wieder in Ordnung war, musste diese Geschichte
herauskommen. Sie hoffte inständig, dass dadurch nicht wieder alles kaputt
gemacht werden würde, was sich Giles und Buffy in den letzten zwei Monaten hart
erkämpft hatten.
„Das werde ich auch!“, antwortete der Wächter müde
und richtete sich wieder auf. „Das sollte ich wohl auch.“
Beide sahen sich schweigend an. Man konnte förmlich
die elektrisierende Stimmung im Raum spüren, als sich die beiden noch immer mit
ihren Blicken gefangen hielten. Sie waren beide überrascht, dass das Gespräch
ruhig geblieben war, die Vorwürfe nicht all zu verletzend waren und doch... lag
etwas zwischen ihnen.
„Ich glaube, ich suche mir meine Bücher heute besser
woanders“, sagte Willow nach ein paar Sekunden kleinlaut und ließ Giles allein
im Haus zurück, der mit dem schlechten Gefühl, die falschen Dinge gesagt zu
haben, auf den Punkt starrte, wo Willow eben noch gestanden hatte.
Cleveland, Shopping Center
„Vielleicht kann ich dem bösen Monster entkommen“, flüsterte Andrew, als er
auf Zehenspitzen aus dem Einkaufszentrum schleichen wollte, während Kennedy die
Tafeln mit den Wegweisern studierte um ein Cafe zu finden.
„Nicht so schnell!“
Ertappt blieb Andrew stehen. Wieso musste diese automatische Tür auch so laut
sein? Er wagte nicht noch einen Versuch, wegzulaufen. Schließlich war sie eine
Jägerin und konnte somit dem stärksten Superhelden leicht hinterher rennen.
„Was willst du eigentlich
von mir? Es ist nicht gerade alltäglich, dass du einfach so bei mir
vorbeischaust, mich vor meinem Chef blamierst, und mich dann einfach
entführst!“
„Wer hat hier wen
blamiert?“
Ohne eine Antwort
abzuwarten ging sie in Richtung Aufzug. „Hoffentlich muss ich ihm nicht auch
noch eine Hundeleine umbinden“, murmelte sie und warf Andrew einen Blick zu,
damit er ihr folgte.
Nach wenigen Minuten saßen
sie sich im nächstbesten Café gegenüber.
„Du musst mir einen
Gefallen tun!“, entgegnete Kennedy, während Andrew seine heiße Schokolade mit
extra viel Schlagsahne entgegennahm.
„Schon wieder?“,
antwortete Andrew genervt und schlürfte die Sahne hinunter. „Ich hab’ dir doch
letztes Jahr erst das Leben gerettet. Du hast nicht einmal ’danke’ gesagt!“ Er
fing an zu schmollen.
„Das ist kein Gefallen,
das ist eine Selbstverständlichkeit! Ich hätte das selbe
auch für dich getan!“, antwortete die Jägerin entschieden.
Andrew hob die
Augenbrauen. „Sogar wenn du Willow deswegen mit einem Schwert aufspießen
müsstest?“
Kennedy
grummelte. „Dankeschön, dass du mir das Leben gerettet hast! So, können wir
jetzt zum geschäftlichen Teil kommen?“ Sie klang enthusiastisch. „Ich brauche
einen Verlobten!“
Nach
dem letzten Satz sah Andrew sie total geschockt an.
„Soll
das etwa deine Version von einem romantischen Heiratsantrag sein?“, fragte er
verwirrt.
„So
in etwa.“ Kennedy lächelte gequält. „Meine Eltern kommen dieses Wochenende zu
Besuch und erwarten einen blonden Musterverlobten.“
„Wieso
verpasst du Willow nicht einfach einen neuen Look?“, fragte Andrew. Irgendwie
musste er sich doch herausreden können.
„Das
geht nicht so einfach.“ Sie sah ihn enttäuscht an. „Wie wär’s, wenn ich dir
dafür Comics und Actionfiguren kaufe?“ Irgendwie musste sie ihn doch anlocken
können.
„Damit
werde ich leider schon bestochen! Du musst dir was anderes überlegen.“ Andrew
rollte mit den Augen.
„Ich...
ich könnte auf Ebay einen neuen... einen neuen Star Wars Anhänger für dich
kaufen!“
Im
nächsten Moment holte Andrew seinen halben Anhänger unter seinem T-Shirt
hervor. „Zu spät!“
Nach
ein paar Sekunden sah er Kennedy hoffnungsvoll an. „Hmm... wie wär’s mit einem
Pontiac Firebird?“
„Hab’
ich ’ne Geldhexe?“ Sie sah ihn wütend an. Doch dann kam ihr eine Idee. „Wie
wäre es mit ein paar coolen Anzügen, in denen du aussiehst wie James Bond, und
als Extra-Plus noch eine richtig coole Sonnenbrille?“ Schließlich musste sie
ihm sowieso noch Anzüge besorgen. Ihre Eltern würden so etwas wie Alltagslook
nicht akzeptieren.
„Deal!“
Andrew strahlte sie an. „Wann gehen wir shoppen?“, wollte er wissen.
„Morgen
Nachmittag. Zusammen mit einem Termin beim Friseur!“
Albany,
Bahnhof
Nachmittag
Der Zug
kam langsam zum Stehen, rollte noch ein kurzes Stück auf den Gleisen aus und
öffnete dann automatisch die Türen. Die wenigen Fahrgäste stiegen aus, darunter
auch Buffy, die mit misstrauischem Blick den einzigen Bahnsteig rauf und runter
schaute. Trist... absolut trist und tote Hose. Wenn sie hier geboren worden
wäre, hätte sie sich spätestens mit 16 freiwillig erschossen. Laut Giles lebten
hier 810 Menschen und die einzige Attraktion des Kaffs eine kleine
Einkaufsstrasse, die gleichzeitig auch die Hauptstrasse bildete. Sah man davon
mal ab, gab es speziell für Jägerinnen eine Sonderattraktion – eine Horde
Vampire, die sich hier niedergelassen hatte.
Buffy sprang auf die alte, vom Zahn der Zeit aufgeplatzte Betonplatte des
Bahnsteigs und erblickte sofort das junge Mädchen, das sie abholen kam. Eine
unerfahrene Jägerin namens Robia, der man einen ebenso unerfahrenen, jungen
Wächter zur Seite gestellt hatte. Bedauerlicherweise hatte er vor zwei Tagen
das Zeitliche gesegnet. Darum war sie nun hier – sie würde Robia bei
Sonnenuntergang dabei helfen, Albany wieder zu einem friedlichen Ort zu machen.
“Buffy Summers?“ Robia kam schüchtern näher.
„Ja...
das bin wohl ich... hey... nett habt ihr es hier...“ Buffys Lächeln war
aufgesetzt, aber nett... während sie Robia vor den Bahnhof folgte...
Cleveland, Lincoln High School
Nachmittag
„Ich hasse diesen Lehrer“, beschwerte sich
Tiffany bei ihrer besten Freundin.
„Als
würde dir diese Eins Minus etwas im Notenschnitt versauen“, entgegnete Betty,
als die beiden gefolgt von einem weiteren Mitschüler die High School verließen.
„Ich
halte dass nicht mehr aus. Ich wette, er hat etwas gegen mich.“ Aufgebracht
kickte sie eine Cola-Dose vom Gehsteig auf die Strasse.
„Das
kenn’ ich gar nicht von dir. Was machst du Donnerstag Mittag
schon außerhalb der Schule?“, grinste Dennis, als er die beiden einholte.
„Ich nehm’ mir einfach mal
eine Auszeit. Wieso soll ich den ganzen Tag in dieser Schule verbringen, wenn
es viel besseres zu tun gibt? Lernen für die Prüfung
morgen zum Beispiel!“, antwortete Tiffany mit neuem Eifer.
Die
beiden seufzten. Sie war immer noch die Alte.
„Es ist ziemlich heiß
heute. Glaubst du wirklich, dass du dich dabei konzentrieren kannst?“, fragte
Betty. „Komm doch lieber mit zum Schwimmen in die Halle.“
„Ist doch
nur Mittags so. Was soll’s,
dass ist meine Kreuzung.“ Tiffany blieb stehen und drehte sich zu den anderen
um. „Bye, bis morgen.“ Sie ging rückwärts weiter.
Dennis
und Betty verabschiedeten sich von ihrer Freundin, die ihnen noch nachwinkte
und bogen links ab, während Tiffany die Strasse überqueren musste.
Wenn
sie schon früher abhaute, sollte sie auch kein Lehrer dabei erwischen, und sie
war noch nicht besonders weit von der Schule entfernt.
In Gedanken lief sie
weiter, zu sehr um ihre Noten besorgt als sich um ihr schlechtes Gewissen, das
ersten Mal in ihrem Leben den Unterricht geschwänzt zu haben, kümmern zu
können.
So bemerkte sie nicht,
dass am anderen Ende der Strasse ein weißer Wagen um die Kurve gerast kam. Mit
überhöhtem Tempo hielt das Fahrzeug direkt auf Tiffany zu, die gerade die
ersten Schritte über die Strasse machte. Es war mehr die Gewohnheit, die sie
schließlich doch noch nach allen Seiten Ausschau halten ließ. Sie sah das Auto,
blieb völlig geschockt mitten im Schritt stehen und dachte ‚das war’s gewesen.’
Doch irgendetwas machte in ihrem Kopf klick und befahl ihr loszulaufen – so
schnell sie konnte. Im letzten Augenblick erreichte sie noch das letzte Drittel
der Strasse, fühlte sich gerettet, nur um doch noch von dem PKW an der Hüfte
erwischt zu werden. Mit einem Aufschrei wurde sie in das Gebüsch neben dem
nächsten Baum geschleudert. Als sie sich nach dem Auto umsah, stellte Tiffany
schockiert fest, dass der Fahrer nur kurz das Lenkrad herumgerissen hatte und
bereits weiter fuhr.
„Autsch“, stöhnte sie. Und
als sie versuchte aufzustehen, sank sie wieder unter Schmerzen zurück.
Plötzlich hörte sie ein Rascheln. Anscheinend hatte ein Passant das ganze
bemerkt und war ihr zur Hilfe geeilt.
Sie
griff nach seiner Hand, die er hilfsbereit ausstreckte, um ihr auf die Beine zu
helfen.
„Danke“,
entgegnete Tiffany und verstummte sofort, als sie ihrem Helfer in die Augen
sah.
Eine abscheuliche Gestalt
stand ihr gegenüber. Ohne dass sie etwas weiteres
sagen konnte, packte er sie am Kragen. Er war äußerst erfreut über ihr
Auftauchen, schließlich hatte er schon den ganzen Tag nach einem neuen Opfer
gesucht. Er brauchte Kraft und die bekam er nun. Der kleine Junge von gestern
Abend hatte nicht wirklich seinen Bedarf gedeckt. Aber er musste sie von hier
fort schaffen. Der Platz war zu öffentlich...
Das
Mädchen riss die Augen auf und konnte sich im nächsten Moment nicht mehr
bewegen. Sie spürte einen unermesslichen Schmerz. Das Brennen ihrer Hüfte war
ein Nichts dagegen.
Der
Dämon grinste erneut, während er das Mädchen fest an sich zog...
AKT 2
Cleveland, Hauptstraße
Ein, zwei Stunden später
Buffy hatte Dawn vor ihrem Aufbruch nach Albany den Auftrag erteilt
Lebensmittel für das Abendessen zu besorgen. Doch etwas anderes hatte Vorrang.
Dawn würde sich sowieso nur wieder anhören müssen, wie ungesund die
Fertiggerichte die sie aussuchte waren. Verärgert
lief sie durch die Innenstadt Clevelands, auf der Suche nach einem
Elektrogeschäft.
Ihr tragbarer CD-Spieler
machte nicht mehr das was er sollte. In letzter Zeit hatte sie sich oft über
das störrische Gerät geärgert. Was hatte sie auch von ihm erwartet, immerhin
war er ein Erbstück ihrer großen Schwester.
In Ordnung, eher ein
unfreiwilliges Erbstück. Glücklicherweise war Buffy nie aufgefallen, dass sich
dieser nun im Besitz von Dawn befand, die ihn wirklich gut gebrauchen konnte.
Sie grinste in sich
hinein. War doch praktisch eine große Schwester zu haben. Aber nun war das
Gerät doch schon sehr alt. Sie könnte sich ja mal umschauen, was sie ein Neues
kosten würde. In ihrem Nebenjob lief es echt gut, und da Buffy ja nun auch für
den Rat arbeitete und Geld verdiente, hatte auch Dawn mehr von Ihrem selbst
verdienten Geld.
Als sie um die Ecke bog,
sah sie schon die Schaufenster.
In der Auslage
standen nur Fernseher und ein paar Handys lagen dekorativ in Mitten von
Lotusblüten dazwischen. Sie musste wohl in den Laden gehen. Drinnen nahm sich
Dawn kurz die Zeit, um sich umzusehen. Vielleicht fand sie ja selbst die
Abteilung für CD-Spieler
und konnte sich ohne Hilfe informieren.
Sie schlenderte an der
Fernsehwand vorbei, über die gerade die aktuellen Nachrichten vom CL1 Fernsehen
flimmerten. Der Verkäufer weiter hinten schaltete gerade am Plasma-Gerät die
Lautstärke höher, um dem interessierten Kunden die Tonqualität vorzuführen:
“Für CL1, hier ist Cindy Logan. In Cleveland ist ein
weiterer Drogenmord geschehen...”
Dawn versuchte die Stimme auszublenden, um sich auf
die vor ihr liegenden CD-Spieler zu konzentrieren. Es gab einen im
Sonderangebot, ein Reststück vom letzten Jahr. Plötzlich stutzte Dawn. Was
hatte sie da eben gehört? Ihr Blick wanderte durch die Reihen, und ruhte auf
einem der TV-Geräte. Die Nachrichtensprecherin interviewte gerade einen ihrer
Reporter. Was hatte sie eben so überrascht?
“Peter, es handelt sich bei dem Mordopfer also um
eine Schülerin der Lincoln High Scool?”
Der Reporter antwortete: “Ja Cindy. Es handelte
sich bei dem Opfer um Tiffany Clark. Die Polizei......”
Tiffany!
Bei der Nennung ihrer Schule erschrak Dawn. Bei der
Erwähnung des Namens, erstarrte sie sogar. Tiffany war tot? Tiffany Clark, der
Liebling aller Lehrer? Die Einser-Schülerin? Sie hatte sich zur
Schülersprecherwahl aufstellen lassen. Es gab kaum jemanden der sie nicht
mochte. Sie war lieb, nett und immer hilfsbereit ohne dabei arrogant zu wirken.
Dawn richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Fernseher.
“...man geht davon aus, das
es sich um einen weiteren Mord in der hiesigen Drogenszene handelt. Die
Schülerin Tiffany wurde hier in dieser üblen, stadtbekannten
Viertel gefunden. Die Polizei vermutet, dass sie auf der Suche nach
einer der Modedrogen einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen ist. Das Opfer
weist deutliche Spuren von äußerer
Gewaltanwendung auf. Die Ermittlungen werden.....”
Drogen? Das klang gar nicht nach Tiffany. Jemand der
drogenabhängig war, sah anders aus und benahm sich auch anders. Den Rest der
Nachrichten hörte die junge Jägerin schon nicht mehr. Die Jägerin war aus dem
Geschäft gestürmt. Sie musste mit den anderen reden. Tiffany hätte niemals
Halluzinogene genommen. Irgendwas stimmte ganz und gar nicht.
Cleveland, vor dem Wächterhaus
zur selben Zeit
Willow kam in Gedanken um das Ratsgebäude herum, um
über den Hintereingang in die alte Baptistenkirche zu gehen. Im ersten Moment
nahm sie Faith nicht wahr, die etwas weiter hinten, halb verborgen vom
parkenden Schulbus, auf eine Holzpuppe einschlug.
Eigentlich hatte Willow heute nicht so schnell wieder in Giles‘ Nähe kommen
wollen. Nicht nach dem unangenehmen Gespräch von heute früh, bei dem Dinge
unausgesprochen geblieben waren. Dinge,
über die sie längst einmal hätten reden sollen. Zum Beispiel, wieso sie
Dawn so lange gedeckt hatte... es ging Giles heute Mittag nicht nur um das, was
Xander ihm erzählt hatte, das hatte Willow spüren können. War der Streit mit
Giles wirklich nötig gewesen? War es überhaupt ein Streit gewesen? Jedenfalls
hatte sie dummerweise ihren Schreibblock mit einigen Notizen im Konferenzraum
liegen gelassen und den brauchte sie jetzt. Ein plötzlicher Schrei, gefolgt von
einem lauten Krachen ließ sie herumfahren.
Geschockt starrte sie in Faith’ Richtung, die vor einer halb zerschlagenen Holzpuppe stand, die anscheinend für Trainingszwecke dort aufgestellt wurde. Willow hatte sie bisher allerdings noch nie gesehen.
Faith schien die Hüterin nicht zu bemerken, als sie tief Luft holte, einen weiteren Schrei heraus ließ, und mit ihrem rechten Fuß so fest gegen die Figur trat, dass sich einer der Arme löste und leblos zu Boden fiel.
Die Jägerin sank auf die Knie, und wischte sich den Schweiß von ihrer Stirn.
“So hart am trainieren?” fragte Willow, nachdem sie einige Schritte näher gekommen war und Faith freundlich anlächelte.
Faith fuhr herum. Sie hatte nicht erwartet jemanden um diese Zeit hier im Garten anzutreffen Eigentlich wollte sie ja alleine sein.
“Was machst DU denn hier, Willow?”, fragte sie überrascht, während sie aufstand, den abgebrochenen Arm aufhob, ihn kurz an die Stelle hielt an der er vorher gesteckt hatte, und ihn mit einem Schulterzucken wieder fallen ließ, als sie merkte, dass dies nicht mehr zu reparieren war.
“Ich hab’ etwas bei Giles vergessen. Und muss jetzt noch mal da rein. Er ist irgendwie... nicht gut drauf.”, Willow lächelte gequält.
Die Jägerin drehte sich um, und klopfte den Dreck von ihren Knien, den der Boden verursacht hatte.
“Die Sache mit dieser Schlampe von Wächterin lässt ihn wohl auch nicht ganz kalt”, sagte sie noch immer außer Atem, während sie sich mit einem Handtuch den Schweiß von der Stirn wischte.
“Hmm... stimmt schon, aber das war nicht der Grund, warum wir gestritten haben.”, Willow lehnte sich an den Bus. “Er hat Dinge erfahren die er nie hätte wissen sollen. Und obwohl Buffy die Schuldige ist, hat er alles an mir ausgelassen.”
Faith legte das Handtuch beiseite, nahm sich die Wasserflasche und lehnte sich neben die Hüterin an die Stoßstange des Busses.
”Auch wenn ich absolut keine Ahnung habe worum es geht.. und es ist mir ehrlich gesagt auch ziemlich egal ..aber, bist du irgendwie.. angepisst?”
“Bitte?” Willow sah Faith überrascht an und musste dann kurz lächeln “Ja--- ja, irgendwie trifft es das ganz gut. Ich bin sauer. Auf Giles, Buffy... Xander. Und irgendwie wohl auch gerade auf die ganze Welt!”
“Davon merkt man aber nicht viel!”, grinste Faith.
“Was soll ich denn tun? Die Welt noch einmal zum Untergang verdammen?” erwiderte Willow und lächelte schwach. “Oder mich genau wie du an dieser armen Puppe abreagieren, die doch eigentlich nichts dafür kann?” Sie deutete auf die Trainingspuppe, der neben dem Arm auch schon die linke Hälfte des Gesichtes fehlte.
“So in etwa.”
“Ich glaube ich tue lieber irgend etwas was ich schon lange nicht mehr getan hab’. Ich brauch’ eine Pause, und muss irgendwie auf andere Gedanken kommen... und diese Pause nehme ich mir heute Nachmittag, indem ich ausgiebig shoppen gehe!”, Willow strahlte.
“Hmm.. na ja, wenn dich das glücklich macht,” Faith nahm einen Schluck aus der Flasche und versank dann wieder in Gedanken. Wegen Lily konnte Vi nicht mehr shoppen gehen. Und sie hatte das Shoppen geliebt. Sie hatte Lily vertraut. Vi hatte Lily vertraut. Wie konnte die Wächterin ihnen allen das nur antun?
“Was ist eigentlich mit dir los? Es muss ja einen Grund
geben, wieso du den armen Bob hier zur Brei schlägst.”
”Bob?” Faith sah sie gedankenverloren und verwirrt an. Willow nickte zu der Puppe und Faith musste kurz lächeln.
”Ach so.. nein. ich .. ähm..” Faith hielt inne. Sollte sie es Willow anvertrauen? WILLOW? Wieso eigentlich nicht? Ihr Verhältnis war im letzten Jahr um einiges besser geworden, und vielleicht konnte sie ihr weiterhelfen.. immerhin hatte die junge, rothaarige Frau auf diesem Gebiet mindestens genau so viel Erfahrung wie sie selbst.
“Ich hatte einen Traum. Oder besser gesagt einen Alptraum.”, die Jägerin stieß sich von der Stoßstange ab, trat einen Schritt vom Bus weg, drehte sich dann um und sah Willow direkt in die Augen. “Wieder einen Eve-Traum. Obwohl du mir geholfen hast und die Magier mir die Antworten gegeben haben, träume ich noch immer von dieser Irren. Sie... ich... sie hat mir Lily am Grab von Vi gezeigt. Es war mehr.. ich habe “visioniert”.., falls es so ein Wort überhaupt gibt. Na ja, egal. Eve hat mir damit Vi’s Mörderin gezeigt.” Faith holte Luft und sah auf den Boden.
“Anschließend habe ich Lily gejagt, als wäre sie ein Dämon und schließlich habe ich sie.. förmlich hingerichtet.. und es war ein ziemlich blutiger Traum..” Faith sah wieder auf.
“Das ist ein...sehr ereignisreicher Traum.”, Willow suchte nach den richtigen Worten.
“Und ich bin mir ziemlich sicher, dass Eve die Wahrheit erzählt hat. Sie hat mich mit Waffen versorgt, und ich war ihr dankbar dafür. Auch wenn ich es nicht erwartet hätte, durch ihre Hilfe konnte ich Lily so töten wie sie Vi getötet hatte. Wenn ich genau darüber nachdenke, habe ich mir für einen Augenblick gewünscht es hier in der Realität zu tun.”
Faith machte wieder eine Pause, sah kurz zu der Puppe und blickte dann wieder zu Willow
“Um ehrlich zu sein, war es nicht nur ein Augenblick. Ich weiß nicht, was passiert, wenn ich Lily über den Weg laufe. Ich.. ich weiß nicht ob ich mich beherrschen kann. Ich möchte sie töten, ihr das Herz heraus reißen, mit meinen eigenen Händen, aber auf der anderen Seite weiß ich, dass das falsch wäre.. VERDAMMT!” Faith drehte sich um und verpasste der Figur einen weiteren Tritt, woraufhin das Holz splitterte und ein großes Loch im Brustraum der Trainingspuppe zurück blieb.
“Ich verstehe dich Faith. Wie du weißt habe ich meinen Gefühlen damals leider nicht nur in einem Traum Ausdruck verliehen. Und es ist auch nicht einmal so abwegig das Lily auch hier die Schuldige ist... Vielleicht versuchst du es einfach für den Anfang mit Lilys Gesicht auf dieser morschen Puppe, oder ein paar Dartpfeilen.”, Willow zwinkerte Faith zu.
“Pff...” Faith verlor das Interesse am Gespräch und griff wieder nach der Wasserflasche.
“Nein Faith, ich meine es Ernst. Du musst deinen Aggressionen freien Lauf lassen, sonst fressen sie dich auf. Schlag diese Puppe zu Brei, wenn es dir hilft. Geh auf den Schrottplatz und verarbeite einige Autos zu Schrott. Lass es raus...,” Willow zwinkerte ihr erneut zu, stieß sich von der Motorhaube ab und machte sich bereit zum Gehen.
“Auch wenn ich keinen Menschen töten will...ich spüre dieses Verlangen danach...”, antwortete Faith in Gedanken, ohne auf Willows Worte genauer einzugehen.
Cleveland, Hauptstraße
Selber Nachmittag, etwas später
“Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie Drogen genommen
hat.” Dawn war immer noch geschockt über den Tod ihrer Mitschülerin und hatte
sich zur Ablenkung mit ihren Freunden zum Einkaufen verabredet.
Aber sie sprachen alle über den Mord, also war es
doch nichts mit Ablenkung.
“Ach komm, hör doch auf. Du glaubst doch nicht
wirklich, dass sie so toll war und trotzdem völlig normal geblieben ist. Solche
perfekten Leute haben meist eine Leiche im Keller.” Mara sah die Sache völlig
anders als Dawn.
”Schau mal, Klassenbeste, Jahrgangsbeste und Chefin
vom Debattierclub, vom Schachclub und vom Wissenschaftsclub.” Nacheinander
zählte ihre Freundin diese Dinge an den Fingern ab. “Sie war das Aushängeschild
der Schule und eine totale Streberin.” Zwei weitere Finger bogen sich. “Alleine
die Zeit und die Energie die sie dafür gebraucht hat. Von den ganzen
Nachhilfestunden ganz zu schweigen.”
“Sie hat Nachhilfe gegeben?” Josh war völlig
überrascht. „Na das hätte ich mal früher wissen sollen. Ich hätte sie engagiert
und wäre dann vielleicht besser in Mathe gewesen.”
murmelte er in sich hinein. Seine letzte Matheklausur hatte Josh völlig
verhauen.
“Klar,” lachte Sam “Du
hättest dann den Winkel ihres Ausschnittes gemessen, aber sicher kein Mathe
gelernt.”
“Hey!” Josh versuchte seinem Freund an die Schulter
zu boxen.
“Hilfe!” rief Sam und versteckte sich hinter Dawn
“Große Herrin hilf mir armer Seele, er will mir weh tun.”
“Komm raus du Feigling.” lachte Josh.
“Ich denk nicht dran! Hier hinten gefällt’s mir ganz
gut.” Während dessen sprang Sam ständig hinter Dawns Rücken hin und her,
während er sich festhielt. Die beiden gaben dadurch ein völlig kindisches Bild
ab, so das Mara gespielt erwachsen die Augen verdrehte.
“Jungs!”
Sie befreite Dawn mit einem kräftigen Griff und
hakte sich bei ihr ein.
“Jetzt mal wieder zurück zum alten Thema. Du glaubst
doch nicht dass Tiffany eine weiße Weste hatte, oder?”
“Doch. Denn ich kann mir beim besten Willen nicht
vorstellen, dass sie Drogen genommen hat.”
“In gewisser Hinsicht gebe
ich Dawn aber recht,” mischte Sam sich in das Gespräch
ein.
“Die Polizei macht es sich
manchmal sehr einfach. Es gab schon viele Gerichtsverfahren die abgeschmettert
wurden, weil die Polizei bei Beweisen geschlampt oder nicht richtig
recherchiert hatte.”
“Das bringt doch jetzt eh nichts, dass wir hier
herum diskutieren. Lasst uns shoppen gehen.” Zielstrebig zog Mara Dawn zum
nächsten “GAP” dessen Werbeschild soeben an der Ecke aufgetaucht war.
“Muss das sein,“ maulte
Josh, "Klamotten hab ich genug, ich gehe rüber in den Comic-Shop.”
Allein diese Bemerkung
brachte ihm einen zweifelnden Blick der Clique ein. Mara zuckte mit den
Schultern. “Ich will dich ja nicht zwingen.”
Während Dawn die endlosen Reihen an Kleidern und
Röcken abschritt, gingen ihr mehrere Gedanken durch den Kopf. Was war wirklich
mit Tiffany passiert? Wie konnte sie heraus finden, ob
das Mädchen wirklich Drogen genommen hatte?
“Cool, schaut mal was ich gefunden habe. Das T-Shirt
und die Capri-Hose sehen ja wohl voll geil aus. Ich verschwinde mal.” Sam hatte
sich mit einer blauen Hose und einem farblich abgestimmten T-Shirt in Richtung
Umkleidekabine verzogen, und grinste dabei. Mara sah dem Jungen höchst amüsiert
hinterher, während Dawn in Gedanken versunken einen Rock vom Ständer nahm.
Vielleicht könnte man ja an den Autopsiebericht
herankommen. Ob es übernatürliche Ursachen hatte? Am Höllenschlund war das
sicher nichts ungewöhnliches.
Aber mit ihren Freunden hier konnte sie das nicht
besprechen.
“Hey Dawn, ich geh mal
nach den Parfüms gucken, Klamottenmäßig ist heute nichts für mich dabei. Das
ganze habe ich schon letzte Woche gesehen.” Mara verschwand in den oberen
Stock.
Je länger Dawn über die ganze Situation nachdachte
umso merkwürdiger kam ihr das Ganze vor.
Auf jeden Fall musste sie mit
jemandem darüber reden. Die Frage war nur, mit wem.
Ohne das sie es gemerkt
hatte, war Dawn in Richtung der Umkleidekabinen gegangen und stand davor, als
ihr plötzlich Willow in einem engen, neuen Rock gegenüberstand, an dem noch die
Preisschilder hingen.
“Oh. Hi Dawnie.”
“Was machst du denn hier
Willow? Bei deinem Klausurstress... Aber erst einmal hallo!”
“Ich habe beschlossen mir
einmal einen freien Nachmittag zu gönnen. Heute Nacht werde ich sowieso wieder
kein Auge zu machen können.” Willow lächelte gequält. Doch das war Dawn‘s
Chance.
“Willow, darf ich dir was komisches erzählen? Ich würde gerne mal deine Meinung dazu
hören.”
Albany, Stadtmitte
zur selben Zeit
“Und hier haben sie erst gestern den Besitzer und seine Angestellten umgebracht und anschließend neben der Kasse die meisten Filme mitgenommen,” Robia war mit Buffy vor einem Filmverleih stehen geblieben, dessen Scheibe eingeschlagen war. Ein Holzbrett war auf die aufgebrochene Tür genagelt geworden und ein gelbes Absperrband wies darauf hin, dass hier eine Ermittlung lief.
“Sie sind ziemlich fleißig,” murmelte Buffy. “Wie viele sind es?”
“Keine Ahnung. Wir haben sie nicht gezählt. Ich
befürchte aber fast, dass sie jeden den wir töten konnten mit zwei Menschen aus
der Stadt ausgeglichen haben. Es sind immer einige verschwunden, die wir danach
nie mehr gefunden haben.”
“Wir bekommen das schon hin,” Buffy tätschelte etwas ungeschickt die Schulter der jungen Jägerin und fühlte sich an die Geste von Giles erinnert, die er immer für sie bereit hatte, wenn sie den Kopf hängen ließ. Überrascht über sich zog sie die Hand wieder zurück. “Wo ist ihr Versteck?”
“Sam und ich haben es verzweifelt gesucht, aber weder in den leerstehenden Gebäuden noch auf dem alten Friedhof haben wir eine Spur gefunden.”
“Gibt es hier Höhlen?”
“Nein.. aber halt.. doch die alte Mine...”
Buffy‘s Gesicht hellte sich auf. “Na das ist doch schon einmal ein Anfang....”
Cleveland, GAP
Ein paar Minuten später
“Jedenfalls bin ich fest davon überzeugt, das
Tiffany keine Drogen genommen hat und ihr Tod irgendwie übernatürlich war.”,
mit diesen Worten schloss Dawn ihren Bericht für Willow.
Die Hexe war während der
ganzen Erzählung erstaunlich desinteressiert gewesen. Willow hatte kaum
Rückfragen gestellt.
“Ach weißt du Dawnie. Du fängst schon an überall
mystische Dinge zu sehen. Wie Giles. Er scheint abzufärben,”
sie grinste. “Du kanntest die Schülerin doch kaum. Wahrscheinlich haben sie die
ganze Sache nur aufgebauscht um Einschaltquoten zu bekommen.” Tiffany‘s Name
war Willow entfallen. Interessiert schaute sie sich einen Jeansrock an. Ob er
zu kurz war? Kennedy würde das sicher nichts ausmachen.
“Erde an Willow! Hörst du mir überhaupt zu?”,
langsam wurde Dawn wütend, ihre Freundin begeisterte sich anscheinend mehr für
Klamotten, als für ihre Geschichte.
“Klar, ähm...was hast du gerade gesagt? Sorry, ich
war gerade in Gedanken. Wie findest du den Schnitt?” Willow hielt Dawn den Rock
hin.
“Wie? Ja er ist in Ordnung. Ich sagte, dass ich sie
nicht gut kannte, aber immerhin so gut um zu wissen, dass sie keine Drogen
nimmt. Die Polizei denkt zwar, dass es damit etwas zu tun hat, aber das nur,
weil sie sie in einer Drogengegend gefunden haben und sie glauben, dass die
Merkmale ihres Todes etwas damit zu tun haben könnten. Kannst du dich nicht mal
in die Datenbank der Polizei hacken und den Autopsiebericht checken? Dann
wissen wir vielleicht schon etwas mehr.”, die Jägerin sprudelte nur so vor
Ideen.
“Dawn, ich könnte das tun, aber ich mache das nur in
Ausnahmefällen, wo wir sicher sein können, das wir auch etwas herausfinden. Die
Polizeidatenbank ist kein Selbstbedienungsladen.”, antwortete Willow
konsequent.
“Ja das weiß ich...” Dawn wurde mittlerweile sehr
ungeduldig. Wollte die Hexe sie nicht verstehen? Oder war ihr die Sache
wirklich so egal. “Aber es hätte doch jemand an der Schule gemerkt, dass sie so
ein Zeug nimmt. Das wäre der richtige Stoff für Gerüchte gewesen. Jemand hätte
sie dabei erwischen können und es hätte die ganze Schule gewusst. Außerdem sind
doch die Anzeichen für Drogenmissbrauch bekannt, dass sieht man doch den Leuten
an.”
Willow holte tief Luft:
“Dann haben sie sich vielleicht im Namen geirrt. Du darfst nicht alles glauben,
was die Reporter erzählen. Was meinst du, ist der Rock zu kurz?”
“Will’, das ist nicht der richtige Augenblick um
über Röcke zu diskutieren!” Dawn war sauer. “Verschließ nicht die Augen vor der
Wahrheit!”
Willow drehte sich zu Dawn und packte sie an den
Schultern.
“Dawn, jetzt hör mir mal
zu. Ich verschließe meine Augen nicht. Ich bin nur realistisch. Ich sehe nicht
hinter jeder Ecke einen Dämon stehen und du solltest das auch nicht. Genieß die
Zeit die dir noch bleibt, bevor dich die Mühlen der Wächter einholen. Buffy
wäre damals froh gewesen, wenn sie mal einen ‚normalen’ Todesfall gehabt
hätte.” Hatte Willow in letzter Zeit denn nie erwähnt, wie kurz und kostbar
ihre freie Zeit war?
“Ich bin aber nicht Buffy und ich glaube hier nicht
an einen normalen Tod!”
“Na dann hat die Polizei vielleicht voreilig
gehandelt und es nur vermutet, aber ich kann an dieser Sache wirklich nichts unnatürliches entdecken. Morde geschehen nun einmal. Tut mir
leid, aber ich möchte diese Diskussion damit beenden. Ich habe auch noch ein
Leben neben dem Übernatürlichen und dazu gehört dieser Rock, den ich jetzt
anprobiere.”
Dawn verdrehte die Augen,
aber schwieg. Sie fühlte sich ein wenig verloren und hilflos. Offensichtlich
musste sie die Sache alleine in die Hand nehmen.
Cleveland, eine Autobahnbrücke
’Hallo mein kleiner Bruder’, ertönte im Kopf des jüngeren
Dämons die leicht ironische Stimme seines großen Bruders. Dieser stand
plötzlich vor ihm, siegessicher. Durch die dunkelbraune Haut der beiden, waren
sie kaum von der Autobahnbrücke zu unterscheiden. Beide standen im Schatten,
und außerdem prangten einige Schriftzüge auf der baufälligen Betonbrücke. Es
nieselte leicht, und der Himmel war voller grauer Wolken.
Die Straße war um diese Zeit nur leicht befahren, also war dies ein sicheres Versteck. An diesem ruhigen Nachmittag war nur ab und zu das Quietschen der Autoreifen zu hören.
‚Du bist im Rückstand.’ Der Ältere grinste. Er war schon immer der Stärkere gewesen, und nach seinen beiden neuen Opfern stand sein Bruder noch weiter unter ihm. Er war der ältere, und der der den Stolz ihres Vaters verdiente. Wenn er genau darüber nachdachte, wollte er seinen Bruder nicht einmal als solchen bezeichnen. Gewisse Schuld am Tod ihrer Eltern traf immer noch ihn.
Natürlich war der Jüngere neidisch auf seinen großen Bruder. Wenn er es nicht bald schaffen würde einige Opfer auf seiner Strichliste einzutragen, würde er nie die Reife seines Bruders erreichen.
‚Gib mir lieber Tips, anstatt mir das ganze vorzuhalten. Unsere Eltern haben dich immer mehr bevorzugt, und da sie kurz nach meiner Geburt starben, hatte ich nie die Chance so eine Ausbildung wie du von Vater zu bekommen.’ Grimmig sah er seinen Bruder an. Mit den Wülsten unter seinen Augen sah er noch furchterregender aus, doch sein Verwandter war ihm auch hier einen Schritt voraus und war noch hässlicher als er selbst.
‚Wenn du die Opfer angreifst die ich für dich ausgesucht habe, wirst du ein leichtes Spiel mit allen weiteren haben. Sie sind nicht von der normalen Sorte. Zwei Jägerinnen.’ Mit einem Lächeln legte der Große seine von Kämpfen gezeichnete Hand auf die Schulter des anderen. Einige großflächige Verbrennungen und Narben ließen nur vermuten, dass er bereits einige Kämpfe mit anderen Dämonen hinter sich hatte. Durch diese hatte er immer ein leichtes Spiel mit gewöhnlichen Menschen gehabt.
‚Jägerinnen? Du glaubst doch nicht wirklich dass ich darauf hereinfalle? Die sind doch noch schwerer zu bekommen als andere Sterbliche.’ Er ging ein paar Schritte weiter weg, um seinem Bruder wieder in die Augen zu sehen.
‚Keine Sorge mein Freund. Sie sind noch recht neu
im Geschäft, ein leichtes Spiel für dich. Beide wohnen hier in der Umgebung.
Sie sind leicht zu finden.’
‚Aber was ist, wenn sie doch stärker sind als ich?’, fragte der Jüngere verunsichert.
‚Stell keine solchen Fragen! Was glaubst du was unser Vater von dir halten würde, wenn du dich nicht einmal zwei schwachen Frauen stellst. Du bist eine Schande für unsere Familie!’, der Ältere sah den Jüngeren durchdringend an.
‚Du hast Recht...ich werde schon noch aufholen. Darauf kannst du dich verlassen.’ Das konnte er einfach nicht auf sich sitzen lassen.
Cleveland, eine abgelegene Lichtung
Später Nachmittag
Mit jedem weiteren Schlag krachte der Baum erneut.
Ronah trainierte in einem etwas abgelegenen Gelände. Ein paar Bäume standen
vereinzelt auf der Lichtung, sowie ein verrosteter Metallzaun, der überhaupt
nicht in diese Idylle passte.
Hier war sie ungestört, und konnte sich für weitere Kämpfe rüsten. Nachdem was
mit Vi geschehen ist, durfte sie sich keinen Ausrutscher mehr leisten. Eine
Unachtsamkeit konnte sie das Leben kosten.
Der Kampf vor zwei Tagen hatte Spuren hinterlassen,
auch wenn die heilenden Kräfte einer Jägerin, schon dafür gesorgt hatten, dass
es kaum noch weh tat. Aber die blauen Flecken im
Gesicht erinnerten noch jeden Morgen daran, was in den Höhlen am Erie-See
geschehen war.
Nach ein paar Minuten stand Ronah schweißgetränkt unter dem größten Baum. Sie
hatte mit etwas zu viel Einsatz gegen die Bäume geschlagen, und nun war etwas
Haut auf ihrem Handballen aufgeplatzt. Sie versuchte die Blutung zu stillen,
was ihr auch schnell gelang.
Plötzlich hörte sie ein Knistern. Was war das?
Wahrscheinlich nur irgendein Tier, dass sich hierher
verlaufen hatte. Aber als sie erneut ein Geräusch wahrnahm, spitzte sie ihre
Ohren. Doch bald war dies nutzlos, da nach wenigen Sekunden ein starker Regen
einsetzte. Sollte sie weiter trainieren? Am besten wäre es, schnell auf die
Straße zu rennen und sich einen anderen Ort dafür zu suchen. Einen, der
trockener war.
Der Himmel verdunkelte sich relativ schnell. Hatte sie etwa auch die Zeit
übersehen?
Sie trat einen Schritt nach vorn. Wieder dieses Geräusch. Verunsichert drehte sie sich im Kreis.
Der Regen war inzwischen schon so stark geworden, dass der Baum nicht mehr seine Wirkung tat. Nach ein paar Sekunden hingen ihre schwarzen Haare schlaff herunter, und ihre Kleidungsstücke klebten an ihrem Körper.
Plötzlich stand ein Dämon hinter ihr. Seine Augen leuchteten, und waren trotz der einsetzenden Dunkelheit gut zu erkennen.
‚Ich glaube dein Training war umsonst. Es hat
ohnehin dein letztes Stündchen geschlagen.’
Sie wusste nicht woher die Stimme kam, aber Ronah wirbelte um ihre Achse herum. Sie fixierte ihn erschrocken mit ihren Augen. Hatte er so laut geschrien oder war die Stimme nur in ihrem Kopf?
“Das glaube ich nicht!”, antwortete die Jägerin, doch sie konnte nicht einmal ihr eigenes Wort hören.
‚Du wirst bald nicht einmal mehr die Stimme dazu haben, um um Hilfe zu schreien!’, er grinste in sich hinein. Das war seine Chance, seinem Bruder zu beweisen, dass er auch nicht ganz ohne war.
Im nächsten Augenblick rannte er auf sie zu. Ronah ging in Abwehrstellung, und ließ den Fuß des Dämons ins Leere treten. Sie duckte sich, als ein weiterer ihren Kopf treffen sollte. Mit einem Faustschlag traf sie den Dämon in den Brustkorb, doch er fing sich auf, bevor er auf dem Boden aufprallte.
‚So einfach zu besiegen sind diese Jägerinnen ja doch nicht.’, murmelte der Dämon in sich hinein.
Siegessicher rannte Ronah auf ihn zu. “Sie hatte sich zuvor ihren Speer, welcher im Boden steckte, gegriffen, und zielte nun erneut auf seinen Brustkorb. Er wich nach rechts aus, und sie streifte nur seine Schulter. Dunkles Blut rann seinen Oberkörper entlang.
Wütend packte er sie, und drehte sich im Kreis. Er schleuderte sie gegen die große Eiche. Ronah schnappte nach Luft. Ihr ganzer Körper fühlte sich nicht besonders gut an, doch so einen Möchtegern-Gegner würde sie allemal besiegen können.
Vor ihrem Gesicht tauchte seine Fratze auf. Er grinste. Doch dann sammelte sie wieder neue Kräfte. Mit einem Fußtritt schleuderte sie den Dämon von sich weg und stand auf.
“Na warte!”, schrie sie, und rannte auf ihn zu. In seiner Verwunderung bemerkte der Dämon nicht, dass sie bereits kurz vor ihm stand, und ihm ins Gesicht schlug. Beim nächsten Schlag duckte er sich, und konterte sofort mit seiner Faust, die die Jägerin genau im Bauch traf.
Sie wurde weiter zurück
geschleudert und ihr Seitenstechen wurde nur noch schlimmer. Schnell atmend
richtete sie sich auf. Als sie auf den Boden sah, bemerkte sie, dass ihr Speer
nicht weit entfernt von ihr lag. Bevor der jüngere Dämon reagieren konnte,
hielt sie die Waffe schon sicher in ihrer Hand.
Als er erneut auf sie zu rannte, rammte sie den bereits blutigen Speer in seine andere Schulter. Er schrie auf, doch nichts kam aus seiner Kehle. Ein gewaltiger Schmerz machte sich in seinem ganzen Körper breit.
‚Mein eigener Bruder, hat mich verraten.’, dachte er sich. Das verlangte nach Rache, doch vorher musste er sich noch erholen.
Bevor er auf die Knie ging, funkelte er Ronah an. ‚Dann eben beim nächsten Mal.’, hörte sie, als er aufstand, über den Zaun sprang, und im Wald verschwand.
“Dass darf doch nicht wahr sein!”, murmelte sie. “Hat man denn nie seine Ruhe vor denen?”
Der Regen wurde langsam schwächer, und sie rannte so schnell sie konnte zur nächsten Telefonzelle. Gott sei Dank hatten die Rabauken, die sonst immer die Telefonhörer von den Angeln rissen, hier nicht ihr Werk verrichtet. Hastig tippte sie Robin‘s Handynummer ein.
Dieser Angriff roch nach einer neuen Scoobie Sitzung.
Cleveland, eine Autobahnbrücke
Etwas später
‚Was fällt dir eigentlich ein!’, der jüngere Dämon trat gegen eine
Holzkiste, die quer über seinen großen Bruder flog. Dieser hatte sich schon
einen Schlafplatz eingerichtet. Ein paar zertretene Getränkedosen und zerfetzte
Decken waren noch vom Vormieter geblieben, und ließen das ganze wohnlich
wirken. Vielleicht würde er hier ja länger sein Lager aufschlagen müssen, wenn
sein Blutsverwandter weiterhin Schwäche zeigte.
‚Was ist dir denn über die Leber gelaufen?’, fragte der Ältere mit Unschuldsmiene, doch er grinste in sich hinein. ‚Hat dich diese kleine Jägerin fertig gemacht?’ Er sah seinen kleinen Bruder an, und erkannte dass seine Schultern verletzt waren. Sein dunkles Blut tropfte in langsamen Abständen auf den Boden. ‚Ruinier mir nicht das Ambiente!’
‚Du hast
mir diesen Tipp gegeben. Doch diese schwarze Jägerin hättest du bestimmt auch
nicht erledigen können. Gibt es denn
keine andere Jungfrau in dieser Gegend?’,
er funkelte seinen Gegenüber an, und schlug gegen eine weitere Kiste, die sein
Bruder fast liebevoll zu einem Tisch umfunktioniert hatte.
‚Natürlich...aber mit deiner Kraft, ist doch jede
zu stark für dich.’
Der Jüngere wurde wütend, und ballte seine Faust. Sein eigener Bruder wollte ihn einfach so abschlachten lassen.
‚Du bist einfach dumm. Leuchtet es dir nicht ein,
dass du mit der schwächeren Jägerin anfangen hättest sollen? Dann hättest du
genug Kraft für diese gehabt. Mach dich auf den Kampf mit ihr bereit. Falls du
in Schwierigkeiten kommst, wird es wohl wieder an mir hängen bleiben dir zu
helfen!’
‚Ob ich dir noch trauen kann?’, fragte der Jüngere Dämon.
‚Wem sonst? Wir sind die einzigen zwei unserer
Rasse hier. Es existieren nicht mehr viele von uns, und wir beide müsse stärker werden
um wieder an mehr Macht zu kommen.’, antwortete der Ältere. ‚Erinnere
dich was mit unseren Eltern passiert ist.’
‚Na gut...’, schließlich war er immer noch sein Bruder, und ohne ihn würde er nicht mehr lange zu leben haben. Wenn es mehrere von diesen Jägerinnen gab, würden sie seinen großen Bruder ohne mit der Wimper zu zucken erledigen.
‚Dann streng dich mal an Bruderherz!’
Albany, Mine
Der Kampf war in vollem
Gange und Buffy hatte, mit Hilfe von Robia, alle Hände voll zu tun die halb schlafenden,
halb wachen Vampire in die ewigen Jagdgründe zu schicken.
Einen Teil der Vampire hatten sie tatsächlich im
Schlaf gepfählt. Ein schneller und leiser Tod für diese Monster, die dem
kleinen Ort so viel Leid angetan hatten. Doch schnell bekamen die anderen in
der breiten Höhle, in welcher der Minenschacht endete, mit, was um sie herum
geschah. Manche reagierten panisch und flohen, nur um in den letzten
Sonnenstrahlen des Tages zu verglühen. Einige versuchten die beiden Jägerinnen
mit bloßen Händen anzugreifen, während der Rest so
etwas wie eine durchdachte Abwehrstrategie auf die Beine stellen wollte.
Nichts davon hielt Buffy lange auf.
Am Ende stand ihnen nur noch ein kleines Grüppchen Vampire gegenüber, die Eisenpickel oder einfache Holzstangen als Waffen in den Händen hielten. Buffy, trotz ihrer Erfahrung und Stärke deutlich vom harten Kampf gegen die kleine Übermacht gezeichnet, schubste Robia in den Hintergrund. Das hier war eine Angelegenheit, die eine erfahrene Jägerin erledigen musste.
Sie griff fest um ihr mitgebrachtes Schwert und sprang zwischen die Vampire, die überrascht über so viel Mut, erst angriffen, als Buffy bereits einen Vampir geköpft und einen weiteren mit dem Pflock in der anderen Hand gepfählt hatte.
Auf einmal war Buffy damit beschäftigt Holzstangen, die auf sie einprügelten mit der flachen Seite ihres Schwertes abzublocken. Kurz sah die Jägerin über ihre Schulter. Hinter ihr war die Felswand. Wenn es ihr gelang, die Vampire dort hin zu locken, hatte Robia eine Chance, von hinten den einen oder anderen zu pfählen.
Langsam ließ sich Buffy nach hinten drängen und konnte gerade noch im letzten Moment einen der Pickel abfangen, dessen Spitze bedrohlich auf ihr Gesicht zugerast war. Dann fühlte sie die kalte Wand in ihrem Rücken.
Ihre Gegner lächelten siegessicher, doch letztendlich war es Buffy, die breit grinste, als vor ihr drei Vampire schnell hintereinander zu Staub zerfielen. Hinter der Aschewand tauchte Robia auf, die ihren Pflock ansetzte, um einen der letzten beiden Vampire zu pfählen. Doch dieser witterte die Gefahr, wirbelte herum und schlug der jungen Jägerin ins Gesicht, während der andere den kurzen Moment der Ablenkung nutzte, um Buffy am Kragen zu packen.
Der Vampir über Robia, spuckte auf die Jägerin und verzog sein wulstiges Gesicht zu einer abfälligen Miene. “Hast dir wohl Hilfe holen müssen. Dein kleiner, süßer Wächter hat dir nicht gereicht. Übrigens... er war ein vortrefflicher Jahrgang...”, seine Stimme ging in einen schmerzhaften Schrei über, als Robia ihren Mut sammelte und dem Vampir zwischen die Beine trat.
“Das ist für Sam du Schwein,” sie sprang auf ihre Füße und rammte ihren Pflock dem durch den Schmerz wehrlosen Monster in den Rücken. Mit einem “Puff” zerfiel er zu Staub.
Buffy war es inzwischen gelungen mit einem raschen Griff, die Arme um ihren Hals aufzubrechen, schlug ihren Kopf dem Vampir auf die Nase und brachte ihn mit einem halb hohen Beintritt von sich fort. Sie sprang nach, griff nach dem Pickel am Boden und schlug ungebremst auf das Monster ein. Der Pickel drang in den Brustkorb ein und brachte den Vampir zu Boden, der sich schreiend und um sich tretend von links nach rechts wandte.
“Er gehört dir,” sagte Buffy und trat zurück. Robia suchte nach einem Pflock und alles was ihr blieb war eine der Holzstangen, die sie aufnahm und damit zu dem Vampir trat. Sie starrte ihn für einen Moment lang an, ehe sie ausholte und seinem Leiden ein Ende setzte. Sie sah zu Buffy.. nicht erleichtert, über das Ende der Gang, sondern eher traurig und niedergeschlagen. “Das war mal mein Biologielehrer...,” Buffy und Robia starrten auf das Häufchen Asche vor ihnen und die blonde Jägerin verstand sehr gut, wie sich die jüngere fühlte... das alles hatte sie auf ihre Art ebenfalls durchlebt. Doch der Spuk in Albany war vorbei...
Straßen von Cleveland
Später Abend
Müde kickte Dawn einen
kleinen Stein vor sich her. Willow‘s Worte gingen ihr nicht mehr aus dem Kopf.
Wie konnte die Hexe nur so stur sein? Sie war total abwesend und hatte Dawn
nicht einmal richtig zugehört. Leider war Dawn‘s Ausbruch am Schluss der
Diskussion auch überflüssig gewesen. Jetzt wanderte sie schon seit Stunden in
der Stadt umher, um sich über ihre Gedanken klar zu werden. Die Sonne war
bereits am untergehen... und mit einem Blick auf ihre Uhr, wurde ihr bewusst,
dass Buffy bald nach Hause kommen würde. Sie hatte nicht einmal eingekauft, wie
abgesprochen...
Doch Tiffany ging ihr einfach nicht aus dem Kopf. Es
war absurd einfach den Nachrichten glauben zu schenken, ihre Schulkameradin
würde nie auf so eine schiefe Bahn kommen, um gar umgebracht zu werden.
“Hey Kleine hast mal ’n bisschen Kleingeld?”, eine
zerlumpte Gestalt taumelte auf die Jägerin zu, und hielt seine ungepflegte Hand
in Dawn‘s Richtung.
“Ähh, nein, hab’ ich nicht.”, stotterte Dawn und
beeilte sich um weiter zu gehen.
“Hey, gib mir Geld, du
hast doch genug!” rief er ihr laut hinterher.
Wo war sie nur gelandet? Wieso musste sie immer
ihren Kopf durchsetzen, und war den Straßenschildern gefolgt die sie in die
Richtung von Tiffany‘s Fundort geführt hatten?
Als sie sich umschaute
wurde es ihr ganz anders, ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken. Wo sie
hinsah lagen und husteten einige fürchterlich aussehende Personen. Genauso
standen an den meisten Straßenecken tätowierte Männer beisammen, und
unterhielten sich.
Ob sich Tiffany nicht
selbst zu schade war um freiwillig in so eine Gegend zu gehen? Ansonsten hatte
ihr wohl eine gehörige Portion gesunder Menschenverstand gefehlt.
Jetzt wo sie schon einmal hier war, könnte sie sich
ja auch genauer umsehen. Insgeheim hoffte sie, dass ihr nichts passieren würde,
schließlich sahen diese Gestalten finster aus, aber ihr als Jägerin konnte
sobald keiner etwas anhaben. Jedenfalls niemand von menschlicher Gestalt.
Dawn‘s Blick fiel auf
einen alten und verunstalteten Friedhof. In den Nachrichten stand die
Sprecherin ein paar Meter neben diesem. Also dürfte
der Fundort nicht weit davon entfernt sein. Vielleicht würde ihr ja das ein
oder andere Indiz übernatürlicher Art auffallen. Auch wenn es ihr nicht gefiel um diese
Uhrzeit an einem solchen Ort zu sein.
‚So ein kleines Mädchen noch so spät unterwegs? Müsstest du nicht schon im
Bett sein?’
Wer sprach da zu ihr? Aber
vor allem wo war er? Eigentlich hörte es sich eher wie ein Hallen in ihrem Kopf
an.
‚Rate!’
Dawn drehte sich, und in ihr Blickfeld drängte sich
der jüngere Dämon. Die dunklen Gestalten in diesem Viertel kamen nicht einmal
annähernd an seine Abscheulichkeit heran, obwohl er den Körperaufbau eines
Menschen hatte. Die dunkelbraune und vermoderte Haut war kaum von den Bäumen
hinter ihm zu unterscheiden. Seine Augen leuchteten grellgelb, und seine
verschimmelten Zähne konnte sie noch einige
Meter entfernt von ihm riechen.
”Was hast du vor?”, schrie
Dawn.
‚Lass mich überlegen,...’, er ging ein paar
Schritte auf sie zu. ‚Eine Jägerin zum Nachtisch wäre nicht
schlecht.’ Er wollte mit neuem Mut in den
Kampf ziehen.
Der Dämon grinste. Auch
wenn es eigentlich nicht seine Art war, war es vielleicht die richtige Methode
um seine Gegnerin physisch einzuschüchtern, wie es sein Bruder immer mit ihm
tat.
“An mir wirst du dir die Zähne ausbeißen! Ich bin zäh.” Trotz ihrer Selbstsicherheit hatte sie das Viertel vorhin
eingeschüchtert. Außerdem war sie nicht so ausgebildet wie andere Jägerinnen.
Das meiste hatte sie sich von den anderen abgeschaut, und nun stand sie einem
ausgewachsenen Dämon gegenüber. Ja, mit ihrer Selbstsicherheit war es nicht so
weit her.
‚Sieh dich um Jägerin, du weißt dir wird hier keiner helfen wollen und
können. Es wird weh tun.’
Mit dem würde sie fast spielend fertig werden. Wenn
sie eins von ihrer Schwester gelernt hatte, dann das Dämonen die eine große
Klappe haben, meist leicht zu besiegen sind.
Ihr Selbstvertrauen wuchs wieder.
“Komm doch wenn du dich traust.”, rief Dawn während
sie sich in Abwehrstellung begab.
Mit einem Leuchten in den Augen griff der Dämon an
und schmetterte ihr blitzartig zwei Schläge mit den Fäusten in‘s Gesicht, die
sie voll trafen. Von der Wucht des Angriffs traten ihr sofort die Tränen in die
Augen.
Sie konterte mit einem
Fußtritt, der allerdings nicht den gewünschten Erfolg hatte. Der Dämon ging
sofort wieder auf sie los und deckte sie mit Schlägen und Tritten in einer
solchen Geschwindigkeit ein, dass ihr nichts weiter übrig blieb als sie
abzuwehren und auszuweichen.
‚Ist doch einfacher als ich geglaubt habe, mein
Bruder hatte Recht!’, dachte sich der jüngere Dämon,
und biss die Zähne zusammen. Auch wenn seine Verletzungen vom letzten Kampf
noch schmerzten, so war er nun neu motiviert
und ließ sich nichts anmerken.
Für eine vernünftige Taktik gab ihr Gegner ihr gar
keine Zeit. Langsam wurde Dawn klar, dass sie sich überschätzt hatte. Ein
Gefühl von Angst machte sich in ihrem Bauch breit.
Verdammt, wenn doch nur
Buffy hier wäre. Sie würde ihn fix und fertig machen. Mit solchen Dämonen wurde
sie schon vor einigen Jahren fertig.
‚Sie wird dir nicht helfen können!’, sie hörte seine Stimme.
Was war dass? Konnte der Dämon etwa…
‚..deine Gedanken lesen? Ganz recht.’
Er grinste erneut. ‚Und ich lese auch deine Angst. Du wirst
sterben, genau wie alle anderen die auf das Konto von meinem Bruder gingen.
Niemand wird mich daran hindern dich zu töten und mir deine Lebensenergie zu
holen.’
Nachdem er sie ein weiteres mal
mit einem brutalen Fußtritt niederstreckt hatte, verzweifelte Dawn. Ihre Kraft
ließ von Schlag zu Schlag nach und wenn nicht bald ein Wunder geschehen würde,
würde dass ihr letzter Spaziergang gewesen sein.
AKT 3
Cleveland, Buffys Wohnung
Später
Abend
Buffy
ging müde die Stufen zu ihrer Wohnung nach oben. Jeder einzelne Schritt tat
weh. Der Kampf vor wenigen Stunden in Albany hatte Spuren hinterlassen.
Wenigstens war sie so schlau gewesen und hatte den kleinen, örtlichen Flugplatz
dafür genutzt mit einer kleinen Maschine nach Hause zu fliegen. Noch einmal
stundenlang im Zug zu sitzen, hätte sie nicht überlebt. Die Rechnung ging an
Giles - bei dem Gedanken musste sie grinsen und als ihr Magen laut knurrte,
hoffte sie, dass Dawn etwas gekocht hatte.
Als sie die
Tür aufschloss, war weit und breit keine Spur von
Dawn zu sehen. Nicht einmal Tüten mit Lebensmitteln standen auf dem
Küchentisch. Anscheinend hatte Dawn auch keinen Zettel hinterlassen.
Wahrscheinlich hatte sie die Zeit vergessen, während sie sich mit ihrer Clique
herumtrieb.
Buffy
ging ins Badezimmer, um ihre Wunden und Kratzer zu versorgen, ehe sie hektisch
nach ihren ‚Notrufnummern’, wie beispielsweise dem Lieferservice, suchte. Dabei
fielen ihr die Nummern von Xander und Willow auf, die direkt darunter standen.
Schon lange hatten sie nichts zusammen unternommen. Jedenfalls nichts, das
nicht mit einem Kampf oder Recherchen zu tun hatte. Es wäre doch schön sich den
Abend zusammen zu vertreiben, außerdem hatte sie sonst nichts zu tun. Jetzt, wo
Dawn auch nicht zu Hause war.
Fünf
Minuten später saß Buffy enttäuscht im
Wohnzimmer. Xander war mit seinen Firmenunterlagen beschäftigt, würde sich aber
wieder melden sobald er Zeit hatte. Das konnte dauern. Willow nahm nicht einmal
ab, anscheinend war sie zu sehr beschäftigt.
Die Jägerin
beschloss sich auf den Weg zu Willow zu machen,
um sie ein bisschen abzulenken. Schließlich waren Rendezvous mit Büchern auf
die Dauer auch langweilig. Wenn sie sich jetzt eine Pizza bestellen würde,
würde dass einen längeren Zeitverlust bedeuten, als wenn sie bei ihrer Freundin
vorbeischaute, und sich eine Pizza direkt im Restaurant besorgte.
Cleveland, Willows Zimmer
Eine halbe Stunde später
„Pizza
Service!“, rief Buffy, als sie an Willows Tür klopfte. Die Hüterin öffnete ihr.
„Du siehst nicht gut aus.“, entgegnete Buffy, als sie in Willows Zimmer kam.
„Ich weiß,
Augenringe stehen mir leider nicht sonderlich.“, der köstliche Duft der Pizza
drang in ihre Nase. „Was machst du eigentlich hier?“ Die beiden setzten sich
auf Willows Bett und Buffy öffnete den Pizzakarton.
„Ich hab’
spontan beschlossen vorbei zu schauen. Nach einem anstrengenden Tag habe ich
mir gedacht, dass es doch mal wieder Zeit wäre sich zusammen den Abend zu vertreiben ... Xander hat
leider zu tun, und da du nicht abgehoben hast ...“ Die Jägerin hob ein
Pizzastück und biss herzhaft hinein. Endlich etwas zu essen!
„Verdammt. Tut
mir leid, aber ich habe es wohl geschafft dem Hörer mit Einkaufstüten einen
Knockout zu versetzen.“ Ihr Blick wanderte ans Ende des Bettes. Vor ein paar
Stunden hatte sie mit Kennedy telefoniert, und sich danach gleich auf ihre
Präsentation gestürzt.
„Einkaufstüten?
Seit wann gehst du so ausgiebig shoppen?“, fragte Buffy mit hochgezogener
Augenbraue.
„Seit ich
eine Auszeit gebraucht habe. Außerdem habe ich eine schlechte Nachricht.“
„Ist unsere
ganze Lebensmittelversorgung durch einen atomaren Angriff vernichtet worden,
und es existiert nur noch diese Salamipizza?“
„Sorry,
aber da muss ich dich leider enttäuschen.“, antwortete Willow verwirrt.
Nun griff
auch sie sich ein Pizzastück. Seitdem sie vor ein paar Stunden von ihrem
Einkaufsbummel zurückgekommen war, hatte sie nichts gegessen.
„Hätte ja
sein können. Schließlich ist dieser Vorort von Albany fast am anderen Ende der
Welt. Also was ist nun die schlechte Nachricht?“
„Giles hat
anscheinend erfahren, dass du mich angeheuert hast, ihn zu bespitzeln.“ Sie
erwähnte Xander vorläufig nicht. Wenn Buffy keine Einzelheiten verlangte,
konnte sie das mit Xander alleine und in Ruhe klären.
Buffy riss
die Augen erschrocken weit auf und verschluckte sich fast ehe sie ein „Wie
bitte?“, entsetzt hervorbrachte.
„Als ich
heute bei ihm war, war er wie ausgewechselt und ziemlich grantig. Ich halte es
für eine gute Idee, wenn du morgen gleich mit
ihm offen darüber sprichst.“, Willow bereute, dass sie ihre Freundin
angeschwärzt hatte, aber schließlich war es ihre Idee gewesen.
„Ich
glaube, diese Nachricht ist fast so furchterregend, wie das mit der Pizza.“, antwortete Buffy; sie schluckte.
Aber schließlich war es kein Fehler gewesen, Willow
vorzuschlagen Lily zu beobachten. Da musste Giles doch mit ihrer Meinung übereinstimmen.
Natürlich war es falsch ihren eigenen Wächter beschatten zu lassen, aber
schließlich hätte ihn diese Frau genauso gut beeinflussen können.
Beide
griffen sich noch ein Stück. Für ein paar Minuten wechselten sie kein Wort
miteinander.
„Weißt du eigentlich wo
Dawn steckt?“, fragte Buffy um die Stille zu unterbrechen. Sie war nicht
hierher gekommen, um sich anschweigen zu lassen, oder Schuldgefühle zu
bekommen. Außerdem hatte sie sich schon, als sie nach Hause gekommen war
gewundert, wo ihre Schwester um diese Zeit war.
„Dawn? Ich
habe sie heute beim Einkaufen in einem Laden getroffen.“
„In einem
Lebensmittelladen?“, Buffy hob eine Augenbraue.
„Nein, aber
sie hat mir bei einer Kaufentscheidung geholfen ... und mir eine Geschichte über
einen Mord erzählt. Sie glaubt, dass etwas Übernatürliches dahinter steckt,
aber ich meine, täglich passieren Morde, und nur weil ein Mädchen in ihrer
näheren Umgebung getötet wurde, muss dass nicht heißen, dass ein Mord dahinter
steckt.“
„Das
hört sich nicht gut an.“ Buffy warf einen Blick auf die Uhr. Als sie nach Hause
gekommen war, war es schon spät gewesen, und wenn Dawn jetzt noch nicht zurück
war...
„Darf
ich telefonieren?“, wenn ihre Schwester abhob, war kein Grund zur Sorge, aber
wenn sie es nicht tat...
Die Jägerin
wühlte sich unter den Einkaufstüten durch. Nachdem sie es zweimal versucht
hatte, war immer noch kein „Dawn Summers am Apparat“ zu hören.
„Ich habe
kein gutes Gefühl, Buffy.“, entgegnete Willow, als Buffy, in Gedanken
versunken, den Hörer – diesmal richtig – auf die Gabel legte.
„Ich auch
nicht unbedingt ...“
„Aber ich
meine das anders.“, die Hütern sah Buffy
durchdringend an.
„Du meinst
... du spürst es?“
Bevor
Willow antworten konnte, durchzuckte ein Gefühl von Schmerz ihren Körper. Sie
fühlte Dawns Angst. In ihrem Nacken stellen sich die Härchen auf. Im nächsten
Augenblick zitterte Willow bereits.
Ihr Kiefer
stach vor Schmerz. Ihre Zähne fühlten sich taub an, als hätte sie etwas mit
voller Wucht getroffen.
Buffy sah
ihre Freundin schockiert an, saß aber gleichzeitig wie festgewurzelt da.
Willow
schloss ihre Augen, doch dieses Stechen in ihrem ganzen Körper ebbte nicht ab.
Im Gegensatz dazu erhöhte sich die Geschwindigkeit ihres Herzschlages, der ihre
eigenen Gedanken übertönte.
„Willow?“,
fragte Buffy unsicher und kniete sich vor die
Hüterin.
Willow
konnte Buffys Stimme hören, allerdings weit von ihr selbst entfernt, als würden
sie einige Meter trennen.
Plötzlich
brannte ihre Stirn, es fühlte sich an als wäre ihre Haut dort aufgeplatzt.
Instinktiv presste die Hüterin ihre Hände gegen ihren Kopf.
Im nächsten
Moment hörte sie Buffys Stimme erneut. Diese versuchte sie aus ihrer Welt
zurückzuholen.
„Konzentrier
dich Willow. Denk an Dawn, wir müssen sie retten!“
Vielleicht
war es falsch gewesen Dawn heute nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt zu haben.
Spätestens diese Schmerzen bewiesen ihr dies. Doch jetzt war es ihre Aufgabe,
Buffy Dawns Standpunkt zu verraten.
„Ganz
ruhig, Will’“, sagte Buffy. Sie musste einen
kühlen Kopf bewahren.
Buffys
Stimme in ihrem Kopf hörte sich von Wort zu Wort klarer und lauter an.
Dann
öffnete Willow die Augen. Zunächst musste sie noch gegen das brennende Licht
blinzeln, doch ihre Pupillen hatten sich schon nach ein paar Sekunden an die
Helligkeit des Zimmers gewöhnt.
Der Schmerz
in ihrem Körper wurde von Atemzug zu Atemzug weniger, doch in ihrem Kopf
hämmerte es immer noch und ihr Herzschlag wollte sich
einfach nicht beruhigen.
Gebannt
starrte Buffy auf Willows Stirn. Ein paar Tropfen Blut rannen langsam ihr
Gesicht herunter.
„W-Was
ist?“, flüsterte Willow.
„Ich glaube
diese Schmerzen wirken sich nicht nur auf deinen seelischen Zustand aus ...“
Willow
tastete ihre Stirn ab. Als sie ihre Finger ansah, war sie ebenso schockiert wie
Buffy. Blut klebte an ihren beiden Händen, aber die Blutung schien bereits zu
stoppen.
„Auch wenn
ich dich gerade nicht allein lassen will, sollte ich vielleicht Dawn finden
...“, Buffy wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte. Es sah so aus, als
hätte Willow gerade die Schmerzen ihrer Schwester erlebt.
Sie nickte.
Willow lehnte sich nach hinten, und versuchte nicht überzukippen. Ihr
Gleichgewichtssinn hatte sich anscheinend gerade verabschiedet. Sie öffnete
eine Schublade und durchstöberte diese. Bevor sie nach wenigen
Sekunde eine Straßenkarte von Cleveland hervorholte, presste sie ein
Taschentuch auf ihre Stirn.
„Sie hat
mir etwas vom Drogenviertel erzählt, und ich glaube genau so wird dieser
Straßenteil genannt.“ Willow deutete mit einem Finger auf ein paar gelb
markierte Striche, und fuhr sie nach Richtung Norden nach.
„Ich glaube
da war ich schon mal, als ich mich auf die Suche nach einer Wohnung gemacht
habe ... Bist du dir ganz sicher?“
„Es spricht
alles dafür, Buffy. Ich hoffe du bist mir nicht böse, wenn
ich dir nicht bei der Suche helfe ... Ich glaube, ihr
Schwestern schafft das schon allein.“, sie zwinkerte ihrer Freundin zu.
„Es tut mir
leid, dass ich dich jetzt allein lassen muss.“, besorgt sah sie Willow an.
„Nun geh
endlich.“, die Hüterin lächelte Buffy an, überspielte dadurch aber nur, dass
sich ihr Zustand nur langsam besserte.
„Hmm ...
Die Pizza muss wohl leider auch warten.“, antwortete die Jägerinund machte sich
auf den Weg zur Tür.
Straßen
von Cleveland
Der Gedanke, dass
Dawn irgendwo da draußen allein war und vermutlich in größter Gefahr schwebte,
machte Buffy Angst. Genauso wie sie Willows Schmerzen sehr beängstigend fand.
Wenn sie nur annähernd das waren, was Dawn fühlte... Die Panik in ihr wuchs
langsam aber stetig. Irgendetwas stimmte schon seit Längerem nicht mehr
zwischen ihr und ihrer Schwester. Seit dem Tod von Vi. Ob es vielleicht daran
lag, dass sich Buffy
als Jägerin von ihrer jüngeren Schwester mehr distanzierte? Hieß eine Jägerin
zu sein automatisch, dass man zu Beziehungen, egal ob zum Freund oder der
Familie, nicht fähig war?
Ihre
Beziehung zu Riley war durch Buffys Dasein als Jägerin zerstört worden.
Was, wenn Buffy
sich inzwischen auch schon so weit von Dawn entfernt hatte, dass sie nicht mehr
an sie herankam? Hinzu kam jetzt allerdings noch die Tatsache, dass ihre
Schwester ebenfalls zu einer Jägerin geworden war.
Das Brummen
des Motors machte Buffy auf den vorbeifahrenden Wagen aufmerksam. Gequält
stellte sie fest, dass ein großer Aufkleber mit dem Schriftzug „Joe’s Pizza“
darauf prangte. Aufdringlich und drängelnd knurrte ihr Magen. Auch wenn sie vor
wenigen Minuten ein paar Bissen Pizza gegessen hatte, baute sich ein Gefühl von
Hunger weiter in ihrem Bauch aus.
Kampfgeräusche,
erst leise, dann immer lauter waren plötzlich zu hören. Vielleicht hatte
irgendein Vampir wieder Lust auf frisches Blut bekommen oder – und diese Ahnung
verstärkte das flaue Gefühl in ihrem Magen, das neben dem Hunger in ihr wütete,
noch zusätzlich – Dawn kämpfte. Sie hatte den Ort erreicht, den Willow ihr
hatte verraten können.
Ohne sich
weiter um den Pizzawagen zu scheren, stürmte
Buffy auf die dunkle Gasse, die vor ihr lag, zu. Sie kümmerte sich nicht um die
Bettler, die sich auf dem Boden ein Plätzchen
eingerichtet hatten, und ihr etwas Unverständliches zuriefen. Umfallende Kisten
waren zu hören, genauso wie leises Keuchen. Dem folgte ein spitzer Schrei.
Jetzt gab es für die blonde Jägerin keinen Zweifel mehr, dass Dawn in diesen Kampf
verwickelt war. Immer schneller rannte Buffy und verfluchte dabei die schier
endlos wirkende Gasse, die zum Friedhof führte.
Dawn hatte
die Kraft des Dämons unterschätzt. Es sah nicht gut aus. Dunkelrotes Blut lief
an ihrer Stirn herunter, lief ihr in den Mund
als sie ihn öffnete um Luft holen zu können. Der Dämon hingegen schien noch bei
besten Kräften zu sein, auch wenn er ebenfalls schwerer atmete. Welche
Strategie war jetzt die Beste? Weglaufen? Dawn erinnerte sich, dass Buffy den
Anwärterinnen damals geraten hatte auf ihren Instinkt zu hören. Wenn er sagte
rennen, dann sollten sie genau dies tun.
Der Dämon
setzte zu einem Sprung an, den er mit gestrecktem Bein ausführte und die junge
Jägerin so mit voller Kraft gegen den nächsten Kistenstapel schleuderte, der
zerberstend in viele kleine Holzsplitter zerbrach. Der braunhaarige Teenager
stöhnte, rappelte sich auf und hielt sich die Rippen. Bei ihrem Sturz musste
sie sich ein, zwei Rippen angeknackst haben.
Die Gestalt
machte sich schon bereit erneut anzugreifen, doch dazu kam es nicht mehr.
„Dawn!“
zerschnitt eine altbekannte Stimme die Nacht. Dawns Kopf fuhr ruckartig herum.
Doch der Dämon rührte sich nicht. Es war Buffy, die einen Ausdruck grimmiger
Entschlossenheit im Gesicht hatte.
Der Dämon
folgte schließlich Dawns Blick, und sah direkt in Buffys Augen. Dawn nutzte die
Abgelenktheit des Dämons, um ihm einen Tritt zu verpassen, was sie gleich
darauf bereute, denn ihre angeknacksten Rippen
meldeten sich schmerzhaft zu Wort. Das Mädchen biss die Zähne zusammen, lehnte
ihren Rücken gegen die Wand an die er sie gedrängt hatte, und setzte sich in
den Haufen aus zerbrochenen Kisten.
Trotz ihrer
Verletzung war Dawn immer noch stark genug gewesen, um das Monster so weit aus dem
Gleichgewicht zu bringen, dass es taumelte und schließlich zu Boden fiel.
Obwohl
Buffy wusste, dass Dawn eine Jägerin war, war es trotzdem verblüffend zu sehen,
welch enorme Kräfte sie besaß, aber dass der Kampf nicht zu ihren Gunsten
ausgegangen war, zeigte deutlich, dass Dawn noch nicht annähernd gut genug
trainiert war, um sich ausreichend schützen zu können. Von diesem Standpunkt
aus, war es verantwortungslos von Dawn gewesen sie nicht gleich über ihr Jägerinnen Dasein zu informieren. Buffy hätte zwar nicht
gerade Luftsprünge gemacht, hätte sich damit aber schließlich irgendwie
arrangiert.
Schließlich
hatte sich das Monster wieder erhoben, wandte sich aber nicht Buffy zu, wie sie
erwartet hatte, sondern wieder an das verwundeten Mädchen. Die blonde Jägerin
sprintete auf das Wesen zu bevor es bei ihrer Schwester ankommen konnte,
drückte sich im Lauf vom Boden ab und sprang dem Monster mit ausgestreckten
Beinen in den Rücken. Der Dämon schwankte und fiel zu Boden. Gleich darauf war
es wieder erstaunlich schnell auf den Beinen.
Fußtritte und Faustschläge wurden ausgetauscht, die Dawn abgelenkt durch ihre
Schmerzen, nur noch halb wahrnahm.
Buffy
spürte, dass der Dämon stark war, aber nicht unbesiegbar zu sein schien. Er
blutete an mehreren Stellen leicht und erste Ermüdungserscheinungen ließen ihn
ein wenig unachtsam werden. Buffys Faustschläge kamen fast jedes Mal ohne Mühe
durch seine Deckung hindurch. Die blonde Jägerin musste nicht einmal sonderlich
einfallsreiche Kampftechniken anwenden.
Doch
anscheinend hatte sich Buffy, was die Konzentration und Kondition des Dämons
betraf, getäuscht – er gab nicht klein bei. Also wagte die Jägerin doch ein
kleines Kampfmanöver, um den Kampf endlich zu beenden. Sie täuschte einen
Schlag auf Magenhöhe vor, damit er nicht mitbekam, wie sie ihren ausgestreckten
Fuß dafür benutzte, um ihn zu Fall zu bringen. Sie fing den Körper des Dämons
auf, griff rasch nach seinem Hals und brach ihm mit einem Ruck das Genick.
Der Dämon
riss den Mund auf vor Schmerz, doch zu ihrer Verwunderung hörte sie keinen
Laut, sondern nur das Knacksen seines Genicks.
Nachdenklich
sah die Blonde auf seinen Körper. Wäre Dawn heute gestorben aufgrund ihrer
mangelnden Erfahrung, wäre das zum Teil auch Buffys Schuld gewesen. Statt sich
auf ihr eigenes Leben zu konzentrieren hätte sie die Zeichen nicht ignorieren
dürfen. Aber hatte sie das wirklich? Die Zeichen ignoriert? Oder hatte Dawn es
gut genug vor ihr verborgen?
Durch Dawns
schmerzerfülltes Stöhnen, das hinter Buffy ertönte, wirbelte die Jägerin herum
und starrte ihre kleine Schwester besorgt an. Sofort war sie an ihrer Seite und
sah sich die Verletzungen an. Dawn grunzte vor Schmerz,
als ihre Schwester eine Hand an ihre Rippe legte um festzustellen ob sie
gebrochen war. Sie war nur angeknackst.
„Rettung in
letzter Sekunde!“ stöhnte das Mädchen leise mit dem Anflug eines Lächelns, das
Buffy mit einem ernsten Gesicht sofort erlöschen ließ.
Vorsichtig
half sie Dawn dabei aufzustehen, stützte sie so gut es irgendwie ging und
machte sich daran sie nach Hause zu bringen. Sie mussten dringend miteinander
reden. Noch war längst nicht alles zwischen ihnen geklärt. Immerhin hatte Dawn
ihre Schwester monatelang belogen, was wohl am Schlimmsten an der ganzen Sache
war.
Cleveland,
Wohnwagen
Zur selben Zeit
„Alles in
Ordnung?“, fragte Faith besorgt, als sie die Tür des Wohnwagens hinter sich
schloss.
Schnaufend und mit einer Hand auf den Bauch gepresst ging Ronah zu ihrem Bett
und setzt sich langsam nieder. Robin riss die Tür des Wohnwagens auf und trat
schnell auf Ronah zu.
„Okay, lass mal sehen ...“, sagte er leise, während sie sich stöhnend nach
vorne beugte und er ihr Shirt nach oben schob. Ein großer, roter Fleck zierte
die untere Hälfte des Rückens der jungen
Jägerin, und während Faith besorgt näher trat, schmierte Robin den Rücken mit
einer Wundcreme ein, die er aus dem Wächterhaus geholt hatte.
„Der Aufwand zahlt sich doch gar nicht aus, so schlimm ist es nicht ...“, sagte
Ronah, wurde aber von einem „Ach sei still ...“ von Faith abgewürgt.
„Das
nächste Mal suchst du dir einen Trainingsort in der Stadt aus. Das war ja eine
halbe Weltreise.“, klagte Faith scherzhaft. Robin sah sie kurz anklagend an und
konzentrierte sich dann auf das, was Ronah im Wagen erzählt hatte.
„Er ist also einfach so aus dem Wald aufgetaucht? Was wollte er?“, fragte Robin
nachdem er das Shirt wieder nach unten geschoben und die Tube wieder
zugeschraubt hatte.
Langsam lehnte sich die dunkelhäutige Jägerin zurück und betrachtete Faith und
Robin, die ihr gegenüber auf Vis altem Bett saßen und sie besorgt anstarrten.
Auf Robins Wange prangte ein kleiner Verband, der die genähte Wunde aus dem
Kampf vor zwei Tagen verbarg.
„Ihr übertreibt maßlos. Was soll er schon gewollt haben? Er war ein Dämon, ich
bin ’ne Jägerin ... folgerichtig wollte er mich töten.“, stellte sie fest,
griff nach der Flasche Wasser, die neben ihr lag und nahm einen kräftigen
Schluck.
„Nein ... da muss mehr dahinter steckten...“, Faith stand auf und ging Richtung
Ausgang. ‚Eve hat es gesagt. Sie werden sterben ...’, schoss es ihr plötzlich
durch den Kopf und besorgt drehte sie sich um.
„Okay, ganz egal was seine Motive waren, er hat den Kampf überlebt. Er wird
seine Kräfte sammeln und zurück kommen. Er wird für
dich zurück kommen, Ronah ...“
„Aber ...“, wollte Ronah Faith unterbrechen, kam aber nicht dazu, noch ein
weiteres Wort zu sagen.
„Nein, lass mich ausreden. Er wird warten; auf einen Moment warten, indem du
dich nicht richtig verteidigen kannst. Du wirst also ab jetzt nicht mehr
alleine auf Jagd gehen, und du wirst außerhalb dieses Gartens auch nicht
alleine trainieren, verstanden?“
Wenn Ronah nicht gewusst hätte, dass Faith dies absolut ernst meint, hätte sie
laut losgelacht. War das ihr Ernst? Sie wollte sie hier nur wegen diesem
lächerlichen Kampf einsperren? Sie hatte schon gegen viel stärkere Gegner
gekämpft.
„Ach bitte Leute, was ist denn los mit euch? Der Kampf
war doch harmlos!“ Ronah zuckte mit den Schultern und wollte aufstehen, als
Faith auf sie zutrat.
„Hast du mich verstanden? Du wirst dich daran halten, bis wir den Dämon
vernichtet haben.“
Ronah verdrehte die Augen, drängelte sich an der älteren Jägerin vorbei und
öffnete die Tür.
„OB DU MICH VERSTANDEN HAST?“ schrie Faith, als sie sich umdrehte und Ronah besorgt
aber bestimmend nachsah.
Überrascht sah sie Faith an. „Wow ... ich wusste ja nicht ... ähm.“ Sie
sammelte kurz ihre Gedanken, dann fuhr sie fort: „Ja, okay. Ich werde mich
daran halten. Mach dir nicht so viele Gedanken darüber!“ Daraufhin verließ sie
den Wohnwagen.
Überraschend legte Robin seine Arme auf Faith’ Schultern.
Diese reagierte nicht, sondern starrte ihrer
jungen Kampfgefährtin besorgt nach.
“Faith, ich wollte nicht vor Ronah darüber
reden, aber ich denke, dass du übertreibst.“
Von einer Sekunde auf die andere schüttelte sie seine Hand ab, drehte sich um
und sah ihn aggressiv an.
“Du hast nicht gesehen, was ich gesehen habe!“
bellte sie den Wächter an, drehte sich wieder um und verließ ebenfalls den Bus.
Cleveland, Ratszentrale
Einige Minuten später
„Buffy? Hier ist Giles. Uhm, wenn du zu Hause bist, dann komm so schnell
wie möglich in der Ratszentrale vorbei. Und beeil dich! Es ist wichtig!“
Es gab
einen Piepton, dem ein Klicken folgte. Giles
seufzte entnervt.
Wie sehr er
doch diese Anrufbeantworter hasste, aber so war wenigstens sichergestellt, dass
Buffy seine Nachricht bekam und so schnell wie möglich kommen würde.
Buffy’s
und Dawn’s Wohnung
Eine Sekunde später
Gerade als der
Wächter aufgelegt hatte, wurde die Tür geöffnet und Buffy bugsierte eine schwer
lädierte Dawn durch die Eingangstür. Auch wenn ihre kleine Schwester das alles
als harmloser abstufte als es aussah, war Buffy besorgt. Dieser Dämon war
bestimmt nicht nur hinter Dawn her gewesen, weil er einen Spaß daran hatte
Teenager zu ängstigen, sondern vielleicht auch weil sie eine Jägerin war. Wenn
das so weiter ging, konnte Buffy sich auf harte Zeiten und schlaflose Nächte
gefasst machen, bei denen sie sich fragen musste, ob ihre Schwester nicht
vielleicht von einer Horde Vampire angegriffen wurde, oder vielleicht sogar
schon tot war. Wie hatte ihre Mutter das immer nur ausgehalten?
Buffy
verzog den Mund ein wenig, als hätte sie die
gleichen Schmerzen wie ihre Schwester, was ja auch stimmte, denn die Erinnerung
an ihre Mutter war auch Jahre nach ihrem Tot noch schmerzlich. Und gerade in
Zeiten wie diesen wo sie Joyce´ Rat gut hätte gebrauchen können, merkte die
blonde Jägerin erst wie sehr ihre Mutter fehlte. Nicht nur ihr. Auch Dawn.
„Mir geht
es gut, Buffy. Ehrlich. Das ist nur ein Kratzer!“, versuchte Dawn ihre
Schwester zu beruhigen und somit davon abzuhalten sie weiterhin wie ein rohes
Ei zu behandeln, denn das war genau das, was sie
vorausgesehen hatte - weshalb sie Buffy verschwiegen hatte, dass sie eine
Jägerin war.
„Nein, es
geht dir nicht gut!“ erwiderte Buffy ruhig und berührte Dawn leicht an der
verletzten Rippe. Das Mädchen stöhnte sofort auf und verzog das Gesicht, was
ihre große Schwester mit einem grimmigen Lächeln quittierte. „Ich hole
Verbandszeug. Rühr dich nicht von der Stelle, Dawn!“, bestimmte die blonde Frau
und setzte ihre jüngere Schwester vorsichtig auf einen Stuhl. Jede
Erschütterung schmerzte wie tausend Messerstiche. Hoffentlich begann die Wunde
auch wirklich schnell zu heilen.
Dawns
Befürchtungen zerstreuten sich jäh als sie einen Blick auf die Blessuren an
ihren Armen warf. Sie begannen sich zu verkleinern, worüber Dawn dankbar
seufzte.
Buffy
kehrte mit etwas Verbandszeug zurück, nahm Dawn gegenüber Platz und verband
ihre Rippen. Die jüngere Summers zischte ein paar Mal,
als Buffy mit dem Verband ihre verletzte Rippe streifte. All das geschah
schweigend.
Vielleicht
war es nur reine Einbildung, aber Dawn hatte das Gefühl, dass Buffy sich zwar
mit dem Gedanken anzufreunden versuchte, dass ihre Schwester jetzt eine Jägerin
war, es ihr aber mehr als schwer fiel. Und ihre Lügerei der letzten Monate
hatte nicht gerade dazu beigetragen es Buffy leichter zu machen.
„Das müsste
erstmal reichen. Die anderen Verletzungen fangen schon an zu heilen.“, sagte
Buffy leise, packte die Erste-Hilfe-Utensilien wieder in den Koffer aus dem sie sie genommen hatte und musterte Dawn, als
sehe sie sie zum ersten Mal.
Dawns Blick
hingegen glitt an ihrer Schwester vorbei. Sie konnte sie nicht ansehen, konnte
die Traurigkeit und Sorge in ihrem Blick nicht ertragen. Da leuchtete etwas.
Der Anrufbeantworter!
Erleichtert
endlich etwas zu Buffy sagen zu können, wandte sich Dawn an ihre Schwester:
„Jemand hat eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen.“ Um zu
unterstreichen was sie meinte, wies Dawn kopfnickend auf das blinkende rote
Lämpchen.
„Buffy?
Hier ist Giles. Uhm, wenn du zu Hause bist, dann
komm so schnell wie möglich in der Ratszentrale vorbei. Und beeil dich! Es ist
wichtig!“
„Klingt
übel! Wir sehen uns dann später!“, Buffy schien genauso erleichtert zu sein,
abgelenkt zu werden, denn so schnell wie sie an der Wohnungstür war, roch es
förmlich nach Flucht. Doch Dawn sprang auf, was sie augenblicklich wieder schmerzlich an ihre verletzte Rippe erinnerte.
Sofort war ihre große Schwester bei ihr.
„Ich komme
mit!“, brachte die Braunhaarige hinter zusammengepressten Lippen hervor.
„Das kommt
überhaupt nicht in Frage! Du bist verletzt und solltest dich ausruhen!“
„Buffy ich
bin eine Jägerin! In ein paar Stunden wird es mir besser gehen. Außerdem hat
Giles gesagt, dass es wichtig ist. Vielleicht kann ich euch helfen.“
Auch wenn
Buffy davon überzeugt war, dass Dawn in ihrem Zustand niemandem eine Hilfe war,
willigte sie ein. Auch deshalb, weil für eine Diskussion jetzt der falsche
Zeitpunkt war.
Cleveland, Wächterhaus
Etwas später
„Dieser
Dämon passt auf deine Beschreibung.“, sagte Giles überzeugt, als er das Buch
vor sich umdrehte, damit Ronah und die anderen einen Blick auf die Zeichnung
werfen konnten.
„Das ist
er.“, nickte die Jägerin und versuchte den
restlichen Text zu entziffern.
„Gib dir
keine Mühe, außer du kannst Altgriechisch.“ Der Wächter nahm das Buch wieder
auf, und lehnte sich gegen die Tischkante. Im selben Moment kamen Buffy und
Dawn herein. Schockiert über Dawns körperlichen Zustand wurden beide begrüßt.
„Was ist
passiert?“, Robin trat helfend auf die beiden zu.
„Ach nichts,“ winkte Dawn ab. „Nur ’ne kleine Prügelei ...“
Giles
horchte auf, aber außer einem besorgten Gesicht blieb ihm nicht viel Zeit,
nachzufragen, da Buffy ihrer Schwester rasch aber
fürsorglich einen Stuhl hinstellte und sich dann
selbst neben Giles setzte, wobei ihr Blick auf die Zeichnung im alten Buch fiel.
„Das ...
Das ist er!“, stellte sie schockiert fest. „Ich glaube ihr wart schneller, als
ich denken konnte. Dieser Dämon hat Dawn angegriffen!“
„Ronah aber
auch.“, warf Faith ein.
Buffy fuhr
herum, um sich Ronah genauer anzusehen. Also hatte er nicht nur ihre Schwester
im Visier gehabt.
„Wir müssen
ihn so schnell wie möglich erledigen!“, entgegnete Robin, nicht ohne Dawn einen
besorgten Blick zuzuwerfen. „Wenn er gezielt Jägerinnen angreift, können wir
uns ausrechnen, wann ihm dies bei dieser Auswahl irgendwann gelingen wird.“
„Schon
erledigt.“, Buffy grinste und verschränkte ihre
Arme. Ihr Blick wanderte durch die Runde, die sie nur erstaunt ansah. „Ich habe
ihm das Genick gebrochen.“
Doch noch
bevor sich Erleichterung bei allen zeigte, las Giles ohne auf Buffy zu
reagieren den Text des Buches laut vor.
„Der
Kodakan Dämon ist ein taubstummer Dämon aus der Mythologie der Hindukush. Gegen
ihn helfen keine Bannsprüche, weil er sie nicht hört. Er riecht die Gewalt, und
ist sofort zur Stelle wenn er ein neues Opfer für sich gutschreiben kann. Er
saugt ihnen die Lebensenergie aus.“
„Taubstumm?“,
fragten Dawn und Ronah im Chor. Das erklärte die Stimme in ihren Köpfen.
„Ich kann
mich eigentlich nicht daran erinnern, ob er was gesagt hat ... eigentlich war
es mehr so, als würde er meine Gedanken lesen.“,
sagte Dawn und Ronah nickte zustimmend, als alle Blicke auf sie gerichtet
waren.
Giles las
ungerührt weiter. „Sie können die Gedanken ihrer Opfer lesen und per
Gedankenübertragung mit ihnen kommunizieren.
Sie saugen ihren Opfern die Lebensenergie aus, um selbst einen längeren
Lebensstatus zu haben, länger zu leben, und schlussendlich einen höheren, gottesähnlichen Status zu erreichen.“, Giles sah besorgt
auf, als er ein paar Zeilen weiter stumm überflogen hatte.
„Ist das nicht alles unwichtig? Ich habe ihn bereits getötet!“, ließ Buffy etwas enttäuscht über den ausbleibenden Applaus verlauten.
„Die
einzigen Möglichkeiten ihn zu töten ist ihm selbst die Energie auszusaugen, ihn
einzufrieren und ihn anschließend zu zerschlagen, oder ihm das Herz zu
zerreißen.“
„Ihre
Bücher klingen immer mehr wie Horrorbücher,“ stöhnte
Buffy. „Was heißt das genau?“
„Genick
brechen hilft nicht ...“, antwortete Giles, um Buffys Hoffnung zu zerschlagen.
„Wir werden
uns an die Beschreibung halten müssen,“ meinte Faith.
„Ich hab kein Problem dieses Mistding einzufrieren. Wir brauchen nur einen
Köder.“
„Und wieso
konnte ich den Dämon nicht hören? Ich bin während der Kampfzeit doch auch zu
einem seiner Opfer geworden.“, entgegnete die blonde Jägerin.
„Nun, das
ist nicht so einfach. Der Kodakan Dämon saugt nun ... Um ...,“
etwas unbehaglich sah Giles zwischen Ronah und Dawn hin und her. „Ja ... Er ...
ähem,“ ein nervöses Räuspern von Giles ließ alle
ungeduldig zu ihm hinübersehen. „Nun ja, er saugt nur Jungfrauen die
Lebensenergie aus, weil nur diese eine Art reine Energie in sich tragen.“,
antwortete Giles. „Und deswegen kommuniziert er nur mit diesen Opfer.“
„Wie bitte?
Diese Einstellung ist doch total veraltet, und frauenfeindlich dazu!“, Buffy
war empört.
„Ich glaube
darum kümmert sich unser Dämon nicht sonderlich,“
murmelte Faith mit einem ziemlich breiten Grinsen.
„Also wenn
er nur Jungfrauen tötet ... dann bleiben Männer verschont?“, fragte Andrew
vorsichtig.
„Fragt da
einer aus Sorge um sein Leben?, antwortete Kennedy
spitz.
„Pass
lieber auf dein eigenes auf!“ grinste er zurück. „Wenn es nämlich ein politisch
nicht korrekter Dämon ist, bist du für ihn auch eine Jungfrau!“
„Einige von
den Opfern sind männlich, vielleicht ist es ein emanzipierter Dämon.“,
entgegnete Willow, als sie den Text des Buches überflog, das nun auf dem Tisch vor ihnen lag.
„Gut, dann
gehen wir mal davon aus, dass der Dämon auf beide Geschlechter
steht.“, warf Buffy in die Runde.
„Ist das
nicht genauer im Buch definiert?“, fragte Willow, die den Band bereits wieder
Giles zugeschoben hatte.
„Wieso hatten sie früher in der Bibliothek eigentlich nie solche interessanten
Bücher?“, meldete sich Xander.
„Weil ich
dich kannte,“ gab Giles trocken zurück und Xander
musste grinsen.
„Was sollte
denn genauer definiert sein?“, schaltete sich Robin dazwischen.
„Na,
definiert der Dämon nicht die biologische Jungfräulichkeit?“, Willow blickte zu
Giles.
„Das können
wir nicht definitiv wissen und das Buch gibt nicht viel her.“, antwortete ihr
der ältere Wächter.
„Kann doch
sein, dass er bei Lesben eine Ausnahme macht.“, Kennedy hob ihre Augenbrauen.
„Ich
glaube, wir sollten wieder auf unsere ursprüngliche Diskussion zurückkommen!“,
ließ Giles verlegen verlauten, als das Gespräch in die falsche Richtung geriet.
„Sehe ich
auch so.“, Faith stimmte ihm zu. „Also nur Jungfrauen? Wieso hat er gerade
Ronah und Dawn ausgesucht?“
„Vielleicht
nur, weil sie Jägerinnen sind. Es könnte doch sein, dass ihre Energie noch
reiner und stärker ist als die von normalen Menschen.“, antwortete Willow. „Und
sicher gab es schon vorher andere Opfer.“
„Also ich
möchte doch schwer hoffen, dass meine kleine Schwester neben ihren Jägerinnenkräften auch noch ihre Unschuld besitzt,“ sie sah fragend und drohend zu Dawn hinüber. Die
junge Jägerin nickte eifrig. Mit dem Hauch eines schlechten Gewissens dachte
sie an jenen Tag zurück, an dem sie so gerne mit Shin geschlafen hätte. Ronah
dahingegen blieb auffällig stumm. „Und zudem.“, fuhr Buffy leicht reserviert
fort. „Was für ein Glück, dass der Dämon erst jetzt hier in Cleveland
aufgetaucht ist. Stellt euch vor, wenn
der Dämon früher in diese Gegend gekommen wäre! Wir hätten nicht gewusst das
Dawn in Gefahr schwebt ... Es ist gut, dass wir es endlich auch wissen.“
„Soll das
eine Anspielung sein, Buffy?“, entgegnete Willow bevor
Dawn protestieren konnte.
„Vielleicht
... Wenn du und Dawn nicht geheimgehalten hättet, dass ...“
„Könntet
ihr euer Gespräch zurückhalten?“, fragte Giles etwas angekratzt. „Ich denke
nicht, dass wir jetzt Zeit für private Probleme haben. Noch dazu die Zeit für
Streitereien ...“
„Ich will
mich ja gar nicht streiten. Ich bin nicht mal wirklich sauer auf Willow. Ich
würde nur gern wissen, wieso sie keine Probleme hatte mich zu verraten.“, fuhr
Buffy ungehindert von Giles drohendem Zwischenwurf fort.
„Ich? Frag
doch Xander!“, antwortete Willow etwas sauer, ehe sie sich auf die Zunge beißen
konnte. Schuldbewusst blickte sie zu Xander hinüber und deutete ein „es tut mir
leid“-Schulterzucken an.
„Aber ...“,
mischte sich Xander. Doch bevor ein Streit wirklich ausbrach, beeilte sich Willow in Anbetracht der stark umwölbten Stirn von Giles, das Ruder herumzureißen:
„Wartet
Leute ... Giles hat recht. Uns jetzt anzufauchen,
bringt doch nichts. Reden wir später in Ruhe darüber. Wir haben genug andere
Probleme. Vergessen wir die Reiter nicht.“, Willow griff nach ihrer Tasche und
zog einen dicken Stapel Blätter hervor. „Ich habe nämlich auch noch eine gute
Nachricht an diesem etwas verpatzten Tag. Das Buch ist decodiert.“ Sie schob
Giles die Blätter zu. „Und ich glaube
Dawn hat zu den Visionen noch etwas hinzuzufügen ...“, sie nickte der jungen Jägerin
auffordernd zu.
„Na ja, was
Will meint ... ich hatte damals auf dem
Geisterschiff eine Vision von einem Reiter und als ihr alle diesen mysteriösen
Traum hattet ... da hatte ich ihn auch.“ Etwas geschockt starrten die anderen,
ausgenommen von Willow, Dawn an, die sich sehr unwohl fühlte. Langsam erzählte
sie von Cleveland, dem Erdbeben, der zerstörten Stadt, dem Wasser und
schließlich von jenem Reiter, der aus dem Wasser hervorbrach und in den Himmel
aufstieg.
„Heißt das
... der vierte Reiter ist hier?“, Buffy sah entsetzt zu Giles, der langsam
nickte.
„Durchaus
möglich ... ich kann erst mehr sagen, wenn ich das Buch gelesen habe. So lange
sollten wir uns wohl auf diesen Kodakan Dämon
konzentrieren. Sobald ich es gelesen habe und uhm. .. Lilys Notizen durch
habe, weiß ich mehr.“
„Lily.“,
Faith drückte sich von der Wand los.
„Gutes Thema ... wissen sie was diese...“, Faith unterdrückte den Wunsch all
ihre Verwünschungen laut auszusprechen. Sie wollte Giles’ Gefühle nicht
verletzten. Etwas überrascht über ihr plötzliches Feingefühl, blinzelte sie
unsicher, fing sich aber rasch wieder. „Sie hat Vi ermordet.“
„Ich
weiß.“, sagte Giles ruhig und sanft. „Ich habe ihre Aufzeichnungen gefunden.“
„Und was
wollen sie dagegen unternehmen?“
„Ich
schätze, sie wird dafür büßen müssen, wie jeder normale oder andere Verbrecher
auch....“
„Sie wollen
sie einem Gericht überlassen?“, brauste Faith auf.
„Wir können
sie wohl schlecht selbst richten.“, mischte sich Robin ein.
„Und ich
werde den Rat benachrichtigen.“, fügte Giles hinzu. „Wenn sie sich in London
blicken lässt. .. werden wir sie sofort verhaften
lassen.“
Faith
machte eine skeptische Miene. Sie wollte Giles Worten glauben und darauf
vertrauen, aber sie rechnete damit, dass dieses Miststück von einer Wächterin
noch einige Asse im Ärmel hatte.
„Hm ...“,
machte Dawn plötzlich nachdenklich. „Also ich weiß nicht ... Lily hat mir
ziemlich genau erklärt, was sie plante. Das habe ich euch allen ja schon
berichtet. Dabei hat sie keine Reiter
erwähnt.“
„Es ist
möglich, dass sie von ihnen wirklich nichts weiß. Hätte sie das Buch vom
Friedhof gehabt ... wer weiß.“, überlegte Giles laut. „Vielleicht wäre dann
einiges anders gelaufen. Aber wenn wir gerade erneut vom Thema abgekommen sind
... dieser Unsterbliche, den ihr erwähnt habt ...“
Willow und
Dawn horchten auf.
„Nun ...
dieses Lichtwesen hat euch nicht doch noch mehr darüber erzählt?“
„Das hätten
wir ihnen doch längst erzählt,“ ereiferte sich Dawn.
„Gut ... dann
werden wir wohl das alles Schritt für Schritt herausfinden müssen ... sofern
uns die Zeit dafür bleibt. Vielleicht steht über diesen Unsterblichen etwas in
der Literatur. Ansonsten ... suchen wir diesen Kodakan Dämon.“
„Heißt das
jetzt auch noch Nachtschicht?“, fragte Buffy ohne viel Begeisterung. „Albany
war anstrengend ...“
„Vielleicht
könnten Faith und Kennedy losziehen.“,
beruhigte Giles, während die anderen bereits aufbrachen. „Ich würde
sowieso ... Nun ... könnte ich dich bitte für einem Moment alleine sprechen?“,
Giles sah Buffy eindringlich an. Es fiel ihm überraschend leicht seine einstige
Jägerin darum zu bitten und es fühlte sich auch richtig an. Vor einigen Monaten
wäre er nie dazu in der Lage gewesen. Als er Buffy zwar zögernd aber zustimmend
nicken sah, ohne Skepsis im Blick oder Ablehnung, wusste er, dass es ihr wohl
ähnlich erging.
Giles Büro
Sie hatten
wirklich andere Probleme und Sorgen und wie es schien, hielt sich der örtliche
Höllenschlund nicht damit zurück ihnen zu der bevorstehenden Katastrophe mit reichlich
exotischen Dämonen das Leben zu erschweren. Trotzdem war es Giles wichtig, dass
diese erneute unausgesprochene Sache zwischen Buffy und ihm geklärt wurde.
Buffy hatte
noch nicht die Tür hinter sich geschlossen, als sie Giles mit ihren Worten
hastig zuvorkam:
„Hören sie,
Giles, ich weiß, weswegen sie mit mir sprechen
wollen. Willow und ich haben darüber geredet. Und ich verstehe auch wieso sie
nun ... Ehm ... darüber verärgert sind.“, sagte Buffy unsicher und registrierte
Giles’ nach oben wandernde Augenbraue.
„Verstimmt?“, fragte sie sich selbst verbessernd nach, und als auch die andere
Augenbraue von Giles nach oben wanderte, versuchte sie es mit einem
kleinlauten: „Gekränkt?“
Giles
musste schließlich schmunzeln, auch wenn ihm nicht gerade danach war, und
schüttelte den Kopf. „Verletzt würde es eher treffen. Du hättest zu mir kommen
sollen und mit mir offen über deine Befürchtungen reden können.“
„Sind sie
sich da sicher?“, Buffy trat von der Tür weg und setzte sich auf einen der
Besucherstühle. Sie fühlte sich nicht gerade wohl in ihrer Haut, aber die Gewissheit, dass sie beide in ihrer Beziehung gereift
waren und offener miteinander umgehen konnten, gab ihr ein wenig Sicherheit.
„Ich meine, sie waren vor einem halben Jahr sehr euphorisch und in allem was
sie taten sehr.. unbeirrbar. Zudem waren sie verliebt.
Der Versuch leise Zweifel anzubringen, wurden so gut wie alle übersehen,
überhört und missachtet. Und zu allem...“, Buffy spielte nervös am Saum ihrer
Bluse herum, ehe sie etwas leiser die Worte hervorbrachte: „Wir waren zu diesem
Zeitpunkt noch nicht so weit.“
Giles
senkte seinen Blick, um das erneute Lächeln zu verbergen. Buffy hatte ja recht und eigentlich tat es ihm bereits sehr leid, dass er
Willow für das, was Buffy ihr aufgetragen hatte, so barsch angegangen war. Er
würde sich bei ihr entschuldigen müssen. Und es gab auch keinen Grund wirklich
länger böse auf Buffy zu sein. Er verstand ja, was sie getan hatte.
Er setzte
sich neben sie auf den zweiten Besucherstuhl, weil er ihr nicht durch den Platz
hinter seinem Schreibtisch die alte, kühle Distanz entgegenbringen wollte, und
beide sahen für einen kleinen, schweigsamen Moment in verschiedene Richtungen.
Buffy fand die alte Schriftrolle neben dem Eingang sehr interessant, während
Giles Blick zum Fenster hinausging. Noch immer regnete es, wenn auch nicht mehr
so stark. Es war ein trister Frühlingstag gewesen, der irgendwie zu dem ganzen
Tag passte.
„Uhm ...
Ja.“, begann Giles zögernd und räusperte sich erneut, während sie beide weiter
in die jeweils gewählte Richtungen blickten. „Das haben wir ja jetzt dafür ganz
gut hinbekommen.“
„Haben wir,
ja.“, Buffy drehte ihren Kopf und blickte ihren ehemaligen Wächter mit einem
sanften Lächeln an. Nicht im Traum hatte sie nach Willows Offenbarung daran
geglaubt, dass es so friedlich ablaufen
würde. Sie hatte mit mehr Vorwürfen und einem sehr verletzten Engländer
gerechnet.
„Und ich
meine ... du hast ja nicht so vollkommen unrecht gehabt, was Lily betraf. Und
es ist ja auch nicht so, dass nun ... Willow in deinem Auftrag Aufzeichnungen,
Notizen und Gespräche ausspioniert hätte. Sie war nur. .. aufmerksam.“ Auch
Giles wandte sich wieder Buffy zu. „Vielleicht ... wäre ich vor einigen Monaten
wirklich ... verletzt gewesen und verärgert.“
Buffys
Gesicht verzog sich ein wenig. Kam jetzt doch die befürchtete Ansprache?
„Darum
denke ich ... vergessen wir die Geschichte?“
„Oh, darauf
können sie wetten.“, sagte Buffy erleichtert und konnte das erste Mal seit sie
das Büro betreten hatte wirklich befreit lächeln. Sie lehnte sich entspannt
zurück. „Und ... wie gehen wir jetzt wegen Lily weiter vor? Haben Sie schon den
Rat informiert?“
Giles
schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht, was wir tun werden oder tun können. Lily
scheint vom Erdboden verschwunden zu sein. Ich habe mit England telefoniert ...
aber sie sagen, sie hätte sich noch nicht gemeldet.“
„Wissen sie
dort Bescheid?“
„Ich war...
vorsichtig in dem was ich ...,“ Giles unterbrach sich, als er Buffys
anklagendes Gesicht sah und seufzte. „Ich hatte nicht den Mut, ihnen zu sagen,
was Lily getan hat. Es ist so viel Schreckliches passiert und wir sind auf
jeden so angewiesen ... es hätte sicher dazu beigetragen, dass die Anderen an ihrer
Arbeit und am Aufbau zu zweifeln begonnen hätte. Zudem wusste ich wegen Vi ja
selbst noch nichts.“
„Emma!“,
Buffy saß auf einmal kerzengerade im Stuhl und Giles war sichtlich verwirrt
über Buffys Reaktion auf seine Worte.
„Emma?“
„Ja, Emma.
Sie ist doch gestern Morgen nach London geflogen. Auf Lilys Vorschlag hin ...
sie verstehen?“
„Großer
Gott ...,“ Giles Gesicht verdüsterte sich. „Ich rufe sofort an und frage
nach.“, dabei griff er bereits nach dem
Hörer und wählte die Nummer. Buffy saß gespannt da und hoffte, dass sich ihre
Sorge verflüchtigen würde.
„Rupert
Giles. Ja ... ja ich weiß, dass niemand hier ist. Aber es ist ein Notfall.
Versuchen sie es bei Lenhardt. Er gehört zu den Frühaufstehern.“ Meine Güte,
dachte Giles, es musste etwas vor oder nach fünf Uhr morgens in London sein.
Daran hatte er im ersten Moment gar nicht gedacht. Er wurde vom Nachtportier in
die Warteschleife geschaltet und während er auf eine Reaktion wartete, sah er
über seine Brille hinweg zu Buffy. Er fühlte, dass die Jägerin große Angst um
die junge, neue Jägerin hatte. Und er Trottel hatte die Reise auch noch
genehmigt. „Oh ... Mr. Lenhardt,“ auch wenn Giles mit
dem Mann gerechnet hatte, war er nun doch erstaunt. „Es tut mir leid, wenn ich
so früh anrufe ...“
London - Hauptsitz Rat der Wächter
„Aber nicht
doch, Mr. Giles.“, Lenhardt lehnte sich mit einem breiten, zuckersüßen Lächeln
in seinem Stuhl zurück. „Ich bin meist
so früh im Gebäude, weil man ungestört ist, ehe die anderen gegen acht
eintreffen und einem das Leben mit Meetings und Problemen erschweren. George
sagte etwas von einem Notfall?“
Cleveland
“Es geht um eine junge Jägerin aus Cleveland. Emma Perkinson. Wir haben sie
gestern in ein Flugzeug gesetzt ...“
London
„Ja, der
Name ist mir vertraut. Ms. Usher und sie haben uns erst vor einigen Tagen ihre
Anreise mitgeteilt. Was ist mit ihr?“
Cleveland
“Sie sollte inzwischen angekommen sein ... haben sie etwas von ihr gehört?“
Giles wurde nervös. Das waren keine guten Zeichen.
London
„Nein,
nicht das ich wüsste. Und das meiste geht über meinen Schreibtisch, wie sie
wissen.“ Lenhardt beugte sich nach vorne und nahm die dampfende Teetasse in die
Hand. „Was ist passiert?“
Cleveland
„Das wüsste
ich selbst gerne.“, seufzte Giles. „Hören sie ... sobald Emma ankommt, rufen
sie mich umgehend an. Und dasselbe gilt auch für Ms. Usher. Es gab hier
Probleme und wir wissen nicht in wie weit wir ihr noch trauen können ...“
London
„Hört sich
wirklich nach einem Notfall an.“, sagte Lenhardt kühl, nippte an der Tasse und
stellte sie zurück. „Aber natürlich melde ich mich wieder bei ihnen, sobald
sich eine der Damen bei mir meldet.“, sein Gesicht verzog sich zu einem breiten
Lächeln und sein Blick richtete sich nach vorne, während eine zweite Tasse Tee
vom Schreibtisch aufgenommen wurde – Lily Usher schlug ihre Beine übereinander,
stellte die Untertasse auf ihrem Knie ab, und schenkte Lenhardt in diesem
Moment eines ihrer gewinnenden, warmen Lächeln.
Cleveland.
„Danke, Mr.
Lenhardt. Ich melde mich bald noch einmal und werde ihnen alles über Ms. Usher berichten sobald
wir das Gesamtbild erfasst haben,“ Giles schüttelte
den Kopf, als Buffy ungeduldig drein sah und ihre Enttäuschung und ihre Sorge
wuchs.
London
„Aber
natürlich. Ich bin sehr gespannt. Auf Wiederhören.“, Lenhardt legte auf und
blickte erwartungsvoll zu Ms. Usher. „Wo
waren wir stehen geblieben?“
Cleveland,
Shin’s Haus
Nächster Tag, Nachmittag
„Shin ... es tut mir leid wenn ich
wieder so einfach hereinplatze.“, Dawn stand vor Shins Tür, und wackelte von
einem Bein aufs andere.
„Hallo
Dawn. Ist alles in Ordnung?“, fragte er besorgt, als er bemerkte wie
aufgebracht sie war.
„Ja ...
mehr oder weniger. Darf ich reinkommen?“
„Na ja ...
Tradition hin oder her ... Natürlich. Schließlich muss ich ja nichts mehr
verstecken.“ Er lächelte. „Aber beruhig dich erst mal.“ Liebevoll legte er eine
Hand auf ihre Schulter. „Was ist los?“
Beide
steuerten auf seine Zimmertür zu. Shin blieb im Türrahmen stehen. „Setz dich
bitte. Soll ich dir etwas zu trinken bringen?“
„Nein
danke.“, Dawn setzte sich auf sein Bett, und bewunderte die verschiedenen
Drachen die auf die Decke gestickt waren.
Also
schloss er die Tür hinter sich, und setzte sich auf die andere Bettkante.
„Was willst
du mir denn erzählen?“, fragte er erneut.
„Dieser
Mord, an einer meiner Mitschülerinnen. Ich ... Ich bin mir nicht sicher, ob die
Polizei recht hat.“ Sie sah ihn durchdringend an. „Das Mädchen war eine
Musterschülerin. Sie wurde ermordet ... aber nicht von einem Junkie.“ Tief in
sich fühlte Dawn, dass sie mit Shin auch über das andere Problem reden konnte
... doch diesen Dämon behielt sie erst einmal für sich.
„Ich habe
erst heute von dem Mord erfahren. Aber so etwas geschieht nun mal. Bist du dir
wirklich sicher?“
„Ja, ich
weiß auch nicht wieso. Aber es ist so ein Gefühl. Na ja ...“, Dawn suchte nach
den richtigen Worten. Sie hoffte, dass wenigstens ihr Freund ihr glauben würde.
„Lass der Polizei einen Tag Zeit ... vielleicht haben sie sich getäuscht und alles klärt sich auf. Weißt du was ... ich hab dich vermisst. Du hast dich rar gemacht ... selbst auf der Arbeit. Wie war’s eigentlich mit Lily im Kino?“, fragte Shin, um etwas von der annahenden Stille zu verdrängen. Anscheinend ging das ganze Dawn sehr Nahe, und vielleicht gab es ja noch etwas was sie bedrückte. Shin setzte sich im Schneidersitz hin und rückte ein Stück näher zu Dawn.
„Ich hab
dich auch vermisst.“, sie streichelte über seinen Arm. „Aber ... es war...
alles etwas stressig ... und das mit dem Kino ... meine Güte. .. Lily ... ich hab dir davon ja noch gar nichts erzählt ...
sagen wir so, ich kam in den Genuss mich wie Jack Bauer zu fühlen ...“
Nachdem
Dawn Shin alles erzählt hatte was sie glaubte, dass er wissen musste,
ausgenommen jene Stellen, die ihre Existenz als Jägerin und Schlüssel betrafen,
wurde ihr klar, dass sie Shin eines Tages die Wahrheit darüber sagen musste.
Auch wenn er ein Dämonenjäger war, und vor kurzem ganz offen mit ihr über seine
Familientradition gesprochen hatte, war ihre Geschichte doch eine ganz andere ...
Besorgt sah
Shin sie an und legte erneut einen Arm um sie.
„Entführt ... ? Mein Gott, was war denn mit der los?
Da hast du wohl nicht wenig durchgemacht. Aber ich verspreche dir immer für dich
da zu sein! Falls da mehr ist, dass du mir erzählen möchtest ...“
Er ahnte
etwas - ganz bestimmt. Sie konnte es fühlen. Oder bildete sie es sich nur ein?
Doch darüber wollte sie jetzt nicht so genau nachdenken. Sie wollte sich
einfach in seinen Arm kuscheln und dem Gefühl nachgeben, sich zum ersten Mal
seit den letzten Tagen richtig entspannen zu können.
„Danke.“, flüsterte sie, und lehnte ihren Kopf an seine Schulter.
Nach ein
paar Minuten fing es an erneut leicht zu regnen. Dawn hob ihren Kopf. „Ich
liebe es, wenn ich den Regen höre.“ Sie lächelte ihren Freund an. „Und ich
liebe es, hier in deinen Armen zu liegen.“
„Ich seh’
das wohl auch so.“, er strahlte und warf Dawn
ein zuckersüßes Lächeln entgegen. „Obwohl es jetzt langsam genug geregnet hat.“
Dawn konnte
nicht anders, als ihm einen kurzen Kuss auf die Lippen zu geben. Doch diese
Sekunde kam ihr so kurz vor, und sie wollte mehr von seinen Lippen schmecken.
Aber sie konnte sich nicht rühren, ihr Herz klopfte einfach immer schneller.
Shin versank
in ihren Augen, und da sie ihm gerade einen Vorgeschmack gegeben hatte, lehnte
er sich etwas nach vor, um erneut seine Lippen mit ihren zu vereinen. Wie hatte
er sie in den letzten Tagen vermisst ...
Für ein
paar Sekunden saßen sie einfach nur so da. Doch dann legte Dawn ihre Hände um
seinen Hals, und langsam begannen ihre Zungen sich zu erforschen. Er liebte den
Geruch ihres Shampoos, und spielte mit ihren Haaren, bis seine Hände langsam
ihren Rücken hinunterwanderten.
Dawn fühlte
dieses angenehme Kribbeln, das seine Zunge und seine Hände verursachten. Er
machte sie verrückt nach ihm. Sie hatte keine
Ahnung wie lang sie schon so beisammen saßen, und lehnte sich zurück, um
vollständig auf dem Bett zu liegen.
Ohne ihre
Zunge für eine Sekunde missen zu müssen, folgte Shin ihr, und schmiegte seinen
Körper an ihren.
Dawn wollte
mehr von ihm fühlen, und ließ ihre Hände über
seinen Rücken streifen. Als sie weiter unten angekommen war, fuhr sie mit ihren Händen unter sein Shirt, und genoss es
seine weiche Haut zu fühlen.
Dawn ließ
Shin einen angenehmen Schauer über den Rücken laufen. Es war einfach so
unglaublich schön sie zu küssen, sie zu schmecken ...
Für eine
Sekunde löste Dawn ihre Lippen von Shins, und sah ihm einfach nur in die Augen.
Wie von einer oberen Macht gesteuert, zog sie sein T-Shirt hoch, und über
seinen Kopf.
Mit einer
Hand fuhr sie die Konturen seines Oberkörpers nach, während ihre andere Hand
noch auf seinem Rücken ruhte.
Sie machte
ihn nur noch abhängiger. Anstatt sie wieder auf den Mund zu küssen, wanderte
sein Mund zu ihrem Hals, und hinterließ sanfte Küsse auf diesem. Währenddessen
streiften ihre Hände noch immer seinen Körper entlang.
Als er an
ihrem Shirt angenommen war, sah er ihr in die Augen.
Dawn
nickte, und gab sich vollständig seinen Berührungen hin....
Kennedys Wohnung
Selber Zeit
„Morgen ist der wichtigste Tag in deinem Leben!“, sagte Kennedy, als sie wie ein Feldwebel vor Andrew stand. Zufrieden
ließ sie ihren Blick über die Einkaufstüten auf dem Boden schweifen, die mit
aller nötigen Kleidung und wichtigen Accessoires vollgestopft waren.
Andrew
stand wie ein Häufchen Elend vor ihr und
versuchte beleidigt die Krawatte etwas zu weitern,
da sie ihm fast die Luft abschnürte. Zu seinem Bedauern hatte Kennedy ihm
verboten ein Comic Motiv zu wählen, und ihm einen schlichten, schwarzen Schlips
ausgesucht. Wenn er genauer darüber nachdachte, wäre so etwas bei James Bond
allerdings auch lächerlich gewesen.
Kennedy
blätterte in ihrem ledernen Terminplaner. „Also, shoppen
und beim Friseur waren wir schon, jetzt bringe ich dir bei wie man sich bei
Tisch benimmt, und heute Abend werden wir...“
„Heute
Abend? Heute Abend wollte ich aber mit Warren ins Autokino und das Spiderman
Double Feature gucken! Wir müssen analysieren, ob die Szene mit dem Split Screen in der Brille aus Matrix geklaut ist!“
Kennedy
blieb der Mund offen. „Huh? Hältst du mich denn für bescheuert? Kein Mensch
geht in ein Autokino, um sich Filme anzugucken. Meinst du, ich wüsste nicht,
was ihr da macht?“
Andrew
sah sie mit seinem unschuldigsten Augenaufschlag an. „Huh?“
„Ihr
guckt den ganzen Liebespaaren beim Rummachen zu und ärgert euch darüber, dass
solche nervigen Typen wie ihr es seid, keine Freundinnen abkriegen!“
Andrew
schaltete von verwirrt auf beeindruckt um. „Wow, du hast aber eine schmutzige
Phantasie!“
Ohne ein
weiteres Wort zu sagen, sah sie ihn schockiert an. Es war besser diese
Diskussion ein andermal fortzuführen.
Nachdem sie
die Einkaufstüten in Andrews Armen gestapelt hatte, beorderte sie ihn in ihre
Wohnung. Als sie sorgfältig den Esstisch gedeckt hatte, begann Kennedy mit den
ersten Erziehungsversuchen.
„Also,
stell dir einfach vor, du bist James Bond. Kopf hoch, Brust raus, Lächeln. Du
hältst die Gabel in der linken Hand und das Messer in der Rechten, so isst man
in England. Das Besteck von Außen nach Innen. Und sitz’ gerade ...“
Andrew
seufzte. „Und das soll ich alles gleichzeitig machen?“
„Ja, ja ich
weiß schon, ihr seid nicht multi-tasking fähig, weil eure Gehirnhälften nicht
richtig miteinander verbunden sind. Deshalb habt ihr auch kein sprachliches
Denken und keinen multiplen Orgasmus!“
Er sah Kennedy hoffnungslos verwirrt an. „Männer haben keinen
multiplen Orgasmus?“
„Das
muss ich dir jetzt nicht erklären, oder?“, Kennedy rollte mit den Augen.
„Heißt
das, sie werden davon blind und kriegen Leberschäden?“, fragte er verzweifelt.
Kennedy
stieß einen Seufzer aus und nahm ihm das Besteck aus der Hand. “So, jetzt
proben wir das richtige Trinken!“
Cleveland, Park
Etwas später am Nachmittag
Das Licht
einzelner Sonnenstrahlen brach sich in den Pfützen, die nass schillernd den
schmutzigen Parkweg überzogen. Die zartgrünen Blätter auf den Bäumen, und die
blühenden Krokusse verbreiteten einen Hauch von Frühlingsstimmung, auch wenn
die prasselnden Regentropfen und das Gedränge, der durch den Schauer hastenden
Menschen so rein gar nichts Frühlingshaftes an sich hatten.
Ein kleines
Mädchen in einem gelben Regenmantel stand mit ihrer Mutter am Ufer des Teichs
und verfütterte Brotreste an die Gänse.
Dawn musste
über diese Szene schmunzeln. Manche Dinge änderten sich wirklich nie.
Heftiges
Fußgetrappel riss sie aus ihren Gedanken und im nächsten Moment stieß sie
beinahe mit einem tütenbepackten Andrew zusammen, der um die Ecke gerannt kam.
“Entschuldigung,“ keuchte er, “Oh, hi Dawn, was machst du denn hier?“
“Ich bin
auf dem Heimweg.“, stammelte sie. “Ich war bei Shin und jetzt bin ich auf dem
Heimweg! Weg von Shin. Zu mir.“
“Hast du’s
eilig?“, fragte Andrew. “Falls nicht, dort drüben ist ein Café und ich könnte
dir ’ne Coke spendieren ...“
“Uhm ...
das ist lieb, danke, aber ich bin grad’ nicht in Kaffee-mit-Coke Stimmung.“ Sie
lächelte vor sich hin.
“Willst du
lieber ’ne Karotte?“, Andrew zog eine solche aus einer seiner Einkaufstüten.
“Haben viel Vitamin A, das ist sehr gesund für die Augen. Ich hab’ gleich ’nen
ganzen Packen mitgenommen ...“
Er brach ab
und blickte Dawn an. Irgendwie schien ihr Lächeln heute strahlender zu sein,
als sonst und in ihren Augen lag dieser ganz besondere Glanz. “Du siehst
verändert aus.“, stellte der Junge fest, und musterte sie neugierig, doch ihre
Kleidung war wie
immer. “Neue Frisur?“, versuchte er es vorsichtig.
Dawn
blickte ihn verwirrt an, und ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. “Abgesehen
davon, dass meine Haare klatschnass sind? Selbe wie immer!“
Sie
überlegte, wie sie das Gespräch auf ein unverfänglicheres Thema bringen konnte
und stellte fest, dass sie das eigentlich gar nicht wollte. Alles in ihr war
noch so warm und so hell und sie wollte dieses Licht und diese Wärme solange
wie möglich auskosten bevor sie wieder in den Alltag zurückkehrte.
Alles hatte
sich heute Nachmittag verändert. Auch wenn ihre Probleme dadurch nicht kleiner
geworden waren.
“Kommst du
nicht von selbst darauf?“, fragte sie leise.
“Na ja.“,
murmelte Andrew verlegen, “weißt du, ich hab’ immer gedacht, dass das nur in
Filmen so sei. Dass man hinterher anders aussieht, mein ich ... Und ich hab’
mich oft gefragt, warum so ein Riesenwirbel, um diese eine Sache gemacht wird
... ob sie das eigentlich wert ist.“
“Wie meinst
du das?“, wunderte sie sich. “Willst du mir jetzt etwa erzählen, der erste
Kinobesuch sei ein bedeutenderer Augenblick im Leben eines Mensch?“
“Ich denk’
mal, es hängt von jedem Menschen selbst ab, welche Augenblicke in seinem Leben
bedeutend sind.“, sagte Andrew, “aber das hab’ ich jetzt gar nicht gemeint. Ich
meine, alles hängt immer nur an dieser einen Sache fest, so als ob es nichts Anderes
gäbe. Das ist wie beim Essen, es gibt ein Steak als Hauptgericht und alles
andere ist nur Vorspeise und Nachtisch und Beilage.“
Dawn
kicherte: “Ja, genau, und wenn man irgendwann einen Vegetarier trifft, fragt
man ihn als erstes: ’Wovon lebst du eigentlich? Ohne Steak wird man doch nicht
satt!’
Ohne
Übergang wurde sie wieder ernst. “Ich hab’ das immer ein bisschen wie eine
Pyramide gesehen, wo ein Stein auf dem anderen aufbaut und man geht einen
Schritt und noch einen Schritt und irgendwann, wenn man dazu bereit ist, geht
man dann den letzten Schritt. Aber es stimmt schon, warum soll es eine Regel
für alle Menschen geben, welches der letzte Schritt ist?“
“Gibt es ja
auch nicht.“, widersprach Andrew, “und wie soll es überhaupt einen letzten Schritt
geben, wenn es noch Hunderte anderer Schritte gibt, die man vielleicht bloß
deshalb nicht macht, weil man nicht checkt, dass der Weg noch weiter geht?“
“Jeder
Schritt ist etwas Besonderes.“, Dawn dachte an den Tag zurück, als sie Shin zum
ersten Mal bei Cleveland Rides getroffen hatte. Dann die Katastrophe mit dem
Ball, und wie lange es gedauert hatte, bis sie sich endlich ausgesprochen
hatten. Und schließlich die Teezeremonie und ihr erster Kuss ... und dann...
“Du
lächelst wie die Monalisa.“, stellte er fest und sie erwachte aus ihrem kurzen
Tagtraum.
“Es hat
alles gepasst.“, hauchte sie leise. “der Zeitpunkt, die Stimmung, einfach
alles. Es war etwas Besonderes für mich, für uns beide. Und das nicht nur wegen
der einen Sache, wenn du verstehst, was ich meine. Es gab so vieles, das
einfach so wunderschön war. Er war bei mir, er hat mich in den Armen gehalten
und ich habe...“
“Sein Herz
klopfen gehört?“, fragte Andrew leise zurück. “Du hast deinen Kopf auf seine
Brust gelegt und zugehört, wie es schlägt und dich gefragt, ob es nicht einfach
nur ein Wunder ist, dass es jemanden wie ihn für dich gibt, und dass er hier
bei dir sein kann ...“
“Woher...?“,
setzte Dawn überrascht an, doch Andrew unterbrach sie mit erhobener Hand.
“Nenn’ es
Intuition!“, lächelte er, wandte seinen Blick von Dawn ab und wieder der endlos
scheinenden Straße aus Regentropfen und vor Nässe glänzenden Bäumen zu.
Cleveland,
eine Autobahnbrücke
’Und ich dachte, dir würde etwas an mir
liegen.’, der ältere Dämon drehte sich um. Sein Bruder stand hinter ihm,
mit weit aufgerissenen Augen, die blutunterlaufen waren.
‚Hast du
es etwa schon wieder nicht geschafft?’, mit hochgezogenen Augenbrauen sah er
seinen Bruder an. Einige seiner verfaulten Zähne waren abgebrochen, und waren nur
noch als Stummel zu erkennen. Dunkelbraunes Blut rann langsam aus seinem Mund.
Ohne ein
weiteres Wort stürzte sich der Jüngere auf seinen großen Bruder. Er vergaß all
den Schmerz, den er durch den Kampf mit den
Jägerinnen erlitten hatte. Er verdrängte die Scham, die
sich in ihm angesammelt hatte, und den Gedanken, dass er seinen Vater nie würde stolz machen können.
Doch sein
Schlag ging ins Leere. Sein Bruder stand schon hinter ihm. Schockiert starrte
der Jüngere die Wand an.
‚Ganz ruhig,
mein Kleiner. Denkst du wirklich, dass du mir etwas anhaben kannst? Schade,
dass die Jägerinnen nicht herausgefunden haben, wie sie dich hätten töten
können. Aber eine dieser zwei Möglichkeiten werde ich gern anwenden.`
‚Nein...!’, das durfte doch nicht passieren. ‚Ohne
mich kannst du hier erstrecht nicht überleben!’
‚Doch,
dass kann ich.’,
antwortete der Ältere ruhig. ‚Ich habe deinen Kampf doch still und heimlich
beobachtet. Ich kenne deine Schwachstellen, und schade,
dass sie dir nur das Genick, und nicht sämtliche andere Knochen
gebrochen haben.’
Im nächsten
Moment startete der große Bruder seinen Angriff, um etwas von seiner Kunst zu
zeigen. Er stützte sich an der Wand ab, sprang hoch und umklammerte
anschließend den Hals seines Bruders mit beiden Beinen. Das Abschütteln war
zwecklos, denn langsam verließen den Jüngeren die Kräfte. Auch der Druck auf
sein Genick war alles andere als angenehm.
Der Ältere
grinste, und schleuderte seinen Bruder mit einer Umdrehung hart gegen den
Boden.
‚Uuh...’
Der Jüngere
lag kraftlos auf dem Boden. Mit lauten Schritten ging der Ältere auf und ab.
‚Wie
kann ich dich richtig leiden lassen?’, fragte dieser und packte seinen Bruder an den Schultern
um ihn hochzuheben, und ihm von hinten sein Knie gegen den Rücken zu rammen.
‚Du bist eine Schande für unsere Familie! Du bist Schuld, dass
Vater starb! Und er hat dich beschützt!’
Der Jüngere
krümmte sich am Boden. Seine ganzer Körper zitterte,
und er spürte jedes einzelne Glied. Wenn er überleben wollte, war die einzige
Möglichkeit aufzustehen und gegen seinen Bruder anzutreten.
Schließlich
stand er auf, zuerst wackelig auf den Beinen. Er schaffte es nicht sich ganz
aufzurichten, da sein Rücken mit jedem Millimeter, den er sich erhob, mehr schmerzte.
‚Glaubst
du wirklich, dass du eine Chance hast? Ich glaube, ich sollte deine
Lebensenergie sammeln bevor sie endgültig draufgeht.’, sein Bruder lachte höhnisch.
‚N-Nein...’, antwortete der Jüngere leise und starrte auf den Boden. ‚Aber ich kann es doch
versuchen!’ Im nächsten Augenblick griff er an und
schlug auf seinen Bruder ein. Ein paar Mal streifte er ihn sogar. Doch als sein
Bruder anfing sich zu wehren, wurde die ganze Sache schon schwieriger. Anstatt
nur die Angriffe abzublocken, schlug er belustigt zurück und ein Hauch von
Wahnsinn legte sich in seine Augen.
‚Können
wir endlich mit den Kinderspielchen aufhören?’ Er stoppte einen Fußtritt seines
Bruders mitten in der Luft und hielt sein Bein
fest. Danach schleuderte er ihn mit einer Hand gegen die Mauer der
Autobahnbrücke. Die Autos, die vorbeifuhren, kümmerten ihn nicht.
Bevor der
Jüngere auch nur seine Augen aufmachen konnte, stand sein Bruder schon in
voller Größe vor ihm.
‚Noch
einen letzten Wunsch?’
Doch sein
kleiner Bruder hörte ihn nicht mehr.
‚Pah,
dann eben nicht!’
Er packte ihn am Hals und sog langsam jeden
Funken Lebensenergie aus seinem Blutsverwandten. ‚D-Das war’s schon?’, schockiert ließ er seinen Bruder
sinken. Anscheinend hatte er etwas zu hart reagiert. Aber immerhin war er
selbst durch diese minimale Energie stärker geworden. Stark genug, um gegen
diese mickrigen Jägerinnen anzutreten, und endlich die nächste Ebene zu
erreichen...
Straßen von Cleveland
Am Abend
“Buffy!”
“Dawn.”, die blonde Jägerin fuhr herum, und sah
ihre Schwester vor sich stehen, die außer Atem angerannt kam. Bevor sie zum
Reden ansetzten konnte, fuhr Buffy fort. “Du weißt dass ich nicht sonderlich
einverstanden damit bin, wenn du so leichtsinnig in die verschiedensten Kämpfe
ziehst. Auch wenn es sich nur um Kleinzeugs handelt.”, sie hob ihre Hand, in
der sie einen Holzpfahl hielt.
“Aber
Buffy... ich habe es gerade in den Abendnachrichten gesehen. Der Dämon hat ein
neues Opfer gefunden,” betreten sah sie auf den Boden.
“Anscheinend
hatte Giles Recht, und ich habe ihn mit meinem Genickbruch nicht getötet...”
“Hör zu...
die Polizei glaubt wieder an einen harmlosen Mord, obwohl man vermutet, dass es
derselbe Mörder sein könnte wie bei Tiffany und in einigen anderen Fällen, die
vor ein paar Tagen.. ”
“Was ist.. habt ihr ihn? Den Dämon?”, begeistert rannte Ronah auf
die beiden zu, gefolgt von Faith.
“Was macht
ihr denn hier?”, fragte Dawn, als die vier auf gleicher Höhe waren.
“Falsche
Straße genommen.”, antwortete Faith knapp.
“Du wirst
sicher nicht mitgehen Dawn!”, entgegnete Buffy um die Diskussion mit ihrer
Schwester wieder aufzunehmen. “Erinnere dich was bei dem Kampf gestern passiert
ist.”
“Buffy, ich
glaube wir zwei sollten dass allein übernehmen.”, sagte Faith, bevor Dawn
erneut protestieren konnte.
“Aber...”,
Ronah sah Faith verwirrt an. Schließlich war Faith bei ihr, und sie hatte ihr
nur verboten allein zu kämpfen.
“Ronah, ich
weiß was in dir vorgeht, aber ich will kein Risiko eingehen.”
“Faith hat
Recht.”, antwortete Buffy, und nickte den beiden Jüngeren zu. “Vor allem wenn
es der Dämon auf Jungfrauen abgesehen hat und nicht speziell auf euch als
Jägerinnen.”
“Woher
wollt ihr wissen, dass ich nicht...,” begann Ronah,
wurde aber von vielsagenden Blicken von Buffy und Faith unterbrochen. Sie
grinste verlegen und ersparte sich weitere Worte.
Dawn sah
ihre Schwester beleidigt an. “Ich bin auch eine Jägerin. Ob es dir passt oder
nicht. Aber wenn du meinst.”, murmelte sie, und drehte sich auf der Stelle um.
Sie rannte in die entgegengesetzte Richtung. Vielleicht würde der Dämon ja ihr
über den Weg laufen, dann musste sie kämpfen. Und wenn Giles‘ Informationen
stimmten, konnte ihr der Dämon nicht mehr sehr viel anhaben und das wollte sie
auskosten. Dank Shin, lächelte sie in sich hinein.
“Aber...”,
Buffy war verwirrt. “Was sollte das jetzt wieder?”, rief sie ihr nach, aber
bekam keine Antwort. “Ich hoffe sie geht nach Hause...”, murmelte sie in sich
hinein.
“Ronah...”, Faith sah ihr in die Augen. “Geh nach Hause.”
Doch bevor
sie antworten konnte wurde die restliche Stille der Nacht von einem lauten
Schrei durchschnitten. Dawn....
Ohne eine
Sekunde zu warten setzte Buffy zum Sprint an, und versuchte die Richtung aus
der der Schrei kam ausfindig zu machen. Der
Schrei ihrer eigenen Schwester ging ihr durch Mark und Bein.
‚Wen
haben wir denn da?’, fragte
der ältere Dämon belustigt, als er direkt vor Dawn auftauchte, und seine Faust
ein paar Millimeter vor ihrem Gesicht zum Ruhen kam. ‚Hey, Zu faul mir zu
antworten?’
Der Kodakan Dämon fixierte sie mit den Augen.
Dawn starrte ihn an. Er war größer und furchterregender als jener, den sie
gestern getroffen hatte. Es gab also zwei.... oder wie
viele noch?
‚Mach dir keine Sorgen. Um meinen Bruder
habe ich mich längst selbst gekümmert... es gibt jetzt nur noch mich.’ Seine Augen waren
kalt und drückten Grausamkeit aus, und durch die Straßenscheinwerfer war zu
erkennen, dass einige Narben auf seinem Körper prangten. Ein Teil seiner
Kopfhaut wies große Brandspuren auf.
“Du kannst
nicht mehr so einfach mit mir spielen!”, die junge Jägerin ließ sich leicht
nach hinten fallen, stützte sich mit ihren Händen am kalten Asphaltboden ab,
und schlug mit einem Fußtritt seine Faust weg. Doch der Dämon zog rechtzeitig
seinen Arm zurück, sodass Dawn nur seine Fingerknöchel traf. Er grinste.
Mit der
anderen Hand packte er ihren Fuß, und schleuderte sie wie seinen Bruder ein
paar Meter weiter. Kurz bevor Dawn gegen einen Laternenpfahl schlug, schützte
ihre Schwester sie mit ihrem eigenen Körper, und wurde selbst gegen den Pfahl
geschleudert.
“Uh...”
“B-Buffy?”,
nachdem sie von ihrer Schwester vor erneuten Schmerzen gerettet wurde, verlor
sie ihr Gleichgewicht, und fiel wieder auf die Straße.
“Wenn du
glaubst dass ich nicht schneller als du rennen kann, hast du dich
geschnitten!”, Buffy lächelte trotz der Schmerzen. Es war kein guter Start für
einen Kampf gegen diesen Dämon. Er war bereits einige Schritte näher gekommen,
doch auch Faith und Ronah waren bereits am Kampfort eingetroffen.
“Das ist
ein anderer,” stöhnte Dawn. “Wir hatten gestern die
Ehre mit seinem Bruder,” erklärte Dawn weiter.
‚Welche
nehm’ ich mir jetzt?’,
fragte sich der Dämon, und musterte eine nach der anderen. Er erkannte Ronah,
die seinen Bruder allein nahezu fix und fertig gemacht hatte. Egal ob er eine
von den starken oder von den Schwächeren wählte, eine würde reichen, um die
Stufe nach oben zu steigen. Und zwar eine nach der anderen. Aber was er wollte,
war die unbefleckte, reine Lebensenergie.
‚Der sieht
aber nicht gerade freundlicher als der Letzte aus.’, dachte sich Ronah, und ihr
wurde klar, dass der Holzpfahl ihr nicht viel nützen würde.
‚Jägerin!’, der Dämon grinste Ronah an. Diese
würde ein leichtes Opfer werden, und ihm Unmengen an Energie schenken. Vorerst
waren die anderen uninteressant. Er konnte ihre Gedanken lesen, und das hieß
dass sie ein gefundenes Fressen war.
Erschrocken
zuckte Ronah zusammen. “Habt ihr das auch gehört?”
“Was
denn?”, fragte Dawn besorgt, als sie sich wieder aufgerappelt hatte, und Buffy
half das Gleichgewicht zu bewahren.
”Diesen
verdammten Dämon!”
Im nächsten
Augenblick war der Dämon hinter ihr aufgetaucht, und schlug ihr mit einer Faust
ins Genick. Ronah fiel nach vorn, doch bevor sie auf dem Boden aufschlug, trat
der Dämon mit voller Wucht erneut schräg gegen ihren Hals, und um dem Ganzen
noch eins drauf zu setzen sprang er hoch, und versenkte seine spitzen Ellbogen
direkt in Ronahs Schlüsselbeinen.
Bevor er
sich über seine gezielten Schläge freuen konnte, stand Faith direkt vor ihm,
bereit zum Schlagabtausch. Ohne eine Sekunde zu warten rammte sie ihm ihr Knie
direkt in den Magen, und als der Dämon für einen kurzen Moment nach vorn
kippte, schlug sie ihm mit ihrem Ellbogen schräg ins Genick. Er durfte Ronah
nichts antun, nicht nachdem was mit Vi passiert war. Er hatte kein Recht dazu,
aber er hatte die Bestimmung zu sterben. Genauso wie Lily, genauso wie jeder
andere der Ronah oder einem anderen ihrer Freunde etwas antun wollte.
Nachdem sie
kurz von ihm abließ, taumelte er ein paar Meter zurück, doch die Jägerin rannte
erneut auf ihn zu. Mit Schwung trat sie ihm in den Oberkörper, und brachte ihn
zu Fall. Ohne dass er reagieren konnte, sprang sie auf seinen Bauch, und schlug
ihm mit ihren Fäusten direkt ins Gesicht. Bei jedem Schlag konnte sie hören wie
seine Zähne in Einzelstücke zerbrachen, und seine zerfranste Lippe aufquoll,
und platzte.
Zufrieden rammte sie ihre Fäuste weiter gegen
ihn, doch als sie das nächste mal ausholte, stellte
sie erschrocken fest, dass der Dämon ohne Mühe ihre beiden Unterarme gepackt
hatte. All die mobilisierten Kräfte stockten in dieser einen Sekunde die Faith
vorher heraufbeschworen hatte, um sich endlich an jemandem zu rächen, auch wenn
sie es nicht schaffen würde das Gesicht von Lily an seinen Kopf zu tackern.
Er
schleuderte sie nach hinten, jedoch nicht ohne weiter ihre Arme festzuhalten.
Am liebsten würde er sich noch länger mit ihr beschäftigen, und ihre Angriffe
einstecken, doch vielleicht würde sein wahres Opfer dann schon längst
verschwunden sein.
Er ließ
Faith‘ Unterarme los, und trat über die Jägerin. Mit einem weiteren Grinsen
trat er genüsslich auf ihre Hände, bis sie anfing sich zu winden, und sich
langsam die Haut aufwetzte. Er drehte seinen Kopf, und verfolgte Ronah mit
seinen Augen. Buffy und Dawn hatten sie wieder auf die Beine gebracht. Es war
keine Zeit mehr zu verlieren. Um Faith für ein paar Minuten außer Gefecht zu
setzten packte er sie erneut an ihren Armen, und trat ihr mit seinem Knie immer
wieder gegen den Kopf. Sie konnte förmlich fühlen wie ihre Nase splitterte.
Warmes Blut schoss aus ihrer Nase, und verteilte sich auf dem Boden und dem
Körper des Dämons. Die Versuche der Jägerin sich aus seinen
Fangen zu befreien waren zwecklos. Immer bevor sie ihn wegtreten wollte, war er
bereits ausgewichen. Nachdem sie das Gleichgewicht verlor, und leicht nach
hinten fiel, lies er sie mit einem Arm los, und schlug
ihr mit diesem immer weiter ins Gesicht, nicht ohne sie mit seinen Füßen weiter
zu treten.
Um dem
ganzen ein Ende zu bereiten, schleuderte er sie mit Wucht auf den Boden, und
rammte ihr seinen Ellbogen in den Bauch. Sie spuckte Blut, und verlor dass
Bewusstsein.
Ohne eine
Sekunde zu warten rannte er auf die restlichen drei zu. Er sprang hoch, hielt
sich mit seinen Händen an Ronahs Schultern fest, und trat Buffy und Dawn mit
seinen Beinen direkt in den Oberkörper. Durch den Aufprall wurden beide nach
hinten geschleudert. Mit einem lauten Krachen landete Dawn in einem Gestell
einer Feuerleiter, und Buffy wurde gegen ein paar Mülltonnen geschleudert.
Allein durch das Geräusch war die Alarmanlage eines nicht weit entfernten Autos
losgegangen. Doch ohne sich darauf zu konzentrieren winkelte der Dämon seine
Beine an, und drückte damit gegen Ronahs Hals.
Sie rang
nach Luft, doch nachdem er den Druck verstärkte, war nicht einmal mehr das
anfängliche Husten zu hören. Lediglich ein Keuchen drang durch ihre Lunge.
‚Ich muss
etwas tun!’, schoss ihr durch den Kopf.
‚Du
kannst nichts tun. Ich werde dich töten, ich werde dir jeden Funken Energie
aussaugen, und du wirst leiden!’, antwortete der Dämon, und lachte höhnisch.
Seine
Stimme hallte immer wieder in Ronahs Kopf, und langsam bekam sie Panik. Sie war
doch eine Jägerin, wieso sollte sie sich nicht richtig wehren können? Sie würde
Faith beweisen dass ihre Sorge umsonst gewesen war.
Sie
sammelte ihre Kräfte um sich dann mit Wucht nach hinten zu schmeißen, und dem
Dämon sein Gleichgewicht zu rauben.
Dieser
stellte erschrocken fest, dass Ronah schneller gehandelt hatte, als er ihre
Gedanken lesen konnte. Diese hatte aber dennoch keinen Vorteil im Kampf daraus
gezogen.
‚Na
warte!’, dass reichte. Schon vom Kampf mit der anderen Jägerin war er
wütend geworden, und diese konnte er doch mit Links besiegen. Er würde dem
ganzen schnell ein Ende bereiten. Bevor Ronahs Atem sich wieder beruhigt hatte,
packte er sie mit einer Hand am Hals und hob sie hoch. Mit letzter Kraft schrie
sie so laut sie konnte, doch nach wenigen Sekunden verstummte ihre Stimme.
‚Es war
schön euch minderwertige Wesen gekannt zu haben!’, ertönte die Stimme des Dämons in
Ronahs Kopf, gefolgt von einem hysterischen Lachen.
Das Ringen
nach Luft war zwecklos, und mit der kleinsten Bewegung versiegte der restliche
Sauerstoff der sich in ihrem Körper befand. Langsam fühlte sie sich viel
schwächer als sie eigentlich war. Ronah verlor jegliches Gefühl in ihren
Gliedmaßen. Doch sie spürte, wie der Dämon mächtiger wurde. Mächtiger als die
Ausgabe die Faith besiegt hatte.
Nach ein
paar Sekunden verschwamm die Gegend, die Lichter der Straßenlaternen wurden
unklar, und ihr Blick fiel auf Faith’ Körper der am Boden lag. Ronah fühlte
dass ihre Panik überhand nahm. Doch dann hatte sie keine Kraft mehr, ihre Augen
offen zu lassen.
Siegessicher
hob der Dämon ihren Körper noch etwas höher, um sein neues Opfer der ganzen
Welt zu präsentieren. Er konnte förmlich fühlen wie ihre Kraft in seinen Körper
überging, und seine Muskeln vibrierten.
Doch im
nächsten Augenblick konnte Ronah ihre Rettung hören. Auch wenn sie nur leise in
ihrem Kopf ankam. Mit einem lauten Schrei rannte Buffy auf den Dämon zu, auch
wenn ihr insgeheim klar war, dass er sie nicht hören konnte. Mit dem gleichen
Angriff wie er vorhin Ronah das erste mal richtig
außer Gefecht gesetzt hatte, schlug sie auf ihn ein, und rammte ihre Ellbogen
in seinen Körper.
Auch wenn
sie es nicht gerade gern sehen wollte, konnte sie den Dämon nur mit der Hilfe
einer weiteren Jägerin besiegen. Nachdem der Dämon im Überraschungsmoment
seinen Griff lockerte, rannte auch Dawn auf ihn zu, sprang hoch, und traf mit
einem geschickten Fußtritt seinen Arm. Doch kurz nachdem der Schmerz
nachgelassen hatte, packte der Dämon erneut fester zu. In seinem inneren wurde
er wahnsinnig, wenn er nicht bald den Rest seiner Energie bekam.
Als Buffy ihn von hinten mit Schlägen
eindeckte, versuchte er sie einfach abzuschütteln. Doch als sie erkannte das
Faustschläge nichts halfen, umklammerte sie seinen Körper mit ihren Beinen, und
rammte ihm ihren Holzpfahl in den Rücken. Ein Gefühl von Schmerz kroch durch
seinen Körper als sie immer wieder von vorn begann, und ihr schwarzes Blut
entgegen spritzte. Sie löste sich von seiner Gestalt, und rammte ihm ohne Pause
Fußtritte von der Seite schräg in den Magen, während Dawn noch immer mit seinem
Arm beschäftigt war. Mit einem weiteren Schlag schaffte die junge Jägerin es,
seinen Griff entgültig zu lockern und Ronah zu befreien.
Während Buffy nachdem sie von ihm erneut zurück geschleudert
wurde wieder auf ihn zu rannte, nutzte Dawn die Zeit um sich an ihm für den
letzten Kampf mit seinem Bruder zu rächen. Nacheinander schlug sie ihre Fäuste
gegen seinen Magen. Sie drehte sich, und landete mit voller Kraft einen Treffer
mit einem Fußtritt, den sie gekonnt auf seinen Oberkörper ansetzte. Nicht ohne
sich zu wehren. Der Kodakan Dämon setzte zum Gegenangriff an, und nachdem er
einige Schläge von Dawn geblockt hatte, holte er mit seiner Faust aus, und traf
sie an der Schulter. Doch Dawn hatte sich bereits geduckt, um Buffy besseren
Einstieg für ihren Angriff zu gewähren. Ihre Schwester sprang mitten im Lauf
hoch, und trat ihm in den Oberkörper. Für kurze Zeit verlor er das
Gleichgewicht, und nachdem Buffy sich an ihm festhielt, rammte sie ihre Fäuste
gegen sein Gesicht, dass noch Spuren von Faith’ Angriff aufwies.
“D-Dawn!”, rief Ronah, als sie wieder genug Kräfte gesammelt
hatte, und es geschafft hatte zu Faith zu gelangen. Mit letzter Kraft hob sie
ein Messer hoch, das Dawn im schlechten Licht zuerst nicht erkannt hatte. Da
Buffy mit dem Dämon beschäftigt war, holte sie sich die Waffe. Mit einem lauten
“Buffy!”, machte sie ihre Schwester auf sich aufmerksam, und warf ihr das
Messer zu.
“Wir haben hier leider keine Kühlbox, also
werde ich dir dein Herz leider herausreißen müssen!”, schrie diese, und nahm
das Messer so in die Hand, um ihm dieses in die Schulter zu rammen. Er
stolperte nach hinten, und mit einem lauten Krachen landeten beide in ein paar
kaputten Holzkisten. Ohne es zu bemerken waren beide an einer baufälligen
Häuserwand angelangt, nicht weit von der Feuerleiter entfernt.
Der Dämon starrte sie verwirrt an. Er war nicht auf diesen
Verlauf des Kampfes eingestellt gewesen. Er versuchte sie abzuschütteln, doch
dass half nichts. Im nächsten Moment packte er ihren Hals. Auch wenn sie unrein
war, um sich zu retten würde er alles in Kauf nehmen... ‚Nur noch etwas
Energie für meine Perfektion!’
Buffy rang nach Luft, und ein Gefühl von Übelkeit baute sich
auf. Auch wenn für einen kurzen Moment ihre Kräfte sanken, zog sie das Messer
aus seiner Schulter, und stach ihm damit immer wieder in seine Arme. Nach ein
paar weiteren Messerstichen hingen einige Hautfetzen von seinen Armen, und das
Blut hatte sich auch auf Buffy‘s Körper verteilt. Doch dieser Angriff zeigte
Wirkung, und sein Griff lockerte sich erneut.
Um sich vollkommen aus seinen Fängen zu befreien, verlagerte
Buffy ihr Gewicht nach hinten, und stand nun über ihm. Bevor er sich auch aufrichten
konnte, schleuderte sie das Messer in seinen Oberkörper. Für einen kurzen
Moment stockte er, und spuckte immer wieder Blut. Nachdem sie ihn so von sich
abgehalten hatte, kniete sie sich erneut auf seinen Körper.
Da ihr Messer sich schon in seinem Oberkörper befand, packte
sie es, und zog es mit aller Kraft nach unten. Das Blut das aus diesem Schnitt
quoll, klebte nun an ihren Händen.
Wenn sie daran dachte, dass sein Blutsverwandter ihre
Schwester angegriffen und verletzt hatte, bauten sich in ihrem Körper noch mehr
Kräfte auf. Faith wäre fast draufgegangen, und sie wollte nicht dafür
verantwortlich sein, dass er wieder aufstand, und erneut ein Opfer auswählen
würde.
Immer wieder schlitzte sie mit dem Messer
seinen Oberkörper auf, bis sie durch das ganze Blut nichts sehen konnte. Sein
ganzer Körper war von Maden zerfressen, und warf ihr einen bestialischen
Gestank entgegen. Ohne Rücksicht darauf zu nehmen, rammte sie das
blutbeschmierte Messer ein letztes mal in seinen
Körper. Für einen kurzen Moment, eine einzige Sekunde, konnte sie seinen
schmerzerfüllten Schrei hören, der ihr das Blut in den Adern gefrieren lies. Es
erinnerte sie an Faith, als sie trotz seines Todesschreis noch einmal mit
voller Wucht in seinen Oberkörper stach.
Außer Atem kippte sie leicht nach vorn. Angeekelt vom
Gestank richtete sie sich dann aber auf, und ging mit wackeligen Beinen auf
ihre Schwester zu, die sie die ganze Zeit über beobachtet hatte. Sie hatte das
Messer bei ihm gelassen, und wischte sich nun die Überreste seines Bluts von
ihrer Handfläche. Danach half sie Dawn auf.
Die beiden stolperten in Richtung von Ronah und Faith, und
ohne ein weiteres Wort zu sagen, nur mit einem siegerischen Lächeln auf den
Lippen, hoben Buffy und Dawn Faith hoch, um sie nach Hause zu bringen.
Insgeheim hofften sie, dass ihre Verletzungen nicht zu schwer waren, aber
immerhin war sie eine Jägerin, und sie würde im aussichtslosesten Kampf um ihr
Leben kämpfen. Auch wenn ein Todeskampf damit gemeint war.
Straßen von
Cleveland / Ratsgebäude
Sie hatten Dawn nach Hause gebracht und von
dort aus Robin angerufen, damit er wusste, was auf ihn mit Faith zukam. Buffy
hatte darum gebeten, dass er Willow und Xander informierte. Vielleicht würden
sie ja in die Ratszentrale kommen und sie ein bisschen vom Geschehen ablenken.
Sie wollte verdrängen, dass ihr der Kampf nahe ging. Außerdem machte sie sich
sorgen um Faith, die es seit der Bombe nicht mehr so schwer erwischt hatte.
Buffy hatte auch das Gefühl, dass sie dringend
mit ihren beiden Freunden über ein paar Dinge reden musste, die sie nicht mehr
länger vor sich herschieben wollte.
Robin stand auf der Strasse und erwartete sie
ungeduldig. Er kam sofort auf sie zugerannt und wollte wissen, wie es allen
ging... obwohl seine größte Sorge natürlich Faith galt. Sie klärten ihn über
den Kampf und dessen Ausgang auf, während sie Faith um das Gebäude zum
Wohnwagen trugen.
“Ich schau mal bei Giles rein,”
entschuldigte sich Buffy leise, als sie das Gefühl hatte zu stören.
Niemand hielt sie zurück und an der Hintertür
angelangt fand sie diese überraschend unverschlossen. Eine alte Angewohnheit
von Giles...
Sie sah ins Büro, doch das lag einsam und
dunkel vor ihr. Ein Geräusch aus dem Konferenzraum ließ sie dort nachsehen.
Verwundert sahen Xander und Willow in die Richtung der Tür, als Buffy in ihr
Blickfeld rückte.
“Hallo Buffy! Geht’s dir gut? Was macht Faith,” Willow kam auf ihre Freundin zu geeilt. “Wir haben
gehofft, dass du noch vorbeischaust.”
“Du gehörst ins Bett,”
mahnte Xander. Hat dir der Kampf nicht genug Kräfte geraubt?”, fragte er, als
sie ein paar Schritte näher kam.
“Ich weiß nicht, vielleicht wollte ich einfach
nur reden. Es schien mir sinnvoller, als mich in mein Bett zu legen und
seelenruhig zu schlafen, als hätten wir nicht gerade zu viert einen gewaltigen
Dämon ums Eck gebracht.”
“Bist du dir da sicher?”, Willow lächelte, und
folgte der Freundin zurück an den Tisch.
Buffy nickte. “Sicher. Ihr seid wirklich nur wegen mir noch hier?” Sie lehnte
sich auf die Tischkante neben Xander.
“Eigentlich hatte ich Giles versprochen noch
ein paar Recherchen zu tätigen. Da konnte ich auch noch ein paar Minuten länger
bleiben,” Willow gähnte. “Ich bin das
Nachtarbeiten ja schon gewohnt, auch wenn der Kaffee mit der Zeit etwas
langweilig schmeckt.” Unmotiviert schüttete sie das braune Gebräu in ihre
Tasse.
“Und mich hat Robin aus dem Bett geklingelt,” gestand Xander. “Aber was tut man nicht alles für seine
liebste Buff.”
Buffy sah ihn kurz zweifelnd an. Ein böser
Gedanke stellte sich ein: ‚Schleimer’. Erst bei Giles petzen... halt.. sie wollte nicht anfangen kindisch zu werden, sondern
sich lieber darüber freuen, dass sie beide auf sie gewartet hatten – wie
früher. “Eigentlich könnte ich auch irgend etwas koffeinhaltiges vertragen,“, antwortete Buffy, und blickte über Xanders Schulter, der
durch ein Buch mit kryptischen Buchstaben blätterte. „Es ist gut, dass ihr hier
seid. Ich wollte mit euch reden.“
“Oh, über was denn?”, fragte Willow mit keiner
guten Vorahnung, als sie sich wieder auf ihren Sessel setzte, und die Tasse auf
den Tisch stellte.
“Nun darüber, dass ihr beide vor mir wusstet,
dass meine Schwester eine Jägerin ist.” Buffy sah Willow durchdringend an, und Xander
drehte sich um. “Es ist einfach nur so... so schockierend, dass Dawn es
zunächst einmal jemanden anderem anvertraut hat, als damit zu ihrer eigenen
Schwester zukommen.”
“B-Buffy...es ist anders als du denkst. Es war
schwer für Dawn es mir zu erzählen. Und ich war mir selbst bei meinen
Vermutungen über sie nicht sicher, bis es sich nach einiger Zeit
bestätigte....”, antwortete Willow.
Buffy schüttelte uneinsichtig den Kopf. “Wäre
es so schwer gewesen, es mir direkt zu erzählen? Außerdem warst du ja nicht die
einzige, die davon erfahren hat Willow! Oder Xander?”, nun sah sie ihren besten
Freund an.
“Sie hat es mir nicht erzählt Buffy. Ich habe
es erst erfahren, als ich es mit meinem magischen Auge gesehen habe, ich wollte
es nicht wissen.”, antwortete er ruhig, nachdem er seinen Stuhl in ihre
Richtung gedreht hatte.
Buffy blickte ihn düster an. Kurz musste sie
daran denken, dass Giles von ihrem Abkommen mit Willow über Xander erfahren
hatte. Kein netter Zug von ihrem Freund, wenn sie es sich genauer betrachtete.
Aber früher oder später hätte sie es vielleicht Giles selbst erzählt. So war
ihr das unangenehme Geständnis erspart geblieben. Es war ja nichts schlimmes gewesen, nur eine reine Vorsichtsmassnahme gegen
Lily und im Gespräch mit dem Wächter hatte Buffy erleichtert feststellen
können, dass er nicht wirklich böse auf sie war. Darum konzentrierte sich die
Jägerin lieber wieder auf die Sache mit Dawn. Diese war ihr erheblich
wichtiger:
“Und du hast nicht einen Moment daran gedacht, diese Information an mich
weiterzuleiten?”, Buffys‘ Stimme wurde etwas lauter. Sie musste sich
eingestehen, doch nicht so einfach damit fertig zu werden.
“Buffy, ganz ruhig. Dawn wird schon ihre Gründe gehabt haben es dir nicht zu erzählen!”, entgegnete Willow, bevor sich Xander verteidigen konnte.
“Natürlich hatte sie die. Wir haben geredet.
Aber es geht hier nicht um Dawn und das sie mich belogen hat. Jetzt geht es nur
um euch und mich!” Buffy erhob sich von der Tischkante, und ging langsam auf
und ab, ohne ihren Freunden in die Augen zu sehen. “Ich bin ihre Schwester! Ich
hätte die erste sein müssen die es erfährt, und nicht du Willow. Oder du
Xander!” Sie verschränkte ihre Arme.
Die Hüterin suchte nach den richtigen Worten,
aber sie fand sie nicht. Nachdem Giles ihr zuletzt den schwarzen Peter
zuschieben wollte, würde es denn heute auch so sein? Was konnte sie dafür, dass
Dawn es Buffy nicht erzählen wollte.
“Gibt es denn noch etwas, das ich vielleicht
wissen sollte?”, Buffy funkelte sie an.
“Ich bin mir nicht einmal sicher ob ich die
erste war die es erfahren hat.”, antwortete Willow, und versuchte ruhig zu
klingen. “Andrew und Lily wussten es genauso.”
Schockiert sah Buffy sie an. Sie wollte sich
einreden, dass es das dämmrige Licht war, dass ihre
Augen langsam glasig werden ließ, aber es war ihre Traurigkeit, die sie nur mit
Wut überspielen wollte. Mit einer Hand ballte sie eine Faust, mit der anderen
fuhr sie sich durchs Haar, nicht ohne weiter auf und ab zu gehen, und auf den
Boden zu sehen.
Ihre Schwester vertraute diesem...diesem Freak
und dieser Möchtegern-Wächterin mehr, als ihr?
“Jeder außer mir wusste es. Heißt das jetzt,
meine kleine Schwester vertraut euch mehr als mir?“ Buffys Stimme zitterte.
Weder Willow noch Xander konnten ein Wort
sagen, und folgten wie gebannt Buffys Schritten, die den Holzboden noch lauter
klingen ließ.
“Meine Güte, Willow. Xander... fasst wäre Dawn
durch ihre und eure Leichtsinnigkeit fast erneut umgebracht worden!” mit Tränen
in den Augen sah sie ihre besten Freunde an.
“Ich weiß...,“ begann
Willow zögernd und ruhig. „Aber schau...“, ihr gingen die Worte aus und sie sah
hilfesuchend zu Xander.
„Buffy, es geht doch nicht darum, welches
Vertrauen wir oder sie dir entgegengebracht haben Buffy. Ich habe es dir nicht
erzählt, weil ich selbst überrascht war, und ich es für besser gehalten habe,
dass Dawn es dir selbst erzählt, was sie aber nicht getan hat,“
erklärte Xander. “Wir sind genauso ihre Freunde wie die deinen. Sie hat ein
Recht darauf sich die Person auszusuchen, mit der sie im Vertrauen reden
möchte. Versteh das doch!”
“Dawn wollte einfach nur Dawn sein, und nicht
offiziell durch die Gegend rennen und Vampire jagen. Es gibt tausende
Jägerinnen auf der Welt, und sie hat dir nun einmal angemerkt, dass das Ganze
nicht so einfach an dir vorbeigezogen ist. Du bist nun einmal nicht mehr die
einzige Jägerin auf der Welt, und nun leider auch nicht mehr die einzige in
eurer Familie..”, entgegnete Willow und stand auf.
“"Es tut mir leid, dass es so offensichtlich ist, aber du wirst es
akzeptieren müssen..."
Buffy schüttelte unter Tränen den Kopf. Das
durfte doch alles nicht wahr sein. Ihre besten Freunde sahen nicht ein, dass
sie sich verletzt und übergangen fühlte. Das hatte doch nichts damit zu tun,
dass sie nicht mehr die Nummer eins war. Nein wirklich nicht...
“Vielleicht reden wir ein anderes Mal in Ruhe
darüber,” schlug Xander vorsichtig und leise vor.
“Wenn du dich vom Kampf erholt hast. Okay?”
“Okay,” flüsterte
Buffy und war dankbar, dass wenigstens einer von ihnen seinen kühlen Kopf
bewahren konnte. Vielleicht sah sie alles zu eng, vielleicht auch nicht.
Möglicherweise waren ihre Gefühle vollkommen in Ordnung, andererseits... konnte
man es ihr wirklich übel nehmen? Ohne ein weiteres Wort zu sagen, drehte sie
sich um, und war auf dem Weg Richtung Tür. Vielleicht musste sie wirklich
einfach damit fertig werden...
Cleveland,
Schulbus
zur selben Zeit
“Wie lange wird sie
noch bewusstlos sein?” fragte Ronah, während sie Faith’ Stirn langsam mit einem
feuchten Tuch abwischte.
“Sie wird
sicherlich Morgen wieder wach sein..” antwortete
Robin, der ebenfalls besorgt zu Faith sah.
Die
dunkelhaarige Jägerin war mit Wunden übersät und aus irgendeinem Grund hatte
sie starkes Fieber.
“Ich denke
das liegt an den Jägerinnenkräften in ihr..” flüsterte
Robin, während er sich auf einen der Stühle setze und Ronah beobachtete, wie
sie Faith’ Decke weiter nach oben schob, und sich dann neben ihn setzte.
“Wir sind
heute Nacht fast gestorben.. sie hat mir das Leben
gerettet..” flüsterte Ronah, als sie sich setze, und
traurig zum Bett der Jägerin sah.
“Wenn Faith
heute Nacht nicht dabei gewesen wäre, wäre ich drauf gegangen..
ich.. ich kann das einfach nicht glauben..” Tränen
bildeten sich in den Augen der jungen Frau, und
sie begann zu schluchzen, als der Wächter seinen linken Arm um ihre Schultern
legte und sie fest an sich heran drückte.
“Faith wird
es Morgen schon wieder besser gehen.. du wirst es
sehen..” sagte er leise, und er hatte auch keine
Zweifel daran. Klar sah Faith zur Zeit schrecklich
aus, aber sie war eine Jägerin. Sie würde Morgen zwar noch keine Saltos
schlagen, aber das Schlimmste würde sie hinter sich haben.
Er konnte
nur nicht glauben, dass Faith und Ronah heute Nacht fast gestorben waren.. er hätte sie beinahe verloren, und irgendwie schien Faith
die große Gefahr geahnt zu haben. Waren diese Träume mit dieser Eve, von der
sie ihm erst gestern erzählt hatte, etwa richtige Visionen?
Ronah
schluchze ein weiteres Mal, und er drückte sie wieder an sich, während er Faith
besorgt anblickte.
Kennedys Wohnung, nächster Vormittag
Während Kennedy versuchte Willows Unterwäsche in ihrem Schrank zu
verstauen, saß Andrew im Wohnzimmer und war dabei, sich mit einem Filzstift
Notizen in seine Handinnenfläche zu schreiben. Sein neuer Anzug saß perfekt,
und durch das Gel, das Kennedy ihm vorher in die Haare geschmiert hatte, war so
gar nichts von dem Haarwirbel zu sehen.
„Ich bin ein ganz normaler Junge! Ich bin kein Geek! Ich bin ein normaler Junge
und ich bin mit einem Mädchen verlobt. Weil das nämlich normal ist, jawohl.
Normale Menschen sind... „
„...heterosexuell. Weil das nämlich normal ist. Ich bin ein ganz normales
Mädchen und bin mit einem Jungen verlobt. So gehört sich das!“ Während Andrew
ein Gespräch mit dem Wohnzimmerspiegel führte, stand Kennedy vorm Waschbecken
im Bad.
Mit einem lauten Krach zuckte Kennedy zusammen. Andrew hatte anscheinend
irgendetwas umgeschmissen. Als sie einen Blick aus dem Badezimmer warf, konnte
sie Andrew im Wohnzimmer sehen, der eine Vase in der Hand hielt, und grinste.
Anscheinend war das Material so stark, dass nichts zerbrochen war. Kennedy
rollte mit den Augen. Hoffentlich würde so etwas nicht auch passieren, wenn
ihre Eltern kamen.
Doch sie konnte nicht weiter darüber nachdenken, denn im nächsten Moment
läutete es an ihrer Tür.
Erneut zuckte sie zusammen. Sie warf ein gespieltes Lächeln auf, und zog Andrew
mit sich.
Als sie die Tür öffnete, lief ihr ein kalter Schauer den Rücken herunter, als
hätte sie nicht realisiert, dass ihre Eltern zum Besuch kamen.
„Herzlich Willkommen!“, ließ Kennedy betont fröhlich verlauten, und stieß
Andrew mit ihrem Ellbogen in die Rippen.
„Ja, Herzlich Willkommen“, er lächelte. “Mein Name ist Wells. Andrew Wells.“
Mit einem Nicken trat ihr Vater ein, mit seiner Frau im Arm. Zuerst musterte er
Andrew, nicht ohne darauf zu achten, ob die Bügelfalten seines Anzugs exakt
waren. Anschließend ließ er seinen Blick durch die Wohnung schweifen, während
ihre Mutter sich einen Augenblick länger die Zeit nahm Andrew zu mustern, dem
langsam aber sicher der Angstschweiß auf die Stirn trat.
„Ich glaube, unser Mädchen hat ihr Geld gut investiert, nicht wahr Schatz?“,
fragte er seine Frau, die es ohne Widerspruch bejahte.
„Wollt ihr uns denn nichts anbieten?“, fragte Kennedys Mutter leicht pikiert.
„Uhm, ja! Folgen Sie mir bitte.“, Andrew verstand sein Stichwort, und drehte
sich auf der Stelle um. Mit lauten Schritten ging er ins Wohnzimmer wo sie
einen Begrüßungschampagner bereitgestellt hatten. Bevor Andrew in der Tür
verschwunden war, hakte sich Kennedy bei ihm unter, und mit einem Seufzen
verschwand ihr Dauerlächeln, das sofort wieder erschien, als ihre Eltern
ebenfalls eintraten.
Mit einem perfekten Handgriff öffnete Andrew die Flasche, ohne einen Tropfen
der Flüssigkeit zu verschütten, und füllte drei der Gläser. „Aber...“,
flüsterte Kennedy, bevor sie schockiert feststellte, dass Andrew plötzlich eine
Packung Apfelsaft in der Hand hielt, und das letzte Glas für sich einschenkte.
„Ich trinke keinen Alkohol, das ist schlecht für die Leber!“, entgegnete
Andrew, als Kennedy ihn mit offenem Mund anstarrte, und ihre Eltern ihn
ebenfalls musterten.
„Das lobe ich mir mein Herr!“, antwortete Kennedys Vater mit einem Lächeln, und
Kennedy selbst fiel ein Stein vom Herzen.
Um ihre Eltern von ihrem Glück zu überzeugen, legte sie Andrews Arm um ihre
Taille. Dieser ruhte nun schwer auf ihr, und Kennedy wurde klar wieso sie
Frauen bevorzugte.
Als Andrew die peinliche Stille durchbrechen wollte, in der sich alle nur
ansahen, stellte er schockiert fest, dass sich seine Notizen durch die Kälte
und Feuchtigkeit der Gläser in unleserliche Buchstaben verwandelt hatten.
Plötzlich öffnete sich mit einem Quietschen die Tür. „Hallo mein Schatz!“, war
laut vom Eingang zu hören, und Kennedy stellte schockiert fest, dass Willow im
Türrahmen stand.
Verblüfft flogen die Blicke der Eltern zwischen ihrer Tochter und der fremden,
jungen Frau hin- und her. Was war denn hier los?
Willow schluckte heftig. Natürlich, Kennedy’s Eltern waren heute zu Besuch. Wie
hatte sie das vergessen können? Was hatte sie da jetzt nur angerichtet?
“Schatz, ich kann dir alles erklären!“ Andrew fiel vor Kennedy auf die Knie und
nahm ihre Hand. “Es war nur ein One-Night-Stand, nichts weiter. Sie bedeutet
mir nichts, überhaupt nichts. Du weißt, dass ich nur dich liebe!“ Er setzte
seinen Unschuldsblick auf.
“Du hast mich betrogen!“ Fieberhaft ging Kennedy alle Seifenopern durch, die
sie irgendwann in ihrem Leben gesehen hatte. Eine theatralische Szene war jetzt
angebracht, und ach ja, richtig, die Ohrfeige!
“Du Schuft!“ schrie sie, sprang von ihrem Platz auf und klebte ihm eine, wobei
sie natürlich wieder mal ihre Kräfte vergaß und sich im ersten Moment wunderte,
warum Andrew zu Boden ging. Sie warf ihm einen entschuldigenden Blick zu, und
schimpfte dann weiter: “Du bist doch nur hinter meinem Geld her!“
“So, ich war also nur ein One-Night-Stand für dich!“ schaltete sich Willow ein.
“Oh Andrew, wie konntest du mir das nur antun?“
Sie hielt sich rasch die Hand vor den Mund, um ein Kichern zu unterdrücken und
schaffte es gerade noch rechtzeitig, dieses in ein Schluchzen umzuwandeln. “Du
hast nur mit mir gespielt,“ schniefte sie.
Mr. Richards baute sich vor Andrew auf. “Verschwinden Sie von hier und kommen
Sie niemals wieder in die Nähe meiner Tochter. Sonst werden Sie mich kennen
lernen, oder besser gesagt, unseren Anwalt!“
“Ja, Sir.“ Andrew rappelte sich vom Boden auf und wetzte Richtung Tür davon,
gefolgt von einer immer noch hysterisch schluchzenden Willow. “Wie konntest du
nur so mit meinen Gefühlen umgehen? Hast du überhaupt kein Herz?“
Mit einem Seufzer ließ Kennedy sich aufs Polster zurücksinken. Das war ja
gerade noch mal gut gegangen.
“Mach’ dir nichts draus,“ sagte ihre Mutter beruhigend. “Schon, als ich ihn
gesehen habe, war mir klar, dass er ein typischer Frauenheld ist. So einer, auf
den die Mädchen scharenweise reinfallen. Aber..."
“... du wirst schon noch den Richtigen finden,“ fügte ihr Vater hinzu.
Ost-Russland
Dicke Schnee- und Eismassen
befanden sich unter den Füßen Silijas, als sie der eingehüllten Gestalt
nachsetzte, die in enormen Tempo in die Schneestürme lief.
“ Стой демон!“ schrie
die junge Jägerin, deren langes, kastanienfarbenes Haar unter einer grauen Mütze
steckten.
Der Dämon grunzte ein weiteres mal, bevor er plötzlich stehen blieb, und
verwirrt durch den Vorhang aus Schnee starrte. Ohne eine weitere Sekunden zu
verschwenden, stieß sie sich vom Boden ab, streckte die Arme aus, rammte den
Dämon, und stürzte mit ihm zusammen zu Boden.
Laut brüllte er auf, dann leuchteten plötzlich seine hellgrünen Augen gelb auf,
und Silija wurde einige Meter durch die Luft geschleudert, bevor sie hart auf
dem gefrorenen Schnee aufschlug.
„Ты об этом ещё пожалеешь!“ schrie
sie, während sie sich wütend den eiskalten Schnee aus dem Gesicht wischte.
“Ich bin nicht von hier, ich versteh kein Wort!” antwortete der Dämon
plötzlich, grunzte wieder, und wollte an der Jägerin vorbei, zurück in das
kleine Dorf laufen. Die andere Richtung war.. falsch.
Bevor er sie jedoch passieren konnte, zog sie ein Messer aus ihrer Jacke und
schleuderte es ihm in das rechte Bein.
“Au.. verdammt!” schrie der Dämon, bückte sich, zog das Messer und warf es
entnervt in den Schnee. Während violettes Blut aus der Wunde lief und im Schnee
zu seinen Füssen eine Spur zog, humpelte
er weiter auf die Stadt zu.
“ Куда ты идёшь?“ schrie Silija wieder auf russisch, holte ihn erneut ein, und schleuderte ihn zu
Boden. „Сука, куда ты спрятал дети?“
sie holte wieder mit
ihrer rechten Hand aus und schlug ihn in das blauhäutige Gesicht. Sie musste
unbedingt wissen, wohin dieses Monster die Kinder verschleppt hatte... bei
dieser Kälte hatten sie kaum eine Chance zu überleben.
Sie schlug hart auf ihn ein und seine Nase brach mit einem hässlichen Geräusch.
Er schrie unter Schmerzen auf, und versuchte sich unter ihr weg zu ziehen,
hatte jedoch keine Chance.
Silija zog ihre Mütze vom Kopf und schüttelte ihre langen Haare aus, bevor sie
aus der Mütze ein kleines Fläschchen nahm, indem sich eine grün leuchtende
Flüssigkeit befand.
Sie zog den Stöpsel aus der Flasche und hielt sie direkt an seine Nase. Ein
bestialischer Geruch stieg ihm in diese, während sie ihn weiter anschrie.
„Эта
жидкость
может убить тебя!
Скажи правду,
иначе я буду
использовать
её!“
“Ich versteh dich nicht, du Schlampe!” schrie er wieder, und wollte seine
letzten Kräfte aufwenden, um sie von sich zu stoßen, als er plötzlich Wasser
rauschen hörte.
Siljia hörte das Geräusch ebenfalls und drehte alarmiert den Kopf langsam
Richtung Himmel. In der nächsten Sekunde flog plötzlich mit unvorstellbarer
Geschwindigkeit ein Pferd über sie hinweg. Sie war sich bewusst, dass es sich
dabei um ein dämonisches Reittier handeln musste, doch vom Reiter selbst sprang
ihr nur eine schrecklich verzerrte Freskenmaske sofort ins Auge, bevor er
wieder in den dicken Nebelmassen und den Schneewolken verschwunden war.
Das penetrante Rauschen wurde immer lauter, und Silija ließ vor Schreck das
Fläschchen fallen, als sie eine Flutwelle auf sich und den Dämon zukommen sah.
Sie sprang auf, und blickte auf den Gegner nieder, der gerade schreiend von der
Flüssigkeit zerfressen wurde.
Wo um alles
in der Welt kam hier in den kalten Steppen auf einmal so viel Wasser her....
“ Боже мой!“
flüsterte sie, als sie von der Flutwelle erfasst wurde, die zu Land dem Reiter
in der Luft zu folgen schien. Silija wurde von den Wassermassen mitgerissen,
und sie schrie, als sich ihre Lunge mit Wasser füllte – doch alles was herauskam
war ein ersticktes Gurgeln.
Sie wusste, dass sie sterben würde....
Einen Augenblick später wurde ihre Leiche von den Wassermassen freigegeben, und
blieb auf dem zum Teil geschmolzenen Eisboden zurück.
Und da lag sie, ihre Leiche, in der Eiswüste, mitten im Nichts, während der
Wind wieder aufkam, und das geschmolzene und zurück gebliebene Wasser wieder
einfror. Der Wind wurde stärker und trug starke Schneemassen mit sich, die sich
über den leblosen Körper der Jägerin legten und sie kurz darauf unter sich
begruben.
ENDE