Episode 8.18
”Abide With Me"
von Yamato
Co-Autoren: White Magic,
Stefan, Lion, HopelezZ, Mel, Cthulhu, Steffi
Bilderstellung: HotWitch und Mel
Credits:
Disclaimer: Die
virtuelle, achte Staffel baut auf das von Joss Whedon erschaffene
Buffy-Universum auf. Sie wurde von Fans für Fans geschaffen, ohne dem Ziel
damit Geld zu verdienen. Das Universum und seine Charaktere sind das alleinige
Gedankengut von Joss Whedon, Mutant Enemy, FOX, WB und Paramount
Mo
(V.O.): ”In jeder
Generation werden Hunderte von Jägerinnen geboren. Hunderte von Mädchen, um
sich den Dämonen, dem Bösen und den Mächten der Finsternis
entgegenzustellen...”
Giles (V.O.): Bisher bei Buffy:
Buffy
kämpft gegen die dämonischen Ninjas im chinesischen Tempel – 8.01
Faith
trifft in Silent Hill auf die beiden Magier – 8.03
Die
Ninjas überfallen den HtoGrom Clan in einer japanischen Firma – 8.08
Warren
gibt Andrew die Hälfte des Anhängers – 8.09
Gretchen
spricht mit Mo über Warren und D’Hoffryn’s Energie – 8.10
Willow
hat eine Vision von einer Jägerin (Emma) in Gefahr – 8.11
Warren
und Andrew prügeln sich – 8.13
Kan
Hsirg will Clem’s Gedächtnis kaufen – 8.14
Dawn
trifft auf Yui und Gendou, Shin’s Eltern – 8.14
Andrew
verlässt die gemeinsame Wohnung nach dem Streit mit Xander – 8.14
Xander
erfährt von den Magiern, dass Eve ein Mensch ist – 8.15
Buffy
kämpft gegen Regil, den Echsendämon – 8.15
Die
drei Reiter brechen aus ihren Kontinenten hervor – 8.15
Dawn
und Shin schlafen miteinander – 8.16
Lily
übernimmt den Rat der Wächter in London – 8.17
Regil
“entschuldigt“ sich bei Buffy – 8.17
Kan
Hsirg, Lily und D’Hoffryn schließen sich zusammen, um Malkuth zu vernichten
– 8.17
Warren
und Andrew betreten die Hale von Tipharet – 8.17
Teaser
November 2003,
Black Pearl
Schummriges Licht schlug ihm entgegen, eine Vielzahl unbekannter
Gerüche mischte sich mit Stimmengewirr, dem leisen Schaukeln der Wellen, und
seltsamerweise – dem betäubend süßen Duft überreifen Pfirsichs. Pfirsiche
waren so ziemlich das Letzte, was man in einer Dämonenbar erwarten würde,
aber dann, wer konnte schon wissen, was einen dort erwartete? Obwohl er das
letzte halbe Jahr praktisch ein Dämon gewesen war, hatte er ebensoviel Ahnung
von ihrer Welt, wie ein Vulkanier vom Partyfeiern.
Zaddik
Bartholomew erwartete ihn in seinem winzigen Büro, seine massige Gestalt in
einen quietschenden Bürosessel gestopft. Sein einfaches Aussehen, die lockere
Begrüßung, das freundliche Funkeln in den rötlichbraunen Augen, all dies konnte
Warren nicht darüber hinwegtäuschen, dass er einem mächtigen Mann
gegenüberstand.
Mann?
Oder Monster?
”Ich
stecke in Schwierigkeiten, und mir wurde gesagt, dass Sie in einem solchen Fall
helfen könnten.” Genauso hilflos hatte er sich damals gefühlt, als er vor Rack
stand, und ihm Schutzzauber gegen die Jägerin hatte abschwatzen wollen. Nur
dass Rack’s billige Tricks ihm nicht hatten helfen können. Und was würden
dieser Zaddik und seine Spießgesellen gegen einen mächtigen Rachedämon wie
D’Hoffryn ausrichten? Noch mehr blinkende und krachende Special Effects?
”Du bist
also ein ehemaliger Rachedämon, hm? Dann müsstest du jetzt eigentlich wieder
ein Mensch sein,” wunderte sich Bartholomew, der den hastig gestammelten
Erklärungsversuchen aufmerksam zugehört hatte. ”Und D’Hoffryn dürfte praktisch
kein Interesse mehr an dir haben...”
”Das ist
alles ein wenig komplizierter.” Warren fiel es schwer, die Sache mit seinem Tod
und der Auferstehung in Worte zu fassen, irgendwie erschien ihm das alles so
unwirklich. Inzwischen hatte er es fast geschafft, sich davon zu überzeugen,
dass er einfach nur bewusstlos gewesen und ein knappes Jahr später wieder
aufgewacht war. Es war nicht einmal sonderlich schwierig gewesen. Was immer
auch mit ihm geschehen war, nachdem sich die Schmerzen langsam in Dunkelheit
aufgelöst hatten, D’Hoffryn musste sämtliche Erinnerungen daran gelöscht haben.
Gelöscht, wie einen lästigen Virus.
Wenn es
jemals welche gegeben hatte...
Auch
jetzt hatte er das Gefühl, über einen anderen zu sprechen, als er seinem Gegenüber
seine Geschichte erzählte. Nicht alles natürlich, aber zu lügen wagte er nicht.
Angeblich hatte dieser Zaddik - was immer der Titel bedeuten mochte - telepathische Fähigkeiten, und er wollte
nichts riskieren. Es wäre ja nicht das erste Mal, dass jemand...aber das war
jetzt nicht wichtig.
”Du musst
mir nun sehr genau zuhören,” begann der Dämon. ”Ich weiß nicht, was dir über
unsere Gemeinschaft erzählt wurde, es gibt sehr viel Klatsch und Gerede über
uns und ein Gerücht jagt das andere. Tatsache ist, wenn du Unterstützung
suchst, um deine Feinde zu bekämpfen, ganz gleichgültig, ob es sich bei diesen
Feinden um Menschen, Dämonen, oder Jägerinnen handelt, dann bist du bei mir
falsch. Wir mischen uns niemals in die Angelegenheiten anderer, es sei denn, diese
Angelegenheiten betreffen uns selbst. Unsere Richtlinien sind es, uns aus allem
herauszuhalten, und Ärger zu vermeiden...”
”Woran erinnert
mich das nur? Oberste Direktive?” murmelte Warren.
”Unterbrich
mich nicht,” schnitt sein Gegenüber ihm streng das Wort ab. Das freundliche
Funkeln war verschwunden und hatte einer tiefen Ernsthaftigkeit Platz gemacht.
”Okay,
okay, tut mir sorry!” Abwehrend hob Warren die Hände. ”Aber ich will niemanden
bekämpfen. Das war einmal! Eigentlich will ich nur meine Ruhe vor den ganzen
Leuten. Neu anfangen, wenn Sie verstehen, was ich meine. Den ganzen Mist
einfach hinter mir lassen und ein neues Leben anfangen. Ja. Das ist es, was ich
will!”
Zaddik
Bartholomew nickte langsam. ”In diesem Fall kann ich dir helfen - möglicherweise,”
erklärte er. ”Aber ich kann dir nichts versprechen. Die Entscheidung ob du in
unsere Gemeinschaft aufgenommen wirst, kann ich nicht allein treffen.”
”Schon
klar.” Nervös flog Warren’s Blick zur Tür, als er Geräusche von draußen hörte.
War D’Hoffryn vielleicht schon hinter ihm her? Er bezweifelte allerdings, dass
es Buffy oder eine der anderen Jägerinnen war, hatte die Hexe ihm nicht
zugesichert, dass sie ihn in Ruhe lassen würden, wenn er sich von ihnen
fernhielt?
”Was ist
das für ‘ne Gemeinschaft?” erkundigte er sich vorsichtig, ”können Sie mir da
was drüber sagen?” Nicht, dass es am Ende so eine komische Dämonensekte war, in
der man den Meister verehren und kniend vor ihm auf Glasscherben herumrutschen
durfte, bis er einen dann irgendwann im nächsten Schlammloch ersäufte...
”Du
siehst zu viele Horrorfilme, mein Junge.” Das Funkeln war zurückgekehrt,
diesmal wirkte es amüsiert.
‘Ich bin
kein Junge!‘ wollte Warren sofort auffahren, doch als ihm bewusst wurde, was
sein Gesprächspartner soeben gesagt hatte, krachte er vor Schreck mit dem Knie
gegen die Tischkante. Entsprachen die Gerüchte der Wahrheit? Konnte dieser Kerl
wirklich Gedanken lesen?
”Unsere
Gemeinschaft hat nichts mit Religion zu tun,” fuhr der Dämon fort, ”bei
Hunderten von Dämonen, die alle verschiedenen Kulturen und Religionen
angehören, wäre dies auch gar nicht möglich. Nein, wir haben uns lediglich zu
unserem Schutz zusammengeschlossen. Auch Dämonen, die nicht im Streit mit
anderen Dämonen, oder den Menschen liegen, laufen Gefahr von ihnen angegriffen
und vernichtet zu werden. Früher waren es vor allen Dingen aggressive
Dämonenvereinigungen, die uns das Leben schwer machten, heute sind es die
Jägerinnen...”
”Die
Jägerinnen?” fragte Warren zurück. ”Aber, wenn ihr so viele seid, könnte ihr
die nicht einfach fertig machen?”
”Selbst
wenn wir es wollten, wäre es unmöglich,” widersprach der bärtige Dämon. ”In jeder Generation werden Hunderte von
Jägerinnen geboren. Hunderte von Mädchen, um sich den Dämonen, dem Bösen und
den Mächten der Finsternis entgegenzustellen...”
Er brach
ab. ”Aber es ist gar nicht unsere Absicht, Mächte der Finsternis zu spielen.
Unser erstes und wichtigstes Gesetz lautet, dass wir niemals einen Menschen
angreifen, und das schließt auch mit ein, dass wir uns auf keinerlei
Auseinandersetzungen mit Jägerinnen einlassen. Gerade für die Aggressiveren
unter uns ist es natürlich schwer, sich an diese Regel zu halten, aber darauf
können wir keine Rücksicht nehmen. Wer dieses Gesetz bricht, wird mit dem Tod
bestraft, denn er gefährdet unser aller Leben.”
”Unser
zweites wichtiges Gesetz,” fuhr Bartholomew fort,“ ist, über den Ort, an dem
wir leben, absolutes Stillschweigen zu bewahren. Niemals dürfen feindliche
Dämonen oder Menschen erfahren, wo sich dieser Ort befindet. Nur die Mitglieder
unserer Gemeinschaft dürfen es wissen, und in Ausnahmefällen deren Verwandte.
Auch ein Bruch dieses Gesetzes kann mit dem Tod bestraft werden.”
Der Dämon
machte eine Pause und Warren wartete auf das dritte wichtigste Gesetz. Solche
Gesetze kamen immer zu dritt. Wie die drei Robotergesetze...
Aber
Bartholomew schwieg. ӆber unsere kleineren Gesetze und Regeln darf ich nicht
mit dir sprechen, solange du nicht Mitglied der Gemeinschaft bist.”
”Und wie
geht es jetzt weiter?” fragte Warren nervös. Hoffentlich kamen diese Dämonen
bald zu einer Entscheidung, damit er einen Ort hatte, wo er sich vor D’Hoffryn
verstecken konnte...
”Du musst
mit Zaddik Babette sprechen,” entgegnete Bartholomew. ”Sie wird in deinen Geist
blicken, und feststellen, ob deine Absichten ehrenhaft sind.”
Also
konnte der Kerl doch keine Gedanken lesen. So wie’s aussah, war er nur ein sehr
guter Menschenkenner. Trotzdem, wenn diese Babette wirklich in seinen Geist
blickte, wie Bartholomew es nannte, dann würde sie dort alles sehen...
Auch die
Dinge, die er noch nicht erzählt hatte. Die Dinge, die er lieber verschwieg.
Etwas von
seiner Nervosität musste sich wohl in seinem Gesicht gezeigt haben, denn Zaddik
Bartholomew lächelte ihn aufmunternd an. ”Es ist nicht unsere Aufgabe, dich für
deine Vergangenheit anzuklagen, mein Junge. Wichtig ist nur die Zukunft...”
Residenz der Familie Tetsu, Insel Kyushu, Japan,
November 2003, einige Tage später
Der Wächter fühlte sich
nicht wohl. Das Lächeln auf seinem Gesicht wurde immer steifer. So schwer
hatte er sich diesen Besuch nicht vorgestellt. Seit einer Stunde fast musste
er sich mit dem alten Mann über belangloses Zeug unterhalten. Sofort über
den Grund seines Besuches zu sprechen, wäre sehr unhöflich gewesen. Gerade
diese Familie legte sehr viel Wert auf Höflichkeit und die Einhaltung ihrer
Traditionen.
Reingehen, über die Berufung des Mädchens sprechen und mit dem Kind wieder
hinausgehen, das war hier leider nicht möglich. Na gut, mittlerweile sah er
auch ein, dass Aiko kein Kind mehr war. Mit ihren dreizehn Jahren wirkte sie
wie die Miniaturausgabe einer erwachsenen Frau, ihr langes Haar kunstvoll
hochgesteckt, ihr schmales Gesicht gepudert und geschminkt.
Gerade
servierte sie eine weitere Kanne Tee und kniete an dem niedrigen Tischchen
nieder, um ihrem Großvater und seinem Gast einzuschenken. Ihre zarte Gestalt im
hellgrünen Kimono war die Ruhe und die Anmut selbst. Dieses junge unschuldige
Mädchen würde nun ganz andere Dinge lernen müssen, wenn sie ihren zukünftigen
Angreifern gewachsen sein wollte.
Charles
Prescott versuchte seine Sitzposition auf den Tatami Matten unauffällig zu
verändern, langsam schliefen ihm die Beine ein. Was hatte sich Giles nur dabei
gedacht, ausgerechnet ihn nach Japan zu schicken? Er musste jetzt aufs Ganze
gehen.
“Verehrter Tetsu-sama, Ihre Enkelin hat eine besondere Gabe. Sie ist auserwählt
worden, die Welt vor dem Bösen zu bewahren.“
Zu
seiner Überraschung nickte der alte Mann, und lächelte weiterhin. “Gewiss, Mr.
Prescott-san. Unsere Aiko-chan ist eine Mamono Hantaa...eine Dämonenjägerin.“
Wenigstens
musste er diese traditionelle Familie nicht erst von der Existenz der Dämonen
überzeugen. Schon als er das Anwesen betrat, hatte er das Geisterhäuschen im
Vorhof bemerkt und die diversen Schutzzeichen an den Schiebetüren. Auch die
Altäre in den Nischen, in denen die Familie ihren Ahnen und Schutzgöttern
Blumen und Wohlgerüche zum Opfer brachte, waren ein deutlicher Hinweis darauf,
dass das Übernatürliche in diesem Haus zum alltäglichen Leben gehörte.
Vielleicht
machte all dies seine Aufgabe ein wenig einfacher.
“Ich
habe Ihnen vom Rat der Wächter erzählt, der Organisation, der ich angehöre.
Unsere Aufgabe ist es, Mädchen wie ihre Enkelin für den Kampf auszubilden, und
bei ihrer schweren Pflicht zu unterstützen. Ich kann Ihnen versichern, dass wir
unsere Aufgaben sehr ernst nehmen und den Mädchen die bestmögliche Ausbildung
und Unterstützung zukommen lassen. Da wir jedoch leider sehr wenige sind,
können wir für den Moment nicht für jedes Mädchen einen Wächter bereitstellen.
Deshalb haben wir in London, unserem Hauptsitz, ein Trainingslager für
Jägerinnen eingerichtet. Ich möchte Sie bitten, mir die Ehre zu erweisen, Ihre
Enkelin dort ausbilden zu dürfen.“
Lächelnd
nahm der alte Mann ihm gegenüber sein Teeschälchen und trank einige Schlucke
des köstlich duftenden Getränks. Sehr sorgsam stellte er die Schale wieder an
ihren Platz.
“Mr. Prescott-san, meine Familie wurde geehrt, als mein Sonnenschein auserwählt
wurde. Meine Enkelin ist das Licht meines Lebens, dem nur noch wenig Zeit in
diesem Körper bleibt.“
Er beugte sich vor. “Wollen Sie wirklich
meinen Lebensinhalt in das ferne England bringen, und mich in meiner letzten
Zeit auf dieser Erde allein in Dunkelheit zurücklassen?“
Das
hatte gesessen. Charles wusste, dass er verloren hatte. Natürlich konnte er
noch argumentieren, konnte anbieten, dass ein erwachsenes Familienmitglied die
junge Aiko begleiten konnte. Aber letztendlich hätte es keinen Zweck, der Alte
war zu schlau.
Charles
fragte sich, warum die Familie darauf bestand, Aiko bei sich zu behalten, wenn
sie doch über Dämonen und Jägerinnen Bescheid wussten. War dem Großvater etwa
nicht klar, welcher Gefahr er das Mädchen aussetzte, wenn er ihr das Training
durch den Wächterrat nicht erlaubte?
Vampire und Dämonen würden sie auf jeden Fall angreifen, egal ob sie
vorbereitet war, oder nicht!
Aber
es gab nichts, dass er tun konnte. Nach einer weiteren Stunde Geplauder erhob
er sich mit steifen Beinen und verabschiedete sich unverrichteter Dinge. Giles
würde über den Ausgang dieses Gesprächs nicht erfreut sein, aber er hatte
sein Bestes versucht. Hoffentlich musste das Mädchen nicht für die Halsstarrigkeit
ihres Großvaters büßen.
Aiko
begleitete den Besucher nach draußen und schloss das Tor hinter ihm. Fragend
wandte sie sich an ihren Großvater, welcher hinter sie getreten war. “Oji-sensei,
warum haben wir diesem Mann seinen Wunsch nicht erfüllt?“
“Mein Kind, du bist etwas ganz Besonderes und ich habe zu den Ahnen gebetet, um
zu erfahren, wie ich den Weg deines Schicksals positiv beeinflussen kann. In
meinem Traum letzte Nacht sah ich diesen jungen Mann einen Weg entlang gehen.
Über seinem Kopf zogen weiße Kraniche ihre Kreise. Er weiß es noch nicht, aber
der Tod schwebt über ihm. Ich könnte es mir nie verzeihen, dich in die Hände
seiner Mörder zu geben.“
Aiko
wollte noch weiterfragen, doch in diesem Moment hörte sie die Stimme ihrer
Mutter rufen. Es war Zeit für ihre Katana Übungen. Durch den fremden Besucher,
den sie hatte bewirten müssen, hatte sie bereits die Lehrstunde mit dem
Kampfstab versäumt, doch das war keine Entschuldigung, sich aus ihrer täglichen
Routine reißen zu lassen.
Der Großvater machte sich auf den Weg in seinen Garten, um für seine Ahnherrin,
die große Tetsuko ein Räucherstäbchen anzuzünden. Er musste jetzt nachdenken.
Er wusste, dass seine Träume ihm auch etwas über Aiko’s Zukunft verraten
hatten, doch diese Dinge hatte er seiner Enkelin noch verheimlicht. Hoffentlich
konnte er sie noch lange genug beschützen.
Malkuth, Straße des Kaisers
selbe Zeit
Die
Straße des Kaisers glänzte im feierlichen Licht hunderter Fackeln, Kerzen,
Laternen und Öllampen, welche seltsame Muster auf Wände und Höhlendecke zeichneten.
Ebenso auf ihre Träger, doch Warren hatte es längst aufgegeben, sich über die
verschiedenartigen Gesichter zu wundern, die an ihm vorbeizogen. Manche dieser
Wesen hatten überhaupt kein erkennbares Gesicht, andere sogar mehrere. Es gab
Gesichter, die an Tiere erinnerten, an Menschen, an Pflanzen, Steine und
flüssiges Licht, und solche, die man überhaupt nicht einordnen konnte. Noch
niemals hatte er so viele verschiedene Wesenheiten an einem Ort gesehen.
Nur,
dass sie alle miteinander an diesem Ort lebten. In dieser Stadt, Malkuth.
Er
wandte seine Aufmerksamkeit wieder nach vorne, und versuchte, all die
neugierigen und erwartungsvollen Blicke zu ignorieren, um nicht noch nervöser
zu werden, als er es ohnehin schon war. Zum Glück befand er sich relativ in der
Mitte der großen Prozession, und so gab es für die Zuschauer noch genügend
anderes zu sehen.
Der
Dämon neben ihm, ein grünlich-gräuliches Wesen voller seltsamer Falten und
Hautlappen schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln, welches er ziemlich gequält
erwiderte. Hoffentlich war dieses ganze Ritualzeugs bald vorbei, und er hatte
seine Ruhe vor dem Lärm, den Lichtern und den neugierigen Blicken.
Das
Tor am Ende der Straße kam in Sicht, wie alle Tore der seltsamen Stadt auch
dieses mit geheimnisvollen Bildern und Zeichen verziert. Auf dem Torbogen
erkannte er die Darstellung eines Sonnensystems mit den alchemistischen
Schriftzeichen für die einzelnen Himmelskörper und die dazugehörigen Metalle.
Bartholomew
und eine weitere Zaddik, eine orientalisch aussehende Frau, deren Körper nur
von Goldschmuck verhüllt wurde, hatten sich links und rechts neben den beiden
Säulen postiert. Bartholomew lächelte die Neuankömmlinge freundlich an, doch
der Gesichtsausdruck der Frau blieb ernst, ihre stechenden gelben Augen
unverwandt auf die Einziehenden gerichtet. Als sie das Tor durchschritten,
konnte Warren erkennen, dass sie nur bis zur Taille menschlich war, ihr
Unterkörper war der einer gewaltigen Schlange.
Im
Gegensatz zum grellen Farbenspiel draußen, war die Halle von Chockmah von
sanftem, gleichmäßig scheinendem, perlgrauem Licht erfüllt, welches aus einer
Art Brunnen in deren Mitte zu kommen schien. Eine schimmernde Flüssigkeit rann
aus einer dunklen Kugel, und lief sternförmig auseinander, um sich schließlich in
einem gewaltigen Becken zu sammeln. Alle Geschöpfe versammelten sich rund um
den Brunnen, wobei die Zaddik – zweiunddreißig an der Zahl – den inneren, und
ebenso viele Neuankömmlinge den äußeren Kreis bildeten.
Die
Decke, die sich über ihnen wölbte, zeigte verschiedene Sternbilder, aber es
waren nicht nur diejenigen, die er von der Erde her kannte. Seltsame
Konstellationen an Sternen, Planeten und Galaxien, die sich zu Bildern formten.
Eine der vielen Bedeutungen von Chockmah war der Kosmos.
“Tritt
näher, wir erwarten dich.“ Wie eine einzige mächtige Stimme schallte der Chor
durch den Raum, als die Zaddik ihre Gesichter nach außen wandten, um ihr
jeweiliges Gegenüber anzublicken. “Wurdest du in unseren Gesetzen unterwiesen?“
“Ja,
ich wurde.“ Die Antworten waren weniger einheitlich, weniger harmonisch,
durchsetzt von manch zitternder Stimme.
“Es
ist dir klar, was du tust, wenn du dich uns anschließt. Heute Nacht wirst du
einen neuen Weg beschreiten, und alles was früher war, wird nichts sein, als
ein Traum.“
“Ja,
ich weiß.“ Ob sie das Ausmaß dieser Worte wirklich verstanden, blieb zu
bezweifeln, aber die Regeln waren mit der Zeit auch um einiges lockerer
geworden. Viele Bewohner Malkuth’s hielten durchaus noch Kontakte zu Verwandten
und ihren früheren Freunden, welche außerhalb der Stadt lebten.
Aber
einen Abschied von ihrem alten Leben bedeutete der Eintritt in diese
Gemeinschaft allemal.
Und
einen Neubeginn.
“Das
Blut des Cabal kennt alle Wahrheit. Auch du musst bereit sein, den Spruch des
Blutes zu erdulden.“
“Ja,
ich bin.“
Zweiunddreißig
Hände, Klauen, Krallen, Pfoten und Pfötchen tauchten in die schimmernde
Flüssigkeit ein, ihr perlmuttgraues Leuchten schien sich zu verstärken und auf
ihre Träger überzugehen. Nun waren es die Zaddik, die auf ihre Gegenüber
zuschritten, die feurigen Hände ausgestreckt wie strahlende Leuchtfeuer, die
sie vor sich hertrugen. Furcht machte sich auf den Gesichtern breit, niemand
hatte ihnen gesagt, dass sie nach dem Gespräch mit Bartholomew, und der
Geistschau durch Babette noch einen weiteren Test zu bestehen hatten.
Dennoch
wich kein Einziger zurück, als sich die Hand wie eine züngelnde Flamme seiner,
oder ihrer Brust näherte. Sie waren schon zu weit gekommen, um jetzt noch umkehren
zu können.
Die
Hand brannte wie Feuer auf seiner bloßen Haut, schmerzte, als wolle sie sich in
seinen Körper hineinbohren. Alles um ihn herum verschwamm, die Höhlendecke
wurde zum Nachthimmel, die Wände zu Bäumen, der Boden zu Laub. Das Gesicht der Schlangendämonin
verzerrte sich, ihr schwarzes Haar flatterte um ihn herum – und nun war es
plötzlich Willow, die ihm entgegenblickte, ihre Züge von Hass und schwarzer
Magie entstellt.
Und
dann dieses kleine kalte Lächeln, als sie seinen Körper in Stücke riss.
Er
wollte schreien, doch sein Mund war mit groben Stichen zugenäht. Der grauenvolle
Geruch seines eigenen verbrannten Fleisches stieg ihm in die Nase und Willow’s
Gesicht wurde zu Katrina’s, mit einem anklagenden Blick in den toten leeren
Augen, zu Buffy’s, die blutüberströmt auf dem Boden lag. Schüsse hallten in
seinen Ohren, ihm wurde schlecht von dem kupfrigen Blutgeruch, als dieser
plötzlich zu Blumenduft wurde, seine Mutter arbeitete in ihrem geliebten Vorgarten,
und schickte ihn in den Keller, um frische Blumenerde zu holen.
Er
war wieder zehn Jahre alt, und spielte mit seinen Star Wars Figuren. Er war
wieder ein Teenager und baute seine Raumschiffe zusammen, rannte vor den Jungs
aus seiner Klasse weg, damit sie ihn nicht schon wieder verprügelten, zerbrach
sich den Kopf, was er anstellen konnte, um von Andrew und Jonathan in ihre
Clique aufgenommen zu werden, weil er unter seinen eigenen Altersgenossen keine
Freunde fand.
Die
Geräusche, die Gerüche, die Gesichter wurden zu einem wirbelnden Kaleidoskop,
das seine Augen zum Flimmern und seinen Kopf zum Dröhnen brachte. Ihn
schwindelte, er wäre fast vornüber gekippt, doch schaffte er es, aufrecht
stehen zu bleiben. Diese Bilder waren Vergangenheit, sie waren sein bisheriges
Leben, doch er war hierher gekommen, um neu anzufangen, und all dies hinter
sich zu lassen.
Ein
Klirren zerriss den Vorhang der Erinnerung, etwas Kleines Metallisches war vor
ihm auf den mit Muscheln verzierten Boden der Halle von Chockmah gefallen.
Muscheln...eine
der vielen Bedeutungen von Chockmah war das Meer...
Zaddik
Lakshmi, die Schlangendämonin hob den winzigen Gegenstand auf und betrachtete
ihn. Es war eine Pistolenkugel. Ihr Blick wanderte von dem Geschoß zu der
blutenden Wunde auf Warren’s Brust, die sich jetzt langsam schloss. Nur ein
paar einzelne Blutstropfen hafteten noch immer an dem zerbrochenen Anhänger,
den er um den Hals trug.
“Warren
Mears,“ sagte sie, und diesmal konnte er ihre Stimme deutlich aus dem Chor
heraushören. “Die Stämme des Mondes haben dich erhört. Du bist in die
Gemeinschaft von Malkuth aufgenommen.“
Warren
atmete tief durch, und spürte den betäubenden Geruch von überreifen Pfirsichen
seine Nase kitzeln. Es war kein echter Pfirsichgeruch, es war der Duft von
Andrew’s Haaren, sie rochen nach dem Shampoo, das Andrew am letzten Wochenende
benutzt hatte. Der Duft war keine Einbildung, er war real, ein schwacher
Abglanz davon haftete noch an seinen Fingern...
Opening Credits
AKT 1
April 2004, Gegenwart,
Buffy’s Wohnung,
abends
Shin
war nervös. Etwas, das vielleicht einmal pro Reinkarnation vorkam. Aber dies
war auch eine ganz besondere Situation und diesmal würden ihm weder Familientraditionen
noch Schutzamulette helfen, sie zu überleben.
Er holte tief Luft. Zum Glück
war er es von klein auf gewohnt, seine Gefühle zu verbergen, also würde
zumindest keiner der Anwesenden bemerken wie nervös er wirklich war. Ein Trost,
wenn auch ein schwacher.
Dawn
drückte seine Hand unter dem Tisch, und er schenkte ihr ein dankbares Lächeln.
Nun gut, sie durfte es bemerken. Sie war ja schließlich seine Freundin.
”Also,
Shin. Du und Dawn, ihr seid Kollegen, hab‘ ich gehört,” räusperte sich Buffy,
um die Aufmerksamkeit des jungen Paares auf sich zu lenken. ’Ein blöderer
Spruch ist dir wohl nicht eingefallen’, schalt sie sich selbst, ’genau dasselbe hast du ihn doch schon an
deinem Geburtstag gefragt!“
Mit
einer ruckartigen Bewegung, die den ganzen Tisch zum Wackeln brachte, riss Shin
seine Hand von Dawn‘s los und starrte Buffy wie ein erschrockenes Reh an. Sie
erwartet eine Antwort von dir, schoss es ihm durch den Kopf.
”Uhh…Ja. Dawn und ich haben uns auf der Arbeit kennen gelernt!” stammelte er
hastig und steckte sich den Rest von seinem Essen in den Mund.
”Die beste Möglichkeit, um jemanden kennen zu lernen” schaltete sich Robin ein
und grinste Faith, die neben ihm am Tisch saß, liebevoll an.
Eine Weile herrschte Stille. Mist, dachte Buffy. Genau das war die Situation,
vor der sie sich gefürchtet hatte. Jetzt war Dawn‘s Freund schon mal da und bot
die beste Gelegenheit etwas mehr über ihn zu erfahren und da wusste sie nicht
einmal mehr, was sie noch fragen sollte!
Wenn
wenigstens Xander, oder Willow hier gewesen wären! Einer von ihnen hätte sicher
gewusst, wie man das Gespräch in Gang halten konnte. Aber ihre beiden besten
Freunde hatten die Einladung zum gemeinsamen Abendessen mit Bedauern abgelehnt.
Buffy’s Idee war sehr spontan gewesen, und die beiden hatten für heute schon
etwas vorgehabt. Auch Giles und Andrew hatten sich entschuldigt.
”Also, ich hol‘ dann mal den Nachtisch!” rief die blonde Jägerin übertrieben
fröhlich und stand auf. ”Ich helfe dir!” fiel Faith, sich ebenfalls erhebend,
ein.
”Ich wusste immer, dass tief in dir eine perfekte kleine Hausfrau steckt!” bemerkte
Robin scherzhaft und fing sich auf diese Bemerkung einen bösen Blick ein, dem
ein Augenrollen folgte.
In der Küche machte sich Faith daran, mit einem Löffel im Eis herum zu hacken,
als wäre es ein Gegner, den es zu besiegen galt, während Buffy durch einen
Türspalt beobachtete wie Dawn‘s Hand sich in Shin‘s legte. Beide tauschten
verliebte Blicke, während ihre Füße unter dem Tisch die des anderen suchten.
Faith wiederum beobachtete Buffy und hatte das Gefühl etwas sagen zu müssen.
”Ronah hat auch einen neuen Freund. Ich bin nicht grad‘ Experte in solchen
Dingen. Ich denk‘ mir immer nur, wenn der Typ sie auf irgendeine Art und Weise
verletzt, dann verletz‘ ich ihn, aber richtig!”
Die blonde Jägerin grinste ein wenig in Faith‘s Richtung. ”Ich schätze das ist
für uns beide noch Neuland!” sagte sie, beobachtete wie Dawn Shin ein Küsschen
auf die Wange drückte, und seufzte. ”Was denkst du? Ob Shin der Richtige für
Dawn ist? Ich will nicht, dass sie den gleichen Fehler macht wie ihre große
Schwester.”
”Shin
ist kein Vampir, B.” gab Faith zu bedenken.
”Justin
war einer!”
Die
dunkelhaarige sah die blonde Jägerin verwirrt an. Wer zur Hölle war Justin?
Buffy erinnerte sich, dass sie Faith nie von der Sache erzählt hatte und setzte
zu einer Erklärung an, beobachtete aber nach wie vor Shin und Dawn beim
Turteln. ”Es war Halloween. Dawn hat erzählt, sie würde bei ihrer besten
Freundin Janice schlafen und hat sich stattdessen mit ein paar Typen herumgetrieben.
Vampire. Dawn muss wohl in diesen Kerl verliebt gewesen sein…naja.”
Faith ließ überrascht den Mund offen stehen. Die kleine Dawnie trieb sich mit
Vampiren herum? Anscheinend hatten sich nicht nur Buffy und die Clique total
verändert.
”Ich schätze, wir müssen uns dran gewöhnen, dass Ronah und Dawn erwachsen
werden. Verbieten können wir ihnen sowieso nichts und wenn, dann machen sie es
heimlich.” Beide Jägerinnen schwiegen für eine Weile und beobachteten Dawn‘s
und Shin‘s Geturtel.
”Ich werd` dann mal zu den anderen zurückgehen. Sie warten bestimmt schon auf
den Nachtisch!” Damit nahm die dunkelhaarige Jägerin die ersten beiden
Eisbecher von der Theke und balancierte sie zum Essenstisch, wo Robin sie schon
mit einem liebevollen Kuss empfing.
Buffy kaute nachdenklich auf ihrer Unterlippe. Irgendwie waren Dawn, Shin,
Robin und Faith ja zu beneiden. Sie wirkten alle vier so glücklich und Shin
schien ein lieber Kerl zu sein, der Dawn geradezu anbetete.
Die
blonde Jägerin dachte angestrengt darüber nach, wie lange es her war, dass ihr
ein Mann den Hof gemacht hatte. Ihre erste große Liebe war Angel gewesen, aber
die Beziehung, die sie sich immer gewünscht hatte, hatte sie mit Riley geführt.
Ein normaler, solider Kerl und ein Mädchen mit Superkräften in einer fast
normalen, ruhigen Beziehung.
Wieder einmal fragte sich die Jägerin, ob sie selbst am Ende dieser Beziehung
Schuld gewesen war, ob es ihr verletzter Stolz war, der alles ruiniert hatte.
Riley hatte ihr eine Menge bedeutet und zu spät hatte sie erkannt, dass er sich
für sie aufgeopfert hatte, während sie seine Bemühungen nie anerkannt und ihn
immer wieder von sich gestoßen hatte. Nach und nach war sie es gewesen, die die
Beziehung zerstört hatte. Nicht Riley.
Er
hatte geglaubt, sie liebe ihn nicht und vielleicht hatte er irgendwie sogar
Recht gehabt. Vielleicht hatte sie ihn nicht auf dieselbe Weise lieben können,
wie er sie. Nicht so, wie er es nach seiner Unterstützung und all seinen
tapferen Taten verdient gehabt hätte! Und war es bei Spike nicht ähnlich
gewesen? Oder hatte sie nur wieder einmal komplett den Überblick über ihre
Gefühle verloren? Wie schon so oft...
Irgendwie
hatte sie nie jemandem das geben können, was er....
‘Buffy,
hör sofort damit auf, dich fertig zu machen,‘ schalt sie sich selbst.
Sie
fragte sich, ob sie jemals wieder die Chance haben würde, eine normale
Beziehung zu führen, ohne Tod und Verzweiflung. Und vor allem nicht zu einem
übernatürlichen Wesen, ganz egal ob Vampir, oder sonst was!
Buffy wurde es zuviel, darüber nachzugrübeln, war es leid, sich den Kopf
darüber zu zerbrechen, ob sie eines Tages den Richtigen treffen würde. Wenn es
soweit war, würde sie es merken, redete die Jägerin sich ein und zufrieden mit
diesem Gedanken widmete sie sich den restlichen Eisbechern.
Und
entschied sich dafür, der Beziehung von Dawn und Shin eine Chance zu geben. Wer
weiß? Vielleicht würde ihrer kleinen Schwester das gelingen, was Buffy schon
seit Jahren mit den verschiedensten Männern immer versucht hatte…Eine normale
Beziehung zu führen, eine die von Harmonie bestimmt war, nicht von Schmerz.
Wächterhaus,
selbe Zeit
Die
Stille im Konferenzraum wurde nur gelegentlich durch ein Rascheln unterbrochen,
wenn Giles oder Willow eine Seite ihres Buches umblätterten. Oder durch das
leise ’Klonk’ einer auf den Tisch zurückgestellten Teetasse, und das Kratzen
eines Stiftes auf Papier, wenn einer der beiden sich Notizen machte. Ansonsten
herrschte konzentriertes Schweigen zwischen den beiden.
Seit zwei Stunden saßen sie nun schon über Giles Bücher- und Schriftrollensammlung,
von der er sich Ergebnisse versprach. Als Willow am Telefon zugestimmt hatte,
Giles heute Abend zu helfen, hatte sie geglaubt, dass sie nach neuen Hinweisen
auf und über die Reiter suchen würden. Sie war sehr überrascht gewesen, dass
es Giles nur um den Unsterblichen ging. Jenes Wesen oder jene Person, von
der Dawn und sie in der Energiedimension erfahren hatten. Inzwischen schien
Giles wirklich überzeugt davon zu sein, dass er wichtig für sie im Kampf gegen
die Reiter des Todes war.
Anscheinend gestaltete sich aber die Suche nach Informationen über ihn schwieriger,
als Willow geglaubt hatte. Natürlich klang ihr sein Name nach jemandem, der
die Geschichtsbücher des Rates füllen musste. Dem war auch so, doch keiner
dieser vielen angeblichen Unsterblichen schien der Richtige zu sein. Und falls
doch, wie sollten sie es wissen?
Müde rieb sie sich über die Augen, griff nach ihrer Tasse Tee und nahm einen
Schluck. Die Recherche war langwierig und anstrengend. Etwas, das ihren Kopfschmerzen
nicht dienlich war. Aber sie hatte keine andere Wahl, wenn es um den Kampf
gegen das Böse ging.
Das Aspirin, das sie vor einer Stunde auf der Toilette geschluckt hatte, ließ
langsam wieder nach, doch sie musste vorsichtig sein. Wenn sie zu viel auf
einmal am Tag davon einnahm, würde sie entweder bald keine Wirkung mehr spüren
oder tablettenabhängig werden. Beides war nicht gerade sehr verlockend. Und
wieder zwang sich ihr der quälende Gedanke auf: Sie hatte keine andere Wahl,
wenn sie mit ihren Schmerzen irgendwie leben wollte.
Giles’ Zeigefinger fuhr
über eine Zeile aramäischer Schriftzeichen, die er jetzt bereits zum dritten
Mal zu lesen versuchte. An eine Übersetzung hatte er noch nicht gedacht, nicht
in seinem unkonzentrierten Zustand. Seit zwei Stunden war ihm besorgniserregend
aufgefallen, dass er in Gedanken immer wieder von der Arbeit abgelenkt wurde.
Aber er konnte einfach nichts dagegen tun. Es war, als habe er keine andere
Wahl. Immer wieder musste er an Lily denken, an ihren Vorsprung im Rat, und
an seine Kollegen, von denen er geglaubt hatte, dass sie ihm vertrauten und
auf seiner Seite stünden. Er wagte sich nicht vorzustellen, was Lily ihnen
über Cleveland erzählt haben musste, so dass sie sich von ihm abgewandt hatten.
Dies bereitete nur zusätzliche Kopfschmerzen...
Würden die Kopfschmerzen schlimmer werden? Willow sah kurz auf und stellte
fest, dass Giles auf einen Punkt in seinem Buch starrte und selbst nicht sehr
konzentriert wirkte. Im Moment hatten alle mit ihren eigenen Dämonen zu kämpfen
und genau das machte Willow ein wenig Angst. Ihre ’Dämonen’ schienen nämlich
mächtiger zu werden und langsam Besitz von ihr zu ergreifen. Alles hatte einmal
so harmlos angefangen... es war nur ein Gefühl gewesen, ein mächtiges Gefühl...
die vereinte Kraft und Macht aller Jägerinnen auf der Welt.
Doch dann waren die
Stimmen gekommen. Erst selten und leise waren sie in ihrem Kopf gewesen, doch
bald schon hatte sie sie nicht mehr ignorieren können und selbst wenn sie im
Bett lag und versuchte zu schlafen, hörte sie unzählige Jägerinnen auf der Welt
durcheinander plappern. Und dann kamen die Schmerzen... hin und wieder. Es
hatte ihr Angst gemacht, bis sie begriff, dass sie nicht krank war, sondern die
Jägerinnen bei ihren Kämpfen spürte, ihre Verletzungen und Niederlagen...
Eine Niederlage nach der anderen mussten sie einstecken, gestand sich Giles in
Gedanken ein und fuhr sich ein wenig beunruhigt durch das Haar, blickte ermüdet
auf und ertappte Willow dabei, wie sie auf einen Punkt ihr gegenüber an der
Wand starrte. Vielleicht wurde es Zeit eine Pause zu machen? Doch war an so
etwas in solchen Zeiten zu denken? Sie hatten nichts in der Hand, um den Rat
von Lily’s Intrigen zu überzeugen. Dafür war Lily einfach zu gut darin, Menschen
gegeneinander auszuspielen und sicher spielten ihre Ausstrahlung und ihre
gewinnende Art eine große Rolle dabei.
Dabei hatte alles so gut angefangen. Mit ihr an seiner Seite hatte er sich
gestärkt gefühlt, hatte geglaubt mit ihrer Hilfe in einer neuen Welt von
Jägerinnen und Wächtern Ordnung zu schaffen, und sah sich bereits damit ganz
gut arrangiert, dass sie wieder in seinem Leben war... nicht nur als Kollegin.
Dabei hatte sie langsam und schleichend alles untergraben, was ihm in diesem
Leben etwas bedeutet hatte....
Langsam und schleichend hatten die Schmerzen zugenommen und es gab in den
letzten Wochen kaum einen Tag oder eine Nacht, wo die Visionen über Jägerinnen
in Not oder auch im Sieg ausblieben – Willow riss sich vom langweiligen Anblick
der Wand ab, bemerkte Giles Blick auf sich und lächelte ihn verlegen an,
während sie ihren Laptop heranholte.
Sie
bekam immer mehr Angst vor den Schmerzen, Visionen und Stimmen und wenn sie
spürte, dass sich einer dieser “Anfälle“ nährte, versuchte sie sofort einen
Ort zu finden, an dem sie alleine und ungestört war. Dass ihr dieses Missgeschick
in der Vorlesung passiert war, war Willow noch immer peinlich und eigentlich
war es der beste Beweis dafür, dass sie “es“ nicht mehr länger unter Kontrolle
hatte, sondern dass ihre Visionen sie fest im Griff hatten. Dies war auch
einer der Gründe, warum sie Buffy’s Einladung für heute Abend ausgeschlagen
hatte. Wenn es um Teambesprechungen und Recherche ging, konnte sie es nicht
vermeiden mit den anderen zusammen zu sein, aber der Gedanke an ein gemeinsames
Abendessen mit allen, hatte sie plötzlich mit Horror erfüllt. Was, wenn die
anderen etwas bemerkten?
Sie musste endlich
anfangen, mit jemandem darüber zu reden. Ernsthaft reden. Nicht nur
andeutungsweise, wie sie es vor vielen Wochen einmal mit Giles versucht hatte.
Die Hoffnung, dass es besser wurde oder aufhörte, hatte sie längst aufgegeben.
Hoffnung darauf, dass sich alles aufklären ließ, dass Lily vielleicht
tatsächlich Absichten verfolgte, die er verstehen konnte, waren an dem Tag
gestorben, als Giles den Brief ihres Anwaltes erhalten hatte und er
herausfinden musste, dass sie Vi getötet hatte. Er musste damit leben, dass
eine Frau, der er vertraut – die er geliebt hatte, und die er zu kennen
glaubte, sie alle verraten und verkauft hatte... doch immer wieder darüber zu
grübeln, sich Vorwürfe zu machen oder die Möglichkeiten abzuwiegen, was
passiert wäre, wenn er in manchen Situationen misstrauischer reagiert hatte,
führte zu nichts. Es lenkte nur ab. Also beschloss Giles sich wieder auf seine
Bücher zu konzentrieren und warf Willow noch einen kurzen fragenden Blick zu,
als sie ihren Laptop aktivierte.
Willow zuckte mit den Schultern, als sie den Blick des Wächters sah und rief
ihren Browser auf. “Vielleicht hilft uns das Netz weiter.“ Giles nickte und sah
wieder auf sein Buch, während Willow Suchbegriffe eintippte und hoffte, auf
diese Weise etwas Ablenkung von ihren Gedanken zu finden.
Games In,
selbe Zeit
“Scott,“
brüllte Andrew. “Du, ich pack’s dann!“ Er deutete mit dem Finger auf sich
selbst und anschließend auf die Türe, denn er ging nicht davon aus, dass sein
Boss auch nur ein einziges Wort gehört hatte. Judas Priest kreischte aus dem
Kopfhörer von Scott’s Discman, und dieser bangte dazu, während er gleichzeitig
die Kasse machte, und wieder einmal lautstark über die Slipknot Kiddies und
die Dimmu Borgir Girlies von heute schimpfte.
Andrew
kannte das alles zur Genüge und hatte nicht vor, die Litanei zu unterbrechen.
Er räumte den Staubsauger in den hinteren Raum zurück, schnappte sich seine
Jeansjacke, und marschierte aus dem Laden. Leider war es ein bisschen spät, um
noch bei Buffy’s Dinnerparty vorbeizuschauen, also entschloss er sich dazu,
nach Hause zu gehen.
Es
gab noch weitere Wege nach Malkuth, als durch die Große Unruhe – magische und
nicht magische – doch leider kannte er keinen einzigen von ihnen. Er hielt sich
mit den Händen die Ohren zu, um das Rattern des mächtigen Uhrwerks auszublenden
und riskierte keinen Blick auf die gewaltigen, messerscharfen Zahnräder über
ihm. Jedes Mal, wenn er hier durch musste, lief es ihm kalt den Rücken
hinunter.
Sechs
Zeiger, dreizehn Stunden. Was in aller Welt zeigte diese Uhr überhaupt an? Er
hatte Gerüchte gehört, dass es etwas mit der Weltzeit der Dämonen zu tun hatte,
jenen Tagen, an denen die Großen Alten diese Welt regiert hatten, einer Zeit,
die längst vergangen war, und doch irgendwann wiederkehren sollte. Andere
dagegen behaupteten, dass die Uhr auf magische Weise mit den Bewohnern von Malkuth
in Verbindung stand, und die Lebenszeit eines jeden einzelnen anzeigte, wenn
man sie nur richtig zu lesen verstand.
Wieder
andere behaupteten, die Uhr stamme aus einer Welt ohne Shrimp.
Er
machte einen gewaltigen Satz nach vorne, um dem Pendel auszuweichen, welches
mal wieder seine Richtung geändert hatte – und befand sich mitten in einer
Höhle. Keine der offiziellen Straßen, nur ein schlichter Gang mit ein paar
Fackeln an den Wänden. Zwar gab es elektrisches Licht in Malkuth, doch da nicht
alle seine Bewohner es vertrugen, durfte es nur privat verwendet werden und
nicht an öffentlichen Plätzen.
Er
durchschritt das Tor, winkte Rchsss, dem Taparrich Dämon, mit dem er manchmal
Globb spielte, zu und machte sich innerlich bereit, sich durch das Gewühl der
Halle von Tipharet zu kämpfen. Tipharet war die zweitgrößte Halle der Stadt,
nur die Halle von Malkuth, die zu Vollversammlungen diente, war noch
gewaltiger. Tipharet war der offizielle Marktplatz, überfüllt mit Ständen und
Geschäften, Läden in Zelten, hölzernen Bauten oder steinernen Nischen an den
Wänden. Hier wurde rund um die Uhr gehandelt.
“Grillen,
leckere Grillen, köstliche Käfer, geröstete Libellenlarven!“ überkreischte die
Stimme der Gottesanbeterin den Lärm um sie herum. Andrew duckte sich rasch
hinter eine Säule, doch zu spät, sie hatte ihn schon gesehen. “Willst du nicht
eine Tüte saurer Ameisen, mein Herr? Sehr bekömmlich, und für Menschen auch
sehr gesund.“
“Nein...uhm,
danke.“ Der blonde Junge suchte rasch das Weite und schlängelte sich zwischen
einem Schmuckständchen und einem Dämon, der nur aus Gelatine zu bestehen
schien, hindurch. Insekten waren nicht unbedingt das, was er sich zum Nachtmahl
vorstellte, selbst wenn sie für Menschen genießbar waren.
Vielleicht
sollte er ein paar muddazakhanische Schoten mitnehmen, daraus ließ sich morgen
ein leckeres Chili zubereiten. Gedankenverloren kramte er in seiner Hosentasche
nach Essensmarken, doch er fand nur Papierfasern. Dass Warren aber auch immer
vergaß, die Taschen zu checken, bevor er die Hosen in die Waschmaschine warf!
Als
Andrew in die Straße des Eremiten einbog, stieß er beinahe mit Clem zusammen.
Dessen Gesicht verschwand beinahe komplett hinter einer prallgefüllten
Einkaufstasche, welche der faltige Dämon auf den Armen trug. Ein violettes
kohlähnliches Gemüse machte sich selbständig, rollte auf dem Boden herum und
begann auf tentakelartigen Blättern davon zu watscheln.
“Aaaandrew!“
kreischte Clem. “Lass dich knuddeln, Kleiner!“
“Dein
Dragnesi -Kohl!“ Geschickt wich Andrew Armen und Tasche aus, um dem Kohlkopf
hinterherzulaufen. Normalerweise hatte er nichts gegen Clem’s Knuddelattacken,
aber diese zappelnde Einkaufstasche war ihm nicht so ganz geheuer. “Sind da
Kätzchen drin?“ fragte er vorsichtig, als er den watschelnden Kohlkopf aufhob.
Clem
schüttelte den Kopf. “Keine Kätzchen. Bonita meint, ich muss auf meinen
Cholesterinspiegel achten!“ Er seufzte tief, nahm Andrew den Kohl ab, und
deutete mit einem Kopfnicken in Richtung Tipharet. “Ich muss noch mal zurück,
hab’ vergessen, die Sirdalmi Eier zu kaufen. Bonita braucht sie fürs Frühstück
morgen...ach ist das schön, das der Strom endlich wieder geht. Hoffentlich
bleibt das jetzt so...bis dann!“
“Bis
dann, Clem!“ Der Junge setzte seinen Weg fort, er hatte es jetzt nicht mehr
weit bis nach Hause. Die Wohnung lag an der Straße des Glücks zwischen den
Hallen Chesed und Netzach. Besser hätten sie es gar nicht treffen können, fand
Andrew, denn die Straße des Glücks war wunderschön mit ihren kleinen Brunnen
und den Statuen der Glücksgottheiten aus verschiedenen Dimensionen. Die beiden
Tore waren in Form von Rädern gebaut, man musste daran drehen, um sie zu
durchqueren und die Straße zu betreten.
Das
Kichern eines kleinen Mädchens schallte ihm entgegen, als er seine Hand auf die
goldschimmernde Oberfläche des Rades legte, und die Tür wurde von der anderen
Seite festgehalten. “Hallo?“ rief er hinüber. “Klopf, klopf!“
Als
Antwort nur wieder dieses Kichern, wer immer dort auf der anderen Seite war,
kannte offensichtlich keine Klopf-klopf Witze. Endlich wurde die Tür
losgelassen, und Andrew sah sich zwei schlangenartigen Naga Dämonen gegenüber.
Die kleinere der beiden war ihrem menschenähnlichen Kopf nach zu urteilen ein
etwa zwölfjähriges Mädchen, der größere ein Junge im frühen Teenageralter.
Obwohl er ein wenig älter zu sein schien als das Mädchen, war sein Kopf eher
der einer Schlange und trug noch kaum menschliche Züge.
Laut
Giles’ schlauen Büchern bekamen Naga ihre menschlichen Oberkörper und Gesichter
mit dem Erwachsenwerden, aber die Wirklichkeit sah etwas anders aus. Kein
Schlangendämon glich hundertprozentig einem anderen.
“Hallo
Mensch.“ Das Mädchen kicherte wieder, und zupfte verlegen an ihren Haaren. “Ich
bin Sundari. Das da ist mein großer Bruder Arjuna. Er spricht nicht deine
Sprache.“
Der
männliche Naga bäumte sich auf und zischte etwas, das wohl eine Begrüßung
darstellen sollte. Sein Schlangenkörper war um einige Fuß länger, als der des
Mädchens. Andrew wusste, wenn er einem solchen Dämon außerhalb Malkuth’s
begegnen würde, hätte er schon längst die Beine in die Hand genommen. Aber hier
drinnen gab es weitaus größere und gruseligere Dämonen, vor denen man sich
nicht zu fürchten brauchte.
“Hallo,
ihr zwei!“ Andrew nickte den beiden zu. “Ich bin zwar ein Mensch, aber wir
haben auch Namen. Ich bin ein Andrew...ich meine natürlich, mein Name ist
Andrew.“
“Endruu,“
wiederholte das Mädchen mit ihrem rollenden Akzent und fragte neugierig weiter.
“Mein Bruder will wissen... du kennst...Slayer?“
“Die
Band?“ fragte Andrew und blickte das Mädchen ebenso verwirrt an, wie sie ihn.
Für einen Moment musste er an Scott denken.
Sundari
beriet sich kurz mit ihrem Bruder, das leise Zischen und Schnalzen ihrer Zungen
hallte von den Wänden wieder.
“Ach
du meinst die Jägerinnen?“ wollte Andrew wissen, bei dem es jetzt endlich
’klick’ gemacht hatte. “Yep, ich kenne einige von ihnen. Sie sind gefährlich
und man muss ihnen aus dem Weg gehen! Genau, wie das Gesetz von Malkuth es
verlangt.“
Das
Mädchen wollte noch mehr fragen, wurde aber von ihrem Bruder unterbrochen. “Wir
müssen Hause,“ erklärte sie und mit einem weiteren Kichern wandte sie sich um,
und beide krochen davon, durchs Tor hindurch.
’Hoffentlich
kommen diese Teenies nicht auf dumme Ideen’,
überlegt Andrew, als er seinen Weg fortsetzte. Leise öffnete er die
Wohnungstüre, denn er wusste nicht, ob Warren um diese Zeit noch wach war. Die
letzten Tage waren für ihn stressig gewesen, die ganzen Stromausfälle und so.
Er hatte ein paar Mal mitten in der Nacht raus müssen.
Der
Fernseher lief – Clem hatte also Recht behalten, der Strom ging wieder. Mit
einem Jubelschrei stürzte sich Andrew auf die Fernbedienung und versuchte sie
Warren zu entreißen, welcher vor der Glotze auf der Couch hockte. Warren hielt
die Fernbedienung mit einer Hand über seinen Kopf, während er mit der anderen
Andrew zu Boden schubste. “Geh’ weg!“
“Blödmann!“
Andrew warf sich längelang vor den Fernseher und kickte provokativ mit den
Füßen in die Luft.
“Geh’
mir aus dem Bild mit deinen Quadratlatschen, du hirnlose Matschbirne!“
“Selber
Matschbirne...autsch, lass mich los! Hör auf! Aaaah...das tut weh!“
“Soll’s
ja auch!“
“Hmmm...du
bist ein Dreckskerl!“
Warren
knipste den Fernseher aus. “Ich weiß.“
Xander’s Appartment,
nächster Morgen
Seine
Füße waren kalt. Langsam räkelte Xander sich, einzelne Traumfetzen wirbelten
noch in seinem Kopf herum, und zog die Bettdecke wieder in die richtige
Position, so dass seine Füße nicht mehr herausragten. Diese Decke war eindeutig
zu klein.
Hmmm....Kaffeeduft!
War Andrew heute dran mit Frühstückmachen?
Die Erinnerung an einen seltsamen Traum spukte noch einige Zeit durch seine
Gedanken, doch sie wurden bereits schwächer. Seine ganzen Freunde waren in dem
Traum gewesen, doch er hatte nicht zu ihnen kommen können so sehr er es auch
versuchte, als ob eine unsichtbare Wand zwischen ihnen gewesen wäre. Ihre
Gesichter hatten traurig ausgesehen, als wären sie auf einer Beerdigung.
Mehr
war nicht mehr übrig, doch dieser Teil des Traumes hatte wohl einen bleibenden
Eindruck hinterlassen. Sollte ihm das zu denken geben? Vermutlich.
Die Zimmertür öffnete sich und eine wunderbare Duftwolke von Kaffee, frischem
Toast, Rühreiern und Speck wallte ihm entgegen. Darüber das lächelnde Gesicht
von Eve “Frühstück ist fertig!“
Auf ihren Armen balancierte sie ein absolut überfülltes Tablett: “Ich wusste
nicht, was du magst, also habe ich von allem etwas mitgebracht, was ich in
deiner Küche gefunden habe.“
“Sollte das nicht eigentlich meine Aufgabe sein?“ scherzte er, während er
sich zur Seite rollte, um ihr Platz zu machen. “Zumindest in den Filmen machen
das immer die Männer.“
“Lass mich dich doch ein bisschen verwöhnen...“ Mit einem verschmitzten Lächeln
stellte sie das Tablett ab und ließ sich bei ihm im Bett nieder, “Außerdem
hatte ich Hunger und du...“ sie stupste ihre Nase gegen seine, “hast so süß
geschlafen, da wollte ich dich nicht wecken.“
Sein
Blick glitt über ihren nur in ein hauchdünnes Nachthemd gehüllten Körper.
“Ich bin froh dass du bei mir bist! Und das sag’ ich bestimmt nicht nur wegen
ein paar Eiern mit Speck!“
War er das wirklich, oder war er nur froh darüber, dass er nicht allein sein
musste? Liebte er sie, oder war es nur ein Weg, seine Schmerzen zu unterdrücken?
Er konnte es nicht mit Sicherheit sagen, auf jeden Fall war es ein gutes Gefühl
jemanden zu haben, der für ihn da war. Aber war das genug?
Verdammt, was war in letzter Zeit nur mit ihm los? Er erkannte sich fast selbst
nicht wieder, wenn er in den Spiegel guckte, allein die Tatsache, wie er mit
seinen Freunden umging! War es wirklich nötig gewesen, bei dem Streit mit
Andrew so auszurasten? Oder war es nötig gewesen, Buffy und Willow bei Giles
anzuschwärzen?
Er
hatte in beiden Fällen seine Gründe gehabt, doch die Frage, die ihn wirklich
beschäftigte, war nicht, ob es richtig oder falsch gewesen war, sondern ob der
“alte Xander“ es auch so gemacht hätte. Vermutlich nicht. Aber Schmerz
veränderte einen Menschen. Zuerst leise und schleichend, und dann brach er wie
eine Lawine aus einem heraus, und zerstörte alles, was auf seinem Weg lag.
Konnte
er etwas daran ändern? Konnte er die Scherben aufklauben, und wieder
zusammensetzen? Es musste eine Möglichkeit geben. Auch Willow war es damals
gelungen, und ihr Weg zurück war viel weiter gewesen, als seiner...
Das
Schwierigste an einem Weg war immer der erste Schritt...vielleicht sollte er
einfach losgehen...
“Willst
du?“, Eve hielt ihm ein Croissant unter die Nase, “Was ist mit dir, du wirkst
so in Gedanken versunken?“
Was Anya wohl zu ihr gesagt hätte? In Gedanken sah er ihr Gesicht vor sich, wie
sie Eve abschätzend betrachtete. Hm...ein bisschen groß vielleicht! Figur
eigentlich okay, aber an meine schlanke Taille kommt sie nicht ran! Und diese
Klamotten erst! Aber zumindest eine Frau, die was von Geld versteht!
Sie
würde es ihm wünschen, wieder glücklich zu sein, das wusste er. War er
glücklich? Auf jeden Fall hatte er das Gefühl zu heilen, dieses Lächeln und
diese Berührungen waren wie Balsam auf einer Wunde.
Vielleicht
würde er sich eines Tages in dieses Lächeln verlieben, doch darüber wollte er
sich jetzt nicht den Kopf zerbrechen.
“Es
ist nichts, ich war nur mit meinen Gedanken schon in den Verhandlungen, die nächste
Woche anstehen.“ Er ergriff das Croissant,
“Danke, es sieht verdammt lecker aus, ich habe fast so viel Lust darauf,
es zu essen wie ich Lust habe, dich zu küssen.“
“Na gut, nicht annähernd so viel, aber das ist bestimmt nicht die Schuld vom
Croissant!“, fügte er hinzu, als sich ihre Lippen wieder von einander lösten.
Cleveland, angemietetes Büro,
nachmittags
“Hunderte
von Jägerinnen aus aller Herren Länder, und jede von ihnen steht unter dem
Kommando des Wächterrats - meines Rats.“ Lily machte keine Anstalten, den
Triumph in ihrer Stimme zu verbergen. “Innerhalb von vierzehn Tagen kann ich
etwa zweihundert von ihnen mobil machen. Das sollte wirklich genügen, um jede
Dämonenstadt in den Staub zu stampfen!“
“Nur
zweihundert?“ Mit einem lauten Klacken ließ Kan Hsirg sein Zigarrenetui
zuschnappen. “Ich hatte mit mindestens der doppelten Anzahl gerechnet.“
Lily
zog die Augenbrauen hoch. “Wer hätte gedacht, dass Sie Jägerinnen noch immer
unterschätzen, Mr. Romero. Haben Sie denn nichts aus ihren bisherigen
Erfahrungen gelernt?“
“Touché,
meine Liebe.“ Immer noch leicht angesäuert blickte der Dämon über den
Konferenztisch des Büros. Ein runder Tisch, damit niemand das Kopfende für sich
beanspruchen konnte. Zwar war dieser Krieg seine Agenda, aber sie alle drei
waren gleich berechtigte Partner in dieser Aktion.
D’Hoffryn,
der Lily schräg gegenüber saß, hatte sich bisher sehr zurückgehalten, und
eher die Gespräche der beiden anderen verfolgt, als sich selbst einzubringen.
Zum Thema Armee hatte er ohnehin nicht viel beizutragen, denn er weigerte
sich strikt, seine Rachedämonen in die Sache hineinzuziehen.
Kan
Hsirg war es gleich. Er hatte jetzt Lily’s Jägerinnen. D’Hoffryn’s Hilfe
brauchte er für etwas anderes, und dazu würden sie noch kommen, sobald Punkt
eins – er meinte natürlich Punkt zwei geklärt war.
“Mr.
D’ Hoffryn,“ wandte Lily sich nun mit liebenswerter Miene an den Rachedämon,
“Sie haben uns immer noch nicht verraten, warum Sie sich nun doch entschieden
haben, an unserem kleinen Krieg teilzunehmen. Klären Sie uns doch bitte auf.“
“Sie
haben ebenfalls keinen Grund angegeben, Ms. Usher,“ entgegnete der
Angesprochene vorsichtig. “Woher sollen wir wissen, ob Sie nicht in
Wirklichkeit nur ihre eigenen Ziele verfolgen?“
Eine
Weile schwiegen sie sich beide lächelnd an.
Kan
Hsirg wurde es schließlich zu dumm. “Natürlich verfolgt jeder von uns seine
eigenen Interessen, und keiner kann dem anderen trauen. Noch bevor diese
Zusammenarbeit beendet ist, wird einer von uns dreien die beiden anderen übers
Ohr hauen, und die ganze Beute für sich allein behalten. Könnten wir jetzt
bitte wieder zur Tagesordnung übergehen?“
“Welche
Beute?“ fragten Lily und D’Hoffryn wie aus einem Munde.
“Sie
haben die richtige Frage gestellt,“ entgegnete Kan und lehnte sich in seinem
Bürosessel zurück. “Welche Beute? Darf ich Sie daran erinnern, meine lieben
Geschäftspartner, dass es bei dieser Zusammenarbeit weder darum geht, ein
begehrtes Objekt zu erringen, noch in den Genuss besonderer Vorteile zu kommen?
Wir wollen lediglich etwas kaputt machen, und ein paar Leute umbringen.“
Er
zog an seiner Zigarre. “Ihre persönlichen Motive, Ziele und Interessen sind
also für diese Zusammenarbeit vollkommen unerheblich. Bleiben Sie ruhig darauf
sitzen.“
“Besser
hätte ich es selbst nicht ausdrücken können.“ Anerkennend zog Lily die
Mundwinkel hoch. “Also gut, dreihundert Jägerinnen. Aber dies ist nun wirklich
mein letztes Angebot.“
“Angenommen.“
Die
Schiebetüre öffnete sich und Gretchen stakste herein. “Möchte jemand Kaffee?
Tee, vielleicht, oder Kekse? Salzstangen?“
“Husch,
husch ins Körbchen.“ D’Hoffryn machte eine abwehrende Handbewegung, um das
schwarzhaarige Mädchen wieder hinauszuschicken. Die Rachedämonin verzog
enttäuscht das Gesicht.
“Also,
ich könnte eine Tasse Kaffee vertragen.“ Kan Hsirg kramte einen zerknitterten
Zettel aus seiner Anzugtasche hervor. “Punkt eins beziehungsweise zwei, Armee
dürfte nun geklärt sein. Kommen wir nun zu Punkt zwei, beziehungsweise eins.
Wie Sie bereits wissen, sind meine bisherigen Versuche, etwas über die Lage und
den Aufbau von Malkuth zu erfahren, allesamt fehlgeschlagen. Ein
Geschäftspartner sollte mir das Gedächtnis eines Bewohners der Stadt besorgen,
aber daraus wurde leider nichts. Ich stehe wieder am Anfang.“
“Vielleicht
weiß Buffy, wo sich die Stadt befindet,“ plapperte Gretchen dazwischen, als sie
die dampfende Kaffeetasse vor dem Dämon abstellte. “Wir kennen uns flüchtig,
müssen Sie wissen, ich könnte ihr zufällig über den Weg laufen. ’Hallo Buffy,
erinnerst du dich noch an mich? Wir sind zusammen von Sydney nach L.A.
geflogen, du wolltest mir doch schreiben...“
“Gretchen,
du strapazierst meine Geduld,“ unterbrach D’Hoffryn mit zusammengebissenen
Zähnen. “Abmarsch, aber sofort!“
“Ist
ja gut,“ murmelte die junge Frau beleidigt, und zupfte an einer ihrer
Haarnadeln. Ausnahmsweise trug sie heute keinen seitlichen Pferdeschwanz,
sondern hatte sich die Haare hochgesteckt – passend zum Häubchen ihres
schwarz-weißen Serviermädchenaufzugs.
“Ich
glaube nicht, dass Bartholomew einer der Jägerinnen etwas über Malkuth verraten
hat,“ überlegte Kan Hsirg. “Sie mögen zwar ein Bündnis geschlossen haben, aber
soweit wird er ihr noch nicht vertrauen.“
Lily
horchte auf. Buffy hatte tatsächlich ein Bündnis mit Mo? Das wurde ja immer
interessanter, was man hier so erfuhr.
“Was
ist mit Bartholomew selbst, oder einem anderen Stadtbewohner?“ fragte sie.
“Kann man nicht einfach jemanden kidnappen, und versuchen, ein paar
Informationen aus ihm herauszuquetschen?“
“Schwierig.“
Hsirg verzog das Gesicht. “Die meisten von ihnen würden ihre Heimat selbst unter Folter nicht verraten, und wenn wir zu
viele gefangen nehmen, fällt das auf und sie sind gewarnt...“
“Dämonen
mit einem Begriff von Loyalität?“ Das halte ich für ein Gerücht,“ unterbrach
Lily spitz und ignorierte die ungehaltenen Blicke ihrer Gesprächspartner.
“...wenn
wir allerdings jemanden wüssten, der es mit der Loyalität nicht so weit hält,
und den wir unter geeigneten Druck setzen könnten...“ Mit geheimnisvollem Lächeln
blickte Hsirg zu D’Hoffryn hinüber.
“Gretchen,“
rief D’Hoffryn die Rachedämonin zurück, die bereits an der Tür stand. “Es gibt
Arbeit für dich!“
Friedhof in Cleveland,
abends
”Denkst
du wirklich, dass sie da drin sind?” fragte Dawn und sah Ronah unsicher an.
Sie hielt den Pflock verkrampft in der Hand und sah sich noch einmal kurz
um, bevor sie sich wieder Ronah zuwandte.
”Ich hab‘ die zwei gestern Nacht hierher verfolgt. Als ich ihnen allerdings
ins Mausoleum gefolgt bin, wurde ich von mindestens fünfzehn Vampiren überrascht,”
antwortete die dunkelhäutige Jägerin, steckte kurz den Pflock weg und festigte
sich noch einmal den Zopf, den sie sich vor einigen Stunden gebunden hatte,
um nicht wie in der Nacht zuvor wieder an den Haaren durch den halben Friedhof
geschleift zu werden. Na ja, nachdem sie endlich frei kam, hatte sie ihm wenigstens
noch alle Knochen gebrochen, bevor sie ihn zu Staub verarbeitet hatte.
“Buffy, Faith.. jetzt!” wisperte Dawn, die sich mittlerweile wieder gefangen
hatte, oder zumindest ihre Nervosität nicht mehr zeigte. Natürlich hatte sie
schon oft gegen Dämonen und Vampire gekämpft, und natürlich auch schon zusammen
mit Buffy, aber heute war es eine Art Bewährungsprobe. Buffy wollte sehen,
wie gut ihre Schwester als Jägerin wirklich war.
Einerseits
machte es Dawn stolz, dass Buffy sich nicht mehr gegen den Gedanken sträubte,
mit ihr gemeinsam auf die Jagd zu gehen. Lange genug hatte es ja gedauert, bis
sie sich davon überzeugen ließ. Andererseits bereitete es ihr Herzklopfen. Was,
wenn sie nicht gut genug war? Oder schlimmer noch, was wenn es wieder nur ein
Strohfeuer war? Schon einmal hatte Buffy ihr versichert, dass sie mit ihr
trainieren und jagen wolle, aber letztendlich war nicht viel daraus geworden.
Im
nächsten Moment trat Dawn die alte Holztür auf, drehte sich wieder zur Wand
und drückte sich fest gegen diese. Lautes Knurren drang aus dem alten Steingrab,
als Buffy und Faith aus einigen Metern Entfernung Flaschen in das Gebäude
warfen, die sie mit Öl gefüllt hatten. Sie hatten Tücher in die Flaschenhälse
gesteckt, die sie zuvor in die Flüssigkeit getunkt hatten, und diese dann
angezündet. Als die Flaschen jetzt im Lager der Vampirgang aufschlugen, verteilte
sich das Öl und fing sofort Feuer.
Faith nahm die letzte Flasche, warf diese in den Raum und kickte dann die
Flaschenkiste außer Reichweite.
”Showtime!” schrie Buffy und die vier Jägerinnen verteilten sich endlich auf
dem Platz vor dem Steingrab, als wie gerufen die ersten Vampire schreiend
aus dem engen Raum flohen, einige von ihnen brannten wie lebende Fackeln,
aber genug andere hatten es irgendwie geschafft, dem Feuer auszuweichen.
Ronah stellte dem Erstbesten ein Bein (besser so?), woraufhin dieser zu Boden
stürzte und von Faith in der Sekunde drauf hoch gerissen wurde. Die
dunkelhaarige Jägerin schlug ihm fest ihre Faust ins Gesicht, wodurch der
Vampir verwirrt nach hinten stolperte und dann einen stechenden Schmerz in der
Brustgegend spürte. Ronah zog ihren Pflock wieder aus dem Rücken des Vampirs, woraufhin
dieser sich in Staub auflöste und widmete sich dem nächsten Flüchtenden, der
nicht brannte.
Dawn stürzte sich auf den ersten nicht brennenden Vampir, der in ihre
Reichweite kam. Er war etwa in ihrem Alter gewesen, als er gestorben war, nur
war das schon mindestens hundert Jahre her, zumindest wenn man das nach seinem
Modegeschmack beurteilte.
”Dreckige Jägerin!” schrie er Dawn an, holte aus, und schlug ihr seine rechte
Faust direkt ins Gesicht. Dawn schrie auf, stolperte nach hinten und sah ihn
geschockt an. Wo war sie nur mit ihren Gedanken? Sie wollte sich gerade ducken,
um dem Typ den Boden unter den Füßen weg zu ziehen, als plötzlich Buffy auftauchte,
und dem Vampir in den Rücken trat, woraufhin dieser nach vorne stolperte,
und direkt auf Dawn landete.
Dawn’s Hals war mit einem Mal völlig ausgetrocknet, kein Ton verließ ihre
Kehle. Geschockt starrte sie das Monster an, welches sie anknurrte, und ihr
dann seine blanken Zähne zeigte.
‘Mach was, Dawn!’ schoss es ihr durch den Kopf, doch bevor sie reagieren konnte,
hatte ihre große Schwester den Vampir schon gepackt und gegen die Mauer geschleudert.
Dawn kämpfte sich hoch, doch Buffy hatte den Vampir, IHREN Vampir, schon erledigt.
”Was sollte das denn?” beschwerte sich Dawn, duckte sich unter dem nächsten
Angreifer hinweg und sah Buffy genervt an. Konnte sie ihr nicht einmal vertrauen?
Das waren doch nur verdammte Vampire.
”Runter!”
schrie Buffy, schleuderte ihren Vampir zur Seite, stieß Dawn leicht nach rechts
und trieb einem weiteren Vampir, der sich dort positioniert hatte, den Pflock
ins Herz.
”Konzentrier dich endlich!” schrie Buffy ihre Schwester an. Genervt drehte
sich Buffy wieder um, und konnte nicht verhindern, dass ihr eine leise Stimme
im Hinterkopf zuflüsterte: ’Ich hab’s ja gewusst.’ Sie verscheuchte diesen
Gedanken allerdings sofort, Dawn war eine Jägerin und sie würde diese Tatsache
verdammt noch mal akzeptieren!
War
hier nicht irgendwo ein Vampir, an dem sie ihre Wut auslassen konnte?
Inzwischen
war schon vollkommenes Chaos ausgebrochen. Überall liefen brennende Vampire
herum, und auch die alten trockenen Wurzeln, die sich an den Innen – und
Außenwänden des alten Grabes entlang geschlungen hatten, waren mittlerweile in
Flammen aufgegangen.
Ihr Blick wanderte zu Faith und Ronah, die einige Meter entfernt zwei Vampire
bearbeiteten, welche vom Feuer verschont geblieben waren. Faith trat ihrem in den Magen, woraufhin
dieser sich vor Schmerzen nach vorne beugte. Ronah stieß ihren kräftig nach
hinten, wodurch der über den anderen Vampir flog und schlussendlich konnten
Faith und Ronah die am Boden liegenden Vampire mit Leichtigkeit vernichten.
Buffy atmete tief ein, während sie geistig abwesend ihrem nächsten Angreifer
die Faust in die Rippen schlug. Es würde sicher noch ein langer langer Weg
werden, bis sie mit Dawn in einem solchen Einklang kämpfen konnte, wie Faith
und Ronah es beherrschten. Warum nur hatte sie damals aufgehört, mit ihrer
Schwester zu trainieren?
Dawn schrie auf, und Buffy fuhr erschrocken herum, woraufhin der
Vampir sie packte und die kurze Unaufmerksamkeit ausnutzte, um sie zu Fall zu
bringen. Die blonde Jägerin musste erkennen, dass ihre Schwester nur einer
brennenden Fackel ausgewichen war.
‘Ich muss ihr sagen, dass sie sich dieses blöde Geschrei sparen soll...’ dachte
sie sich, während sie eine Rolle nach hinten machte, den Vampir packte und
diesen ebenfalls zu Fall brachte.
Eine große Ulme, die neben dem Mausoleum gestanden hatte, fing ebenfalls Feuer
und zwang den dunklen Schatten, der sich dahinter befand, sich etwas weiter zu
bewegen.
Das sollten also die gefürchteten Jägerinnen sein? Diese herumkreischenden
Menschenmädchen?
Kopfschüttelnd
hielt die schemenhafte Figur Ausschau nach einer weiteren, sicheren Stelle.
Am Hafen, vor dem Black Pearl,
selbe Zeit
“Ich
geh’ da nicht rein, solang’ sie da drin ist, klar? Keine zehn Pferde bringen
mich jetzt da rein!“
Andrew
stieß einen lauten Seufzer aus, und ließ seinen Blick über die vertäuten Boote
am Kai schweifen. “Na schön! Dann werden wir halt den ganzen Abend hier dumm
rum stehen und den Pos beim Schaukeln zugucken.“
“Wir
können ja woanders hingehen...“ schlug Warren halbherzig vor. Er lehnte an der
Holzwand einer Bootshalle, seine Lederjacke lässig über der Schulter, und blickte
misstrauisch zum Black Pearl hinüber.
“Klar.
Und wieder rausfliegen, weil du dich nicht benehmen kannst!“
“Ich?“
schrie Warren entrüstet zurück. “Wer musste denn unbedingt von meiner Bratwurst
abbeißen?“
“Ich
war hungrig,“ verteidigte sich Andrew mit einem unschuldigen Augenaufschlag und
trat einen Schritt näher an Warren heran, so dass sich ihre Nasen fast
berührten. “Und freiwillig wolltest du mir ja nix abgeben, du
Geizkragen...außerdem, wenn du mir nicht meine Käsesahne weggegessen hättest, wär’
ich vielleicht schon vorher satt geworden, also ist es alles deine Schuld und
du bist außerdem...hgrrrmpf...mpf...bn...“
“Halt
die Klappe!“ Warren drängte Andrew grob gegen die Wand des Bootshauses, ein
glutheißes Funkeln war in seine schwarzen Augen getreten. Der andere Junge gab
einen kätzchenhaften Laut von sich, ein hilflos wimmerndes Maunzen und ließ
sich mit halbherzigem Widerstand gegen das harte Holz schubsen, wieder und
wieder. Er zuckte zusammen, und wand sich, als die eiskalten Metallbeschläge
sich schmerzhaft in seinen Rücken pressten, doch dann krallten sich Hände in
sein verschwitztes blondes Haar, rissen ihm den Kopf in den Nacken, und legten
seine Kehle frei. Heißer Atem senkte sich darüber...
“Friss
deinen Mensch gefälligst woanders,“ beschwerte sich der M’Fashnik, der gerade
an ihnen vorbeistapfte. “Willst du sämtliche Jägerinnen der Stadt anlocken?“
“Verschwinde,“
knurrte Warren ihn an.
“Würd’
ich gerne,“ grinste der Dämon, “aber der Zaddik schickt mich. Hat was mit dem
Kleinen da zu bereden!“
“Was’n?“
Benommen richtete Andrew sich auf und starrte einen Moment lang verständnislos
in der Gegend herum, bevor sich seine Augen wieder fokussierten. “Worum geht’s
denn?“
“Hat
er nicht gesagt, Mann, is’ privat. Er wartet in seinem Büro auf dich.“ Der
Dämon wedelte mit den Armen in Richtung Black Pearl.
“Okay,
dann geh’ zu ihm zurück und sag ihm, Andrew wird in ein paar Minuten da sein,“
warf Warren ungeduldig ein.
“Nope,
ist nicht nötig!“ Andrew schüttelte den Kopf und schlüpfte geschmeidig unter
Warren’s Arm hindurch. “Andrew wird jetzt gleich mitkommen und in ein paar
Minuten wieder zurück sein.“
“Hinterhältiges
Miststück!“
Warren’s
Augen sprühten Funken. Er wollte Andrew folgen, doch der M’Fashnik schüttelte
den Kopf. “Er will mit ihm allein sprechen.“
“Na
toll!“ Frustriert ließ sich Warren gegen die Wand sinken und folgte Andrew mit
den Blicken, als dieser dem M’Fashnik hinterher trottete. Kurz vor der Tür
wandte sich der blonde Junge noch einmal um, und zwinkerte ihm schelmisch zu,
bevor seine unschuldigen Blauaugen mitsamt dem Rest von ihm im Dunkel
verschwanden.
Solche
Augen gehörten absolut verboten, zumindest bei einem Jungen. Selbst wenn er in
Wirklichkeit kein richtiger Junge war, sondern von einem Planeten mit Zuckerwattewolken
und rosa Einhörnern stammte.
“Lange
nicht gesehen, Warren!“ Eine Mädchenstimme riss ihn aus seinen Gedanken. “Hast
du mich wenigstens vermisst?“
“Gretchen!“
Entsetzt taumelte Warren an der Wand entlang und sah sich mit panischen Augen nach
einem Fluchtweg um. “Was zum Teufel willst du von mir? Wie hast du mich
überhaupt gefunden?“
Black Pearl,
etwas später
“Andrew,
du hast sie wohl nicht mehr alle!“ Kennedy, die Cocktail trinkend mit einigen
Dämonen an der Bar gesessen hatte, war erschrocken aufgesprungen. “Willst du
dich umbringen? Du kannst nicht so einfach in eine Dämonenbar reinspazieren,
als wäre das...“
“Es
ist in Ordnung, Kenny!“ Mo war soeben aus der Türe seines Büros getreten. “Ich
bin sicher, Andrew wird dir alles später erklären. Wenn du uns jetzt bitte
entschuldigen würdest...“ er nickte dem jungen Mann zu und machte eine
einladende Geste.
Andrew
bemühte sich zu lächeln, doch es misslang gründlich. Er konnte sich schon
denken, warum der Dämon ihn zu sich bestellt hatte. Jetzt blieb ihm nur die
Hoffnung, dass das Gespräch einigermaßen glimpflich ausging.
“Ich
denke, du weißt, worum es geht.“ Mo schloss die Tür, nahm an seinem
Schreibtisch Platz und bot auch Andrew einen Stuhl an. Dieser zog es allerdings
vor, noch etwas länger den Unschuldigen zu spielen, und den bärtigen Dämon mit
einem verwirrten Blick anzusehen. “Was hab’ ich gemacht?“
“Das
weißt du sehr gut.“ Mo kaufte ihm die Unschuldsnummer nicht ab, und kam sofort
auf den Punkt. “Du lebst seit einiger Zeit an einem Ort, der nicht für dich und
deinesgleichen geschaffen ist.“
Andrew
seufzte leise. “Ist das denn wirklich so schlimm?“ fragte er. “Ich meine, ich
störe doch niemanden, oder hat sich jemand beschwert?“
“Ich
fürchte, du verstehst nicht.“ Mo’s Stimme klang sehr ernst und auch ein wenig
traurig. “Es geht hier nicht um dich. Weder ich noch ein anderer vom hohen Rat
in Malkuth haben etwas gegen dich persönlich. Aber du bist ein Mensch, und
diese Stadt ist die Heimat von Dämonen. Und unser Gesetz verbietet es, dass
Menschen unter uns leben.“
“Du
hast Recht, das verstehe ich wirklich nicht.“ Andrew zog schmollend die
Unterlippe vor. “Das ist nämlich Diskriminierung. Und überhaupt, deine Frau ist
auch ein Mensch, und sie lebt auch bei dir in Malkuth.“
“Das
ist etwas anderes,“ erklärte Mo. “Sie ist schließlich meine Ehefrau.“
“Sag
ich doch, Diskriminierung!“
“Darum
geht es nicht,“ unterbrach Mo, noch bevor Andrew einen seiner Redeflüsse
beginnen konnte. “Hör zu, wir sind dir gegenüber
schon mehr als großzügig gewesen. Normalerweise ist es verboten, dass Menschen
überhaupt von der Existenz unserer Stadt erfahren. Dein Gefährte hat bereits
das Gesetz gebrochen, indem er dir von Malkuth erzählt hat. Aber wir haben ihn
dafür nicht bestraft, ja wir haben nicht einmal eingegriffen, als du ihn dort
besucht hast. Wir haben dich in Malkuth ein- und ausgehen lassen, ohne dich
daran zu hindern, weil wir wissen, dass du nicht unser Feind bist.“
Er
lehnte sich nach vorne und blickte seinen Gesprächspartner eindringlich an.
“Aber nun hast du unsere Gastfreundschaft endgültig überstrapaziert. Du kannst
nicht unter uns leben wie einer von uns, Andrew, das geht nicht. Du bist keiner
von uns!“
“Das
hast du schon gesagt, Mo, aber du hast mir immer noch nicht erklärt, wo das
Problem liegt,“ Andrew’s Stimme klang ein wenig verletzt. “Ist natürlich klar,
dass eure Stadt ein Geheimnis bleiben muss, und alles, aber nur weil es
Menschen gibt, die euch angreifen würden, heißt das doch nicht, dass wir alle
so sind. Glaubst du wirklich, ich würd’ jemals etwas tun, das euch schaden
könnte? Traust du mir so was zu?“
Mo
schüttelte den Kopf. “Nein, aber die Meinung eines Einzelnen entscheidet nicht
über die Geschicke unserer Stadt. Unser Gesetz erlaubt nicht, dass Menschen
unter uns leben, und solch grundlegende Gesetze zu ändern, ist ein langer
schwieriger Prozess. Und ich fürchte, die meisten von uns haben zu viele
negative Erfahrungen mit Menschen gemacht, um sich für solche Veränderungen
begeistern zu können. Man kann Veränderungen nicht einfach erzwingen, man muss
sie sich langsam entwickeln lassen...“
Andrew
senkte den Kopf, ihm waren die Argumente ausgegangen. “Und wie soll es jetzt
weitergehen?“ fragte er leise.
Friedhof in Cleveland,
etwas später
”Ronah,
pass auf!” schrie Faith, während sie dem Vampir, der sich rechts neben ihr
befand, ihren Ellenbogen in den Magen schlug, sich dann sofort umdrehte, ihn
erfasste und ihn gegen die brennende Ulme schleuderte.
Ronah sprang zur Seite, stärkte den Griff um den Pflock und trieb dem untoten
Wesen die Waffe ins Herz, bevor es wieder vor den Flammen fliehen konnte.
Buffy schleuderte ihren Angreifer einige Meter über den Friedhof, während
Dawn die blonde Vampirin, deren Haare in lodernde Flammen aufgegangen waren,
mit einem Kurzschwert köpfte.
”Das war’s, oder?” Dawn blieb stehen, holte tief Luft und sah sich um. Buffy
machte mit ihrem Vampir nun kurzen Prozess, während Faith und Ronah die letzte
Vampirin gegen den brennenden Baum schleuderten, woraufhin diese sofort zu
brennen begann, und daraufhin zu Staub zerfiel.
”Sieht so aus..” antwortete Ronah, die ihren Zopf löste und ihre nun freien
Haare ausschüttelte.
”Wie viele waren denn in diesem kleinen Grab drin? 30?” Faith steckte den
Pflock ein, und sah besorgt zu dem brennenden Baum auf. ”Die Feuerwehr wird
sicherlich bald hier auftauchen..” murmelte sie, zuckte dann allerdings mit
den Schultern. Was juckte sie das schon? Es war nur ein blöder, alter Baum.
”Nein, dort hinten!” schrie Buffy plötzlich, schoss an Dawn, Faith und Ronah
vorbei und lief auf einen großen, dunklen Schatten zu, der sich von der brennenden
Ulme weg bewegte.
”Oh, da haben wir mal wieder ‘ne kleine Schlange aus ihrem Loch geholt...
klasse..” flüsterte Buffy, als sie den massigen Dämon erblickte, der nun im
Gras verharrte, und sie mit seinen Schlitzaugen misstrauisch anvisierte.
Die restlichen drei Jägerinnen kamen angelaufen, und blieben mit stehen, eine
Mischung aus Verwirrung und Verwunderung in ihren Blicken. Ronah sah Faith
verstört an, und trat einen Schritt zurück. Das Ding war so... riesig.
”Ein Naga...” flüsterte Dawn und stellte sich neben ihre Schwester in die
erste Reihe.
Der
gewaltige Schlangendämon zischte laut, während er sich allerdings nicht vom
Fleck bewegte. Vor den Jägerinnen lag im Dunklen eine gewaltige Mischung aus
Mensch und Schlange. Der Dämon war überall mit Schlangenhaut bedeckt, und
sein langer Schwanz ringelte sich hinter ihm im Gras. Erst ab dem Torso war
es der Körper eines Menschen, wobei der Kopf eine Mischung aus beidem zu sein
schien. Eine gespaltene Zunge zappelte zwischen seinen Lippen.
”Stimmt, und ich hatte schon zweimal die Ehre, gegen einen zu kämpfen,” flüsterte
Buffy, und dachte für den Bruchteil einer Sekunde zurück an die High School,
als sie Cordelia rettete, kurz bevor sie einem Naga Dämon geopfert werden
sollte. Danach sah sie in Gedanken die riesige Schlange, die Glory auf sie
gehetzt hatte, um Dawn zu finden.
”Sie sind gefährlich, also seid vorsichtig. Ihr Haut ist ziemlich hart..”
weiter kam die blonde Jägerin allerdings nicht, da der Naga plötzlich nach
vorne schoss und direkt auf die Gruppe zu kam.
Dieser Naga schien noch recht jung zu sein, da er noch um einiges kleiner
war, als Glory’s Diener von damals. Aber wenn er sich aufbäumte, so wie er
es jetzt tat, war er doch mindestens um drei Köpfe größer, als die Jägerinnen.
”Passt auf!” schrie Buffy, und stieß Dawn leicht beiseite, wobei sie ihr das
Kurzschwert aus der Hand riss, und auf den Naga zulief. Sie holte mit der
Hand aus und boxte ihn fest in den Oberkörper. Der Dämon schien davon aber
nicht viel zu spüren, und stieß sie nur kräftig beiseite. Buffy’s Körper schlug
fest gegen einen der alten, großen Bäume.
Weit
entfernt konnte sie schon die ersten Feuerwehrsirenen hören.
”Los!” schrie Faith, woraufhin sie zusammen mit Ronah auf den Naga zusprintete,
um ihn von beiden Seiten anzugreifen. Sie sprangen kurz vor ihm in die Luft
und machten jeweils einen Backflip, wobei sie ihm die Füße direkt ins Gesicht
schlugen. Überrascht und leicht benommen verharrte der Dämon und musste anscheinend
kurz dagegen ankämpfen, nicht umzufallen. Ronah und Faith landeten wieder
auf ihren Füßen, auch Buffy konnte
sich wieder aufrappeln. Sie hatte das Schwert in einiger Entfernung unabsichtlich
fallen gelassen, und sich daher einen großen Ast der brennenden Ulme abgebrochen.
Jetzt jagte sie damit auf den Naga zu.
”Wer hat Lust auf gegrillten Naga?” schrie Buffy, bevor sie plötzlich stehen
blieb, zielte und den Ast wie einen brennenden Speer auf den Dämon zuschoss.
Er bohrte sich in den großen Schwanz, woraufhin der Dämon einen lauten Schmerzensschrei
ausstieß, und danach den brennenden Ast wieder abschüttelte. Die Kreatur zischte
laut und panisch auf. Es gab keinen Fluchtweg, da hinter ihm nur das Feuer
und die schmiedeeiserne Umzähnung des Friedhofes waren. Er sah sich kurz um,
erblickte dann Dawn, die bisher nur wie angewurzelt am Rand des Feldes gestanden
hatte und schoss auf sie zu.
”Dawn,
pass auf!” schrie Buffy, aber dieses Mal war sie außer Reichweite, um ihrer
kleinen Schwester zu helfen. Sie sprintete auf die Stelle zu, an der ihr Schwert
lag, machte eine Rolle und erfasste es dabei. Kurz darauf stand sie wieder
und lief neben Ronah und Faith dem Naga nach, der noch immer auf Dawn zusteuerte.
Der
gewaltige Schwanz des Dämons schlug zur Seite, erfasste die junge Jägerin und
riss sie zu Boden. Die Schlangenkreatur bäumte sich auf, der mächtige Körper
schwebte über dem jungen Mädchen, welches ihm panisch entgegen starrte. Buffy
blieb vor Entsetzen das Herz stehen, der Angreifer musste sich nur
fallenlassen, um ihrer kleinen Schwester das Genick zu brechen. Oder mit seinen
gewaltigen Fangzähnen zustoßen und ihr die Kehle herausreißen.
Am Hafen, vor dem Black Pearl,
selbe Zeit
“Weglaufen
bringt nichts, Warren!“ In einem Wirbel aus zuckenden Flammen erschien Gretchen
wieder vor ihm, und pustete sich die Asche von ihrem violetten Minikleidchen.
“Teleportieren geht nämlich schneller, musst du wissen. Oder wie ein Geek so
schön dazu sagt: ’Beamen’!“
“Du
kannst mir nichts tun!“ Warren’s Stimme zitterte, und er fühlte das Pochen
seines Herzens bis in den Hals hinauf. “Wenn du mich angreifst, dann legst du
dich auch mit meinen Freunden an. Mächtige Freunde! Und du kriegst jede Menge Ärger,
das schwör’ ich dir!“
“Mächtige
Freunde?“ Gretchen zog zweifelnd eine Augenbraue hoch. “Ich seh’ hier
jedenfalls keine.
“Du
weißt ganz genau, von wem ich rede!“ Wenn er sie nur lange genug hinhalten
konnte, würde vielleicht jemand im Black Pearl bemerken, dass er in
Schwierigkeiten war und Hilfe holen. Für irgendwas musste diese Gemeinschaft ja
gut sein.
“Mach’
dir bloß nicht in die Hose,“ sie grinste verächtlich. “Wenn Lord D’Hoffryn dich
wirklich hätte umbringen wollen, dann hätte er’s längst getan, Malkuth hin oder
her. Aber den ganzen Trouble mit Bartholomew und seinen Spießgesellen warst du
ihm einfach nicht wert. Soviel Stress für ein bisschen Energie? Nein, danke!“
Sie machte eine wegwerfende Handbewegung und hielt mitten in der Bewegung inne,
um ihren Nagellack zu begutachten.
“Was
willst du überhaupt?“ fragte Warren, der nur sehr schwer seine Erleichterung
darüber verbergen konnte, dass sie nicht gekommen war, um ihn umzubringen.
“Dir
ein Angebot unterbreiten.“ Ihre Stimme schlug einen Geschäftston an. “Was
würdest du davon halten, wieder Teil der Familie zu werden? Mit allen
Fähigkeiten und Kräften, die einem als Rachedämon so zur Verfügung stehen?
Einschließlich Wünsche erfüllen, ewiges Leben und...“sie verschwand in einem
Feuerwirbel, um einen Augenblick später dicht neben ihm zu erscheinen... “Beam
me up, Scotty!“
Sie
neigte sich nach vorne und biss ihm ins Ohrläppchen. “Und wenn Lord D’Hoffryn
mit dir zufrieden ist, lässt er dich vielleicht sogar wieder ein bisschen mit
dem Feuer spielen. Nur für den Fall, dass es da noch irgendwelche Schlampen von
Jägerinnen gibt, an denen du dich rächen willst. Na, was würdest du davon
halten?“
Friedhof in Cleveland,
etwas später
Einen
Moment lang trafen sich ihre Blicke, panische Mädchenaugen blickten in ebenso
panische Dämonenaugen, diese seltsamen schlangenartigen Schlitze, welche immer
noch glühend über ihr schwebten.
Dann
verschwanden sie. Die Kreatur hatte sich abgewandt.
”DAWN!” schrie Buffy, nickte ihrer Schwester zu, die sie geschockt ansah, und
warf ihr das Schwert zu.
Sie
sprang hoch, fischte die Waffe aus der Luft, doch sie machte keinerlei
Anstalten, dem Dämon zu folgen. Verwundert flogen die Blicke der anderen drei
Jägerinnen zwischen Dawn und dem Naga hin und her, welcher sich in Windeseile
den Kiesweg bis zum Ausgang entlang schlängelte, sich den nächsten Kanaldeckel
suchte, durch den er passte, und daraufhin im Untergrund von Cleveland
verschwand.
”Was war das denn?” fragte Buffy und blickte verwirrt von Faith über Ronah zu
Dawn. Die ersten beiden zuckten allerdings nur mit den Schultern und warteten
dann ebenfalls neugierig auf die Antwort von Buffy’s Schwester.
”Na ja... er hat mir nichts getan, er wollte einfach nur weg...” murmelte Dawn
und starrte noch immer in die Richtung, in die der Dämon geflohen war. ”Er
hätte mich töten können, aber das hat er nicht...wie soll ich ihn da noch
angreifen?
”Oh, und dann hat er gegen uns gekämpft, weil es ihm von einer höheren Macht
befohlen wurde? Denkst du er hört Stimmen? Vielleicht war es ja ein
schizophrener Naga..” antwortete Faith ein wenig spöttisch, konnte aber nicht
verhindern, dass sich ein Grinsen auf ihrem Gesicht breit machte.
”Das
ist nicht witzig!” schrie Buffy, die noch am ganzen Körper zitterte. ”Dawn
hätte sterben können!”
”Aber
ich lebe noch.” Entschieden drehte sich Dawn wieder zu ihrer Schwester. ”Er hat
mich nicht angegriffen, ja eigentlich überhaupt keinen von uns. Vorhin hätte er
dir mit einem Schlag von seinem Schwanz alle Rippen brechen können, aber auch das
hat er nicht. Er wollte einfach nur von uns und dem Feuer weg.
”Apropos Feuer, wir sollten schleunigst hier verschwinden. Die Feuerwehr trifft
sicher jede Sekunde hier ein..” merkte Ronah an, woraufhin die anderen
Jägerinnen nickten und auf den Ausgang zuliefen. Das Heulen der Sirenen war um
einiges lauter geworden, als zuvor.
Sobald sie den Friedhof verlassen hatten, bogen die Jägerinnen in die Straße in
Richtung des Wächterhauses ein und sahen nachdenklich in die Dunkelheit.
Nach einigen langen Minuten voller Schweigen erbarmte sich Buffy und ergriff
endlich das Wort. ”Okay, er hat dich verschont, aber ich weiß trotzdem nicht,
ob es richtig war, ihn fliehen zu lassen.” Sie bemühte sich, den Vorwurf in
ihrer Stimme möglichst klein zu halten. ”Ich bin Naga Dämonen bisher zweimal
begegnet, und beide Male waren sie sehr gefährlich und schreckten absolut nicht
davor zurück, Menschen zu töten..”
”Na ja, aber mir kam es einfach richtig vor. Weißt du, ich hatte so ein Gefühl,
tief in meinem Inneren ...” Dawn blickte zu ihrer Schwester und suchte
Augenkontakt. ”Du hast mir immer erzählt, dass Jägerinnen wichtige
Entscheidungen oft nach ihren Gefühlen fällen sollen, weil diese einen meist
nicht trügen. Und für mich war es richtig, ihn gehen zu lassen... er hat doch
genau dasselbe getan.”
”Instinkte,
nicht Gefühle...” entgegnete Buffy. ” Dawn, deine Gefühle in allen Ehren, aber
für mich erschien der Naga gefährlich genug, um einen Grund zu haben, ihn zu
verfolgen. Natürlich sollten wir nicht so einfach alles umbringen, was uns über
den Weg läuft, schließlich sind wir die Guten...” sie suchte nach den richtigen
Worten.
Faith
hielt kurz im Laufen inne, und sah für den Bruchteil einer Sekunde zu Buffy.
Eigentlich wollte sie sich nicht in eine Auseinandersetzung zwischen den
Schwestern einmischen, aber hier ging es um mehr, als um Dawn’s Training und
geschwisterliche Beziehungen. ”Was meinst du damit B? Ich meine, hallo, wir
sind Jägerinnen. Das war ein Dämon.”
”Du redest schon beinahe wie sie...”
”Was
meinst du damit?” Verwundert blickten die Jägerinnen zu Ronah. Auch sie hatte
bis jetzt geschwiegen, um sich nicht in den Schwesternstreit einzumischen.
”Nicht
so wichtig,” wehrte Ronah ab, aber als die anderen sie weiterhin anblickten,
fügte sie vorsichtig hinzu. ”Sie hat gesagt, dass die offizielle Aufgabe einer
Jägerin darin besteht, alle Dämonen zu jagen, und zu vernichten. Sie meinte,
dass diese Welt den Menschen gehört und Dämonen in ihren eigenen Welten bleiben
sollen...”
”Es
ist vollkommen egal, was sie jemals gesagt hat!” Finster starrte Faith zu
Boden.
”Und was ist mit Clem oder Mo? Das sind doch auch Dämonen, und trotzdem unsere
Freunde, oder zumindest Bekannte. Von Angel, Spike und Anya ganz zu schweigen.
Sollen wir ein paar Dämonen einen Zettel mit der Aufschrift ”harmlos” um den
Hals hängen und alle anderen einfach so vernichten?” fragte Dawn.
”Du hast ja Recht...” Buffy nickte. ”Klar, wir sollten unsere Energie natürlich
auf die ‘bösen’ Dämonen konzentrieren, von denen Menschen Gefahr droht. Aber
wer sagt dir denn, dass dieser Naga nicht schon nächste Nacht ein junges
Mädchen umbringt?”
”Genau. Wie sollen wir denn erkennen, ob es sich bei Dämonen um die bösen oder
um die weniger bösen handelt?” warf Faith ein. ”Sie tragen ja keine Schilder,
auf denen das steht, so wie in Andrew’s komischen Büchern.”
”Und in vielen Fällen fällt auch die freundliche Unterhaltung weg, da ich
selbst eigentlich keine einzige dämonische Sprache beherrsche..” sagte Ronah
leicht zynisch.
”Hm, ich weiß auch nicht,” überlegte Dawn, nachdem die Gruppe eine größere
Straße überquert hatte. ”Der Naga hat uns jedenfalls nicht angegriffen...”
”Ja und? Sollen wir jetzt bei jedem Dämon darauf warten, dass er zuerst
angreift? Muss ein Naga Dämon erst ein Kind getötet haben, bevor wir ihn
vernichten dürfen?” fragte Faith leicht aufgebracht.
”Nein,
so meinte Dawn das nicht, denk ich zumindest...” überlegte Buffy. ”Es ist einfach eine verdammt schwierige Situation.
Einerseits hat Faith Recht, auf der Straße weiß man doch nicht, ...” die Gruppe
blieb abrupt an einer Kreuzung stehen, als ein dunkelroter Chrysler an ihnen
vorbei schoss.
”Idiot...”
murmelte Faith, blickte dann aber wieder zu Buffy.
”...wer gestern oder vorgestern jemanden gekillt hat.” beendete diese ihren
Satz.
Sie
lehnte sich nach vorne. “Aber andererseits gibt uns das Jägerinnendasein keine
Lizenz zum Töten. Ich denke nicht, dass wir das Recht haben, Kreaturen einfach
umzubringen, nur weil sie anders sind, als wir.“
”Das ist ja alles ziemlich schwammig..” stellte Dawn fest und sah die anderen
leicht verwirrt an.
”Ich denke, wir sollten mal mit Giles darüber sprechen, ” überlegte Buffy,
”oder mit Robin,” fügte sie mit einem Blick zu Faith hinzu, während sie ein
weiteres Mal nach links einbogen und dann nur noch wenige Meter von der
Ratszentrale entfernt waren, der Zentrale, die keine mehr war. ”Vielleicht
haben die schlauen Bücher ja etwas zu dem Thema zu sagen.”
Der
letzte Satz klang allerdings nicht wirklich überzeugt. Giles’ Bücher mochten
hilfreich sein, wenn es um Informationen ging, aber bei moralischen Fragen
konnten sie wohl schwerlich Unterstützung liefern.
Vermutlich
hatte Dawn Recht und die alten Herren in England hatten es sich in der
Vergangenheit wieder mal zu einfach gemacht.
Am Hafen, vor dem Black Pearl,
selbe Zeit
“Das
kann nicht dein Ernst sein!“ Gretchen fiel die Kinnlade herunter. “Ich muss
mich wohl verhört haben?“
“Was
ist an ’Nein, danke’ so schwer zu verstehen?“ wollte Warren genervt wissen. Er
spähte zum Black Pearl hinüber, welches gerade ein paar Dämonen ausspuckte. Wo
zum Teufel blieb Andrew?
“Du
kriegst das Angebot deines Lebens und lehnst es ab?“ fragte sie fassungslos.
“Warren, was ist los mit dir? Ich dachte, du wärst ein cooler Oberfinsterling,
und keine Lusche!“ Ihre Stimme nahm einen lauernden Tonfall an. “Oder bist du
jetzt geläutert, und willst einer von den Guten sein?“
“Ich
– einer von den Guten? Träum weiter!“ Spöttisch lachte Warren auf. “Nur damit
du’s weißt, ich bin immer noch ein cooler Oberfinsterling. Ich hab’ nur keinen
Bock auf eure Spielchen, das ist alles. Mein Leben ist okay, so wie’s jetzt
ist, und ich brauch’ keinen Ärger mit rachsüchtigen Kerlen, zickigen Weibern,
und nervtötenden Jägerinnen.“
“Wie du willst,“ entgegnete sie kühl. “Aber lass dir eines gesagt sein. Du
wirst schon bald sehr viel mehr Ärger haben, als dir lieb ist. Und weder dein
ach-so-tolles Malkuth, noch dein kleiner Mr. Spock werden dir da wieder raus
helfen können.“
“Droh
mir nicht,“ entgegnete Warren gelassen. Er hatte keine Angst mehr vor ihr.
Gretchen
öffnete ihre Handtasche und kramte zwischen Puderdose, Lippenstift und
Nagellack einen Talisman hervor. “Hier. Falls du doch noch zur Vernunft kommst,
bevor es zu spät ist.“
Sie
schnippte mit den Fingern und löste sich in Flammen auf, während er
nachdenklich das Amulett betrachtete. Rachedämon sein, war schon cool mit all
den Kräften, aber es würde sein Leben unnötig kompliziert machen.
Natürlich
hatte er nicht vor, den Rest seines Lebens für diese Dämonenstadt Elektriker zu
spielen. Vielleicht ließ sich Andrew doch irgendwann überreden, wieder zurück
nach California zu gehen, wenn er erst mal von seinem Weltrettungstrip runter
war. Oder sie würden irgendwo ganz anders hingehen und etwas völlig Neues
machen. Den Begriff Oberfinsterling konnte man schließlich auch ein bisschen
großzügiger definieren, dazu musste man nicht unbedingt Banken überfallen, oder
Jägerinnen killen.
Solange
Andrew wusste, dass er der fieseste Bösewicht aller Zeiten war, passte das
schon. Und Andrew wusste das, auch wenn er ständig dumme Sprüche darüber
abließ, dass Til Schweiger und Klaus Kinski den besseren deutschen Akzent
hatten.
Der
schwache Geruch von Andrew’s Haaren stieg ihm in die Nase und er fühlte, wie
das Blut durch seinen Körper schoss. Wer hätte jemals gedacht, dass das alles
einmal so kommen würde? Andrew war ja nicht mal ein Mädchen, wobei – als Kerl
konnte man ihn auch nicht bezeichnen, also passte das schon. Andrew war...eigentlich
gab es überhaupt keine Möglichkeit, Andrew zu definieren, außer einer eigenen
Spezies. Zugegeben, weitläufig verwandt mit Tribbles, Ewoks, Elfen und kleinen
maunzenden Wuschelviechern mit Glubschaugen.
Eine
frische Brise kam auf und ließ ihn frösteln. Er griff nach seiner Lederjacke,
um sie sich um die Schultern zu legen und sein Blick fiel auf die
schnabelartige Narbe an seinem Oberarm. Ganz verschwinden würde sie wohl nie,
das hatten alte Narben so an sich.
Probehalber schob er sein T-Shirt hoch und tastete nach dem Wundmal der
Pistolenkugel auf seiner Brust. Auch das würde ihm bleiben.
Auf
der Innenseite seines linken Armes befand sich ein blauer Fleck. Das gehörte zu
den Wunden, die wieder heilten. Bis man dann wieder neue blaue Flecke bekam...
Nein,
das war kein blauer Fleck. Es war eine graue Stelle auf der Haut, grau wie
Asche, direkt in seiner Armbeuge. Tat auch nicht weh, wenn man daran rieb. Sah
nur ziemlich seltsam aus.
Irgendwie...abgestorben.
Black Pearl,
etwas später
“Finanziell
bekommst du es also hin, oder?“ fragte Mo. “Du musst ja auch nicht von heute
auf morgen ausziehen. Glaub’ mir, wir verstehen genug von der Welt der
Menschen, um zu wissen, dass es kein Kinderspiel ist, in Cleveland eine
bezahlbare Wohnung zu finden.“
“Ein
bisschen hab’ ich schon gespart,“ überlegte Andrew. “Und meine Freunde würden
mir sicher auch helfen...“
Er
hob den Kopf und blickte Mo an. “Aber darum geht es doch überhaupt nicht! Es
ist nicht wegen Geld, oder weil es so schwierig ist, eine Wohnung zu finden. Es
ist...es ist, weil ich es einfach nicht will...“
Mo
wollte wieder zu einer Erklärung ansetzen, doch Andrew war noch nicht fertig.
“Bitte lass mich ausreden. Ich weiß zwar nicht, wie ich dir das erklären soll,
aber... du weißt nicht, was es für mich bedeutet, wieder mit Warren zusammen
sein zu können. Ich hab’ so lange geglaubt, ich sehe ihn nie wieder...es kommt
mir immer noch wie ein Wunder vor. Das ist es ja auch. Ein Wunder.“
Scheu
senkte er den Blick. “Und ich will nicht wieder zurück zu den Wochenendtreffen.
Ich will abends neben ihm einschlafen und morgens neben ihm aufwachen. Mit ihm
zusammen essen, rumalbern, und vor der Glotze rumgammeln. Mich mit ihm
streiten, wer die nächste Tube Zahnpasta kauft, und wer wann mit Abspülen dran
ist. Ist das falsch? Ist das etwa zu viel verlangt?“
“Andrew,
es tut mir wirklich leid.“ Die Traurigkeit in Mo’s Stimme war nicht zu
überhören.
“Es
braucht dir nicht leid zu tun.“ Andrew schüttelte den Kopf. “Da draußen
herrscht schon wieder Krieg, die Reiter des Todes galoppieren in der Welt
herum, und mit ihnen wahrscheinlich auch schon der nächste Weltuntergang. Ich
weiß nicht, wie viel Zeit mir noch mit Warren bleibt, aber eins weiß ich ganz
sicher, ich werd’ sie mir von niemandem wegnehmen lassen. Und am allerwenigsten
von irgendwelchen dummen Gesetzen!“
Er
holte tief Luft. “Wenn es sein muss, werd’ ich rausgehen, und mich vom nächst
besten Werwolf beißen lassen! Dann bin ich euch hoffentlich Dämon genug!“ Herausfordernd
blickte er seinen Gesprächspartner an und wartete auf Widerspruch.
“Wie
ernst ist es dir damit?“ fragte Mo.
AKT 2
Malkuth, Warren’s und Andrew’s Wohnung
zwei Tage später, früher Morgen
Wie
ernst es ihm war? Absolut ernst. Auch wenn ein Werwolf vielleicht nicht
unbedingt die beste Idee war. Man konnte zwar fünfundzwanzig Tage pro Mondmonat
ganz normal leben, aber wenn man die restlichen drei nicht richtig eingesperrt
war, dann brachte man Leute um. Das war nicht gut.
Vampir
schied auch aus. Buffy würde ihn sofort pfählen, außerdem war man als Vampir
nicht wirklich man selber. Außer man war Spike.
Vielleicht
ein Fyarl, die waren so richtig wild und stark. Giles war einmal ein Fyarl
gewesen, hatte Dawn erzählt. Aber die hatten so hässliche Hörner. Und außerdem, wenn er zu stark war, dann
konnte er sich nicht mehr so gut von Warren überwältigen lassen, ohne dass es
total gestellt wirkte. Das war peinlich.
Oder ein Rwasundi, die
konnten in der Zeit herumspringen. Das war cool, dann konnte man ein
Erdnussbutter Sandwich haben, das man sich noch gar nicht geschmiert hatte.
Oder multiple Orgasmen, bis man davon blind wurde...
Nein,
die hatten Schuppen. Die Rwasundi natürlich, nicht die Orgasmen. Schuppen waren
ganz sicher nicht cool.
Und
irgendwie wurde er den Verdacht nicht los, dass Kennedy ihn ganz gewaltig
angeschwindelt hatte.
Andrew
lauschte auf die Geräusche von draußen. In Malkuth war es niemals völlig still,
auch nachts nicht. Die Dämonen hatten völlig verschiedene Schlaf- und Lebensrhythmen,
so dass zu jeder Tages und Nachtzeit jemand seinen Beschäftigungen nachging.
Manche Dämonenarten konnte man an ihren Stimmen erkennen, andere sogar an den
Geräuschen ihrer Fortbewegung.
Was
bedeutete es eigentlich, ein Dämon zu sein? War man dann anders, als ein
Mensch? Sah man nur anders aus – wenn überhaupt – oder dachte und fühlte man auch anders?
Er
kuschelte sich tiefer in die Kissen, und schmiegte seinen Rücken an Warren’s
Brust. Das Entscheidende an einem Dämon war nicht der Körper, es war die
Essenz, hatte Mo erklärt, doch um ehrlich zu sein, verstand er es nicht genau.
War damit vielleicht die Seele gemeint?
Nach
den Gesetzen von Malkuth war auch Warren dämonisch, nicht deshalb, weil er
zuvor ein Rachedämon gewesen war, sondern weil er ein künstliches Leben durch
Schwarze Magie erhalten hatte. War seine Seele dadurch anders als vorher?
Oder
hatte es gar nichts mit der Seele zu tun?
Buffy’s Auferstehung hatte angeblich nicht ihre Seele verändert, sondern
nur ihre Molekularstruktur. Also lief es vielleicht doch wieder auf körperliche
Dinge hinaus...
Buffy
würde ganz schön sauer sein, wenn er ihr erzählte, dass sie nach den Gesetzen
Malkuth’s ein Dämon war. Das würde ihr mit Sicherheit nicht gefallen....
”Geh
weg!” Warren rollte sich im Halbschlaf herum und schubste Andrew zur Seite.
Dieser krabbelte unter der Decke hervor, und begann nach Klamotten zu suchen.
Giles wollte heute ein Treffen von früh bis abends, es gab einiges zu
recherchieren und zu besprechen. Neue Erkenntnisse über die Reiter, die
Probleme mit Lily und dem Rat und natürlich die nicht enden wollende Suche nach
dem Unsterblichen.
”Singing, soon I’m gonna be a Jedi!” Leise vor sich hinträllernd,
hüpfte er in Richtung Küche davon, setzte Milch und Kaffeewasser auf, wechselte
irgendwann mittendrin Film und Lied, und versuchte den letzten Rest vom Schokosirup
aus der Flasche zu quetschen. ”Shower to the left, and shower to the right...weil
wir so schön sind, so schlau sind, so rank und schlank!”
”Muss das sein!” schimpfte
Warren von drüben.
”Willst
du Kaffee, oder nicht?”
”Aber
auf Til Schweiger als Han Solo Verschnitt kann ich verzichten.”
”Ich
doch auch. Ich mag ihn nur als Bösewicht! Rrrrrr!” Andrew gab einen Schnurrlaut
von sich, ignorierte Warren’s Protestgeheul und widmete sich dem Toast.
Es
überraschte ihn immer wieder, wie ähnlich ihre Wohnung hier unten doch
denjenigen auf der Erde war. Sicher der Herd sah aus, wie aus den siebziger
Jahren, der Kühlschrank war auch nicht das neueste Modell, und geheizt wurde
mit Kohleöfen, wobei man eigentlich fast nie heizen musste. Dank der Feuer und
Fackeln in den Gängen war es immer ziemlich warm, zu warm, fand Warren. Andrew,
der die Wärme liebte, war vollauf zufrieden damit.
Trotz
der altertümlichen Atmosphäre, die in der Stadt herrschte, bevorzugten es die
meisten Dämonen, ihre Behausungen modern einzurichten. Die elektrischen Geräte
konnte man sich relativ problemlos aus der Welt der Menschen besorgen.
”Was
hat der Zaddik überhaupt gewollt? Du hast es mir immer noch nicht gesagt!”
Andere
verließen sich lieber auf magische Kräfte, was eigentlich auch viel
romantischer war, und besser zur Atmosphäre passte. Doch nachdem Andrew bei einem
Versuch den Toast mittels eines Feuerrituals zuzubereiten die Vorhänge in Brand
gesteckt hatte, verließ er sich lieber auf einen guten amerikanischen Toaster
’Made in Taiwan’.
”Hey,
Saftsack, ich red’ mit dir!”
”Wir
reden heut’ Abend drüber, okay?” Andrew hatte Warren noch nichts Genaues von
dem Gespräch mit Mo erzählt. Zunächst einmal wollte er in Ruhe über alles
nachdenken, ohne Warren’s Überredungsversuche, und dass Warren versuchen würde,
ihn zu überreden, stand eigentlich außer Frage. Alles was ihn näher zu Warren
und weiter von Buffy und ihren anonymen Apokalypsenanhaltern wegbrachte, war
in Warren’s Augen gut und richtig.
Wie
würden Buffy, Dawn und die anderen reagieren, wenn er plötzlich Hörner, oder
einen Schwanz hätte? Würden sie ihn am Ende doch noch aus der Gang werfen? Oder
sogar umbringen?
Von
draußen war ein Scharren zu hören, und er blickte durch das runde Fenster
hinaus auf die Straße. Eine Clique Jugendlicher spazierte, kroch und flatterte
vorbei, unter ihnen auch Sundari und Arjuna, der einen dicken Verband um seinen
Schlangenschwanz trug, und sich nur mühsam fortbewegen konnte.
”Gar
nichts ist okay! Ich will endlich wissen, was Mr. Keilerzahn von dir wollte.
Hat es etwas mit mir zu tun?”
”Nicht
alles auf der Welt hat etwas mit dir zu tun.” Andrew sammelte Warren’s Kaffee,
seinen Kakao, und dazu Toast, Jelly und Erdnussbutter zusammen und schleppte
alles ins Wohnschlafzimmer zurück, wo er die Sachen auf der Bettdecke
ausbreitete. ”Lass uns Krümel machen!”
”Doch,”
grinste Warren. ”Die Welt dreht sich ausschließlich um mich.”
”Heute
ist Mittwoch, Plastic. Mittwochs tragen wir pink.” Andrew tauchte ein Stück
Toast in die Erdnussbutter und stopfte es in Warren’s Mund. ”Autsch, nicht
meinen Finger!”
Um
sich zu rächen, hielt er drohend seine bereits leere Kakaotasse über Warren’s
Kopf, doch dieser durchschaute den Trick, packte Andrew’s Handgelenk und zog
den anderen Jungen zu sich heran, um ihn einen Augenblick später unter sich zu
begraben. Klirrend fielen Erdnussbutter und Jelly Gläser zu Boden, und rollten
in verschiedene Ecken davon.
”Vorsicht,
pass auf deinen wehen Arm auf!” Mit besorgtem Blick sah Andrew zu seinem Freund
hoch. Seit gestern trug Warren seinen Arm in einer Schlinge, er hatte sich bei
der Arbeit verletzt. Andrew war halb in Panik geraten, doch Warren hatte ihm
versichert, dass es nicht schlimm sei.
”Is’
doch nur’n Kratzer.” Warren mimte den tapferen Überlebenden eines Kriegsdramas
und setzte eine Heldenmiene auf, was ihm allerdings nicht ganz gelingen wollte,
da ihm Kakao über die Wange lief. Andrew’s Tasse war wohl doch nicht ganz leer
gewesen.
”Hmmmm...Schokolaaaaade...”
”Lass
mein Gesicht noch dran, du gefräßiges Fressviech!”
”Warren,
was hast du da.” Andrew hielt mitten in der Bewegung inne, angestrengt
fixierten seine blauen Augen Warren’s Halsbeuge. ”Das da unten ist kein
Schokofleck, es sei denn, Bertie Bott’s Bohnen mit Betongeschmack.”
”Is’
doch nur’n Leberfleck.” Der schwarzhaarige Junge rollte sich weg, und
ignorierte das Protestgequieke seines Freundes. ”Hey, Decke dableiben!
Kaaaaalt!”
”Musst
du nicht langsam los?” wollte er wissen. ”Ihr habt doch wieder Treffen der
Anonymen Apokalypsenanhalter! Nicht, dass du noch zu spät kommst, und
Superzicke dir den Hintern versohlt!”
Andrew
rollte mit den Augen, es war immer dasselbe. Jedes Mal wenn er zu den
Scoobietreffen ging, veranstaltete Warren das übliche Theater. ”Ich geh’ die
Welt retten,” beschwerte er sich, ”also warum kannst du nicht einfach sagen:
’Los, schnapp sie dir, Tiger!’
”Und
warum kannst du nicht einfach sagen, ‘Du kannst ihn reinstecken, wo du
willst?‘” konterte Warren.
”Duh.
Weil du keinen kleinen schwarzen Flitzer hast?”
”Und
wenn du unbedingt ein Superheld sein willst, dann besorg‘ dir erst mal ein anständiges
Kostüm.”
”Falls
es dir nicht gut geht, kann ich auch hier bleiben und mich um dich kümmern,”
schlug Andrew besorgt vor. ”Es ist nur ein Routinetreffen, viel Recherche und
so. Genau wie das letzte.”
”Nein,
ich will schlafen und meine Ruhe haben.” Knurrend zog sich Warren die Bettdecke
über den Kopf.
”Okay,
ruh dich aus. Ich bin bald wieder zurück,” flüsterte Andrew.
Wächterhaus,
vormittags
Das
Marsha Hunt Poster hing immer noch an derselben Stelle, auch das Spielbrett
war längst wieder aufgestellt und die schwarzen und roten Soldaten, Reiter
und Kanonen tummelten sich darauf. Leider immer noch viel zu wenige grüne.
Das
erste, was Giles tat, als sich alle um den großen Konferenztisch versammelt
hatten, war zum Filzschreiber zu greifen, und ein großes X auf die Rückseite
des Posters zu malen. In die Rubrik Verbündete, wie die Gruppe erstaunt
feststellte. Verwunderte Blicke folgten ihm, und Dawn stieß ein leises ”oh”
aus.
”Ich
kann euch leider keine Namen nennen, unser neuer Informant möchte absolut
anonym bleiben.” Nachdenklich wandte Giles seine Augen von einem zum nächsten.
Täuschte sich Robin, oder blieb sein Blick an ihm etwas länger hängen?
Den
anderen war nichts aufgefallen. Willow sah blass und übermüdet aus, ihre Augen
starr auf das Spielbrett gerichtet, und ignorierte Kennedy’s besorgte Miene.
Dawn und Andrew wechselten ein paar Worte mit Ronah, die ihnen gerade Photos
von Cliff’s Familie gezeigt hatte. Buffy und Faith schienen beide ein wenig
unruhig, spielten mit ihren Pflöcken herum. Einzig allein Xander wirkte
einigermaßen entspannt, seine säuerliche Miene der letzten Zeit endlich
verschwunden.
Giles
hatte das Buch über die Reiter des Todes mitten auf den Tisch gelegt, daneben
den ausgedruckten Übersetzungstext. In den letzten Treffen hatten sie das Buch
von vorne bis hinten durchgekaut, doch es enthielt nur wenig Konkretes,
hauptsächlich verwirrende Prophezeiungen, deren Symbolik man erst entschlüsseln
musste. Was sie natürlich auch versucht hatten, indem sie weitere Bücher zu Rate
zogen.
”Wie
wir bereits wissen, läuft alles darauf hinaus, dass die drei Reiter ohne den
vierten nicht ihre volle Macht entfalten können,” erklärte Giles. ”Wir wissen,
dass der vierte Reiter sich irgendwo in Nordamerika befinden muss, und wir
nehmen an, dass dies auch das Ziel der anderen drei sein wird.”
”Aber
selbst wenn die drei den vierten finden, sie alleine können ihn ja nicht
befreien,” warf Buffy ein. ”Dazu muss erst das Ritual beendet werden, und wir
lassen ganz sicher nicht zu, dass Lily Dawn noch mal in die Finger kriegt!”
”Will
sie das überhaupt?” überlegte Dawn. ”Braucht sie die Reiter für ihre Pläne? Was
sind das überhaupt für Pläne, abgesehen von: Den Rat übernehmen und uns alle
umbringen?”
”Was
passiert denn überhaupt mit den anderen dreien, wenn der vierte nicht befreit
wird?” fragte Xander. ”Galoppieren sie bis in alle Ewigkeit herum, oder gehen
ihnen irgendwann die Kräfte aus? Falls ja, müsste man einfach nur abwarten, bis
das passiert, und wir wären sie los!”
Im
nächsten Moment schüttelte er den Kopf. ”Nein, das wäre nämlich einfach. Und
dieses Wort steht nicht im Scooby Lexikon.”
”Unser
Informant wird versuchen, uns Zugang zu den Kontakten des Rats zu verschaffen,”
nahm Giles seine Ausführungen wieder auf. ”vielleicht haben wir dadurch eine
Möglichkeit, die jeweiligen Vereinigungen zu finden, welche die einzelnen
Reiter bewachen, und können von ihnen noch mehr erfahren. Aber selbst wenn –
wir müssen davon ausgehen, dass Lily vor uns mit ihnen gesprochen hat. Sie ist
uns in allem einen Schritt voraus!”
Frustriert schlug er mit der Hand
auf den Tisch, doch bevor irgendjemand ein mitfühlendes Wort hätte sprechen
können, hatte er sich schon wieder gefangen. ”Wir werden uns aufteilen, so
wie die letzten Male, und weiter recherchieren. Faith und Buffy, ihr nehmt
euch das Buch selbst vor, achtet diesmal auf die Zeichnungen. Wir haben sie
bisher zu sehr vernachlässigt. Xander und Andrew, ihr arbeitet mit der Übersetzung
weiter. Versucht etwas über das Motiv der Posaune herauszufinden. Dawn und
Ronah – Unsterblicher! Kennedy und Willow, ihr hängt euch ans Netz, und recherchiert
Schamanengruppierungen in Nordamerika. Robin und ich werden weiter versuchen,
Kontakte abzuklappern – falls überhaupt noch jemand mit uns spricht. Noch
Fragen?”
Motiv
der Posaune...
Eines
von den vielen vielen apokalyptischen Motiven, die immer wieder im Buch
auftauchten, und doch nichts Konkretes zu bedeuten hatten. Andrew glaubte
nicht, dass sie hier weiterkommen würden, doch er wollte sich den Stress nicht
antun, mit Giles zu diskutieren. Gerade jetzt, wo er ohnehin nicht ganz bei der
Sache war.
Sein
Blick glitt immer wieder von dem Buch, das er gerade las, zu den
Dämonenenzyklopädien im Regal. Mo hatte von Ritualen gesprochen, mit denen es
möglich war, einem Menschen dämonische Essenz zu verleihen, wie er es nannte.
Dabei wurde man nicht komplett in eine bestimmte Dämonart verwandelt, sondern
behielt sein menschliches Erscheinungsbild bei, ebenso wie den Charakter. Keine
Hörner also, und keine Schwänze. Und keine glühenden Augen, oder
unkontrollierbare Wutausbrüche.
’Du
solltest es dir gründlich überlegen,’ hatte Mo ihm eindringlichst eingeschärft.
’Egal für welche Möglichkeit du dich entscheidest, irgendwie wird es dich
immer verändern. Selbst wenn du nur eine höhere Reaktionsgeschwindigkeit,
oder einen geschärften Geruchssinn bekommst, oder weniger Schlaf brauchst.
Und sollten wir tatsächlich etwas finden, wo du dich hinterher kein bisschen
anders fühlst, so darfst du nicht die Reaktion der anderen vergessen. Wie
werden deine Freunde reagieren? Die Jägerinnen? Nach ihren Gesetzen ist jeder
Dämon Freiwild...’
’Das
heißt, jede von ihnen könnte mich töten.’ Andrew sah zu Dawn und Ronah hinüber,
die sich angestrengt über ein Buch beugten, aber in Wirklichkeit über ihre
Jungs redeten. ”Will Cliff auch immer alles für dich bezahlen? Manchmal wird
mir das zuviel, ich verdiene schließlich auch...”
In
den Augen der Dämonen waren diese Mädchen gefährliche Bestien, vor denen man
sich in Acht nehmen musste. Die Welt wurde so kompliziert, wenn man sie von
verschiedenen Seiten aus betrachtete.
”Wie
lange soll das denn noch so weitergehen?” fragte plötzlich eine Stimme neben
ihm.
Andrew
schluckte, doch als er sich Xander zuwandte, war seine Stimme kühl und sein
Gesicht emotionslos. ”Ich hab’ keine Ahnung, wovon du redest. Machen wir mit
den Recherchen weiter.”
Er
wollte sich abwenden, doch Xander hielt seine Schulter fest. ”Verdammt noch mal
Andrew, du weißt sehr genau, wovon ich rede! Seit Wochen und Monaten schweigen
wir uns jetzt an, und tun so, als kennen wir uns nicht. Irgendwie ist das doch
lächerlich!”
”Ach
ja?” Andrew warf einen verächtlichen Blick auf Xander’s Hand, und dieser nahm
sie weg. ”Nun vielleicht hängt es damit zusammen, dass wir uns einfach nichts
zu sagen haben.”
”Sprich
für dich selbst, ich hab’ dir jedenfalls ’ne Menge zu sagen,” begann Xander.
”Zum einen, dass es mir leid tut, dass ich mich wie ein Idiot aufgeführt, und dir
solche Dinge an den Kopf geworfen hab.’ Aber du musst auch mal versuchen, meine
Situation zu verstehen. Monatelang hast du mich angelogen, und dein...dein
Freund ist in unserer Wohnung ein- und ausgegangen. Natürlich hab’ ich kein
Recht, dir Vorschriften zu machen, mit wem du dich triffst, und es war auch
verdammt mies von mir, das zu versuchen, aber ich hab’ zumindest mal ein
Mitspracherecht, was meine Wohnung angeht. Das ist mein privater Bereich. Da
liegen meine Socken rum und meine Zahnpasta und da hat dieser Kerl nichts
verloren. Es ist für mich schwierig genug, mich dran zu gewöhnen, dass du
überhaupt mit ihm rumhängst.”
”Du
musst dich ja nicht dran gewöhnen,” sagte Andrew leise. ”Es kann dir einfach
egal sein, was ich tue.”
”Verdammt,
das ist es aber nicht!” Xander senkte die Stimme, als er bemerkte, dass Ronah
und Dawn zu ihnen hinüber sahen. ”Ich fühl’ mich eben für dich verantwortlich,
und ich glaube, dass du mitten in eine Katastrophe hineinschlitterst. Das
mit dir und ihm – das kann einfach nicht gut gehen. Ist es damals schon nicht
und wird es heute wieder nicht. Meiner Meinung nach, ist dieser Typ einfach
nicht in der Lage, eine Beziehung zu führen...”
”Deine
Meinung interessiert mich aber nicht!”
”Ist
mir schon klar.” Beschwichtigend hob Xander die Hand. ”Aber ich betrachte mich
immer noch als deinen Freund, und nehme mir somit das Recht heraus, dir Dinge
zu sagen, die du nicht hören willst!”
”Du
bist nicht mein Freund!” Andrew schrie die Worte fast, die Maske kühler
Gleichgültigkeit bröckelte endlich von ihm ab. ”Du warst es nie! All die blöden
Lügengeschichten, dass ich dir was bedeuten würde, und in Wirklichkeit hast du
dir immer gewünscht, ich wär’ tot. Die ganze Zeit! Du müsstest nur erst wütend
genug werden, um es mir zu sagen!”
”Ich hab’ mir gewünscht,
dass ich Anya wieder hätte!” schrie Xander zurück. ”Verdammt noch mal, ich
vermisse sie, und ich kann dabei zusehen, wie du dich mit einem Typen
amüsierst, der eigentlich ein Haufen Asche sein sollte! Reicht das denn nicht
aus, um sogar den friedlichsten Menschen vor Eifersucht kochen zu lassen? Und
weil wir schon mal dabei sind, bei mir
waren es nur Gedanken. Und Worte! Du dagegen hast deinen besten Kumpel
umgebracht, weil dir so ein rumschwebender Wicht erzählt hat, du kriegst dadurch
deinen Freund zurück und ihr könnt bis in alle Ewigkeit auf grünen Wiesen Leier
spielen!”
Kaum
waren die Worte draußen, da bereute er sie auch schon wieder. Er hatte alles
noch schlimmer gemacht, das wusste er, noch bevor er Andrew’s Tränen und seinen
von Schmerz gezeichneten Gesichtsausdruck sah. Er trat einen Schritt auf ihn
zu, doch der blonde Junge wich vor ihm zurück, drehte sich wortlos um, und
rannte zwischen den Bücherregalen hindurch nach draußen.
Malkuth, Halle von Daath,
selbe Zeit
”Tut mir echt leid, dass wir dich herholen mussten, aber es ging nicht anders!”
Verzweifelt kämpften Regil’s ledrige Reptilienhände mit einem verschmorten
Kabel. Als es plötzlich Funken sprühte, ließ er es erschrocken los. ”Oops!”
”Lass
bloß die Finger davon, solang’ das Ding noch an ist!” Warren hockte sich an
den PC, und rief die Programme auf, welche die Energieumwandlung überwachten.
”Gib’ lieber mal ’ne Warnung raus, dass ich jetzt den Strom abschalte!”
”Okay.”
Diensteifrig nickte der Dämon, und eilte davon, um einen Gong zu schlagen.
Warren wandte sich wieder dem Computer zu, und fluchte leise vor sich hin, er
war es nicht gewohnt, mit nur einer Hand zu tippen. Warum musste es heut’ auch
unbedingt schon wieder Probleme mit dem Strom geben? Mit einem entschlossenen
Ruck zog er seinen verbundenen Arm aus der Schlinge und tippte mit allen zehn
Fingern weiter. Wäre doch gelacht, wenn er das nicht hinkriegen würde.
Weit unter ihm, in der
Halle von Daath funkelten die Energiewellen in den verschiedensten Farben, wie
die Lichter eines Feuerwerks. Ringförmig liefen sie auseinander, brachen sich
leise knisternd an den tiefschwarzen steinernen Wänden der Halle. Silbrige
Elektroden nahmen sie dort auf, um sie zu speichern, und in elektrische Impulse
umzuwandeln, welche dann in das Stromnetz der Stadt eingespeist wurden.
Die
Halle von Daath konnte als Einzige nicht betreten werden, da sie keinen Boden
besaß. Man konnte sie nur auf einem schmalen, spiralförmig gewundenen Pfad
umrunden, welcher in einer Plattform unterhalb der Decke mündete, eben jener
Plattform auf der er sich jetzt befand.
Irgendwann
demnächst musste er Andrew mit hier runter nehmen. Die kleine Nervensäge würde
von dem schillernden Farbenspiel begeistert sein. ’Ein Lichtermeer!’ würde er ausrufen,
mit dem Finger auf besonders schöne Leuchtformationen zeigen und sich so weit
nach vorne lehnen, dass man unweigerlich das Bedürfnis bekam, ihn festzuhalten,
bevor er in die bodenlose Tiefe stürzen konnte.
Wenn
man lange genug in den Abgrund blickte, dann blickte der Abgrund in einen
selbst zurück. Vielleicht war dies der Grund, warum Warren immer nur für eine
gewisse Zeit die tanzenden Lichter betrachten konnte.
Die
Stromversorgung hatte es schon vorher gegeben, doch es war seine Idee gewesen, das
Ganze zu computerisieren. Er hatte ein Programm geschrieben, welches die
Energiefluktuationen genau abmessen, und die Energieaufnahme dementsprechend
angleichen konnte. Da die Fluktuationen einem bestimmten Rhythmus unterworfen
waren, konnte das Programm sogar vorhersagen, wann die Energie wie stark sein
würde und sich anpassen, bevor die Sicherungskabel durchgeschmort wurden.
Aber
in letzter Zeit hatte dieser Rhythmus sich verändert. Es gab stärkere und vor
allen Dingen schnellere Energieausstöße und das Programm war darauf noch nicht
eingerichtet. In den letzten Wochen hatte er ein wenig damit herumprobiert,
aber noch keine absolute Lösung gefunden. So mussten sie sich hin und wieder
mit einem Stromausfall herumschlagen.
Die
Bewohner von Malkuth machten kein großes Drama draus, sie waren es gewohnt.
Nicht ohne Stolz dachte er daran, dass es vor seiner Ankunft mindestens zweimal
die Woche einen Ausfall gegeben hatte. Seit er hier das Sagen hatte, war alles
anders...wenn es etwas auf dieser Welt gab, in dem ihm keiner über war, dann
war es Elektronik.
Er
drehte sich auf seinem Bürostuhl herum, als er Regil’s Schritte auf dem Pfad
hörte. ”Du und Dozer, ihr könnt jetzt die Sicherungskabel austauschen. Und dann
geh’ so schnell wie möglich neue besorgen, das sind nämlich unsere Letzten.”
Ein
wenig nervös trat Regil von einem Fuß auf den anderen. ”Das Einkaufen muss
Dozer erledigen, ich...uhm... ich darf bis zu meiner Verhandlung die Stadt
nicht verlassen.”
”Ach,
stimmt ja.” Jetzt fiel es Warren wieder ein. ”Was musstest du aber auch so ’nen
Scheiß machen! Soviel Ärger nur wegen ein bisschen Kohle! Kannst nur hoffen,
dass Bartholomew dich da irgendwie raushaut, sonst darfst du die nächsten zehn
Jahre im Gemeinschaftsdienst schuften.”
Mit
steinernem Gesichtsausdruck starrte der Dämon zu Boden. ”Du, ganz ehrlich, ich
glaub’ nicht, dass ich mit Gemeinschaftsdienst davon komme. Das ist ’ne große
Sache gewesen, wo ich da rein geraten bin, Ärger mit den Jägerinnen und die
ganze Palette. Ich hätt’ nie gedacht, dass ich Trouble mit den Jägerinnen
kriege, wenn ich FÜR eine Wächterin arbeite. Ich dachte immer, die gehören
zusammen...” Kopfschüttelnd begann er damit, das verschmorte Kabel
abzumontieren. ”Mein Bruder arbeitet schon seit vier Jahren für die Organisation
und hatte noch nie Ärger mit Jägerinnen. Mann, hat der mich vielleicht
ausgelacht, als ich nach Malkuth gegangen bin...Dozer, wo bleiben die Kabel?”
Ein
weiterer der kleinen ledrigen Echsendämonen kam angerannt, zwei neue Kabel über
der Schulter. Für eine Weile waren nur das geschäftige Quietschen der Schrauben
und Zangen, und Warren’s Tippen auf der Tastatur zu hören.
”Alles
klar, Boss, Kabel sitzen fest. Du kannst den Strom jederzeit wieder
einschalten!” Regil begutachtete noch einmal sein Werk und richtete sich dann
auf.
”Wieso
bist du eigentlich noch hier?” fragte Warren plötzlich.
”Wie
meinst du das?” Regil schien verwirrt. ”Ich arbeite doch hier.”
”Nein,
ich meine hier in der Stadt. Wenn dir wirklich eine... eine schlimme Strafe
droht, warum bist du nicht schon längst abgehauen?”
”Weiß
nicht.” Regil zuckte mit den Schultern. ”Irgendwie will ich nicht mehr da
raus auf die Straße. Malkuth ist doch jetzt mein Zuhause. Und ich kann Dozer
nicht allein lassen. Schließlich hab’ ich ihn überredet mit mir hierher zu
kommen, nach dem ganzen Trouble mit unserem Alten...ach ist ’ne lange Geschichte.”
Er verzog das Gesicht zu einem Grinsen. ”Wird schon hinhauen, ich denk’ einfach
mal positiv. Und falls nicht, na ja, dann war ich wenigstens kein Feigling.”
’Aber
ein Dummkopf,’ dachte Warren, aber natürlich sprach er diesen Gedanken nicht
laut aus. Er wandte sich dem PC zu, um die Kombination einzugeben, die den
Strom wieder einschaltete.
Irgendwas
war mit seiner linken Hand nicht in Ordnung. Die verdammten Finger ließen sich
nicht mehr bewegen. Wütend haute er auf die Tasten und hätte ums Haar das
Programm zum Absturz gebracht. Nur dass es das, Linus und Warren sei Dank,
natürlich nicht konnte. Es knisterte leise, als sich der Strom wieder
einschaltete.
”Ich
pack’s dann wieder!” Er stand auf und stieß den Stuhl beiseite. ”Falls noch was
is’, gib’ mir Bescheid. Und falls wir uns vorher nicht mehr seh’n – viel Glück
bei deiner Verhandlung!”
”Danke,
Warren.” Regil schluckte. ”Gute Besserung für deinen Arm.”
Wächterhaus,
etwas später
”Und
ich weiß wirklich nicht mehr, was ich noch tun soll,” seufzte Xander
niedergeschlagen. ”Eigentlich sollte das der erste Schritt zur Versöhnung
werden, stattdessen hab’ ich alles nur noch schlimmer gemacht...”
”Vielleicht nicht,” überlegte Buffy. ”Zwischen euch sind noch so viele Dinge
ungesagt, vielleicht muss es erst noch mal krachen, bevor es besser werden
kann. Und wahrscheinlich wird es noch Zeit brauchen. Jetzt solltest du Andrew
erst mal eine Weile in Ruhe lassen und ihn nicht bedrängen.”
Willow
wollte gerade auch etwas hinzufügen, als ihr Gespräch unterbrochen wurde. Zum
einen durch das Eintreten von Giles, zum anderen, weil Buffy aufsprang, ein
gewinnendes Lächeln aufsetzte und Giles ansprach:
”Der
richtige Mann zur richtigen Zeit. Also ich meine... passend zu meinen
drängenden Fragen... was ich damit sagen will...,” korrigierte Buffy, als Giles
sie etwas irritiert ansah. ”Hätten Sie einen Moment Zeit für mich?”
”Aber sicher doch, Buffy. Um was geht es?” Er wies zur Tür zurück, durch welche
er gerade eben erst gekommen war.
”Um was ziemlich Kompliziertes...,” Buffy warf ihren Freunden einen
entschuldigenden Blick zu und ging von Giles gefolgt nach draußen auf den Flur,
während sich Willow und Xander nach der kurzen Unterbrechung wieder dem Thema
Andrew zuwandten. Die Stimme von Willow begleitete Buffy und Giles auf ihrem
kurzen Weg zum ruhigeren Büro.
”Weißt du Xander, Buffy hat Recht. Gib’ Andrew etwas mehr Zeit. Zwar ist das
Dauerschweigen zwischen euch beiden keine Lösung und nicht gerade die ideale
Situation, aber zumindest könnt ihr euch so auf die ’übernatürlichen’ Probleme
konzentrieren, anstatt euch die ganze Zeit über zu streiten.”
”Vielleicht,” erwiderte Xander unsicher. ”Mich macht beides wahnsinnig. Das
Streiten und das große Schweigen. Schließlich hab’ ich mit diesem Kindskopf
ziemlich lange eine Wohnung geteilt und ich fühl mich immer noch für ihn
verantwortlich. Ich weiß, ich hab’ Mist gebaut, aber...” Xander seufzte tief
auf und fuhr fort: ”Ich ertrage diese Schweige-Situation einfach nicht mehr
länger.”
”Sieh’s mal so,” meinte Willow trocken. ”Ich ertrage sie, seit ich Andrew
damals im Metzgerladen aufgegriffen habe. Über ein Jahr lang hat er nicht mehr
als das Nötigste mit mir geredet, und bis heute haben wir uns nicht
ausgesprochen...”
Bei Willow’s letzten Worten schloss Giles die Tür seines Büros und nahm hinter
seinem Schreibtisch Platz, während Buffy etwas unschlüssig herumstand, ehe sie
sich auf den freien Stuhl vor dem Tisch niederließ.
“Also.. wie kann ich dir helfen, Buffy?”
Tja, wie konnte ihr Giles helfen? Hatte er wirklich Antworten auf ihre Fragen,
die sie seit dem kleinen Disput wegen des Naga quälten und beschäftigten? Und
nicht nur erst seit diesem Abend?
Was
für Antworten konnte er schon für sie haben? Er war schließlich ein Wächter
und in den ersten Jahren ihrer Ausbildung hatte er ihr immer wieder eingetrichtert,
dass Vampire nur seelenlose Monster waren, die man töten musste. Gleiches
galt natürlich für Dämonen und böse Hexen. Aber Giles war auch ein Mensch
und hatte in den vielen Jahren an ihrer Seite Wesen kennen gelernt, die nicht
in seine einfache Sicht von schwarz und weiß passten. Vielleicht gab es doch
Antworten...
”Haben Sie sich manchmal schon die Frage gestellt, ob es richtig ist, was
wir tun?”
Giles zog überrascht die Augenbrauen in die Höhe. ”Was genau meinst du?”
”Herumsitzen und Akten lochen, während Lily mehr Macht gewinnt,” grinste Buffy,
wurde aber schlagartig wieder ernst. ”Ich meine natürlich das Jagen und Abschlachten
von Dämonen und Vampiren, ohne zu hinterfragen, ob gerade dieses eine Wesen,
das man gerade zu Staub verwandelt hat, eine Bedrohung dargestellt hätte,
ob es Familie und Freunde hatte, die auf ihn zählen und nun vergeblich auf
ihn warten werden...”
”Buffy,” unterbrach Giles erstaunt. ”Solche Fragen dürfen sich uns nicht stellen.
Nicht in diesem Kampf. Und du selbst weißt doch nur zu gut, zu was Dämonen
und Vampire fähig sind. Vielleicht sind einige von ihnen harmlos und führen
ein ”normales” Leben, aber wenn wir anfangen würden nach einem Auswahlverfahren
vorzugehen, hätten wir diesen Kampf verloren.”
”Hätten wir denn überhaupt einen Kampf? Ich meine... wenn wir anfangen würden,
nicht in jedem unseren Feind zu sehen, würde es nicht viel friedlicher in
unserem Leben zugehen?”
Mit vielem hätte Giles bei diesem Gespräch gerechnet – Probleme mit Dawn,
oder eventuelle Probleme mit Buffy und ihrer Arbeit hier, vielleicht auch
Fragen über die Reiter, oder über Lily... aber nicht mit einer Grundsatzdiskussion
darüber, ob es richtig oder falsch wäre, was sie taten.
”Ich denke die vielen Apokalypsen die wir abgewendet haben, die vielen geretteten
Menschenleben sollten dir Antwort genug sein.” Er sah Buffy nachdenklich an,
und nahm seine Brille ab. ”Unser Kampf ist ein gerechter Kampf. Er dient dem
Schutz der Menschen. Diese Welt, wie sie ist, gehört jetzt den Menschen. Eine
Jägerin sollte immer daran denken und alle Dämonen töten, die ihr begegnen.
Ansonsten gewinnen sie wieder die Oberhand und unterjochen die Menschheit.
Es spielt keine Rolle ob einer unter hundert gut oder friedlich ist. Sie gehen
dir von vornherein aus dem Weg und sind somit sicher. Und was aus Nachsicht
passieren kann, hat uns Angelus nur zu deutlich gemacht,” fügte Giles leise
und feinfühlig hinzu.
Buffy sah Giles für einen Moment getroffen an und weil sie wusste, dass er
in diesem Punkt wirklich recht hatte, schwieg sie kurz, ehe sie mit einem
leichten, fast gezwungenen Lächeln erwiderte:
”Sie klingen fast wie Lily.”
”Ich
muss gestehen, dass ich ihr in diesem Punkt trotz aller Meinungsverschiedenheiten
recht geben muss – der Rat und das, was seine Ziele durch die Jägerinnen waren,
ist nicht verkehrt – nämlich uns vor einer neuen Unterdrückung zu bewahren.
Für den Fall, dass ich mich wiederhole,” schmunzelte Giles. ”Die Jägerin hat
alle Dämonen zu töten, um die Menschheit zu beschützen.”
”Das ist mir durchaus bewusst, Giles,” sagte Buffy mit etwas Unbehagen in
der Stimme. ”Und ich sehe es auch als meine Aufgabe an, die Menschen vor Unheil
zu beschützen, das von dunklen Verschwörungen und Wesen ausgeht. Würd’ ich
sonst nach so vielen Jahren noch immer den Pflock schwingen?”
”Wohl kaum,” musste Giles etwas kleinlaut zugeben.
”Und trotzdem denke ich, dürfen wir Jägerinnen uns nicht zu einem Werkzeug
eines Rassenkrieges machen, nur weil eine kleine Gruppe Menschen vor allem
Angst hat, was anders ist als der Rest der Welt.”
”Ich verstehe,” nickte Giles langsam. ”Aber wir töten keine Vampire oder Dämonen,
weil es uns Spaß macht, sondern weil wir wissen, welche Bedrohung von ihnen
ausgeht. In all den Jahren als Wächter stand die Frage nach Ethik nie wirklich
zur Debatte. So lange es nur eine Jägerin nach der anderen gab, die den Kampf
aufnahm, war es nicht vorstellbar, dass sie alle Dämonen vernichten konnte.
Dazu fehlte ihr die Macht. Das wusste sogar der Rat. Und wir wissen es beide
doch besser... früher... bevor es all die Jägerinnen gab, hatten wir genug
damit zu tun, uns, unsere Freunde und unsere Stadt zu beschützen. Es wurde
jemand getötet und wir versuchten aufzuklären was dahinter steckte. Bestraft
wurde immer das schuldige Wesen. Niemand von uns hatte Zeit unschuldige Dämonen
zu jagen, nur weil es vielleicht zu den Aufgaben einer Jägerin zählte.
Und
natürlich jetzt, wo es auf der Welt überall so viele Jägerinnen gibt, hat sich
die Situation geändert. Die Chance die Welt mit einem Schlag von allem Übel zu
befreien ist sehr verlockend und ich bin sicher, deine Bedenken sind
gerechtfertigt. Wir haben in London sehr viel darüber diskutiert, wie die
Aufgaben der Jägerinnen neu zu definieren seien, aber auf ein eindeutiges
Ergebnis sind wir nicht gekommen.”
”Denken Sie nicht auch, dass Lily alles daran setzen wird, genau an diesem
Punkt eine Wende zu bringen?”, Buffy war nicht wirklich zufrieden mit dem
Gespräch. Sie wurde nämlich nicht schlau aus Giles! Zum einen räumte er ein,
dass sie Recht hatte – sie hatten nicht das Recht unschuldige Wesen zu
verfolgen und doch stimmte er auch Lily und der alten Definition der Aufgabe
einer Jägerin zu.
Aber
was hatte sie erwartet? Dieser Mann tötete zum Schutz aller, einen unschuldigen
Menschen – Ben, der nichts dafür konnte, dass eine wahnsinnige Göttin von
seinem Körper gebrauch machte. Und selbst vor Spike hatte Giles keinen Halt
gemacht. Obwohl er wusste, wie Spike geholfen und beigestanden hatte, war er in
seinen Augen ein Monster geblieben, das Gefahr bedeutete.
”Ich möchte es nicht hoffen.. auch wenn ich deine Befürchtungen teile. Ich
verstehe, was du mir sagen möchtest, auch wenn es mich wundert, dass du dir auf
einmal Gedanken über das Leben eines Dämons machst...”
Sie wunderte sich schon lange nicht mehr über ihre Gedanken. Neben den vielen
Dingen, die ihr in ihrem Leben als Jägerin passiert und zugestoßen waren, spielte
dabei auch ihre Erfahrung mit Mo und seiner Dämonenbar eine wichtige Rolle. Es
war dort anders als früher bei Willy in der Bar....
Trotzdem hörte sie Giles weiter zu, ohne zu unterbrechen.
”Aber aus genau diesen Gründen wurden wir Wächter immer dazu angehalten unseren
Jägerinnen einzubläuen, dass sie es mit seelenlosen Wesen zu tun haben, damit
es leichter wurde sie zu tö.....”
Ein gellender Schrei zerriss die Luft und Buffy und Giles sahen sich bestürzt
an. Er war aus dem Konferenzraum gekommen und es hatte sich besorgniserregend
nach Willow angehört...
Malkuth, Straße des Glücks,
Andrew’s und Warren’s Wohnung,
selbe Zeit
”Andrew?
Wieso bist du hier?” Warren riss erstaunt die Augen auf, als er aus dem Bad
zurück ins Wohnschlafzimmer schlurfte. Wie ein Häufchen Elend hockte Andrew
auf dem Couchbett, die Arme um die Knie geschlungen. ”Was ist passiert?”
”Xander,”
murmelte Andrew. ”Wieso kann er mich nicht einfach...”
”Dieses
miese Schwein,” fauchte Warren, ohne Andrew ausreden zu lassen. ”Irgendwann
bring’ ich ihn um!”
”Hör’
auf!” schrie Andrew. ”Ich will nicht, dass du solche Sachen sagst! Immer musst
du bei allem gleich ausrasten, ich trau mich schon gar nicht mehr, dir was zu
erzählen!”
”Du
brauchst mir gar nichts zu erzählen!” Warren knallte die Tür zu. ”Dass der Kerl
dich die ganze Zeit so fertig macht, genügt mir schon. Ich versteh’ echt nicht,
dass du mit solchen Leuten rumhängen musst, du bist für die doch nur der
Fußabstreifer! Xander macht dich fertig, Willow’s neue Freundin hackt auf dir
’rum, und Buffy...”
”Halt
die Klappe!” Andrew sprang auf. ”Das ist wieder mal so typisch! Ich bin mit den
Nerven runter, und du machst es nur noch schlimmer! Buffy und die anderen sind
meine Freunde, und sie mögen mich. Sogar Kennedy mag mich, sie will es nur
nicht zugeben. Und was noch viel wichtiger ist, sie brauchen mich! Es gibt
wieder so viele Probleme und Schwierigkeiten in letzter Zeit, aber dir kann ich
das ja alles nicht erzählen! Du führst dich ja gleich auf, sobald ich Buffy nur
erwähne!”
”Ich
hab’s einfach nur satt!” Schwer atmend lehnte sich Warren gegen die Wand.
Andrew, der eigentlich mit lautem Geschrei gerechnet hatte, sah überrascht zu
seinem Freund hinüber, dieser wich seinem Blick jedoch aus und starrte zu
Boden. ”Ich hab’s einfach satt, bei dir nur unter ’ferner liefen’ zu stehen. Du
hast dein Games In, deine D‘nD Gruppe, rennst mit den Jägerinnen ’rum, und seit
wir hier in dieser verdammten Stadt sind, hast du auch noch Zeit mit
irgendwelchen Dämonen dieses komische Globb Spiel zu spielen. Und wo bleib’
ich? Auf der Strecke!”
”Aber
was redest du da?” fragte Andrew fassungslos. ”Wie kannst du so was auch nur
denken? Du bist doch das Wichtigste in meinem Leben!”
Er
rannte zu Warren hinüber und schloss ihn in die Arme. Dieser ließ es
widerspruchslos über sich ergehen, erwiderte die Umarmung aber nicht.
”Es
ist halt nicht mehr so wie früher, wo du mich nur für dich haben kannst,”
murmelte Andrew und schmiegte seinen Kopf in Warren’s Halsbeuge. ”Aber das
ändert doch nichts. Deshalb hab’ ich dich doch nicht weniger lieb.”
”Dir
geht’s nicht gut,” stellte er fest, als er den Kopf hob, und seinem Freund in
die Augen blickte. ”Warren, was ist los mit dir? Ist es deine Verletzung?
Willst du nicht lieber zu einem Arzt gehen?”
”Nein,
passt schon.” Warren schob Andrew von sich. ”Irgendwann muss es ja wohl wieder
besser werden. Ich leg mich noch ein bisschen hin.”
”Ich
kümmere mich um dich,” schlug Andrew vor. ”Ich kann dir Tee machen. Oder
Rakshasa-Punsch, der wirkt Wunder! Keine Angst, ich mach‘ ihn ohne Mäuse.” Mit
einem unschuldigen Augenaufschlag hob er die Wimpern. ”Ich könnte meine blaue
Star Trek Uniform anziehen.”
”Wenn
ich hinlegen sag‘, dann mein‘ ich ausruhen, du Hohlkopf...” seufzte Warren, doch
er konnte nicht verhindern, dass ein kleines Lächeln über sein Gesicht huschte.
Andrew
blieb gerade noch Zeit zurückzulächeln, bevor eine schrille Melodie die Stille
zerriss, sein Handy trötete den Imperial March. ”Geh‘ nicht ran,” protestierte
Warren, doch Andrew hatte das Telephon bereits aufgehoben und Giles‘ Nummer auf
dem Display gesehen. Giles rief ihn fast nie persönlich an, es musste etwas
passiert sein...
”Klar,
bin schon unterwegs.” Er legte auf und wandte sich seinem Freund zu, der ihn misstrauisch
anstarrte. ”Du – sorry, ich muss nochmal weg. Bitte sei nicht sauer. Ich komm‘
so schnell, wie möglich...”
”Verschwinde,”
sagte Warren eisig. Er spürte die kalte Wut in sich aufsteigen.
”Es
ist ein Notfall,” versuchte Andrew sich zu rechtfertigen. ”Willow...”
Erschrocken brach er ab, und schlug die Hand vor den Mund. Von allen Dingen,
die er hätte sagen können, um die Situation noch schlimmer zu machen, hatte er
ausgerechnet die Nummer eins gefunden.
”Verschwinde,”
brüllte Warren ein weiteres Mal. ”Hau endlich ab!” Seine Augen sprühten Blitze,
Entsetzen mischte sich mit Zorn, Fassungslosigkeit mit Raserei. Doch Worte
allein genügten nicht, um diese
brodelnde gnadenlose Wut auszudrücken, seine gesunde Hand packte eine
der Actionfiguren, die auf der Kommode neben der Badezimmertür standen und
schleuderte sie nach Andrew. Dieser schrie auf, als das harte Plastik gegen
seine Wange klatschte, und sprang zurück.
Einen
Augenblick lang stand er mit geballten Fäusten da, unschlüssig, ob er sich auf Warren
stürzen, und ihn trotz seines verletzten Arms verprügeln sollte. Dann wandte er
sich um, und rannte hinaus. Es war jetzt keine Zeit für Schlägereien. Nicht,
wenn seine Freunde in Schwierigkeiten steckten.
Reglos
und ohne eine Miene zu verziehen, blickte Warren ihm hinterher. Dann lief ein
Zittern durch seinen Körper und er sank an der Wand zu Boden, die Knie gegen
die Brust gepresst.
Sein
Verband hatte sich gelöst, wie ein langer weißer Wurm ringelte er sich unter
dem T-Shirt hervor. Darunter zogen sich aschgraue Geschwüre in abscheulichen
Mustern von der Schulter über die Brust bis hinunter zum Bauch.
Wächterhaus,
selbe Zeit
Nein,
nicht schon wieder!
Xander’s
besorgtes Gesicht verschwand vor ihren Augen, und machte einem stechenden
Schmerz in ihrem Kopf Platz. Ihr Blick war starr auf die Holzmaserung des
Tisches gerichtet, doch sie sah die Umgebung nur noch mit einem schwarzen
Schimmer. Es fühlte sich an, als würde sich eine schwere Hand auf ihre Schulter
legen, sie umdrehen und ihr eine Faust ins Gesicht rammen.
Mit
schwerem Atem konnte sie erkennen, wie drei junge Frauen um sie herumstanden.
Für einen kurzen Augenblick sah sie doppelt, und konnte spüren, wie sich eine
Schürfwunde auf ihrem Jochbein gebildet hatte. Mit zitternden Händen tastete
Willow diese ab. Ihre Augen brannten, als die Kamera in ihrem Kopf umschwenkte,
und plötzlich vier statt drei Mädchen zu erkennen waren.
Die Hüterin konnte den Zorn jeder einzelnen fühlen. Die Wut, die sie in sich
trugen. Aber auch gleichzeitig eine ungeheure Panik. Willow’s ganzer Körper
zitterte. Genauso wie der, des jüngsten – offensichtlich japanischen Mädchens,
um das die anderen herumstanden, und immer wieder auf sie einschlugen.
Die
Kleine mochte nicht älter als vierzehn sein, doch trotzdem kamen die älteren
Mädchen nicht gegen sie an – noch nicht. Sie umkreisten sie lauernd, versuchten
sie aus der Reserve zu locken. Das Mädchen wandte die Augen nach links und
rechts, ihr Blick fiel auf ein geparktes Auto, das neben ihnen an der Straße stand.
Mit einem Satz sprang sie auf den Wagen und jagte durch die Dunkelheit davon,
weiter die Straße hinunter.
Die
Bilder zogen an Willow’s innerem Auge vorbei...sie kannte diese Straße.
”Buffy...”
murmelte sie leise. ”sie ist nicht weit weg...sie ist...”
Irgendwo aus weiter Ferne redeten Stimmen auf sie ein, doch sie
konnte nichts davon verstehen....
Die drei Jägerinnen rannten, sie rannten weiter. Kein Mensch
konnte so rennen, auch nicht eine Jägerin. Viel zu gleichmäßig. Schritt, Atemzug
und Herzschlag! Wie ein Uhrwerk, wie ein Computer.
Sie hatten die Japanerin erreicht...
Im nächsten Moment tauchte eine weitere Jägerin auf. Eine, die sie nur zu gut
kannte. Buffy hatte eine der drei an den Schultern gepackt, und war dabei, den
engen Kreis um die japanische Jägerin einzureißen. Diese war bereits auf ihre
Knie gesunken, und hielt die Arme schützend über den Kopf. Mit einem Fußtritt
beförderte Buffy die so eben angreifende Jägerin auf den Boden, und packte eine
zweite bei den Schultern. ”Was ist hier los, verdammt?” schrie sie
”Kümmere dich um deinen eigenen Kram!” Die nächste Angreiferin schaffte
es, Buffy im Gesicht zu erwischen, doch im darauf folgenden Schlagabtausch
überwältigte Buffy sie. Mit einem finsteren Gesichtsausdruck musterte Buffy
die eben zu Fall gebrachte Jägerin, während sie ihren Fuß auf ihrem Brustkorb
zum Ruhen brachte.
”Ich will endlich Antworten, was ist los mit euch?” Buffy’s Stimme
ertönte in Willow’s Kopf, als wäre sie selbst es, die die Jägerin festhielt.
”Das ist ein Dämon, merkst du das gar nicht, du Trottel!”, entgegnete die
dritte Jägerin aufgebracht, als sie ihrer Gefährtin aufhalf, die sich mit
einer Hand auf ihrem Bauch aufrichtete. Buffy war verwirrt, hatte Willow nicht
von einer Jägerin gesprochen? Hatte sie sich etwa geirrt? Hatte der Schmerz
ihr einen Streich gespielt?
Buffy’s Blick fiel auf die Japanerin, sie sah ihr nach einem
Menschen aus. Doch unter dem zerrissenen T-Shirt schimmerten seltsame grün- und
lilafarbige Hautverfärbungen hervor, die man im ersten Moment für Tätowierungen
halten konnte. Doch es waren keine. Dieses Mädchen war tatsächlich dämonisch,
soviel war sicher. Hatte sie die anderen angegriffen? War sie in Wirklichkeit
der Bösewicht in diesem Kampf?
Buffy musste an ihr Gespräch mit Giles zurückdenken. Nach den
Regeln des Rates hätte sie sich an die Seite der anderen Jägerinnen stellen
müssen, ohne zu fragen. Aber sie fragte. Sie wollte wissen, was hier gespielt
wurde.
Ohne sich weiter um die anderen zu kümmern, kniete sie sich zu dem
japanischen Mädchen, doch dieses wich vor ihr zurück, als sie sie ansprach.
”Keine Angst, dir passiert nichts. Ich werde dafür sorgen. ”
In Panik starrte das Mädchen sie an, offensichtlich hatte sie kein
Wort verstanden. Im nächsten Moment blickte sie starr auf den Boden unter ihren
Füßen.
Wo nur hatte sie diese Hautverfärbungen schon mal gesehen?
Richtig, bei den dämonischen Ninjas damals in dem chinesischen Tempel. Ob das
Mädchen etwas mit ihnen zu tun hatte? Was für Dämonen waren das überhaupt, und
warum war eine von ihnen hier?
Willow erhoffte sich, dass Buffy die Situation unter Kontrolle brachte, und
dass ihre Vision sich damit beenden würde. Doch als sie erneut die aufflammende
Panik im Inneren der jungen japanischen Jägerin spüren konnte, fühlte sie, wie
ihr Körper sich immer weiter verkrampfte.
Dieses Mädchen war eine Jägerin, sie konnte es deutlich spüren.
Sie hatte sich nicht geirrt. Aber wie konnte sie denn gleichzeitig ein Dämon
und eine Jägerin sein?
”Pass auf, sie greift an!” schrie jemand hinter ihr. Bevor Buffy sich der
Japanerin weiter nähern konnte, packte diese sie wie aus dem Nichts an ihren
Beinen, und brachte sie zu Fall.
Mit einem Angriffsschrei der Japanerin drang ein Angstschrei aus Willow’s
Kehle. Willow konnte spüren, wie sie das Gleichgewicht verlor. Arme hielten sie
fest, doch sie bäumte sich auf und stieß diese zur Seite. Im nächsten
Augenblick schlug sie auf den Boden unter ihren Füßen auf. Ein starker Schmerz
in ihrem Hinterkopf breitete sich langsam in ihrem ganzen Körper aus.
Bevor Buffy sich wehren konnte, hatte die kleine Japanerin ihre Faust gepackt,
und mit einem weiteren Angriff schlug sie Buffy ins Gesicht. Doch dann schaffte
die blonde Jägerin es, ihren Arm zu befreien. Als sie den Körper der Angreiferin
fixierte, um sich zu wehren, konnte sie nur einen kleinen blauen Lichtblitz
sehen. Im nächsten Augenblick fiel der bewusstlose Körper der Japanerin auf
ihren eigenen. Geschockt starrte sie eine der anderen Jägerinnen an, die
triumphierend über ihr standen.
Die Hüterin konnte fühlen, wie sich ein elektrisierender Schmerz durch ihren
Körper bahnte. Auch wenn sie dachte, dass der Schmerz in ihrem Kopf nicht mehr
zu steigern war, wurde sie nun eines besseren belehrt.
Nachdem sich Buffy vom Körper der Japanerin gelöst hatte, riss sie der ältesten
Jägerin, und offensichtlichen Anführerin, einem Mädchen von etwa sechzehn mit
kurzem dunklem Haar, den Tazer aus der Hand, und schmiss ihn zu Boden.
Willow wusste nicht, was sie als Nächstes wahrnehmen würde. Mit halb
geschlossenen Augen sah sie die teilweise verschwommenen Bilder. Sie versuchte
ihren Körper unter Kontrolle zu bringen, doch dann wurde ihr klar, dass sie
erneut keine Chance haben würde. Die Arme waren wieder da, sie trugen sie fort,
legten sie auf etwas Weiches. Sie spürte Wasser an ihrem Kopf, doch es
verschaffte ihr keine Linderung.
”Seit ihr alle total durchgedreht?”, Buffy versuchte die drei restlichen
Jägerinnen zur Rede zu stellen. Während sie die Jägerinnen eine nach der
anderen anfunkelte, trat sie auf den Elektroschocker und zerlegte ihn in seine
Einzelteile.
”Wer ist hier durchgedreht? Du bist doch die Verräterin!”, schrie die
Kurzhaarige, während die anderen beiden ihr ohne zu zögern zustimmten. Mit
langsamen Schritten gingen sie auf Buffy zu, und versuchten sie einzukreisen.
Was in aller Welt war hier los? Hatte es etwas mit Lily und ihren Hetzereien zu
tun? Oder ging der Kampf wirklich von diesem Dämonenmädchen aus? Oder wollten
die Jägerinnen sie töten, weil sie ein Dämon war.
Diese ganze Situation stank so dermaßen zum Himmel. Diese Mädchen
hatten kein Recht mit einer solchen Brutalität auf ein anderes Mädchen
loszugehen. Sie musste herausfinden, was hier gespielt wurde, und dazu musste
sie das Mädchen erstmal in Sicherheit bringen, und eine Möglichkeit finden,
sich mit ihr zu unterhalten.
Ohne gegen die anderen zu kämpfen. Auch wenn sie besser trainiert
war als diese drei, musste sie sich eingestehen dass es dennoch Jägerinnen
waren. Und gegen andere Jägerinnen kämpfen? So wie damals gegen Faith? Nein, es
durfte nie wieder so weit kommen.
’Bring sie hierher!’ versuchte Willow an Buffy zu übermitteln,
doch sie wusste nicht, ob es eine Möglichkeit gab, dass Buffy sie verstand.
Aber sie schien ohnehin denselben Gedanken zu haben. Bevor die anderen sie
angreifen konnten, packte sie die Japanerin, und versuchte zu fliehen.
”Lori, pass auf!” schrie eines der Mädchen der Anführerin zu.
Doch im selben Moment – als wäre das nicht alles schon kompliziert
genug – sprangen sechs, oder sieben
schwarzgekleidete Gestalten links und rechts von den Dächern, und stürzten sich
auf die vier Jägerinnen.
Ninjas. Unter der schwarzen Kleidung konnte man nicht mehr als die
Augen sehen, und hin und wieder ein Stück rußgeschwärztes Gesicht. Buffy wich
einem Wurfstern aus, und hörte hinter sich einen Schrei, offensichtlich hatte
eine andere Jägerin weniger Glück gehabt. Sie ließ die Japanerin los, sprang
nach hinten, duckte sich unter einem Katana hinweg und trat dem ersten
Angreifer ins Knie. Dieser taumelte zurück, während ein zweiter das halb
bewusstlose Mädchen aufhob, welches ein leises Stöhnen von sich gab.
Willow biss die Zähne zusammen. Sie konnte spüren wie sich neue
Wunden auf ihrem Körper ausbreiteten. Gleichzeitig fühlten sich ihre Gliedmaßen
taub an.
Bevor Buffy reagieren konnte, stürzten sich die drei anderen Jägerinnen auf den
Ninja, und versuchten ihm das Mädchen wieder abzunehmen. Die Anführerin – Lori
– blutete aus einer Wunde in der Brust, keine geringe Wunde, doch sie schien
sich überhaupt nicht darum zu kümmern.
Buffy ging dazwischen, mit einem Kick gegen ein Wakizashi
verhinderte sie dass das Kurzschwert die bereits verwundete Jägerin
durchbohrte. Sie befand sich hier mitten in einem Krieg, und sie hatte keine
Ahnung, wozu er geführt wurde. Beide Seiten wollten offensichtlich dieses
Mädchen...
Durch einen Fußtritt fiel sie nach vorn, und konnte sich gerade noch
mit ihren Händen abfangen. Im Wächterhaus lag Willow’ s Körper genauso auf
dem Boden, wie ihrer. Sie war sich sicher nicht mehr Schmerz aushalten zu
können. Insgeheim wünschte sie sich, genauso bewusstlos zu werden, doch ihr
Wunsch wurde nicht erfüllt. Stattdessen konnte sie fühlen, wie sich eine Hand
um ihren Hals legte. Im nächsten Moment erkannte sie vor ihren Augen eine
Kapuze.
Sie rollte sich auf dem Boden herum, entriss sich dem Griff des
Ninja’s, hörte das Getrappel vieler Füße. Der größte Ninja rannte an ihr
vorbei, auf den Armen das bewusstlose Mädchen, während die drei Jägerinnen ihn
verfolgten, diese wiederum gefolgt von den restlichen Ninjas, die sie daran zu
hindern suchten.
Es war wie in einem schlechten Abenteuerfilm. Buffy sprang auf die
Füße, packte ihren Angreifer an den Armgelenken, und riss ihn zu sich. Danach
zog sie ihr Knie hoch, um dieses schlussendlich im Bauch ihres Gegners zu
versenken. Sie ließ seine Gelenke los, und rammte ihm ihren Ellbogen in den
Rücken.
Er taumelte nach hinten, und versuchte mit letzter Kraft die
Jägerin mit sich zu ziehen. Doch Buffy schaffte es, sich erneut von seinem
Griff zu lösen, und trat mit ihrem Fuß gegen seinen Oberkörper. Der Ninja wurde
gegen das nächste Auto geschleudert, und blieb schlussendlich am Boden liegen.
Willow konnte fühlen, wie der Schmerz langsam nachließ, doch sie war sich
sicher, noch nicht aufstehen zu können. Sie fühlte sich sogar zu schwach um
ihre Augenlider zu heben.
Buffy atmete tief durch, und ging einige Schritte auf ihren besiegten Gegner
zu. Die restlichen Ninja’s und Jägerinnen waren aus ihrem Blickfeld
verschwunden, es war wohl sinnlos, sie noch zu verfolgen. Dieser Kerl hier
sollte ihr jetzt erst mal sagen, was hier überhaupt gespielt wurde.
Als sie bei dem Ninja angekommen war, drehte sie ihn auf den
Rücken, und musterte seinen Kampfanzug. Aber die sahen ohnehin alle gleich aus.
Sie beugte sich hinunter und mit einem Rück zog sie ihm die Kapuze vom Kopf.
Geschockt ließ sie sie aber sofort wieder fallen, und stand mit wackelnden
Beinen auf. Dennoch konnte sie ihren Blick nicht von dem Gesicht abwenden, das
unter der Kapuze steckte.
Shin’s Gesicht.
Cleveland, angemietetes Büro
”Entschuldigen
Sie bitte, findet hier der Krieg statt?”
Lily
Usher, D’Hoffryn, und Kan Hsirg alias Mr. Romero rissen ungläubig die Augen
auf, als sich die beiden Gestalten aus dem Nichts heraus vor ihnen
materialisierten. Auf den ersten Blick schienen sie menschlich zu sein, zwei
junge Männer, die einander auf seltsame Weise ähnlich sahen. Und dennoch
wirkten sie völlig verschieden, der eine blond und blauäugig mit fast
unnatürlich weißer Hautfarbe, der andere schwarzhaarig mit dunklem Teint.
”Sind
wir hier richtig?” fragte der Blonde ein weiteres Mal. ”Wir möchten bitte zum
Krieg.”
”Sie
sind wegen meines Krieges hier?” fragte Hsirg lauernd. ”Wer sind Sie? Und woher
wissen Sie davon.”
”Uhm...”
begann der Schwarzhaarige. ”Mein Kumpel hat da ‘ne Freundin dessen Schwester
war neulich mit einem Thug‘saha aus, und...”
”Schweig!”
unterbrach der Blonde und zog seine wallende weiße Robe zurecht. Mit einer
theatralischen Armbewegung, bei der er seinem Gefährten beinahe seinen Ärmel
ins Gesicht schlug, verbesserte er: ”Der Flug der Vögel, die Kraft der Flammen,
die Bewegungen der Gestirne, sie verraten uns vieles. Hell erstrahlt Mars, der
Planet des Krieges in unheilvollem Feuer...”
”Okay,
wir haben Sie verstanden,” wehrte Lily ab, bevor der junge Mann in eine endlose
Litanei verfallen konnte. ”Vielleicht stellen Sie beide sich erst einmal vor,
damit wir wissen mit wem wir es überhaupt zu tun haben.”
”Wir
sind zwei äußerst mächtige Magier,” begann der Dunkle. ”Unsere Namen sind Kain
und Abel...”
”Ich
dachte, wir wären Castor und Pollux,” unterbrach der Blonde verwirrt.
”Können
wir die Frage verschieben?” wandte sich der Dunkle an Hsirg. ”Reden wir doch
lieber über den Krieg. Worum geht es denn? Wer kämpft gegen wen?”
”Nicht,
dass uns das besonders interessieren würde.” Der Blonde wedelte sich mit der
Hand vor dem Mund herum, als unterdrücke er ein Gähnen. ”Wir nehmen eigentlich
jeden Krieg, der uns die Gelegenheit gibt, gegeneinander zu spielen.”
”Gegeneinander
spielen?” D’Hoffryn lehnte sich nach vorne.
Der
schwarze Magier raffte seine Robe, schritt um den Tisch herum, und setzte sich
auf den freien Platz neben dem Rachedämon. ”Ja, wir spielen gegeneinander.
Üblicherweise übernehme ich die Guten, und mein Bruder die Bösen. Damit es
nicht so klischeehaft ist, verstehen Sie, was ich meine? Der weiße Magier für
die Bösen, und der schwarze Magier für die Guten.”
”Was
für einen Sinn soll das haben?” Vor lauter Verwirrung hätte Kan Hsirg beinahe
seinen Zigarrenstummel verschluckt. ”Das würde ja heißen, dass, sollte ich Ihre
Unterstützung annehmen, einer von Ihnen beiden gegen mich spielen würde. Was
hätte ich denn davon?”
”Nun,
wir sind beide sehr ehrgeizig.” Auch der blonde Magier hatte nun am Tisch Platz
genommen. ”Jeder von uns beiden wird sein Bestes geben, um als Sieger
hervorzugehen.”
”Danke,
ich verzichte.” Hsirg drückte den Stummel aus, und griff nach seinem
Zigarrenetui. ”Ich will den Sieg, ich will die totale Vernichtung Malkuth‘s,
und ich werde dieses Ziel nicht für ein lächerliches Spiel aufs Spiel setzen.”
”Ihre
Worte klingen äußerst poetisch, mein Bester.” D’Hoffryn deutete eine Verbeugung
an. ”Und ich stimme Ihnen voll und ganz zu. Auf Wiedersehen, die Herren
Magier.”
”Nicht
so hastig, Gentlemen.” Lily’s Stimme klang ruhig, aber bestimmt. ”Darf ich
Sie daran erinnern, dass es meine Armee ist, die für uns in den Krieg zieht?
Und ich könnte durchaus etwas Unterstützung für meine Jägerinnen gebrauchen.”
Sie
fügte mit zuckersüßer Stimme hinzu. ”Und ebenso für ihre Gegner.”
Alle
vier Männer sahen sie verblüfft an. Keiner von ihnen wusste, worauf sie
hinauswollte.
”Mr.
D’Hoffryn, Sie haben mich gefragt, warum ich meine Jägerinnen für diesen Kampf
zur Verfügung stelle, und ich will Ihnen auf diese Frage antworten. Es ist eine
ganz simple Antwort. Ich bin mit den Dingen, so wie sie jetzt sind, nicht
zufrieden. Ich bin der Meinung, dass es ein großer Fehler war, die Kraft der
Jägerin zu teilen, und alle Anwärterinnen zu Jägerinnen zu machen. Noch habe
ich nicht die Macht, diese Entwicklung rückgängig zu machen, aber mit etwas
Glück und Verstand wird es mir eines Tages gelingen. ”
Sie
nahm einen Schluck aus ihrem Wasserglas. ”Wie dem auch sei, dieser Krieg ist
für mich eine wunderbare Möglichkeit, mehrere hundert Jägerinnen auf einen
Schlag loszuwerden. Ohne, dass ich selbst einen Finger rühren muss. Die
Jägerinnen werden einfach in Erfüllung ihrer Pflicht sterben, als tapfere
Heldinnen, welche die Menschheit vor einer Horde seelenloser Dämonen schützen.”
”Sie
wollen Ihre eigenen Leute umbringen?” fragte Hsirg entgeistert. ”Deshalb
schicken Sie sie in den Krieg?”
”Sie
haben’s erfasst.” Ein kleines Lächeln umspielte Lily’s Mundwinkel.
Der
Iah K’uru schwieg, es gab nichts, was man darauf antworten konnte.
”Also,”
wandte sich Lily nun an die Magier. ”Sie sehen, dass es in diesem Krieg nicht
nur um Sieg oder Niederlage geht, sondern vor allen Dingen darum, auf beiden
Seiten möglichst hohe Verluste zu erzielen. Sie müssten das Ziel ihres Spiels
wohl ein klein wenig abändern, wenn Sie teilnehmen möchten. Aber das sollte
doch kein Problem sein, oder?”
Für
eine Weile war es ganz still. Die beiden Magier blickten einander in die Augen
und obwohl man nichts hören konnte, waren die übrigen Anwesenden überzeugt,
dass zwischen ihnen eine Kommunikation stattfand. D’Hoffryn, welcher der
Telepathie mächtig war, verfolgte die Diskussion aufmerksam.
Lily
dagegen benützte die Gelegenheit einen Anruf zu tätigen. ”Lori? Ist alles nach
Plan verlaufen?”
Endlich
nickten die beiden jungen Männer. ”Wir sind einverstanden,” erklärte der
Blonde. Sein Begleiter wandte sich Lily zu, die das Telephon noch ans Ohr
hielt. ”Da ich der gute Magier bin, werde ich selbstverständlich die Jägerinnen
unterstützen.”
”Das
kommt überhaupt nicht in Frage,” protestierte der Blonde. ”Die Jägerinnen sind
die Angreifer, und damit sind die Jägerinnen die Bösen und die Dämonen die
Guten. Das heißt, die Jägerinnen für mich, und die Dämonen für dich.”
”Die
Dämonen sind die Guten? Jetzt mach‘ dich doch nicht lächerlich. Außerdem kennst
du dich besser mit Dämonen aus, und ich mit Jägerinnen, also ergibt es so rum
mehr Sinn. In Silent Hill hab‘ ich auch die Jägerinnen gespielt.”
”Und
gewonnen...”
”Aha,
davor hast du also Angst...”
”Gentlemen?”
Lily Usher’s Stimme durchbrach den beginnenden Streit. ”Es ist soeben eine
Situation eingetreten, die meine Anwesenheit in England verlangt. Ich habe also
nicht mehr viel Zeit.”
”Also
gut.” Der blonde Magier nickte. ”Mein Bruder wird Sie zu ihren Jägerinnen
begleiten, und ich werde mich zu gegebener Zeit mit den Dämonen in Verbindung
setzen.”
”Gibt
es von Ihrer Seite aus noch Einwände?” wandte sich Lily an Kan und D’Hoffryn.
Beide
Dämonen betrachteten die Neuankömmlinge mit unverhohlenem Misstrauen, doch
schließlich schüttelten sie den Kopf.
”Gut.”
Lily erhob sich. ”Wir werden ein Privatflugzeug nehmen, damit es schneller
geht. Dort warten bereits einige Jägerinnen auf mich.
D’Hoffryn
lachte leise. ”Entschuldigung, aber für mich passen die Worte schnell und
Flugzeug einfach nicht zusammen.”
Lily
zog die Augenbrauen hoch. ”Haben Sie vielleicht einen besseren Vorschlag?”
”Allerdings.”
Der oberste Rachedämon streckte seine Hand aus. ”Erinnern Sie sich noch daran?
Weder Sie noch irgendjemand anderer haben damals daran gedacht, sie wieder
einzustecken, also dachte ich, ich hol‘ sie mir wieder. Immerhin können sie ja
noch ein drittes Mal verwendet werden, bevor sie ihre Kraft verlieren.”
In
seiner Handfläche funkelten einige goldenen Münzen...
Wächterhaus,
etwas später,
”Wie geht‘s dir, Süße?”
Besorgt kniete Kennedy neben dem Sofa, welches Giles für Willow zurecht gemacht
hatte. Eigentlich hatten sie die Hüterin in ein richtiges Bett in die Wohnung
hoch bringen wollen, damit sie sich ausruhen konnte, aber Willow hatte darauf
bestanden bei den anderen im Wächterhaus zu bleiben. Schlaf würde sie ohnehin
keinen finden, das wusste sie.
Ihr
Kopf dröhnte immer noch, doch langsam ließen die Schmerzen nach. Manchmal
spürte sie plötzliche Anfälle von Panik, die ihr die Kehle zuschnürten. Buffy
hatte das japanische Mädchen nicht retten können. Wo immer sie jetzt war, sie
stand furchtbare Ängste aus...
”Trink
noch einen Schluck!” Liebevoll hielt Kennedy ihr die Teetasse an den Mund
und stützte dabei Willow‘s Kopf. Absurderweise musste die junge Frau plötzlich
an ihre Prüfungen denken, die jetzt zum Glück hinter ihr lagen. Erst gestern
früh hatte sie den letzten schriftlichen Test ihrem Hauptfach Geschichte abgelegt.
Es kam ihr vor, als hätte eine andere dieses Leben gelebt.
Und
nächste Woche würde ihre Abschlußfeier sein. Würde es eine nächste Woche für
sie geben?
”Danke,”
krächzte sie mühsam. Ihre Kehle war so ausgetrocknet. ”Wird schon wieder.” Müde
hob sie die Augen und sah in all die erschrockenen und besorgten Gesichter um
sie herum.
”Es
muss doch eine Möglichkeit geben, das aufzuhalten,” sagte Dawn leise zu Xander,
ihre Stimme den Tränen nahe. ”Diese Visionen abzublocken, dass Willow sie nicht
mehr haben muss.”
Doch
Xander schwieg, auch er wusste sich keinen Rat.
”Und
als wär‘ das alles nicht schon schlimm genug, sind die Dinge, die sie gesehen
hat, auch nicht grad erbauend,” bemerkte Robin düster. Er war gerade dabei, das
restliche Jod und Verbandszeug wieder im Erste-Hilfe Koffer zu verstauen,
nachdem er Willow verarztet hatte. Von ihrem Sturz hatte die Hüterin eine
Platzwunde am Kopf zurückbehalten, außerdem mehrere Aufschürfungen an Armen und
Beinen. Das gefährlichste von allen, war eine Wunde in ihrer Brust gewesen, die
sich plötzlich geöffnet, aber dann zum Glück wieder geschlossen hatte.
”Robin
hat Recht.” Andrew überreichte Giles ein Blatt Papier mit der krakeligen,
comic-artigen Zeichnung eines Ninjas, der bedrohlich mit einem Katana wedelte.
”Wir haben schon wieder einen neuen Gegner.”
”Buffy ist bereits Ninjas begegnet.” Giles
besah sich die Zeichnung. ”Möglicherweise sind es dieselben. Aber warum hier in
Amerika?”
”Es
war so dunkel...” murmelte Willow. ”Ich konnte sie gar nicht...richtig
erkennen.”
Mit
einer väterlichen Geste strich Giles ihr übers Haar. ”Ruh dich erst einmal aus.
Später kannst du dich vielleicht an mehr erinnern.”
”Ich
geh neuen Tee holen,” erbot sich Kennedy, die nicht länger stillsitzen konnte,
und verschwand Richtung Küche. Es machte sie rasend, in dieser Sache so hilflos
zu sein, und sie hatte auch nicht den Nerv, sich über diese Ninjas, oder was
immer diese Typen waren zu unterhalten. Wütend riss sie die Schranktür auf, und
fegte dabei eine der Tassen zu Boden, welche klirrend zerbrach.
”Lass
es nur raus,” sagte eine Stimme hinter ihr. ”Tassen kann man immer wieder
neue kaufen.”
Robin
hatte hinter ihr die Küche betreten. Mit ruhigen Händen begann er mehrere
Tassen mit dem heißen Wasser aus dem Teekessel zu füllen. Sie konnte gar nicht
begreifen, wie er in einer solchen Situation so ruhig bleiben konnte, und
irgendwie hatte sie das Bedürfnis ihn anzuschreien. Irgendwie hatte sie das
Bedürfnis jeden anzuschreien, der einfach nur in ihrem Blickfeld stand.
”Schrei,
wenn es dir dann besser geht,” meinte Robin, als hätte er ihre Absicht in ihrem
wütenden Blick erkannt. ”Oder schlag etwas kaputt! Du wärst nicht die erste
Jägerin, die ich kenne, die dadurch ein bisschen Dampf ablassen kann,” fügte er
mit einem Lächeln hinzu.
Kennedy
nickte, und mit einem Aufschrei warf sie eine weitere Tasse gegen die Wand. ”Es
funktioniert nicht,” murmelte sie hilflos. ”Ich fühle mich kein bisschen
besser.”
”Vielleicht
ist es wie mit Traubenzuckerpillen.” Der Wächter verteilte Teebeutel auf die
Tassen. ”Es hilft nur, wenn man dran glaubt. ”
Im
selben Moment hörten sie, wie draußen die Tür zum Wächterhaus aufgestoßen
wurde. Faith, die gerade draußen im Gang gestanden hatte, wandte sich Buffy zu.
”Wen hast du uns denn da mitgebracht?”
”Einen
American Ninja.” Mit grimmiger Miene zerrte Buffy den bewusstlosen Shin in den
Raum.
Malkuth, Halle von Kether,
selbe Zeit
“Und
du glaubst wirklich, diese Stromausfälle haben mehr zu bedeuten, Zaddik Bartholomew?“
“Ja,
ich bin davon überzeugt,“ entgegnete Mo.
Er
konnte sein Gegenüber nicht ansehen, als er sprach. Das lag nicht an dem
gleißenden Licht in der Halle von Kether, sondern daran, dass er und die
einunddreißig übrigen Mitglieder des Rats von Malkuth hier überhaupt nicht
körperlich anwesend waren. Kein Körper aus Fleisch und Blut konnte diesen
heiligsten aller Orte Malkuth’s betreten, nur die Essenz, der Teil eines
lebenden Wesens, der sich aus Geist und Seele zusammensetzte.
In
einer normalen Umgebung würde diese Essenz vielleicht als strahlendes Licht
erscheinen, doch Kether war so hell, dass alle anderen Lichter dagegen dunkel
schienen. Die Essenzen nahmen die Form von mächtigen schwarzen Steinblöcken an,
beinahe wie die Grabsteine auf einem Friedhof. Zumindest waren es diese Steine,
an die sich Zaddik von Malkuth erinnerten, nachdem sie die Halle verlassen
hatten.
Ein
Kreis aus glatten schwarzen Steinblöcken inmitten des gleißenden Lichts. Und
ihre Stimmen waren wie Gedanken, die im Geist der anderen widerhallten.
“Ich
weiß, dass Stromausfälle früher an der Tagesordnung waren,“ fuhr Bartholomew
fort. “Aber hier geht es nicht um durchgebrannte Sicherungen und defekte
Leitungen. Ich habe mit unserem Cheftechniker gesprochen. Das Computerprogramm,
das unsere Stromversorgung steuert, hat erkannt, dass die Energie in der Halle
von Daath sich verändert hat. Das muss etwas zu bedeuten haben.“
“Ich
kann es fühlen.“ Eine weitere Stimme erklang in der strahlenden Stille, die Stimme
eines kleinen Mädchens. “Das Tor des verborgenen Baumes bebt. Als ob jemand
hindurch schreiten möchte.“
Ein
Stimmengewirr brach aus, ungläubig, neugierig, und auch mit ein wenig Furcht.
Was hatte das zu bedeuten. Würde die Grenze zwischen dieser Welt und einer
anderen durchbrochen werden? Was würde dann geschehen?
“Mein
Geist wird den Pfad des verborgenen Baumes beschreiten.“ Die Stimme klang jetzt
nicht mehr wie die eines Kindes, sondern wie die einer erwachsenen Frau.
“Vielleicht werde ich dann erkennen, wer ihn mit mir geht.“
“Eine
weise Entscheidung, Zaddik Babette.“ Die dunkle, kehlige Stimme von Zaddik
Lakshmi war unverkennbar.
“Es
gibt noch weitere Ereignisse, die unsere Aufmerksamkeit verlangen.“ Jetzt war es
die Stimme einer Greisin, die sprach, und dann verstummte sie.
“Richtig,“
begann Bartholomew. “Ich wollte noch zwei Fälle ansprechen, wenn es euch genehm
ist. Zum einen habe ich meine Berichte für die Akte von Regil fertig gestellt,
damit alle Mitglieder unseres Rats sich bis zur Verhandlung mit dem Fall
vertraut machen können. Auch wenn ich bei der Verhandlung seine Verteidigung
übernehmen werde, könnt ihr sicher sein, dass bei meinen Berichten nichts
beschönigt oder abgemildert wurde. Ich habe die Konfrontation zwischen Regil
und der ersten Jägerin genau so beschrieben, wie sie sich abgespielt hat,
einschließlich meiner Intervention.“
“Die
diesem Verräter das Leben gerettet hat,“ kam ein Einwurf. Zustimmendes Murmeln
erklang.
“Es
ging mir darum, unsere Stadt zu schützen,“ verteidigte sich Bartholomew. “Und
ja, natürlich auch darum, Regil auf den richtigen Weg zurückzuführen. Seine
Differenzen mit der ersten Jägerin sind geklärt. Er stellt keine Gefahr mehr
für uns dar.“
“Das
zu entscheiden, liegt nicht bei dir!“
“Das
wollte ich mir auch gar nicht anmaßen, Zaddik Lakshmi,“ beschwichtigte
Bartholomew. “Ich habe lediglich als sein Verteidiger gesprochen, wie es meine
Aufgabe ist.“
“Deine
Aufgabe in der Verhandlung,“ erklärte Zaddik Babette mit ihrer Kinderstimme.
“Nicht hier.“
Mo
gehorchte und schwieg, er wollte es nicht noch schlimmer machen. Wenn er zum
falschen Zeitpunkt eine Diskussion anfing, würde das Regil nicht retten. Im
Gegenteil, die anderen würden ihm vorwerfen, dass seine Freundschaft zu dem
Echsendämon sein Urteilsvermögen trübte, und seine Worte nicht mehr ernst
nehmen.
“Du
wolltest einen weiteren Fall ansprechen?“ Babette’s Stimme wurde langsam älter.
“Den des Menschen, nicht wahr? Du hast ihm unseren Entschluss mitgeteilt?“
“Ja,
das habe ich.“ Er erinnerte sich an sein Gespräch mit Andrew im Black Pearl.
“Aber er ist mit diesem Entschluss nicht einverstanden. Ich habe ihm gesagt,
dass die einzige Möglichkeit für ihn, hier bleiben zu können ist, selbst zum
Dämon zu werden und die Aufnahme in unsere Gemeinschaft zu erbitten.“
“Das
ist richtig,“ stimmten mehrere Zaddik zu. “Eine andere Möglichkeit gibt es
nicht.“
“Doch,
gibt es,“ widersprach Zaddik Lakshmi. “So ungern ich das sage, da mir die
Vermischung von Menschen und Dämonen ein Gräuel ist, aber nach unseren Gesetzen
darf er eine Dämonin unserer Gemeinschaft zur Gefährtin nehmen und mit ihr eine
Familie gründen.“
“Ich
weiß, aber das ist nicht sein Wunsch,“ Mo dachte an seine eigene Frau, und an
die Mädchen. Es war nicht immer einfach für sie gewesen. “Im Moment
recherchiere ich die verschiedenen Möglichkeiten, einen Menschen zum Dämon zu
machen. Aber ich werde trotzdem weiterhin unsere alten Gesetze und Rituale
durchforschen, um nach einer Alternative zu suchen. Sollte ich etwas finden,
werde ich es bei der nächsten Versammlung zur Sprache bringen.“
“In
Ordnung.“ Die Stimme der alten Frau klang zufrieden. “Gibt es sonst noch etwas,
worüber wir sprechen sollten?“
Eine
Weile herrschte Stille. Dann erklärte Zaddik Babette, welche heute den Vorsitz
innehatte, die Versammlung für geschlossen. Mo war tief in Gedanken versunken,
und er war sich sicher, dass es anderen ebenso ging. Es schien, dass sich eine
Veränderung ankündigte.
Immer
noch grübelnd ging er die Straße des Narren hinunter, durchquerte die Halle
von Chockmah und bog in die Straße der Kaiserin ein, welche Chockmah mit Binah
verband. Dort hielt er sich am liebsten auf, wenn er nachdenken wollte. Hier
hatte er Ruhe vor dem Lärm und dem Durcheinander der Stadt, aber er war doch
nicht von ihr abgeschieden, denn die Straße war ein Skyway und erlaubte eine
großzügige Aussicht nach unten. Nicht so großartig, wie die Straße der Ausgleichung,
von der man einen Blick auf fünf andere Straßen hatte, aber dafür war es hier
auch um einiges ruhiger.
“Du
kämpfst Schlachten die bereits verloren sind, Bartholomew.“ Wie üblich hielt
sich Zaddik Lakshmi nicht mit langen Vorreden auf. “Du wirst deinen Freund
Regil nicht retten können, sein Leichtsinn hat uns alle in Gefahr gebracht.
Und warum machst du dir soviel Schwierigkeiten wegen dieses Menschen? Die
Menschen bedeuten nichts als Ärger und Probleme für uns.“
“Ich
muss die Dinge tun, die ich für richtig halte,“ entgegnete der bärtige Dämon.
“Du
bist ein Träumer und ein Narr!“ Lakshmi’s Stimme klang bitter. “Du glaubst
immer noch an eine Welt, in der Menschen und Dämonen friedlich zusammenleben
können. Wach auf, das wird niemals geschehen, und das soll es auch nicht. Eines
Tages wird die alte Zeit wiederkehren und wir werden über diese Dimension
herrschen, wie es unsere Bestimmung ist. Dann werden wir uns nicht mehr
verstecken und die Gewalttaten der Jägerinnen ertragen müssen, dann werden wir
frei sein!“ Eine tiefe Begeisterung hatte ihre dunklen Augen ergriffen.
“Lakshmi,
du bist selbst eine Träumerin.“ Die harten Worte hatten Mo nicht beleidigt,
dafür kannte er ihre direkte Art zu gut. “Die Welt von der du sprichst, hat
nichts mit Freiheit zu tun. Als die Großen Alten herrschten, gab es nichts als
Zerstörung und blutigen Krieg und die einzelnen Dämonenstämme schlachteten sich
gegenseitig ab. Willst du in einer solchen Welt deine Kinder großziehen?“
“So
muss es überhaupt nicht werden,“ widersprach sie. “Die Gemeinschaft von Malkuth
zeigt ja, dass ein Zusammenleben der verschiedenen Stämme möglich ist. So
könnte es auch in Zukunft aussehen.“
Bartholomew
wollte etwas erwidern, als er am Ende der Straße ein kleines Mädchen mit
rotblonden Locken erkannte, welches auf sie zukam. Das Kind wurde älter, als es
sich näherte, wurde zu einer Frau, und als Zaddik Babette direkt vor ihnen
stand, hatte sie die Gestalt einer Greisin angenommen.
“Vielleicht werden wir bald wissen, wie die Zukunft aussieht“ sagte sie. “Die Wandlung der Welt steht uns unmittelbar bevor.“
Wächterhaus,
etwas später
"Ich glaub‘ das einfach nicht. Wie konnte
ich mich nur so in ihm täuschen?" Dawn war verzweifelt. Sollte alles was
Shin ihr über sich erzählt hatte, Lügen gewesen sein? Stand er doch auf der
Seite des Bösen? Das war doch nicht möglich! Das konnte einfach nicht sein!
Wie
ein Häufchen Elend saß sie neben dem bewusstlosen und gefesselten Shin auf
dem Boden. Mit Tränen in den Augen strich sie ihm eine Strähne aus dem Gesicht.
Trotz – oder gerade wegen der Verwirrung ihrer Gefühle, glaubte sie ihn noch
immer zu lieben, und hoffte dass es eine Erklärung für sein Verhalten geben
mochte. Was, wenn es alles Lily’s Schuld war?
Nein,
sie versuchte nur Ausflüchte zu finden. Wie damals bei Justin.
"Du
hättest besser aufpassen müssen.” Buffy’s warnende Stimme riss sie aus ihren
Gedanken. ”Dawn, wie konntest du nur deine Augen so vor der Wahrheit
verschließen? Warum hast du mir nichts über seine Familiengeschichte erzählt!
Giles hätte es nachprüfen können. Dann wäre das alles nicht passiert!"
Buffy
ging vor Dawn in die Knie und sah sie liebevoll an. Der Schmerz in den Augen
Ihrer kleinen Schwester kam ihr sehr bekannt vor. Sie drückte Dawn an sich.
"Ach Dawnie, wir Summersfrauen haben aber auch ein Pech mit den
Männern."
Mit
einem leisen Stöhnen kam Shin zu sich. Seine Lider flatterten. "Shin? Shin
kannst du mich hören?" Dawn beugte sich über ihren Freund.
Langsam lichteten sich die Nebelschwaden vor seinen Augen und formten sich zu
dem Gesicht seiner Freundin. Er wollte sie anlächeln, doch das Lächeln blieb
ihm im Hals stecken, als er ihrem wütenden Blick begegnete und ihm alles wieder
einfiel.
"Dawn, Liebes..." begann er.
"Nein!" fuhr ihm Dawn dazwischen. "Ich bin nicht mehr dein
Liebes. Wie konntest du mich nur so anlügen, hast du mir die ganze Zeit was
vorgespielt? Was soll das? Ich hab‘ dir vertraut und nun muss ich mit ansehen,
wie du gegen meine Freunde und gegen meine Schwester kämpfst.. Du weißt, dass
Buffy alles ist, was ich noch von meiner Familie habe. Gerade du weißt das und
hast immer gesagt, dass du mich verstehst. Und nun so was...." die letzten
Worte wurden fast von einem Schluchzer erstickt, der ihr entfuhr.
"Ich habe dich nicht angelogen Dawn, ich konnte dir nur manche Dinge nicht
erzählen. Das müsstest auch du verstehen, denn anscheinend hast du ja auch
einiges für dich behalten." Sein Blick schweifte durch den Raum und kehrte
dann zu Dawn zurück, die ihren Kopf senkte, da sie nun nicht mehr wusste was
sie sagen sollte.
"OK, jeder hier hat Geheimnisse," sprang Buffy ihrer Schwester
bei. "Was
ich jetzt will, sind Informationen. Was ist hier los? Warum habt ihr uns
angegriffen? Warum und wohin habt ihr das Mädchen verschleppt?...."
In diesem Moment ging das Licht aus.
AKT 3
Wächterhaus, selbe Zeit
großer Konferenzraum
Buffy
sprang sofort auf die Füße, ihre geschärften Sinne witterten Gefahr. Zwar
durchbrach kein Geräusch die nächtliche Stille, aber sie traute dem Frieden
nicht. Dies war nur die Ruhe vor dem Sturm.
Der
Angriff schien aus dem Nichts heraus zu kommen, sie hatte nicht einmal die Türe
gehört. Aber irgendwie mussten die beiden schwarzvermummten Gestalten ja
hereingekommen sein. Der erste sank in einen tiefen Fußfeger, versuchte Buffy
die Beine wegzuziehen. Der andere sprang über seinen Kampfgefährten drüber,
sein Fuß zielte auf das Gesicht der blonden Jägerin.
Mit
einem Backflip nach hinten rettete sie sich aus der Gefahrenzone. Zumindest
einen der beiden Angreifer musste ihr Fuß dabei erwischt haben, es polterte,
als ein Körper gegen einen Tisch flog. Da der große Konferenzraum nur selten
genutzt wurde, stand hier einiges an Möbelstücken herum. Buffy kam auf die
Beine, riss instinktiv die Fäuste zu einem Block hoch, um auf den nächsten
Schlag vorbereitet zu sein. Dawn sprang an ihr vorbei, und attackierte den
zweiten Angreifer.
Ninja.
Es waren die Ninja, mit denen sie vor kurzem auf der Straße gekämpft hatte. Was
hatten sie hier im Wächterhaus zu suchen? Wie waren sie überhaupt hierher
gekommen? Waren sie ihr gefolgt?
“Koko
da?“ Ein dritter Ninja war im Türrahmen erschienen, er griff jedoch nicht an,
sondern beschränkte sich darauf, den anderen etwas zuzurufen. Diese schüttelten
verneinend die Köpfe und zogen sich langsam zurück. Sie wichen weiteren
Angriffen aus, und sprinteten auf die Tür zu.
Von
draußen war ein Schrei zu hören, es war eindeutig der Kampfschrei von Faith.
“Bleib
hier!“ warnte Buffy ihre kleine Schwester, bevor sie den Angreifern durch die
Tür folgte. Ihr Verstand arbeitete blitzschnell, keiner der Ninja hatte einen
Versuch gemacht, Shin zu befreien. Somit bestand für Dawn keine Gefahr, wenn
sie hier blieb, im Gegenteil, es war die sicherste Methode, sie von diesem
Kampf fernzuhalten.
Wütend
blickte Dawn ihrer Schwester hinterher. Es war typisch, so typisch, wieder
wollte Buffy sie einsperren. Dass sie sie auf den Friedhof mitgenommen hatte,
änderte nichts daran, dass sie in einer unerwarteten Situation genau nach dem
altbekannten Schema reagierte, und das hieß die kleine Dawnie aus der Gefahrenzone
zu schaffen.
Diesmal
nicht! Dawn rannte in Richtung Tür, als sie plötzlich einen Luftzug hinter sich
spürte. Zwar war nichts zu hören, doch sie wartete kein Geräusch ab. Sie fuhr
herum, und blockte im letzten Moment die Faust, die auf ihren Hinterkopf
gezielt hatte.
Wie
es schien, hatte Shin gar keine Hilfe nötig gehabt, um sich von seinen Fesseln
zu befreien.
Magische Kuppel,
selbe Zeit
“Was
sagten Sie, Schamanin? Ach so. Der vierte Reiter. Ja, die Verbindung hier
ist nicht besonders gut.... Der Rat der Wächter ist Ihnen zu großem Dank verpflichtet.
Leben Sie wohl.“
Lily
betrachtete den dunklen Wirbel aus Himmel, Meer und Horizont, und ließ die
Informationen im Kopf Revue passieren. Dank der ausgezeichneten Verbindungen
des Rates war es ihr nicht nur gelungen, etwas über die verschiedenen
Gruppierungen herauszufinden, welche die zerstörerischen Reiter auf den
jeweiligen Kontinenten bewachen sollten, sondern auch mit zwei von ihnen
Kontakt aufzunehmen. In Europa und in Afrika.
Die
Reiter des Todes. Nachdem das Orakel sie darüber aufgeklärt hatte, was durch
ihr Ritual wirklich geschehen war, hatte sie versucht, soviel wie möglich über
diese Geschöpfe herauszufinden. Zwar war es nur ein Versehen gewesen, dass sie
befreit worden waren, aber nach den Worten des Orakels zu urteilen, konnte sie
sie trotzdem für ihren Plan gebrauchen.
Buffy
war der Schlüssel zur Schließung der Linie. Nicht Dawn. Sie würde gegen die
Reiter kämpfen, und in diesem Kampf fallen. Mit ihrem Tod würde auch ihre Kraft
vernichtet sein, und die Jägerinnen würden wieder zu ganz normalen Mädchen. Die
alte Ordnung wäre wieder hergestellt.
Ein
perfekter Plan, doch benötigte sie dazu vier Reiter, und nicht nur drei...doch
bald schon würde das kein Problem mehr sein. Sie hatte bereits einen Verdacht,
wo der vierte Reiter sich befand, und wenn man den Spuren der Naturkatastrophen
folgte, welche die anderen drei Reiter hinter sich ließen, brauchte man nur
eins und eins zusammenzuzählen.
Und
dann machte es auch nichts mehr aus, dass sie keine Gruppierung in Amerika
gefunden hatte, die für den vierten Reiter zuständig gewesen wäre.
Auch
mit Asien hatte sie kein Glück gehabt. Der Tetsu Clan weigerte sich, mit dem
Rat zu verhandeln, selbst dann noch, als sie die kleine Aiko als Druckmittel
einsetzte. Diese Familie ließ sich nicht erpressen.
Nun
gut, wie sie wollten. Eine weitere Soldatin für ihre Armee...
Gedankenverloren
betrachtete Lily das Gesicht des Mädchens. Da sie ein Beruhigungsmittel
erhalten hatte, schlief sie jetzt, lag regungslos inmitten der seltsamen Kugel,
welche die magischen Münzen um sie alle geformt hatten.
Zwei
der anderen Jägerinnen standen so reglos wie Statuen, ihre leeren Augen auf die
Japanerin gerichtet. Für den Fall dass sie wach wurde, und wieder Ärger machte.
Ein weiteres Mal würde sie die Kleine sicher nicht unterschätzen.
Lori
war umgekippt, bewusstlos durch den hohen Blutverlust. Sie würde sich wieder
erholen, bei den Selbstheilungskräften einer Jägerin müsste sich die Wunde in ihrer
Brust bereits geschlossen haben. Und falls nicht, war es auch egal.
Der
schwarze Magier stand mit erhobenen Armen in der Mitte der Kuppel und murmelte
Zauberformeln in einem monotonen Singsang. Die Formeln selbst waren Unsinn,
ebenso sein wichtigtuerisches Gehabe. Aber egal, Hauptsache er und sein Bruder
brachten diese seltsame Kuppel rechtzeitig nach England, bevor die Energie der
Münzen verbraucht war, und das Ding auseinander fiel.
“Sehen
Sie da, Ms. Usher!“ Der Magier unterbrach sein Getue, um begeistert auf einen
dunklen Punkt zu zeigen, der rasend schnell näher kam. “Der Big Ben! Wir
haben’s gleich geschafft!“
Im
selben Moment ging ein kräftiger Ruck durch die Kugel und ihre Wände begannen
zu flimmern. Nervös blickte der Magier um sich. “Oh-oh!“
Wächterhaus, Giles’ Büro,
etwas später
Mit
lautem Krachen flog der Ninja gegen Giles’ Schreibtisch und Kennedy setzte
nach, um ihm noch einen Faustschlag zu verpassen. Offensichtlich ein Fehler,
denn eine zweite Gestalt hatte bereits den Raum betreten, und nützte die
Gelegenheit zur Couch hinüber zu rennen, wo Willow, noch geschwächt von ihrer
letzten Vision, lag. Die Hüterin rollte sich herunter, um ihrem Angriff
auszuweichen, und schlug hart auf dem Boden auf.
Benommen
versuchte sie, schützend die Arme zu heben, als ein Ellenbogen gegen ihren Kopf
krachte, und alles um sie herum in Dunkelheit versenkte.
“Willow!“
schrie Kennedy. Wie eine Furie stürzte sie auf die schwarzgekleidete Frau los,
doch diese war auf ihren Angriff vorbereitet, und benutzte ihren eigenen
Schwung, um sie über ihre Hüfte zu werfen. Die Jägerin stürzte in ein
Bücherregal, welches gefährlich zu schwanken begann.
Das
Regal kippte, und ein Hagel aus Büchern überschüttete die braunhaarige Jägerin.
Sie riss die Arme hoch, und versuchte auf die Beine zu kommen.
In
diesem Moment stürzte das Bücherregal auf sie hernieder.
Ratszentrale, kleiner Konferenzraum
London, England,
selbe Zeit
Die
Tür glitt langsam auf und George L. Martin betrat den Beratungssaal. Stickige
Luft kam ihm entgegen, die Sitzung dauerte nun schon den ganzen Tag; heute
gab es viel, das geregelt werden musste. Alles musste in die richtigen Bahnen
gelenkt werden.
Langsam trat er zu den anderen Wächtern, die für einen Moment ihre Diskussion
unterbrachen und zu ihm aufblickten.
“Die Unterkünfte für die Mädchen sind nun bereit gemacht.”, berichtete er.
Wenn Lily doch hier wäre, er tat zwar sein Bestes, doch die Stimmung begann
immer ungemütlicher zu werden. Wo Lily die zweifelnden Wächter noch unter
Kontrolle gehalten hatte, konnte er nur zusehen, wie sie einander die Köpfe
einschlugen. Jede Entscheidung wurde in Frage gestellt und so lange darauf
herumgekaut, bis sie verworfen werden musste.
Die Vorkehrungen, die er für Lily treffen musste, waren immer schwerer durchzuführen.
Die anderen Mitglieder des Zirkels unterstützten ihn so weit wie möglich dabei,
die Lage unter Kontrolle zu halten, doch es bildeten sich langsam zwei Fronten
heraus, die immer öfter auf einander prallten.
Vielleicht war es bald Zeit für ein weiteres Exempel, doch wenn zu viele Wächter
verschwanden, würde es Misstrauen erregen. Außerdem konnte es nicht mehr lange
dauern, bis Lily zurückkehrte. Sobald sie diese Sache in Amerika geklärt hatte,
würde sie wieder da sein.
“Ein gutes Stichwort: Welchen Grund hat Ms. Usher die ganzen Jägerinnen nach
England zu schaffen, gerade jetzt, wo sie doch an anderen Orten viel dringender
gebraucht werden?” wollte die junge Ms. Cromwell wissen. “Wir wurden in dieser
Sache nicht einmal gefragt, sondern vor vollendete Tatsachen gestellt.”
George wechselte einen kurzen Blick mit Lenhardt bevor er antwortete: “Ms.
Usher gab mir diese Weisung über Telefon aus Amerika, sie sagte, dass sie
auf eine sehr große Gefahrenquelle gestoßen ist und wir uns bereit machen
müssen. Mehr weiß ich auch nicht, aber ich denke, dass wir ihr in dieser Sache
wohl vertrauen können!”
“Und was hält sie davon ab, uns ihr Wissen mitzuteilen? Oder enthält sie es
uns etwa vor?”
Lenhardt mischte sich in die Diskussion: “Ich bin sicher, Ms. Usher hätte
die Angelegenheit vorher mit uns besprochen, wenn es nicht so dringend wäre!”
“Oh ja, das hätte sie bestimmt.” Alle Gesichter im Raum wandten sich Bernard
Crowley zu, “Die Interessen des Rates scheinen ihr ja mehr am Herzen zu liegen,
als alles andere.”
“Wie meinen Sie das?” hakte George nach.
“Genau so wie ich es gesagt habe!”
Ein
lauter Knall ließ die Wächter herumfahren, es klang wie ein Schuss, oder – so
albern der Gedanke auch sein mochte – wie das Platzen einer riesigen
Seifenblase. Im nächsten Moment waren Schreie zu hören, das Trappeln von Füßen,
die Geräusche eines Kampfes. Die Wächter sprangen auf, und drängten zur Tür.
Diese
wurde im nächsten Moment aufgestoßen, und George blickte in Lily’s panisches
Gesicht. “Wir benötigen sofort medizinische Unterstützung!“ rief sie. “Es gab
einen Kampf, wir haben vier verletzte Jägerinnen, zwei davon schwer.“
“Wird
sofort erledigt!“ Trotz der Umstände fühlte sich George erleichtert, dass sie
wieder da war. “Lily, geht es dir gut?“
“Alles
in Ordnung.“ Sie fuhr sich durch das zerzauste Haar und erhob ihre Stimme, um
zu den übrigen Wächtern zu sprechen. “Ich möchte, dass sich alle Wächter und
Jägerinnen so schnell wie möglich im großen Sitzungssaal versammeln. Ladies und
Gentlemen, die Lage ist ernst.“
Wächterhaus, selbe Zeit
großer Konferenzraum
Shin
hatte versucht, sie zu schlagen. Ihr Freund, dem sie vertraut, den sie geliebt
hatte, hatte sie hinterrücks angegriffen. Konnte es noch schlimmer werden?
Sie
wollte gegen ihn kämpfen, sie wollte ihm wehtun, für das was er ihr und ihrer
Schwester angetan hatte. Mit mehreren Faustschlägen versuchte Dawn, ihren
Gegner zu verletzen, blind vor lauter Wut und Verzweiflung.
"Du dummes Mädchen," schrie Shin seine Freundin an, als er ihre
Schläge abblockte. Ihre Technik war nicht so gut ausgefeilt wie seine,
allerdings machte sie viel mit ihrer Stärke wett.
"Du hast recht – ich bin dumm,“ schrie sie zurück. “Weil ich mich auf
einen Typen wie dich eingelassen hab’.“
“Du
hast doch keine Ahnung, was hier gespielt wird!“ Shin duckte sich unter einem
Schlag hinweg, und versuchte Dawn weiterhin auf Abstand zu halten. “Du kämpfst
auf der falschen Seite. Wenn du wüsstest, in welche Dinge deine Schwester und
diese korrupten Wächter verwickelt sind, würdest du...“
“Lügner!“
Ihre Faust traf endlich sein Gesicht und schleuderte ihn zurück. “Alles Lüge.“
“Dawn,
ich weiß dass du die Wahrheit nicht vertragen kannst.“ Shin hatte sein
Gleichgewicht schnell wieder gefunden. “Aber ich werd’ nicht zulassen, dass du
jetzt da raus gehst und dir was passiert. Und wenn ich dich dazu bewusstlos
schlagen muss!“
Shin’s
Faust sauste nach vorne, doch Dawn fuhr herum, ihr Fuß schnellte gegen seine
Brust. Im letzten Moment senkte der Junge den Arm, um ihren Tritt abzublocken.
“Dieser Wächterrat ist nichts anderes, als eine Ansammlung machtgieriger
Betrüger, die junge Mädchen gefangen nehmen, und als Soldaten für ihren Krieg
missbrauchen.“
Dawn
war zu verzweifelt, um sich darüber zu wundern, wieso Shin von der Existenz des
Wächterrats wusste. Nichts von dem, was er sagte, ergab Sinn, die Wächter
nahmen doch keine Jägerinnen gefangen. Dieser Kerl versuchte sie zu
manipulieren.
“Ich
glaub’ dir kein Wort, du...du Dämon!“ Ein anderes Schimpfwort fiel ihr jetzt
nicht ein, jedenfalls keins, das stark genug wäre, ihren Hass auszudrücken. Ja,
sie hasste ihn, hasste ihn für seine Lügen, und seine Falschheit.
“Du
hast recht, ich bin ein Dämon.“ Eine kalte Wut war in Shin’s Augen getreten.
“Alles, was ich dir über meine Familie erzählt habe, ist wahr. Meine Urahnin
liebte einen Dämon, und wir sind ihre Nachkommen. Aber was ich dir noch nicht
erzählt habe, ist, wie sie gestorben ist. Sie wurde umgebracht, von ihrem
eigenen Wächter. Von dem Mann, der sie schützen, und auf ihre Aufgabe
vorbereiten sollte.“
“Deshalb
bekämpfst du uns,“ schrie Dawn fassungslos. “Wegen etwas, das vor Hunderten von
Jahren passiert ist?“ Erneut schlug sie nach ihm. “Was können wir dafür, wenn
damals ein Wächter ein mieses Schwein war?“
“Es
geht nicht um einen Mann, es geht um eine Institution.“ Shin duckte sich unter
einem Angriff hinweg, doch er war nicht schnell genug, da seine Konzentration
zu stark auf ihrem Gespräch lag. Mit aller Kraft versuchte er Dawn zu
überzeugen, selbst dann noch, als er ihre Schläge nicht mehr abwehren konnte.
“Der Wächterrat hat sich in Hunderten von Jahren nicht geändert, und deine
Freunde und Familie sind ein Teil davon. Heute Abend haben deine Schwester und
einige andere Jägerinnen ein Mädchen aus meiner Familie verschleppt.“
Sprachlos
hielt Dawn inne. "Das hat Buffy nicht getan. Ich glaub’ dir kein
Wort." Ihr Gesicht wurde rot vor Wut, und sie verpasste Shin, der vor ihr
zu Boden gegangen war, einen Tritt in den Bauch.
Der Junge stöhnte vor Schmerz auf, doch er hielt den Blick weiterhin auf Dawn
gerichtet. "Es ist wahr. Ich selber hab’ gegen sie gekämpft, als sie Aiko
entführen wollte. Sie und noch drei andere Jägerinnen sind auf meine Cousine
losgegangen.“
"Buffy würde so etwas nie tun!“ Verzweifelt versuchte Dawn ihre Gedanken
zu ordnen. Willow hatte gesehen, wie drei Jägerinnen eine vierte angegriffen
hatten. Und dann waren die Ninja gekommen... es war alles ein großes
Durcheinander.
“Dawn,
nimm’ endlich deine rosarote Brille ab!“ Shin versuchte, sich zur Seite zu
rollen, wahrscheinlich rechnete er bereits mit dem nächsten Angriff.
Dawn
packte ihn bei den Schultern. “Nein, jetzt hörst du mir mal zu!“
Ratszentrale, großer Sitzungssaal
London, England,
etwas später
Der große Verhandlungssaal machte seinem Namen alle Ehre, und
dennoch quoll er nahezu über von den Jägerinnen, die sich langsam in ihm sammelten.
Der Saal wurde äußerst selten benutzt, also hatte George extra Stühle aufstellen
lassen.
In den vordersten Reihen neben ihm saßen die Wächter, einige mit skeptischer
Miene, doch der größte Teil von ihnen wirkte eher entnervt über die anhaltenden
Diskussionen. George konnte nur hoffen, dass das was Lily nun sagen würde,
all diese Zweifel hinweg waschen würde, doch wenn er so darüber nachdachte,
konnte es eigentlich gar nicht schief gehen.
Lily nahm ihren Platz am Rednerpult ein, sie atmete einmal tief durch, wechselte
einige Augenkontakte mit ihr wohl gesonnenen Wächtern, dann begann sie zu
sprechen: “Meine Damen und Herren, Wächter und Jägerinnen, Sie alle fragen
sich sicher, warum Sie heute hier zusammengerufen wurden. Das sollten Sie
auch, denn Sie haben ein Recht auf eine Antwort!”
Hinter ihr stärkten ihr circa dreißig Jägerinnen und ein paar unbedeutende
Wächter den Rücken, während sie ihre Ansprache hielt.
“Einiges in den letzten Tagen und Wochen ist nicht ganz so gelaufen, wie es
vielleicht hätte laufen sollen, ich bitte dafür von ganzem Herzen um Entschuldigung.
Doch all das rückt nun in den Hintergrund, denn etwas Größeres steht bevor.
Vielleicht die größte Herausforderung, der sich der Rat der Wächter jemals
gestellt hat!”
Sie legte eine theatralische Pause ein, um die Reaktionen des Publikums zu
erlangen. Selbst die Ohren der letzten, verwöhnten Jägerin mussten nun ihr
gehören.
“Erneut schwebt unsere Welt in tödlicher Gefahr, doch dieses Mal ist es ernster
als jemals zuvor!” Sie betätigte eine Fernbedienung und mit einem mechanischen
Rattern begann eine Diashow. Bilder von Verwüstung zuckten über die Leinwand,
zerstörte Städte, tote Menschen, Bilder von Flutwellen und großen Feuerkatastrophen.
“Ein unbeschreibliches Grauen wurde entfesselt, drei so genannte Reiter des
Todes stürzen diese Welt in Schrecken und Terror. Doch dies ist nur ein kleiner
Vorgeschmack: Wenn sie ihr Ziel erreichen, wird es nichts und niemanden mehr
geben, der sich ihnen in den Weg stellen kann.
Berechnend fuhr ihr Blick durch die Reihen von Jägerinnen und Wächtern, die
alle angespannt und ängstlich auf die Bilder blickten. Eine Karte von den
USA zeichnete sich auf der weißen Leinwand ab, ein roter Punkt blinkte über
der Stadt Cleveland auf.
“Der
Höllenschlund!” setzte Lily wieder ein. “Dort ist der vierte Reiter seit
Anbeginn der Zeit gefangen, und er wartet nur darauf auszubrechen. Wir wissen,
was es für unsere Welt bedeuten würde, wenn alle vier Reiter über sie
herfallen...“
Eindringlich
sah sie ihr Publikum an, bevor sie die Worte aussprach. “Die Apokalypse.“
Angst
und Unglauben machten sich breit. Stimmengewirr, einige Wächter begannen eifrig
miteinander zu diskutieren. Ein Mädchen wurde ohnmächtig.
“Aber
noch ist es nicht zu spät.“ Lily’s Stimme hatte einen beruhigenden Tonfall
angenommen. “Noch können wir verhindern, dass der vierte Reiter befreit wird,
wenn wir nur schnell und entschieden handeln! Einmal ist es uns bereits gelungen,
einen Höllenschlund zu schließen, und wir werden es wieder tun. Chao Ahn,
bitte!”
Die
junge asiatische Jägerin trat vor. In ihrem Gesicht zeichnete sich eine eingeschüchterte
Miene ab, sie warf Lily einen kurzen unsicheren Blick zu. Die Wächterin nickte
ihr freundlich zu: “Chao Ahn, berichte uns bitte von den Ereignissen in Sunnydale
letztes Jahr!”
Die Jägerin, deren im letzten Jahr erworbene Englischkenntnisse noch nicht
ausgereift waren, begann zögerlich zu sprechen: “Letztes Jahr war ich eine
von vielen Anwärterinnen. Vielleicht würden wir Jägerinnen werden. Aber das
erste...das Urböse versuchte, uns zu finden und zu töten. Es zerstörte den
Rat. Wir flohen zur Jägerin in Sunnydale.”
Lily unterbrach sie für einen Moment: “Die meisten von uns kennen die Ereignisse
von damals, doch es ist wichtig, dass wir sie uns in dieser Situation wieder
vor Augen führen. Damals gab es keine Wächter mehr, damals gab es nur eine
Jägerin und dennoch haben wir das Urböse besiegt, wenn auch nicht für immer.
Seine Armee an Turok-Han wurde zurückgeschlagen, und der Höllenschlund in
Sunnydale geschlossen.
“Heute
gibt es wieder einen Rat, heute gibt es Hunderte von Jägerinnen über die ganze
Welt verteilt! Ich sage, wenn wir alle an einem Strang ziehen, wenn wir alle
zusammenhalten, dann können wir es wieder schaffen! Nein, ich sage sogar, dann
werden wir es wieder schaffen!“
Die
ängstlichen und ungläubigen Mienen entspannten sich etwas, bei den Jägerinnen
machte sich bereits die gewünschte Euphorie breit. Sie waren eine Einheit,
Kämpferinnen für das Gute! Und sie würden diese Welt retten!
“Chao
Ahn, erzähl’ uns von der Sense!” wandte Lily sich an das Mädchen.
“Ja, die Sense!” Sie schien einige Zeit zu brauchen, bis sie sich gefangen
hatte. “Mit der Hilfe der Sense... der uralten Waffe der Jägerin wurden wir
Anwärterinnen auch Jägerinnen. Wir gingen hinab in den Höllenschlund. Wir
kämpften gegen die Vampire des Urbösen. Es war schrecklich. Viele von uns starben,
doch wir… wir…”, sie stockte, und Lily übernahm wieder.
“Und doch steht sie heute hier, genauso wie viele ihre Kampfgenossinnen. Sie
haben überlebt, sie haben den Höllenschlund geschlossen und das Urböse aus
dieser Welt verbannt! Und genau das müssen wir in diesen Tagen wieder fertig
bringen! Eine Armee, gewaltiger und schrecklicher noch, als die Turok-Han
wartet am Höllenschlund von Cleveland auf uns.”
Es hatte funktioniert, sie hörte die Jägerinnen tuscheln, ungläubige Blicke der
Wächter musterten sie, voller Entsetzen. Angst war der beste Antrieb, um
Menschen zu etwas zu treiben; sie hatte genug Angst in ihre Herzen gesät, der
Rest war ein Kinderspiel.
“Ich weiß, dass ihr euch fürchtet, es wäre eine Lüge zu sagen, dass ich es
nicht tue, und dennoch bin ich guten Mutes, denn wir alle tragen nicht nur die
Verantwortung gegenüber der Menschheit in uns. Nein, wir tragen auch die Kraft,
sie zu beschützen, egal was auch kommen mag! Dies ist vielleicht unsere größte
Prüfung, doch wir sollten ihr nicht mit Angst entgegen blicken. Zusammen sind
wir stärker als alles, was das Böse für uns bereithalten könnte! Stärker als
die Reiter des Todes. Stärker, als die Armee der abscheulichen Monster!“
Einige Jägerinnen sprangen
auf, und klatschten in die Hände, andere folgten. Schon bald erklang donnernder
Applaus, auch die Wächter stimmten – zuerst zögerlich, dann immer
entschlossener mit ein.
Lily
betrachtete die Masse tobender Mädchen, ihr fiel es schwer ihre Verachtung zu
verbergen. Eine Herde Schafe, nichts anderes waren sie. Und genau das machte
sie so gefährlich, einmal losgelassen, konnte dieser hirnlose Mob durch nichts
aufgehalten werden. Nein, es wurde höchste Zeit, die alte Ordnung wieder
herzustellen.
“Und
ich werde nichts dem Zufall überlassen,“ Sie schenkte ihnen ein strahlendes
Lächeln. “Ich verspreche euch, ihr alle werdet die Kraft erhalten, die ihr
braucht, um siegreich zu sein. Die Kraft, die euch zusteht!”
Wächterhaus, Flur,
etwas später
Buffy,
Faith und Ronah kämpften Seite an Seite, von überall her waren die Kampfschreie
der Ninja zu hören. Giles, Robin, Xander und Andrew bildeten sozusagen die
zweite Front, sie versuchten, den kleinen Konferenzraum zu sichern.
Faith
sprang auf die Stufen der Treppe, welche zu Giles’ Wohnung hinaufführte, um
einen Höhenvorteil zu haben. Ihre Handkante fuhr gegen den Hals einer
Angreiferin, brachte diese zum Straucheln. Doch die Kämpferin hatte ihr
Gleichgewicht schnell wieder gefunden, und riss ein Wakizashi aus ihrem Gürtel.
Ronah
war in ein Handgemenge mit zwei Gegnern verwickelt, die sie gleichzeitig
angriffen. Die beiden Männer waren aufeinander abgestimmt, sie kombinierten
ihre Attacken und brachten die dunkelhäutige Jägerin in arge Bedrängnis. Buffy
konnte ihr nicht helfen, sie hatte mit ihren eigenen Gegnern genug zu tun.
Einer von ihnen schleuderte Wurfsterne nach ihr, während der andere mit einem
Katana zuschlug.
“Sie...sie
haben Willow.“ Kennedy wankte in den Raum, und hielt sich den Bauch, sie sah
ziemlich mitgenommen aus. Erschrocken fuhren die Köpfe der anderen Jägerinnen
herum, hatten sie wirklich übersehen, dass jemand ihre Freundin verschleppt
hatte? Willow war in Giles Büro gewesen, um dieses zu verlassen, hätten die
Entführer den Flur betreten müssen.
“Das
ist richtig, die Seherin befindet sich in unserer Hand!“
’Seherin?’
Buffy schrak zusammen, wussten diese Typen über alles Bescheid? Meinten sie mit
Seherin etwa Hüterin?
Die
kraftvolle Frauenstimme war vom Arbeitszimmer her gekommen. Einen Augenblick
später sahen Buffy und die anderen eine Gestalt aus dem Türrahmen treten, eine
Gestalt, die einen reglosen Körper auf den Armen trug.
“Willow.“
Entsetzt unterbrachen die Jägerinnen ihre Kämpfe. Ein leichtes Stöhnen verriet,
dass ihre Freundin am Leben war, doch dieselbe Hand, die ihren Kopf hielt,
hielt auch einen kleinen spitzen Fingerhut an ihre Kehle. Einen vergifteten
Fingerhut, wie die dunkle klebrige Spitze verriet, die gegen Willow’s Haut
drückte.
“Yui-sama,
Aiko-chan wa koko janai,“ wandte sich einer der Männer an die Frau, und diese
nickte. “Sie würden sie auch nicht hier behalten,“ entgegnete sie auf Englisch,
so dass alle sie verstehen konnten. “Vermutlich haben sie sie auf schnellstem
Wege nach England gebracht. Die Seherin wird mehr wissen.“
“Was
haben Sie mit Willow vor?“ fragte Buffy. Sie wartete auf den richtigen Moment
um zu handeln, doch solange die Metallspitze an Willow’s Kehle war, würde sie
sicher nichts Unüberlegtes tun.
“Eure
Seherin wird uns begleiten.“ Die Japanerin warf Buffy einen verachtenden Blick
zu. “Solange ihr uns keine Schwierigkeiten macht, wird ihr nichts geschehen.
Uns wäre es lieber, wenn wir sie nicht töten müssten, sie ist vielleicht die
Einzige, die uns verraten kann, wo sich die auserwählte Tochter unseres Clans
befindet. Sobald sie heil zu uns zurückgekehrt ist, wird die Seherin auch zu
euch zurückkehren.“
“Das
können Sie nicht machen,“ schrie Kennedy. Buffy legte beruhigend eine Hand auf
ihrem Arm, doch die junge Jägerin war trotz ihrer Angst zu vernünftig, um die
Nerven verlieren, und ihre Liebe zu gefährden. Auch wenn innerlich alles in ihr
bebte.
“Das
Mädchen, das ihr sucht, ist nicht bei uns,“ versuchte Buffy zu erklären.
Langsam begannen zumindest ein paar Dinge Sinn zu ergeben. Die Ninjas suchten
nach der kleinen Japanerin, die von den Jägerinnen verschleppt worden war.
“Sie
hat Angst,“ murmelte Willow leise. “Es ist dunkel. In ihrem Geist ist es dunkel
geworden.“
“Hören
Sie, dass ist alles ein Missverständnis,“ versuchte Buffy zu erklären. “Wir
haben nichts mit den Leuten zu tun, die Ihre Tochter entführt haben. Das ist
eine Verwechslung.“
Die
Japanerin kümmerte sich nicht im Geringsten um ihre Worte. Langsam, ohne den
Finger mit der Metallspitze zu bewegen, wich sie zurück, in Richtung Tür. Auch
die Ninja zogen sich zurück, scharten sich um ihre Anführerin. Die letzten
beiden traten aus dem Konferenzraum heraus, wo Giles und die anderen jetzt erst
mitbekamen, in welcher Gefahr Willow schwebte.
“Bitte
hören Sie mir zu,“ versuchte Buffy ein weiteres Mal die Aufmerksamkeit der Frau
zu erringen. “Sie machen einen Fehler...“
“Sie
hat recht, Oka-san.“
Shin
war hinter seine Mutter auf den Flur getreten, gefolgt von Dawn. Yui runzelte
die Stirn, wie es schien, hatte dieses Mädchen den Geist ihres Sohnes verwirrt
und sein Urteilsvermögen getrübt.
“Geh’
mir aus dem Weg, Junge, du weißt nicht, was du redest.“ Ihre Augen funkelten.
Shin
schüttelte den Kopf. “Es tut mir unendlich Leid, dass ich deinen Wunsch nicht
erfüllen kann, aber mein Ungehorsam dient nur dem Wohl unserer Familie. Wenn
wir die Seherin mit uns nehmen, sind wir nicht besser, als jene, die uns unsere
Aiko geraubt haben. Schlimmer noch, wir machen uns damit Menschen zu unseren
Feinden, die vielleicht unsere Verbündeten sein könnten.“
Für
eine Weile war es ganz still. Yui sah ihrem Sohn in die Augen, sie suchte nach
einem Zeichen von Verwirrung, möglicherweise einem Zauber. Doch Shin hielt
ihrem Blick stand, die Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit in seinen Augen wurde
durch keinen Zweifel getrübt.
Endlich,
nach einer Ewigkeit, wie es schien, gab sie ein kaum merkliches Nicken von
sich, und ließ den eisernen Finger sinken. Sie ging ein paar vorsichtige
Schritte auf Buffy zu, die ihr entgegeneilte und ihr Willow abnahm.
“Bitte
folgen Sie mir, Ms. Tetsu.“ Giles deutete zum großen Konferenzraum. Immer noch
flogen misstrauische Blicke hin und her, doch wie es schien, waren die
Kampfhandlungen zu einem Ende gekommen.
Shin’s
Blick suchte den von Dawn, ein vorsichtiges Lächeln huschte über sein Gesicht.
Draußen begannen die ersten Sonnenstrahlen den beginnenden Tag zu erhellen.
Cleveland, Barker Cooperation
selber Morgen,
etwas später
Müde stieg Eve aus ihrem Auto aus, sperrte mit der Funksperre
ab, woraufhin die Blinker kurz aufleuchteten und das Fahrzeug zwei kurze Piepser
von sich gab. Eve ließ den Autoschlüssel in ihre Handtasche gleiten, zog ihr
Oberteil zurecht, und ging dann mit schnellen Schritten durch die Tiefgarage
auf den Aufzug zu.
Sie betätigte den Druckknopf, nur wenige Augeblicke später glitten die metallischen
Türen mit einem leisen Surren beiseite, und offenbarten den Blick auf einen
hell erleuchteten, zum Teil verspiegelten Lift.
Eve befahl dem Lift per Knopfdruck in ihre Etage zu fahren, drehte sich danach
um und betrachtete sich kurz im Spiegel. Eine blonde Strähne hing ihr ins
Gesicht, die sie sofort wieder an ihren richtigen Platz schob, während sie
anschließend ihren Lippenstift noch einmal nachbesserte. Das würde heute wieder
ein ziemlich langer Tag werden, aber wenigstens wartete dafür ein Essen mit
Xander auf sie. Sie musste lächeln, als sie an ihren neuen Freund dachte,
und zuckte kurz zusammen, als sich die Türen mit einem lauten Ding öffneten.
Die blonde Frau ließ die Fahrstuhlkabine hinter sich, grüßte einige Arbeitskolleginnen
auf dem Weg in ihr Büro und nahm ihrer Sekretärin sofort die Briefe ab, die
ihr diese mit einem freundlichen ’guten Morgen’, entgegenstreckte.
Eve erwiderte den Gruß, danach öffnete sie ihre Türe, betrat ihr Büro und
musste wieder einmal den wahnsinnig schönen Ausblick bewundern, den man aus
diesem Gebäude um diese Uhrzeit hatte.
Nachdem die Tür hinter ihr ins Schloss gefallen war, zog sie ihre Kostümjacke
aus, unter dem sie eine helle, weiße Bluse trug.
”Guten Morgen, mein Schatz!” hallte es auf einmal durch das Büro und Eve ließ
vor Schreck ihre Handtasche mitsamt den Briefen fallen. Mit weit aufgerissenen
Augen und mit leicht zitternden Knien beobachtete sie, wie sich ihr schwarzer
Bürostuhl langsam drehte.
”Na, bist du froh, mich wieder zu sehen?” fragte der Magier, der auf Eve’s
Stuhl Platz genommen hatte.
Eve konnte nicht glauben, was sie da vor sich sah. Die Haut des Mannes war weiß
wie Schnee und er bedeckte diese nur mit einer ebenso weißen Kutte , seine
Haare waren hellblond und die Augen strahlten blauer als der Frühlingshimmel.
Er lächelte sie verschmitzt an.
”Alex?” fragte sie ungläubig, und näherte sich ihm langsam.
”Nenne mich nicht mehr mit diesem Namen. Ich heiße jetzt Castor!” sprach der
Magier und erhob sich daraufhin vom Stuhl, wobei er pompös mit den Armen
wedelte.
Verwirrt und ungläubig starrte Eve ihn an, sie wusste nicht ob sie laut
loslachen, oder ihn anschreien sollte.
”Ich bin nur vorbei gekommen, weil ich zufällig in der Stadt bin, und da dachte
ich mir, ich schau mal, wie es meiner Eve geht..!” Er lächelte sie weiterhin
an, und von einem Moment auf den anderen hatte er plötzlich einen riesigen
Strauß roter Rosen in der Hand.
”Was willst du hier?” fragte Eve, die keine Anstalten machte, die Rosen
anzunehmen.
”Ach, eigentlich wollte ich nur fragen, wie es dir so geht. Ist deine neue
Beziehung was Ernstes?”
”Bitte? Woher weißt du von Xander? Und was geht dich das überhaupt an”
”Ich hab alles da drin..” er tippte sich zweimal auf die Stirn und musste dann
wieder lachen.
”Alex, du bist krank. Verschwinde, ich hab dir damals schon gesagt, dass ich
dich nicht mehr sehen will!” Eve ging an ihm vorbei und setzte sich auf ihren
Bürostuhl, eine Hand am Telephon. ”Wenn du nicht sofort gehst, werde ich der
Sicherheit Bescheid geben.”
”Kein Interesse, was ich alles so erlebt habe?” er trat langsam hinter sie,
legte einen Finger in ihr Haar und ließ diesen langsam bis zu ihren Schultern
herunter gleiten. Sanft erfasste er diese und begann Eve leicht zu massieren.
Sie hörte tief in sich eine Stimme, die ihr sagte, dass sie ihn sofort
rausschmeißen sollte, allerdings war sie dazu einfach nicht mehr in der Lage.
Dafür war es jetzt zu spät.
”Ich will mit euren albernen magischen Spielchen nichts zu tun haben... ” flüsterte
Eve leise, woraufhin sie einen leisen Seufzer ausließ. Was machte er nur mit
ihr? Es fühlte sich so ... gut an. Sie war unfähig, sich zu bewegen.
”Ich bin besser geworden...” flüsterte der Magier Eve ins Ohr und gab ihr dann
einen Kuss auf die Wange. Eve ließ ihren Kopf zurücksinken, und gab sich ihm
vollkommen hin. Sie vergaß alles rund um sich, seine Magie hatte sie vollkommen
im Bann.
Langsam ließ er seine rechte Hand tiefer in ihre Bluse gleiten, als plötzlich
die Gegensprechanlage die gesamte Atmosphäre zerstörte.
”Eve, ich weiß, dass Sie eigentlich keine Zeit haben, aber Sie haben gesagt,
dass jeder Anruf von Mister Harris höchste Priorität hat..”
Eve sah auf. Der Zauber war verflogen. Sie sprang aus ihrem Sessel hoch und
knöpfte sich die obersten Knöpfe wieder zu, die der Magier bereits aufgemacht
hatte.
”Du Schwein..” sagte Eve und ging auf die andere Seite des Schreibtisches. Sie
beugte sich nach vorne und betätigte den Knopf für die Anlage. ”Sagen Sie bitte
Mr. Harris, dass ich ihn gleich zurückrufen werde!” Dann sah sie wieder auf und
strafte den Zauberer mit dem verächtlichsten Blick, den sie hatte.
”Ich will, dass du sofort verschwindest, sonst wird das für dich gerichtliche
Folgen haben, Alex. Ich habe dir schon bei unserer Scheidung gesagt, dass ich
keinen weiteren Kontakt mit dir wünsche. Ich will weder dich noch deinen
Zwillingsbruder je wieder sehen. Hau ab! Verschwinde! Wenn du denkst, dass du
mich mit deiner Magie noch einmal hinters Licht führen kannst, dann hast du
dich geschnitten!” schrie sie ihn an, wobei sie ihre Bluse zurechtrückte.
Der Magier machte keine Anstalten, das Büro zu verlassen, sondern trat wieder
einen Schritt auf sie zu und lächelte sie an.
”Du hast keine Ahnung, was du dir da entgehen lässt..” sagte er.
”Oh doch. Danke, ich verzichte. HAU AB!” schrie Eve, ging einige Schritte nach
hinten, griff nach der Handtasche und holte eine Dose Pfefferspray hervor, die
sie ohne jedes weitere Wort auf ihren Ex-Mann sprühte.
”Immer noch derselbe Dämon wie früher!” fluchte der Magier hustend, und löste
sich dann vor ihren Augen auf.
In der Sekunde darauf gaben Eve’s Knie nach und sie fiel zu Boden. Mit
zitternden Fingern legte sie das Spray zurück in ihre Handtasche.
Wächterhaus, großer Konferenzraum
etwas später
“Und
auf diese Weise erlangte Lily Usher die Kontrolle über den Wächterrat,“
beendete Giles seine Erzählung. “Und wir versuchen, diese Kontrolle wieder
zurück zu gewinnen, ihre Pläne zu durchkreuzen, und so ganz nebenbei noch die
Reiter des Todes aufzuhalten.“
Müde
blickte er sein Gegenüber durch die Gläser seiner Brille an.
“Ich
kann nicht ehrlich von mir sagen, dass ich Ihnen vertraue.“ Das Misstrauen in
Yui’s Stimme war unverkennbar. “Aber die Ereignisse, so wie Sie sie geschildert
haben, klingen sehr einleuchtend. Ich will Ihren Worten fürs erste Glauben
schenken, und Sie nicht als unsere Feinde betrachten.“
In
aller Eile hatten sie die kleinen Lesetischchen an den mächtigen Tisch
im großen Konferenzraum geschoben, damit jeder einen Platz um den großen Verhandlungstisch
erhielt. Giles, Buffy, und die anderen hatten auf einer Seite Platz genommen,
die Mitglieder der Tetsu Familie auf der anderen. Yui saß in der Mitte, flankiert
von Shin und ihrem Ehemann Gendou. Alle drei hatten ihre Kopfvermummungen
abgenommen.
Für
Willow war die Couch zurechtgemacht worden, auf der vorher Shin gelegen hatte.
Die Hüterin fühlte sich nicht gut genug, um am Tisch zu sitzen, sie wollte
diese Verhandlungen jedoch auf keinen Fall verpassen.
Andrew
fehlte in ihrer Runde. Sobald es klar war, dass es keine Kämpfe mehr geben
würde, hatte er Giles gebeten, nach Hause gehen zu dürfen. Dieser hatte sich
zwar gewundert, dass der Junge freiwillig eine so wichtige Besprechung
versäumen wollte, hatte aber seine Zustimmung gegeben. Dawn würde Andrew später
alles genau berichten.
“Einige
Dinge über unsere Familie wissen Sie bereits,“ begann Yui. Sie wusste, dass es
nun an ihr war, zu erzählen. “Der Tetsu Clan geht auf eine Frau namens Tetsuko
zurück, eine Jägerin, die vor langer Zeit in Japan lebte. Tetsuko starb noch
als junges Mädchen, doch ihrer Tochter war ein langes erfülltes Leben und eine
große Familie bestimmt. Diese Familie hat es sich zur Aufgabe gemacht, wie
einst ihre Vorfahrin, die Welt vor feindlichen Dämonen zu schützen.“
Sie
machte eine Pause, blickte in die zweifelnden Gesichter. “Ich weiß, Sie fragen
sich, wie so etwas sein kann, schließlich war Tetsuko’s Geliebter, und der
Vorfahre unserer Familie selbst ein Dämon. Aber für uns stellt das durchaus
keinen Widerspruch dar. Unser Vorfahre war ein ehrenhafter Mann. Die Kreaturen,
die wir bekämpfen, haben nur Tod und Vernichtung im Sinn.“
Buffy
erinnerte sich an das Gespräch, das sie mit Giles über Dämonen geführt hatte.
Diese Leute hatten offensichtlich eine andere Einstellung zu dem Thema.
“Eine
unserer Aufgaben besteht darin, wie Ihre Schriften Ihnen bereits verraten
haben, den Reiter des Todes zu bewachen, der sich auf asiatischem Boden
befindet. Zu diesem Zweck lebt ein Teil unserer Familie in China.“
“Wir
hatten dort eine... etwas unangenehme Begegnung,“ wandte Buffy vorsichtig ein.
“Ich hatte wirklich nicht die Absicht, Ihrem Reiter zu nahe zu treten...“
Yui
würdigte die Entschuldigung mit einem Nicken, und fuhr dann fort. “Eine weitere
Aufgabe besteht im Kampf gegen einen Dämonenclan, der es sich zum Ziel gemacht
hat, die Weltherrschaft durch die Kontrolle von Firmen zu erlangen.“
“Die
kennen wir doch auch,“ konnte Buffy sich nicht beherrschen. “Schachclub Dämonen
mit einem unaussprechlichen Namen?“
“Marvin,“
murmelte Dawn leise. “Nein, nicht der Dämonenclan,“ fügte sie zu ihrer
Schwester gewandt hinzu. “Ist nicht so wichtig.“
“Darf
ich Sie jetzt bitten, uns etwas über das verschwundene Mädchen zu erzählen?“
griff Giles das Gespräch wieder auf. “Vielleicht können wir Ihnen in der
Angelegenheit behilflich sein.“
Yui
nickte. “Aiko ist die Tochter meines jüngsten Bruders, ihre Familie lebt im
Haus meines Vaters auf der Insel Kyushu. Mein Vater ist im Moment das Oberhaupt
unseres Clans, und er kümmert sich persönlich um Aiko’s Ausbildung. Wir wissen
schon seit Aiko’s Geburt, dass sie etwas Besonderes ist, Otoh-sensei, ich
meine, Vater, hat in seinen Träumen gesehen, dass sie einen Teil der Seele von
Tetsuko in sich trägt, und dass es eines Tages ihre Aufgabe sein wird, unsere Familie
zu führen.
Nun,
in ihrem vierzehnten Lebensjahr erwachten ihre Jägerinnenkräfte, und letztes
Jahr im elften Monat trat ein Mitglied ihres Rates an unsere Familie heran, und
bat darum, Aiko’s Ausbildung Ihrem Rat zu übergeben. Wir waren nicht damit einverstanden,
und Mr. Prescott – so lautete sein Name, verließ uns wieder. Er versicherte
uns, dass der Wächterrat unsere Entscheidung akzeptieren würde. Dieses
Versprechen stellte sich schon bald als nichtig heraus, als im Frühjahr die
Schule begann, wurde Aiko dort von einer Jägerin überfallen. Da wir um ihre
Sicherheit fürchteten, schickten wir sie fort, hierher nach Amerika. Und
gestern Abend wurde sie ein weiteres Mal überfallen, und verschleppt.“
“Das
habe ich in meiner Vision gesehen“, erklang Willow’s Stimme von der Couch her.
“Ich hab’ aber nicht verstanden, wieso Jägerinnen eine andere Jägerin angreifen
würden. Buffy ging dorthin, um nach den Rechten zu sehen...“
“Und
wir hielten sie natürlich für eine von Usher’s Jägerinnen,“ beendete Yui den Satz.
“Ms.
Tetsu, ich verspreche Ihnen, wir werden alles, was in unserer Macht steht tun,
um das Mädchen aus Lily Usher’s Kontrolle zu befreien,“ versicherte Giles. “In
gewisser Weise hatten Sie Recht, mich zu verdächtigen. Wäre ich nicht so blind
gewesen, wäre das alles nie soweit gekommen.“
“Ich
verstehe nun deine Worte,“ wandte Yui sich an Shin. “Vielleicht können wir hier
wirklich neue Verbündete gewinnen. Die Zeit wird es zeigen.“
“Womit
können wir Sie unterstützen?“ wandte sie sich fragend an Giles. “Wir haben
Zugang zu vielen Informationen...“
Giles
dachte kurz nach. “Erinnern Sie sich an das, was Dawn über ihre Begegnung mit
dem Wesen aus Licht erzählt hat? Dieses Wesen erwähnte einen Namen, den
Unsterblichen. Er soll den entscheidenden Hinweis darauf geben können, wie die
Reiter des Todes zu besiegen sind. Aber bisher hatten wir kein Glück damit, ihn
ausfindig zu machen.“
Yui
lächelte. “Möglicherweise wüsste ich jemanden, der Ihnen da weiterhelfen
könnte.“
Malkuth, Straße des Glücks,
Wohnung von Warren und Andrew,
etwas später
War
er eingeschlafen? Er wusste es nicht, irgendwie war sein Kopf nicht mehr klar.
Oh verdammt, warum hatte er Andrew einfach so weggehen lassen? Ihn nicht um
Hilfe gebeten?
Warren
versuchte aufzustehen, doch seine Beine gehorchten ihm nicht. Er wagte es
nicht, an sich hinunterzublicken, er wusste, welcher Anblick ihn erwartete. War
es auch schon in seinem Gesicht? Oder unter seinen Boxershorts? Oh Gott, daran
wollte er nicht mal denken...
Seltsamerweise
tat es nicht weh. Es fühlte sich nur merkwürdig taub an, so als ob ein Teil
seines Körpers nicht mehr existierte. Er hatte das Gefühl zu
verschwinden...sich aufzulösen.
Verdammt,
es würde nicht einfach von allein besser werden. Es wurde immer nur noch
schlimmer. Warum hatte er nicht...
Er
vergrub das Gesicht in den Händen und spürte die Tränen der Verzweiflung an
seinen Fingerspitzen. Oh Gott, er musste doch etwas tun können! Er konnte doch
nicht einfach hier liegen bleiben und langsam verfaulen...
Mit
einem Ruck riss er den Kopf hoch, und hielt plötzlich etwas in der Hand.
Panisch
starrte er darauf.
Es
war ein Büschel seiner Haare.
Malkuth, Straße des Todes,
selbe Zeit
Andrew
hatte Seitenstechen, doch er rannte weiter. Er verstand nicht, warum sein Herz
so laut klopfte, wusste nicht, warum er solch furchtbare Panik verspürte. Nur
wegen des Streits? Oder wegen dieser seltsamen Verletzung an Warren’s Arm?
Irgendwas
war nicht in Ordnung, aber jetzt war keine Zeit zum Nachdenken. Jetzt wollte er
nur so schnell wie möglich nach Hause.
Normalerweise
vermied er die Straße des Todes, er wählte lieber den längeren Weg. Diese
Straße machte ihn beklommen, mit all ihren Gräbern in den Wänden, mehr noch als
die Friedhöfe, die er von den Patrouillen mit den Jägerinnen her kannte. Diese
Straße war eine einzige riesige Gruft. Sogar der Boden, über den er rannte, war
von Inschriften in allen möglichen Sprachen übersät.
Hier
wurden die Bewohner Malkuth’s zur letzten Ruhe gebettet.
Malkuth, Straße des Glücks,
Wohnung von Warren und Andrew,
selbe Zeit
Er
versuchte zu schreien, doch ein Krächzen war alles, was seine Stimme hergab.
War dies das Ende? War es D’Hoffryn’s Wiedererweckungszauber, der seine Wirkung
verlor? Oh Gott, er hätte es wissen müssen, dass die Sache einen Haken hatte!
Er hätte versuchen sollen, etwas darüber herauszufinden, als noch Zeit war.
Hätte mit Andrew, mit den Zaddik, mit überhaupt jemandem über das alles reden
müssen!
Aber
das hatte er nicht. Hatte es verdrängt, sich eingeredet, es wäre nie passiert.
Es war so einfach gewesen. Er konnte sich ja nicht einmal daran erinnern. Da
war nur Schmerz und Dunkelheit gewesen, und dann war er wieder aufgewacht...
Dieses
Mal würde er nicht wieder aufwachen. Ein zweites Mal konnte auch die Schwarze
Magie das Leben nicht wiedergeben.
Wenn
es jetzt vorbei war, dann für immer.
Malkuth, Straße des Todes,
selbe Zeit
Blumen,
schimmernde Steine, und kleine Goldmünzen lagen in den Wandnischen, als
Beigaben für die Toten. Manch eine steinerne Gottheit blickte huldvoll, oder
auch furchterregend auf sie hernieder. So viele Wesen, so viele Kulturen, doch
im Tod waren sie alle gleich, Asche in Urnen, verborgen hinter Wänden aus
Stein.
Andrew
bog um eine Ecke und wäre fast gegen eine Statue gerannt. Schneeweiß, ein
Engel, oder eine Göttin, so genau konnte man das nicht sagen. Sie trug ein
wehendes Kleid, und ein zickzackförmiger Scheitel teilte ihr schulterlanges
Haar. Ihre Hände hielten eine Kerze, welche sanft im Dunkeln leuchtete und ihr
mädchenhaftes Gesicht erhellte.
Um
sie herum glänzten die Inschriften der Grabsteine, nur der Platz zu ihren Füßen
war leer, noch niemand hatte hier seine Ruhestätte gefunden. Andrew schöpfte
einen Augenblick lang Atem, dann wandte er sich ab und rannte weiter.
Malkuth, Straße des Glücks,
Wohnung von Warren und Andrew,
selbe Zeit
Oh
verdammt, es konnte nicht vorbei sein. Es konnte nicht einfach alles aufhören,
alles weg sein. Nicht jetzt, wo es so gut lief. Er war doch noch gar nicht
bereit dafür. Er konnte doch nicht eine neue Chance haben, und sie so plötzlich
wieder verlieren. Es war einfach nicht fair. Es war verdammt noch mal nicht
fair!
Seine
gesunde Hand stemmte sich gegen den Türrahmen, er versuchte, sich hochzuziehen.
Mit einem Arm fehlte ihm die Kraft, deshalb nahm er den zweiten dazu. Unter dem
Verband ließen die Finger sich kaum bewegen, doch er versuchte es ein weiteres
Mal. Und ein weiteres.
Es
klappte. Er zog sich hoch und kam auf zitternden Beinen zu stehen. Seine Arme
stützen ihn.
Im
nächsten Moment durchdrang ein furchtbares Geräusch die Stille, ein Reißen und
Knacken, und er schlug zu Boden. Instinktiv wollte er sich mit der Hand
abstützen, doch da war keine Hand mehr, nur noch ein Stumpf aus weißem Verband.
Grauer
Staub rieselte darunter hervor.
Malkuth, Straße des Glücks,
draußen,
selbe Zeit
Andrew
schlüpfte durch das radförmige Tor, noch bevor es sich ganz geöffnet hatte.
Jetzt waren es nur noch wenige Schritte bis zur Wohnung, gleich hatte er es
geschafft. Seine Seiten schmerzten vom Rennen, sein Hals und seine Lunge vom
hastigen Atmen, doch würde er sich keine Pause mehr gönnen, nicht jetzt, wo er
schon fast zu Hause war.
Er
hüpfte über ein Brunnenrinnsaal, stolperte beinahe über einen Sitzstein und
jagte zwischen einigen Büschen hindurch.
Mit
letzter Kraft stieß er die Wohnungstür auf.
AKT 4
Malkuth, Straße des Glücks
Andrews und Warren’s
Wohnung
selbe Zeit
“Warren?
Warren, wo steckst du?“ In blinder Panik rannte Andrew durch die leere Wohnung.
Warren war nicht im Wohnschlafzimmer, obwohl die verwühlten Decken auf der
Bettcouch noch davon kündeten, dass er vor nicht allzu langer Zeit hier gelegen
hatte. Die Couch war aber nicht mehr warm. Auch die drei PCs im Computerzimmer
– wie sie den zweiten Raum nannten - waren kalt, er war nicht dort gewesen.
Küche
und Bad waren dunkel. Andrew verstand nicht, warum er solche Angst hatte.
Zitternd lehnte er sich an den Türrahmen und versuchte seine Gedanken zu
ordnen. War Warren vielleicht doch zum Arzt gegangen, wegen seines Arms? Aber
dann müsste doch ein Paar von seinen Schuhen fehlen. Andrew wetzte durch die
Zimmer. Die neuen Turnschuhe standen an der Garderobe, die alten lagen im
Computerzimmer auf dem Boden, und die Halbschuhe waren in dem Schränkchen, wo
Warren seine alten Computerteile aufbewahrte.
Ein
Geräusch ließ Andrew herumfahren, es war eindeutig die Haustür. Gott sei Dank,
es war also nichts passiert. Er rannte zurück ins Wohnschlafzimmer – und stieß
beinahe mit Mo’s massigem Bauch zusammen.
“Sachte,
sachte,“ wehrte Mo ab. “Bist du gerade im Stress?“
“Nein,
eigentlich ja?“ rief Andrew verzweifelt. “Warren ist nicht da, und wir haben
uns gestritten und es ging ihm auch nicht gut und...hast du ihn vielleicht
gesehen?“
Bedauernd
schüttelte Mo den Kopf. “Leider nein. Vielleicht ist er auf der Arbeit? Gestern
hatten wir ja wieder einen Stromausfall. Übrigens, entschuldige, dass ich so
einfach rein gekommen bin, aber du hast auf mein Klopfen nicht reagiert und...“
“Schon
okay.“ Andrew atmete tief durch, aber seine Augen spähten über Mo’s Schulter,
als erwarte er, dass Warren jeden Moment durch die Tür kommen würde. “Du –
wegen der Dämon Sache, ich hab’ mich für das Ritual entschieden, das du
vorgeschlagen hast. Mit dieser Essenz Geschichte. Das ist denk’ ich am Besten,
da bin ich immer noch ich, und wenn ich ein bisschen stärker bin, oder so, dann
macht das ja nix. Ich will so schnell wie möglich...“
“Sachte,
sachte,“ wehrte Mo ein weiteres Mal ab. “Dein Entschluss ehrt dich natürlich,
aber ich habe eine Alternative gefunden. Deshalb bin ich hergekommen. Ich
wollte dir mitteilen, dass du kein Dämon werden musst, um in Malkuth bleiben zu
können. Es gibt da tatsächlich ein Schlupfloch...
Disco in Cleveland
selber Tag, abends
Laute, rhythmische Musik dröhnte aus den massiven Lautsprechern, die in dem
großen Raum großflächig verteilt waren. Verschiedenfarbige Laserstrahlen wirbelten
durch die Luft, und spendeten wenigstens etwas Licht.
Die Tanzfläche bebte, und schwitzende Körper tanzen neben- oder miteinander.
Die leichte Trance, die sich dadurch bei den Menschen bildete, breitete sich
über die gesamte Menge aus, und ließ die Spannung, die in der Luft lag, noch
ansteigen.
“Wow, hier ist ne Menge los!” schrie Robin, und bedeutete seinen Begleitern,
dass sie sich von der Tanzfläche weg und zu den Sofas und Tischen bewegen
sollten.
Als sie die lärmende Menge hinter sich gelassen hatten, und die etwas abgelegene
“Chill-out” Zone erreichten, ließ Faith ihren Blick durch den Raum schweifen.
“Es ist kein Platz frei..” sagte Ronah und suchte weiter verzweifelt nach
einer Ecke, die sie vielleicht übersehen hatte.
”Nicht mehr lange... wartet einen Moment” sagte
Faith, zwinkerte Robin kurz zu und rannte auf einen Tisch zu, an dem ein Pärchen
saß und sinnlich knutschte.
“Oh mein Gott, was machst du denn hier?” schrie Faith gespielt überrascht
zu dem jungen Mann, der sie verwirrt anstarrte. “Wieso hast du nicht angerufen?”
sie setzte einen wütenden Gesichtsausdruck auf und ging einen weiteren Schritt
auf den Tisch zu.
“Ich weiß ja nicht, wie es für dich war, aber für mich war unser kleines Schäferstündchen
letztes Wochenende mehr als nur eine einmalige Aktion! ICH LIEBE DICH! WIE
KANNST DU MIR DAS NUR ANTUN?! WAS MACHST DU ÜBERHAUPT MIT DIESER SCHLAMPE
HIER?!” mittlerweile schrie sie ihn schon hysterisch an und stand nur mehr
wenige Zentimeter von dem Tisch entfernt.
Dem Typen schien es die Sprache verschlagen zu haben, denn er starrte sie
nur geschockt an, wobei seine Freundin plötzlich aufsprang und ihm eine knallte.
“Ich wusste, dass du mich betrügst. George, du bist ein Schwein!” Sie schnappte
ihre Handtasche und lief an Faith vorbei in Richtung Ausgang.
“Jessica, warte doch!” schrie der Junge, beachtete Faith nicht weiter und
hechtete seiner Freundin nach.
Faith drehte sich lächelnd um und kurz darauf saß sie mit Robin, Ronah und
Cliff an dem Tisch.
“Macht ihr so etwas öfters?” fragte Cliff lachend.
“Na ja, nicht jeden Tag. Aber eine Frau muss tun, was eine Frau tun muss!”
sie musste lachen, und in diesen Momenten waren ihre Probleme völlig weg gewischt.
“Sag mal, Cliff, wo habt ihr euch noch
mal kennen gelernt?” fragte Robin, nachdem er von seinem Bier getrunken hatte.
“Wir haben uns in der Stadt getroffen. Ronah war mit einer Freundin im Sky
Cafe.” Faith zog eine Augenbraue hoch und sah Ronah fragend an.
“Kennedy wollte dort unbedingt einmal vorbei schauen..” antwortete Ronah und
fuhr dann selbst fort. “Cliff arbeitet dort als Kellner. Und na ja, als er
dann an unseren Tisch trat, war es um mich geschehen.” Ronah sah zu Cliff,
rückte an ihn heran und gab ihm einen langen, zärtlichen Kuss.
“Wer hat Lust zu tanzen?” fragte Faith auf einmal und sprang auf.
“Auf mich musst du erstmal verzichten... das da draußen.. ist nicht so ganz
meins..” sagte Robin, und nahm einen weiteren Schluck von seinem Bier. “Ich
bleib auch vorerst lieber einmal sitzen..” flüsterte Cliff Ronah ins Ohr,
die ihm daraufhin kurz durchs Haar fuhr, ihn noch mal küsste, und dann zu
Faith trat.
”Jetzt
zeigen wir ihnen, wie man sich zu diesem Rhythmus wirklich bewegt” gab Faith
von sich und die beiden Jägerinnen betraten die Tanzfläche.
Die Musik hämmerte von den Wänden, und Faith und Ronah begannen sich, zu bewegen.
Sie standen sich gegenüber, und Faith fuhr sich durchs Haar. Die allgemeine
Trance, die auf der Tanzfläche herrschte, griff auch auf die beiden über,
und sie bewegten sich nur mehr rhythmisch zu der Musik. Sie hatten ihre Augen
geschlossen, während sie sich der Musik vollkommen hingaben.
Ein Mann versuchte sich zwischen die zwei zu drängen, doch Faith stieß ihn
unsanft zur Seite. Er stolperte und wäre fast zu Boden gestürzt, wurde aber
schlussendlich doch von den dicht aneinander tanzenden Menschen aufgefangen.
Faith und Ronah waren nun vollkommen in Trance, als sich die dunkelhäutige
Jägerin an ihre ältere Freundin lehnte, und ihr spielerisch über die Schenkel
fuhr. Nun hatte auch die erotische Spannung, die in der Luft lag, auf sie
übergegriffen.
“Wow..” flüsterte Cliff, als er seine Freundin und Faith auf der Tanzfläche
beobachtete.
“ Wenn die beiden erst einmal tanzen, sind sie nicht mehr zu stoppen,” lachte
Robin.
“Das sind unsere Frauen.” sagte Cliff stolz und stieß mit dem Wächter an.
“Ganz genau.” schloss sich auch Robin an, und sah zu den beiden Jägerinnen.
I see you when it snows
in crystals dancing down
from a sultry sky
when silence is pure and unbreakable
Willow’s College Zimmer
selbe Zeit
”Geht es dir wenigstens ein bisschen besser?” Kennedy sah Willow
besorgt an, als sie sich gegenüber von dieser hinsetzte. Die Hüterin wusste
nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Sie fühlte sich einfach ziemlich
gerädert, und das schon seit langem.
Mit einem Blick auf den Boden als Antwort, wurde Kennedy bewusst, dass sie
etwas dagegen tun musste. Auch wenn sie keine Ahnung hatte, was genau.
“Erzähl mir doch...von deinen Prüfungen?”, entgegnete Kennedy, als ihr Blick
auf den Stapel Bücher vor ihren Füßen fiel. Vielleicht war es das Beste, Willow
ein bisschen abzulenken. Auch wenn es keine richtig gute Idee war. Konnte
man sich eigentlich darauf einen Garantieschein geben lassen?
“Sie liefen eigentlich ganz gut. Göttin sei Dank hab’ ich ein paar Tage vor
der letzten noch eine Mitstudentin gefragt, die mir dann bei ein paar Differenzen
meiner Notizen weitergeholfen hat.“ Mit einem halbherzigen Lächeln sah sie
auf. “Und jetzt frage ich mich, ob ich nicht doch ein B schreiben hätte sollen.
Durch diese Arbeit ist mein Schnitt so gut geworden, dass ich nun auch noch
eine der zahlreichen Abschlussreden halten muss.”
“Sieh es doch mal als das I-Pünktchen deiner Collegezeit an. Außerdem bin
ich stolz auf dich. Ich kann mich noch genau an meine Schulabschlussfeier
erinnern, als alle Redner Liedzeilen zitierten. Auch wenn es keine guten Lieder
waren.” Die Jägerin legte ihre Hand auf Willow’s.
Auch wenn Kennedy versuchte mit ihr ein Gespräch zu führen, hatte Willow noch
immer ein unangenehmes Gefühl im Bauch. Ihre Angst vor der nächsten Vision
war einfach zu groß. Sie wünschte sich, der besorgte Blick ihrer Freundin
würde verschwinden. Und auch das Stechen in ihrem Kopf, doch in letzter Zeit
war es etwas Alltägliches. Die Hüterin zog ihre Hand zurück, und steckte beide
in ihre Hosentaschen. Sie suchte nach einem Blatt Papier, das seit seiner
letzten Benutzung noch immer zerknittert war. Willow hatte einfach keine Zeit
gefunden, es noch einmal neu zu schreiben. Als sie das Stück Papier aus ihrer
Tasche zog, musste sie aufpassen, nicht auch noch die Aspirin Verpackungen
mitzuziehen.
“Ich will dich wirklich nicht damit belasten, aber würde es dir etwas ausmachen
mir noch einmal mit einem Zauber zu helfen?”
Willow sah in Kennedys Augen. Dieser wurde klar, dass wohl sonst nichts
besser werden würde. Es war erschreckend, dass Zauberei manchmal das Einzige
sein sollte, was helfen würde. Manchmal wünschte sich Kennedy, dass der Höllenschlund
und alles andere nicht existieren würden. Dass sie es schaffen würde, Willow
zu helfen wenn es ihr schlecht ging.
Aber das Einzige was Kennedy tun konnte, war nicken. Wenn sie ein paar Wochen
zurückdachte, erinnerte sie sich an das letzte Mal, als sie den Zauber durchgeführt
hatten. Wie hilflos sie sich damals gefühlt hatte.
“Es ist wohl einfach zu häufig passiert in letzter Zeit. Und ich spüre noch
immer meine letzte Vision. Es ist so, als würde ich wie eine dieser Jägerinnen
gekämpft haben, aber gleichzeitig so, als hätte ich alle Schläge eingesteckt.”
Kennedy
faltete den Zettel auf, und sah ihrer Freundin dann in die Augen. ”Ich hoffe
dass du nie eine Vision von mir haben wirst. Ich werde für dich kämpfen.”
Erneut legte sie eine Hand auf die von Willow, und hoffte, ihre Wärme nicht
bald wieder zu verlieren.
Beide wussten nicht, was passieren würde, wenn Kennedy auch gegen eine Jägerin
kämpfen müsste. Doch darüber wollten sie in diesem Moment einfach nicht nachdenken.
Ein paar Sekunden vergingen wortlos, als Kennedy die bekannten Worte noch
einmal durchlas. “So wie das letzte Mal?”, fragte sie.
Willow nickte. Als Kennedy unsicher begann, die Worte vorzulesen, spürte Willow
die Gänsehaut die sich über ihren Körper ausbreitete. Dennoch war es anders,
wenn sie eine Vision bekam. Diese Gänsehaut war nicht unangenehm. Willow fühlte
sich bei Kennedy geborgen. Auch wenn sie im Gegensatz zum letzten Mal keine
Vision hatte, und es länger dauerte, als sich ihr Körper etwas entspannte.
Für diese paar Minuten übertönte Kennedy manche flehenden und angsterfüllten
Worte der anderen Jägerinnen, deren Stimmen Willow hören konnte. Oft war sie
froh, dass sie die Sprache der Jägerinnen nicht verstehen konnte.
Sie wünschte sich, Kennedy zeigen zu können, dass nun alles besser war, doch
dass war es nicht. Sie spürte, wie sie alles wieder einholte, auch wenn es
nur im Sekundentakt war. Es erinnerte sie an die ganzen Aspirin, die langsam
die Wirkung verloren. Vielleicht wäre es ja ohne den Zauber vor ein paar Wochen
schon allgemein schlimmer geworden, und er wirkte nur einmal richtig.
Mit einem verzweifelten Gesichtsausdruck las die Jägerin weiter. Auch wenn
sie genau wusste, was in Willow vorging, und sie ihr einfach nicht helfen
konnte. Wieso konnte sie nicht einfach Tara sein? Wieso konnte sie ihrer großen
Liebe nicht einen Wunsch erfüllen? Und selbst wenn dieser Wunsch der Zauber
war. Kennedy fühlte sich einfach elend. Als sie Willow’s Blick suchte, wurden
ihre eigenen Gedanken bestätigt.
Langsam lies sie das Blatt Papier sinken, und wusste nicht ob es mit einem
“Es tut mir leid” etwas besser wurde.
“Du kannst nichts dafür,” sagte Willow, als könnte sie Kennedys Gedanken lesen,
aber eigentlich war es nur ihr Gesichtsausdruck, der Willow verriet, was für
ein innerer Kampf in ihrer Freundin tobte.
I can see you smiling
in every frozen tear
I can hear you whisper 'You and I'
England, Ratszentrale,
selbe Zeit
Wie Zinnsoldaten standen die ersten dreißig Mädchen in ihren
engen Reihen und warteten auf das, was sie jetzt erwartete. Ihre Gesichter
waren gleichgültig, keine Freude, keine Angst, nur bei manchen ein leicht
abwesendes Lächeln.
Lily’s
Blick fiel auf die vorderste Reihe, Chao Ahn, Caridad, Emma, Dana und Kimberly
würde unter den ersten sein, die die “Gabe” empfingen. Langsam begann sich das
Mittel in ihrer Blutbahn zu verdünnen, bald würden sie denken, dass die
Programmierung, die sie erhalten hatten, ihr freier Wille wäre, und das, was
Payne ihnen immer wieder eingetrichtert hatte ihre eigenen, freien Gedanken.
Die anderen Jägerinnen würden ihnen folgen; Kontrolle, das war es worauf es
ankam, wenn man dieses Spiel spielte.
Der wie üblich in seine schwarze Robe gehüllte Magier beschwor mit monotonen
Formeln, die Dämonen, um die Vereinigung durchführen zu können. Sie würde nicht
nur die Kräfte der Jägerinnen stärken, sondern auch ihren Hang zu Gewalt, genau
das, was sie im Moment brauchen konnte, um sie gegen ihre Gegner anzustacheln.
Es wäre zwar etwas schwierig gewesen, die Wächter davon zu überzeugen, dass
dieser Schritt nötig wäre, doch sie hatte sich schon eine gut ausgedachte
Erklärung bereit gelegt. Den Magier hatte sie als einen Freund des Rates
vorgestellt, der einer der Orden angehörte, die vor Ewigkeiten die Reiter
verbannt hatten. Nicht ganz wasserdicht, aber für den Moment reichte es.
Sie erinnerte sich noch genau, wie Giles ihr von diesem Ritual berichtet hatte.
Sie hatten zusammen in der Wohnung Abend gegessen, es war irgendwann während
ihrer ersten Monate in Cleveland. Sie hatte versucht, möglichst unauffällig so
viel wie möglich an neuen Informationen über die Schattenmänner und die Sense
zu erhalten, und er hatte ihr von Buffy’s Erfahrungen und ihrer Begegnung mit
den Schattenmännern berichtet. Seit diesem Tag hatte sie sich gefragt, was wohl
geschehen wäre, wenn Buffy das Angebot angenommen und ihre Kräfte verstärkt
hätte. Würden dann heute die alten Regeln noch existieren? Müsste sie nicht
dieses falsche Spiel treiben?
Irgendwann war es Giles dann zu viel geworden, er wollte nicht mehr über die
Arbeit reden, und so war es ein schöner Abend geworden, auch wenn es schwer war
es zuzugeben, aber sie hatte Spaß gehabt.
Sie konnte immer noch Giles vor sich sehen, wie er ihr Geschichten aus der Zeit
erzählte, in der sie sich nicht gesehen hatten. Seine Stimme und der Klang
seines Lachens hallten in ihren Ohren wieder.
Würde sie ihn jemals wieder lachen hören? Würde er ihr jemals wieder
Geschichten erzählen?
Ein
tiefes, übernatürliches Grollen, das von allen Seiten zu kommen schien, riss
Lily unsanft aus ihren Gedanken. Mit einer kraftvollen Geste streckte der schwarz
Gewandete seine Arme auseinander, um ihn herum erhoben sich schattenhafte
Gestalten. Für einige Sekunden wirbelten sie um ihn herum, bevor er ihnen mit
einer gebieterischen Handbewegung befahl sich der Jägerinnen anzunehmen.
“Empfangt die Kraft, die euch vom Recht her zusteht!”, rief Lily ihnen
entgegen, während sich die Angst in ihren Gesichtern immer deutlicher zeigte,
“Fürchtet euch nicht, es ist der euch bestimmte Weg!”
Der erste Dämon erreichte Emma, sie zuckte kurz zusammen, als er sich in ihre
Brust bohrte und ein Schatten huschte durch ihre leeren Augen, dann war es auch
schon vorbei.
Immer mehr Mädchen wurden vereinigt, die schwarzen, wabernden Seelen der
Dämonen zogen sich wie Wellen durch die Reihen.
Lily lächelte dem Magier siegessicher zu, und er erwiderte es für einen kurzen
Moment, doch plötzlich verfinsterte sich seine Miene. Dies bemerkte die
Wächterin jedoch nicht mehr, sie hatte ihr Gesicht abgewandt, so dass niemand
den Schmerz darin sehen konnte.
Eine
tiefe Traurigkeit erfüllte ihr Herz. Warum hatte das alles nur so kommen
müssen?
Little did we know
that they were life itself
the days passing by
we both had our share in the sacrifice
Cleveland, Blue Rider
Selbe Zeit
Das helle, makellose Gesicht des weißen Magiers verzog sich zu einer finsteren
Miene, sein Blick war direkt durch die Scheibe vor ihm gerichtet, seine rechte
Hand lag auf dem kühlen, gnadenlosen Glas, das ihn von ihr trennte.
Langsam strich er über die Stelle, an der sich ihr Gesicht abzeichnete: “Eve,
warum nur?”
Sie war glücklich, das sah er in ihren Augen, in ihrem Lachen, an der ganzen
Art, wie sie sich benahm. Langsam nahm sie einen Schluck aus ihrem Sektglas und
lächelte ihrem Gegenüber zu. Doch bei dem jungen Mann war es anders, ja, er war
nicht vollkommen glücklich. Auch er lachte, doch hinter seinen Augen verbarg
sich kein Glück, sondern eine Frage: Ist es wirklich das, was ich will? Bin das
wirklich ich?
Wo hatte sie diesen Typen nur aufgegabelt. Zumindest in der Zeit, in der er mit
ihr verheiratet gewesen war, hatte sie einen gewissen Geschmack gehabt, wenn
sie ihn hintergangen hatte. Doch dieser Typ war es eigentlich nicht mal wert,
sich Gedanken über ihn zu machen.
Sollte Eve doch mit ihm glücklich werden. Früher oder später würde sie schon
sehen, was sie davon hatte, und dann würde sie sich wieder einen richtigen Mann
wünschen.
Seine Miene hellte sich etwas auf, Eve war wirklich tief gesunken, dass sie
sich auf diesen Harris einließ.
Langsam drehte er sich um, und ging davon, sein weißes Jackett fest um den
schmalen Körper gezogen. Da er sich in der Öffentlichkeit befand, hatte er
ausnahmsweise auf lange Roben verzichtet, und trug einen weißen Anzug.
Es
gab jetzt wichtigere Dinge zu tun, vielleicht würde er im Rahmen dieses Spiels
noch die Gelegenheit haben, sich an Eve zu rächen – oder an ihrem neuen
Bettpüppchen – einem Freund der Jägerin.
Once upon a time
we had something beautiful
once upon a time
I thought 'you and I'
Teehaus von Ono Minako, geborene Tetsu Minako
selbe Zeit
Der
Teeraum war leer...bis auf eine einsame Gestalt, die mit dem Rücken zu ihr auf
einem dünnen Kissen saß.
Von ihrer derzeitigen Position aus – sie stand direkt am Eingang, hatte aus reiner
Vorsicht noch keinen weiteren Schritt ins Innere gewagt – konnte sie kaum
Details an dieser anderen Person ausmachen. Demnach zu urteilen, was ihr die
’Ninjas’ gesagt hatten, war dies wohl der mysteriöse Seher, welcher Antworten
auf ihre Frage besitzen sollte.
Es war eine Spur so gut wie jede andere, aber Buffy blieb vorsichtig. Zwar
glaubte sie – oder wollte es zumindest glauben – dass Shin und der Rest des
Clans vertrauenswürdig waren, aber dennoch war Vorsicht angebracht. Ohne ein
gesundes Maß an Misstrauen wäre sie wohl nicht die älteste überlebende Jägerin
der bekannten Geschichte geworden.
“Komm doch rein”, murmelte die Gestalt plötzlich und Buffy runzelte die Stirn.
Sie kannte diese Stimme....
Nach kurzem Zögern siegte die Neugier über ihre Vorsicht und sie betrat
vollends das Teehaus und näherte sich der hockenden Gestalt. Lächelnd drehte
der Mann sich langsam auf dem Kissen um, bis er sie direkt ansehen konnte.
Buffy war verblüfft, als sie bemerkte, dass sich ihr Eindruck bestätigt hatte.
Vor ihr saß der Mann, der während ihres Besuchs in dem alten Kloster den
Reiseleiter gemimt hatte. Und später in Australien ebenfalls.....
“ Was...machen Sie denn hier?” fragte sie verdattert.
Der Mann lächelte sie sanft an, während es in seinen Augen aufblitzte. “ Ich
sitze und warte auf dich. Und dir würde ich vorschlagen, dir ein Kissen zu
nehmen und dich auch zu setzen. Ich hab nämlich keine Lust, aufzustehen.”
Er deutete mit einer Hand auf einen kleinen Stapel Kissen, aber Buffy starrte
ihn immer noch an. Langsam begannen ein paar Dinge, Sinn zu ergeben, doch noch
immer blieben so viele Fragen.
“Wer sind Sie? Ein Reiseleiter? Ein Ninja? Ein Orakel?“ Buffy’s Stimme klang
ein wenig ungehalten, sie hatte diese Geheimniskrämerei satt.
Er
zuckte mit den Schultern, lächelte aber weiter. “Mein Name ist Tetsu Akira.
Genau genommen bin ich nur ein Mann, allerdings wie alle Mitglieder meiner
Familie trage ich auch einen Teil Dämon in mir. Ich bin schon sehr lange auf
dieser Welt, länger als die meisten meines Clans...“
“Ach
ja, und die ewige Jugend kam wohl als Werbegeschenk mit dem Herumteleportieren
und in-die-Zukunft sehen?“ hakte Buffy nach. “Ich weiß noch immer nichts über
Sie. Zum Beispiel, warum Sie Ihre lieben Clanbrüder nicht rechtzeitig davon
abhalten konnten, aus unserem Wächterhaus Kleinholz zu machen!“
“Alles
kann auch ich nicht vorhersehen.“ Tetsu Akira verneigte sich bedauernd. “Du
wirst verstehen - seit unser Kloster in China zerstört, und der Reiter, den
unsere Familie dort bewachen sollte, befreit wurde...“
“...geht alles drunter und drüber”, beendete Buffy seinen Satz, woraufhin er
kurz den Kopf schüttelte und sie tadelnd ansah.
“Das ist unhöflich... man sollte andere ausreden lassen. Na gut, ich will mal
nicht zuviel von dir erwarten. Und jetzt setz dich endlich hin...”
Er deutete noch einmal, energischer diesmal, auf den Kissenstapel und Buffy
ging hinüber, griff sich ein Kissen und hockte sich vor den Seher. Er sah sie
für einen Moment durchdringend an, schloss dann die Augen und murmelte, “ Du
bist hier, weil du hoffst, dass ich etwas über den Unsterblichen weiß.”
“ Woher wissen Sie das? Können Sie auch Gedanken lesen?” Innerlich schauderte
sie. Telepathie war ihr unheimlich...und nicht einmal halb so nützlich, wie
manche Leute dachten. Sie selbst hatte es immerhin selbst erfahren müssen.
“Nein”, erwiderte der Seher und griff in die Tasche seines blauen Mantels,
holte einen kleinen schwarzen Kasten hervor.
“Handy. Ich hasse die Dinger, aber man muss ja mit der Zeit gehen. Meine
Clanbrüder haben mich natürlich informiert, dass du kommst. Und jetzt schließ
die Augen.”
Buffy gehorchte und schloss die Augen, gespannt, was nun geschehen würde.
Zuerst geschah nichts, doch dann spürte sie, wie zwei Finger fest gegen die
Mitte ihrer Stirn drückten. “ Was machen Sie?”
“Das willst du gar nicht wissen”, murmelte er, als sie allerdings scharf die
Luft einsog, sprach er schnell weiter, “ Kleiner Scherz. Ich weiß nichts über
den Kerl, aber ich kann dir helfen, ihn zu finden.”
Der Druck verlagerte sich nach außen und dann spürte sie, wie ein kleines Stück
Papier gegen ihre Stirn gepresst wurde. Buffy fragte sich noch, wofür das wohl
sei, als sie auch schon nach hinten kippte und ihr schwarz vor Augen wurde.
Als sie wieder erwachte, lag sie nicht mehr im Teehaus. Der Boden unter ihr
bestand aus spiegelndem Marmor und alles um sie herum war von Licht
durchflutet.
Vorsichtig setzte sie sich auf und sah sich um.
Sie befand sich in einem runden Raum, dessen Boden aus reinem glatten Marmor
bestand und dessen Wände von reinstem Weiß waren. Von irgendwoher schien Licht
in den Raum zu fallen, doch Buffy konnte keine Quelle dafür finden.
An
der Wand vor ihr lehnte ein Mann, dessen dunkle Kleidung einen gewissen Kontrast
zur Umgebung bildete.
Er war recht groß und von durchtrainierter Statur. Sein dunkles Haar fiel bis
auf die Schultern herab und sein scharf geschnittenes Gesicht strahlte eine
gewisse Würde aus. Nein, das war nicht ganz richtig. Wenn man genauer hinsah,
so erkannte man in seiner Haltung und seinem Gesichtsausdruck eine sonderbare
Art von Stolz, eine Art stilvolle Arroganz.
Der Mann sah sie eine Weile aus klaren, funkelnd grünen Augen an und sein
Gesichtsausdruck veränderte sich langsam. Im Augenblick fiel Buffy kein
passender Begriff ein, doch später würde sie es stets mit einem langsamen Fluss
vergleichen.
Die meisten Menschen veränderten ihren Gesichtsausdruck recht schnell und
schlagartig, doch dieser Mann schaffte es in einer sonderbar fließenden Bewegung,
ein Lächeln auf seine Lippen zu bringen.
Buffy stand langsam auf. “ Wer sind Sie?” fragte sie, kaum, dass sie
einigermaßen sicher stand.
Er lächelte breiter und Buffy spürte, wie ihr Herz für einen kurzen Moment
schneller schlug.
Etwas an diesem Lächeln verwirrte sie, denn es war voller versteckter
Andeutungen und Versprechen und dabei doch nur eine Bewegung der Lippen.
“Die meisten, die mich kennen, nennen mich einfach den Unsterblichen”,
erwiderte er und seine Stimme hallte sanft und tief in dem Raum wieder.
Doch Buffy hörte unter dieser Sanftheit noch etwas anderes heraus. Es war wie
mit seinem Lächeln. Unter dem angenehmen Klang seiner Stimme verbarg sich eine
verwirrende Art der Wildheit.
Und auch als er sich bewegte, hatte sie das Gefühl, ein altes, erfahrenes
Raubtier vor sich zu haben. Jede seiner Bewegungen schien genau kalkuliert,
fast wie einstudiert.
War der Unsterbliche ein Vampir? Trotz seines Namens war Buffy nicht geneigt,
das zu glauben. Denn verglichen mit seinem Gebaren waren alle anderen Vampire,
die sie je getroffen hatte, Dracula eingeschlossen, reißende Bestien gewesen.
Dieser Jäger war raffinierter.
Sie musste vorsichtig sein. Diesem Wesen war nicht zu trauen.
“Gut.
Ich habe Sie gesucht.”
“Und
Ihr habt mich gefunden, Teuerste”, erwiderte er und erfasste mit einer Geste
die Umgebung. “ Willkommen in meinem...Geist. Ich hoffe, es gefällt Euch hier.”
“Bisschen kahl,” murmelte Buffy, während sie den Unsterblichen intensiv
musterte und sich fragte, ob das hier wirklich nur eine Illusion war. Wenn ja,
wie viel von seinem Charisma war dann echt?
“Es ist wie draußen”, murmelte er lächelnd und legte ihr sanft eine Hand auf
die Schulter.
Buffy schrak zusammen und sah ihn fragend an.
“Keine Sorge. Eure Gedanken sind mir verschlossen, wenn Ihr sie mir nicht
öffnet. Aber euer Gesicht verrät euch. Jedes Zucken Eurer Muskeln, jede winzige
Bewegung...Ihr sprecht zu mir, auch wenn Ihr schweigt. Und ich sage Euch noch
einmal...ich bin hier so wie ich wirklich bin. Irgendwann muss man sich nicht
mehr verbergen, werte Jägerin.”
Buffy zog sich leicht von ihm zurück. Es war so ziemlich die einzige
Möglichkeit, den Bann zu brechen, den der Unsterbliche bereits über sie zu
legen begonnen hatte.
Er sah sie kurz an, machte eine Pause und nickte dann langsam. “Natürlich.
Verzeiht, wenn ich Euch zu nahe getreten bin. Das war nicht meine Absicht.
Kommen wir doch darauf zurück, weshalb Ihr zu mir gekommen seid. Wollt Ihr mir
davon berichten?”
Buffy nickte langsam und begann, zu erzählen. Er hörte zu, nickte dann und wann
und schien intensiv zu überlegen.
Als sie schließlich geendet hatte, nickte er erneut und sagte, “Ja. Ich glaube,
ich kann Euch helfen. Aber dazu müsstet Ihr mir einen Gefallen tun.”
Aha, dachte Buffy, jetzt kommt der Haken. “Und der wäre?”
“ Kommt zu mir nach Rom. Ich würde Euch nur zu gern persönlich kennen lernen,
erscheint Ihr mir doch als eine faszinierende Frau. Das hier ist einfach nicht
die richtige Umgebung für ein angemessenes Treffen.”
“Ich...weiß nicht...” murmelte Buffy. Irgendwie schien ihr wärmer zu werden,
wann immer er sich näherte. Es wäre leicht gewesen, seine Worte als leere
Schmeicheleien abzutun, aber aus irgendeinem Grund erschien er ihr wie ein
Mann, der solche Worte nicht unaufrichtig sprach.
Er nickte, ließ keine Spur von Enttäuschung ob ihrer Unentschlossenheit
erkennen. “Keine Sorge. Kommt, wenn es Euch beliebt. Ich würde mir nicht
anmaßen, jemandem wie Euch etwas vorschreiben zu wollen. Wenn Ihr den Wunsch
verspürt, kommt zu mir und ich werde auf Euch warten.”
Er trat mit einem einzigen Schritt so nah an sie heran, dass sie seinen Atem
auf ihrem Gesicht spüren konnte. “ Kommt zu mir und ich werde Euch sagen, was
ich weiß. Und wenn es das Schicksal gebietet, werde ich vielleicht noch mehr
für Euch tun können.”
Buffy wollte noch etwas erwidern, als sie plötzlich in den Knien einknickte und
ihr Blickfeld dunkel wurde. Sie spürte noch, wie jemand sie behutsam auf den
Boden legte.
“Was...sind Sie?” flüsterte sie noch.
“Was
immer ich für Euch sein kann, Mylady”, erwiderte der Unsterbliche sanft, dann
wurde es wieder dunkel um sie herum.
Take me wherever
the answer lingers in the sand
show me the way as the story unfolds
Love is remote
in this wailing winter wonderland
show me the way to the temples of gold
Cleveland, im Park
nächster Nachmittag
Dawn saß auf der Parkbank und ließ die warmen Strahlen
der Sonne ihr Gesicht wärmen. Sie wartete auf Shin. Hier hatten sie sich verabredet.
Sie erinnerte sich an den herrlichen Wintertag, als Shin sie zu einem
Überraschungspicknick in den Park mitgenommen hatte. Hier, genau auf dieser
Bank hatten sie gesessen. Damals war noch alles viel einfacher gewesen.
Schon von weitem sah sie ihn kommen. Er hielt den Kopf gesenkt und war völlig
in sich versunken. Erst als er vor ihr stand, blickte er auf "Hi."
"Hi."
antwortete Dawn.
"Wie geht’s jetzt mit uns weiter?" Schwer atmend setzte er sich neben
sie.
"Ich weiß nicht," kam die geflüsterte Antwort.
Er lehnte sich zurück und versuchte, sich zu beruhigen. Die Aussicht Dawn zu
verlieren, machte ihn völlig fertig.
"Meinst du wir können einander wieder vertrauen? Ich meine, als wir uns im
Kampf gegenüber standen. Was hast du da gedacht?"
Tränen sammelten sich in Dawns Augen: "Ich hab’ dich gehasst, für das was
du mir und meiner Schwester angetan hattest. Und ich konnte es nicht
verstehen."
Shin seufzte: "Und ich verachtete dich, als dummes Mädchen, weil du vor
der Wahrheit die Augen verschlossen hattest. Ich hab’ mich so sehr in dir
getäuscht, Dawn, dabei sollte ich dich doch besser kennen. Ich möchte dich um
Verzeihung bitten."
Er senkte den Kopf und wartete auf ihre Antwort.
"Sollen wir diese Sache wirklich unsere Beziehung zerstören lassen?“
fragte sie leise, “Ist es das wert? Für nichts und wieder nichts? Ich kann und
möchte das nicht."
Shin
hielt die Luft an: "Was empfindest du für mich?"
Dawn legte ihr Gesicht in die Hände und versuchte sich zu konzentrieren. Was
fühlte sie noch für Shin?
Ihr Herz gab ihr eine eindeutige Antwort.
"Ich liebe dich." entfuhr es ihr. Sie drehte sich um und schaute
ihren Freund an.
Tränen glitzerten in seinen Augen.
"Ich empfinde genauso für dich und bei dem Gedanken, dass ich dich
verlieren könnte, schnürt es mir das Herz ab," antwortete er.
Dawn nahm das Gesicht ihres Freundes in die Hände und küsste ihn sanft. “Ich
glaube, dass wir einen Neuanfang wagen sollten. Ich glaube, dass uns diese
Sache nur stärker gemacht hat. Wir sollten zukünftig einfach ehrlicher zueinander
sein. Obwohl ich denke nicht, dass es noch viele Geheimnisse gibt, die wir
nicht voneinander wissen." Bei den letzten Worten musste Shin lächeln.
"Nein, das glaub’ ich auch nicht, meine Prinzessin des Lichts."
Bless me with a kiss
across the universe
when day and night converge
and whisper my name till I fall asleep
Malkuth, Straße der Liebenden
selbe Zeit
“Und du bist dir wirklich sicher, dass du das durchziehen
willst, ja?“ Warren’s dunkle Augen suchten in Andrew’s Gesicht nach Bestätigung,
noch bevor die Frage zu Ende gestellt war.
“Du etwa nicht?“ fragte Andrew scheu, als ihre
Blicke sich trafen.
“Doch.“ Warren wandte sich ab, blickte nachdenklich
den langen Weg zurück, den sie bis hierher gekommen waren. Obwohl die Straße
der Liebenden sozusagen das Gegenstück zur Straße des Kaisers bildete, die er
im letzten November zu seiner Aufnahme in Malkuth beschritten hatte, hätten
beide Straßen unterschiedlicher nicht sein können. Die des Kaisers stellte eine
prächtige breite Allee dar, gesäumt von Säulen, die gradlinig und mit starker
Neigung von Tipharet nach Chockmah hochführte.
Die Straße der Liebenden hingegen war ein schmaler
verschlungener Pfad, der sich zwischen Treppchen, Wasserspielen, und kleinen
Anhöhen hindurchschlängelte, und sich dabei auch öfter mal um sich selbst
drehte. Gerade betraten sie eine kleine Grotte aus dämonischen Orchideen, deren
riesige sanft schimmernde Blütenkelche sich ihnen zuwandten, als sie
vorbeigingen.
“Aber?“ hakte Andrew nach.
“Ich weiß nicht.“ Warren zuckte die Schultern. “Ist
schon ’ne große Sache, so was durchzuziehen. Bei dieser Dämonenverwandlung
hätten wir wenigstens gewusst, worauf wir uns einlassen. Du kriegst ein
bisschen von dem Mojo, dir wachsen ein paar Hörner – war nur’n Witz,“ fügte er
hinzu, als Andrew die Augenbrauen hob, “und Ende der Geschichte. Aber dieses
seltsame Ritual, was die Zaddik da wieder ausgegraben haben, wer weiß, was es
mit uns macht?“
“Es verbindet uns irgendwie...“ Andrew suchte nach
den richtigen Worten, und erinnerte sich an das, was Mo ihm erklärt hatte. Sinn
und Zweck dieses Rituals waren, dass jemand, der zur Gemeinschaft von Malkuth
gehörte, jemanden der nicht zur Gemeinschaft gehörte, in seine Familie
aufnehmen konnte, und damit erwirkte diese Person automatisch das Recht, in der
Stadt zu leben, auch wenn sie selbst kein Mitglied war.
Vielleicht war diese Zeremonie ursprünglich dazu gedacht
gewesen, dass eine dämonische Familie ein menschliches Stiefkind aufnehmen
konnte, vielleicht war es aber auch nur ein Versehen, dass Menschen davon
nicht ausgeschlossen waren, weil niemand jemals so weit gedacht hatte. Mo
hatte es nicht sagen können, da er keinen einzigen Fall kannte, bei dem das
Ritual durchgeführt worden war.
Aber es war auch nicht wichtig, fand Andrew. “Mit
uns!“ griff er Warren’s letzten Gedanken auf. “Es ist etwas, was nicht nur mich
betrifft, sondern auch dich. Ist es das, was dich stört?“
“Nein, das ist wohl auch richtig so, schließlich geht’s
ja um uns beide.“ Gedankenverloren spielte der junge Mann mit einem Blatt, das
sich vor ihnen über den Weg neigte. Als er jedoch im Begriff war, ein Stück
davon abzuzupfen, verpasste die Pflanze ihm einen empörten Schups.
“Vorsicht, dein Arm!“ Andrew schob seinen Freund
rasch aus der Reichweite des Gewächses. Durch die Öffnung der Grotte traten sie
auf ein kleines Rondell hinaus, in dessen Mitte die Statue einer dämonischen
Gottheit stand..
“Hey, keine Sorge, ist alles okay!“ Wie um es zu
beweisen, fuchtelte Warren mit seinem linken Arm in der Luft herum, und spannte
die Muskeln an. “Schau, alles wieder heil. Ich hab’ dir doch gesagt, es war
nur’n Kratzer.“
“Ich hab’ mir trotzdem Sorgen gemacht.“ Andrew hielt
Warren’s Arm fest und strich vorsichtig über dessen Haut. “Ich hatte so
furchtbar Angst um dich, und das Schlimmste daran war, dass wir uns vorher
gestritten haben. Stell dir vor, es wär’ irgendwas passiert, und wir hätten uns
nicht aussprechen können. So war es ja schon beim letzen Mal, als...als ich
dich verloren hab’, und das war so schrecklich.“
Warren entzog sich der Berührung. “Ich weiß, das ist
alles ziemlich schwierig,“ murmelte er.
“Was meinst du?“ fragte Andrew hilflos. “Mit diesem
Ritual? Oder mit Malkuth?“
“Nein. Mit mir.“
Warren wandte sich ab, und starrte zwischen den
mosaikverzierten Säulen hindurch. Von dem Plateau aus konnte man hinunter auf
einen Teil des verschlungenen Pfades blicken, ein Labyrinth, wo jetzt andere
Bewohner der Stadt unterwegs waren, oder sich auf Bänken und Sitzsteinen
niedergelassen hatten.
“Manchmal versteh’ ich’s echt nicht, wie du’s mit mir
aushältst,“ begann er. “Ich meine...du hast dich so verändert, hast so viel
erreicht, und da hättest du’ s gar nicht nötig, dir diesen ganzen Stress anzutun.
Ich bin immer noch der derselbe Chaot, ich schubs dich rum, ich krieg meine
Wutanfälle, ich versteh’ absolut nichts von Beziehungskrempel, und bau die
ganze Zeit nur Mist...“
“Nicht die ganze Zeit.“ Andrew trat von hinten an
ihn heran, und lehnte seinen Kopf an Warren’s Schulter. “Aber wälz’ dich ruhig
noch ein bisschen im Staub, das gefällt mir.“
“Du kleiner Leprechaun!“ Warren fuhr herum und
packte Andrew, vergrub die Nase tief in seinem Haar. Wie hatte er diesen Geruch
vermisst! Es schien ihm Ewigkeiten her, seit er zuletzt...
“Ich werd’ das hinkriegen,“ murmelte er
entschlossen, ja geradezu verbissen in Andrew’s Haare. “Ich werd’ das irgendwie
hinkriegen, dass es diesmal nicht so daneben geht. Nicht so wie letztes Mal.
Ich hab’ mich auch verändert. Vielleicht nicht so wie du, aber ich weiß jetzt,
dass mit dir alles anders werden kann. Solang’ ich dich bei mir hab’, kann ich
gar nicht wieder abrutschen. Solang’ ich dich bei mir hab’, kann mir nichts
geschehen.“
Er drückte Andrew noch fester an sich. “Ich will
dich für immer bei mir haben, hörst du?“
“Vor sechs Tagen hab’ ich dem Merowinger...ich meine
natürlich Mo,“ verbesserte sich Andrew hastig, “...gesagt, dass ich bereit
wäre, alles und jedes für dich zu geben. Und weißt du auch, was sich in den letzten
sechs Tagen geändert hat?“
“Nichts,“ flüsterten sie beide zur gleichen Zeit.
Vor ihnen am Ende der Straße öffnete sich das Tor
zur Halle von Binah. Ein vielstimmiges Summen war zu hören, wie das Ticken und
Schlagen Tausender von Uhren. Dann herrschte Stille, und es wurde dunkel um sie
herum, ein warmes, geborgenes Dunkel, wie um eine Pflanze, die im Boden
schlief.
Wie Chockmah der Kosmos war, so war Binah die Zeit.
Wie Chockmah das Meer war, so war Binah die Erde.
“Seid mir willkommen.“ Mo, oder besser gesagt,
Zaddik Bartholomew erwartete sie in der Mitte der Halle. Er trug eine lange zeremonielle Robe in
dunkelvioletter Farbe, und darüber eine Schärpe, welche in vielen gestickten
Bildern die Entwicklung eines Samenkorns zu einer blühenden Pflanze zeigte. In
den letzten Stickereien verwelkte die Pflanze und wurde wieder zu Erde.
In den Händen hielt er ein Band aus Leder und obwohl
er wie üblich lächelte, lag eine tiefe Ernsthaftigkeit in seiner Stimme. Andrew
gab sich Mühe sein Erstaunen zu verbergen, war diese eindrucksvolle Gestalt
wirklich der harmlose freundliche Dämon aus dem Black Pearl?
Außer ihm waren noch zwei weitere Zaddik anwesend.
Lakshmi, die Naga Dämonin, welche einen silbrig blitzenden Dolch in Händen
hielt und Babette, welche einen gold schimmernden Kelch trug. Andrew, der
Babette zum ersten Mal sah, wunderte sich über ihre unaufhörlichen
Verwandlungen. Zuerst war es ein kleines Mädchen, das vor ihnen stand, dann eine
erwachsene Frau, und schließlich eine Greisin.
“Ist es euer freier Wille, dieses Bündnis
einzugehen?“ fragte Bartholomew und beide Jungen nickten.
Auch in der Halle von Binah sprudelte ein Brunnen,
dieser in Form einer großen Blüte. Babette schöpfte daraus Wasser mit ihrem
goldenen Kelch und übergab das Gefäß Warren, der einen Schluck daraus trank,
und den Kelch anschließend an Andrew weiterreichte. Ihre Hände berührten sich
kurz, und Andrew konnte nicht verhindern, dass ihm die Röte ins Gesicht stieg.
Hastig wandte er den Blick ab, und betrachtete stattdessen, die feine Gravur
auf dem Kelch, welche die Sonne darstellte. Auch er nahm einen Schluck und gab
das Gefäß an Babette zurück.
Bartholomew nahm den Dolch von Lakshmi, dessen
gewundene Klinge eine Mondsichel darstellte, und begann Schriftzeichen in den
Lederriemen einzuritzen. Seine Stimme hallte wider, als er sprach und ließ
vermuten, dass die Halle um einiges größer war, als die Dunkelheit es erahnen
ließ.
“Aleph, der Urbeginn, das Zeitalter des Stiers. Im
Anfang, als noch alles eins war, waren wir noch nicht durch Verschiedenheit
voneinander getrennt. Diese Zeit ist längst vergangen, doch in unseren Seelen
bleibt sie auf ewig lebendig.
Cheth, der Zaun, die Trennung zwischen uns. Aus der
Einheit wurde die Vielheit. In Zeit und Raum, Licht und Dunkelheit, Materie und
Geist wurden wir gespalten.
Daleth, das Tor, das sich öffnet, um die Grenze zu
überwinden. In unserer Vielheit streben wir wieder nach Vereinigung. Wir können
das Tor durchschreiten und unser Sein
miteinander verschmelzen.“
Bartholomew reichte den Dolch an Lakshmi weiter,
welche Warren’s linke und Andrew’s rechte Hand ergriff, und jeweils das
mittlere Glied des kleinen Fingers leicht anritzte. Danach band Mo die beiden
Hände mit dem Riemen zusammen. Die drei Buchstaben, die er in das Leder
eingeritzt hatte, ergaben jetzt ein Wort.
“Achad, die Einheit. Aus der Einheit wurden wir
geschaffen, und zur Einheit sollen wir wieder werden. Die Vielheit kann nicht
trennen, was zur Einheit bestimmt ist.“
Die beiden Hände umklammerten einander fester. Ein
einzelner Blutstropfen rann zwischen den ineinander verschlungenen Fingern
hervor und fiel auf den schwarzen Boden.
Tell me tales from days bygone
tell me little lies
tell me once again it's just 'you and I'
Cleveland, angemietetes Büro,
selbe Zeit
“Wie
Sie sehen, ist die Struktur der Stadt genau gegliedert, alle zehn Großen Hallen
sind nach einem bestimmten Schema angeordnet, und durch zweiundzwanzig Straßen
miteinander verbunden. Die Hallen Kether, Binah und Chockmah bilden miteinander
ein Dreieck, ebenso Geburah und Chesed mit Tipharet, wobei Tipharet eine Art
Zentrum zu sein scheint. Keine der Hallen ist mit so vielen anderen verbunden.“
“Sie
haben sich bereits damit beschäftigt?“ fragte Kan Hsirg lauernd.
“Ja,
ich habe mir erlaubt, einen kleinen Blick darauf zu werfen, als ich das
Material bekam.“ Entschuldigend blickte D’Hoffryn zu Hsirg, und dem weißen
Magier hinüber, die jedoch beide zu aufgeregt waren, um sich Zeit für Vorwürfe
zu nehmen. Ihre Augen starrten angestrengt
auf das dreidimensionale Modell, welches zwischen ihnen über dem
Konferenztisch schwebte.
Dies
also war das geheimnisvolle Malkuth. Trotz seiner bemerkenswerten Architektur,
trotz aller Gerüchte, Mutmaßungen und Legenden, war es nichts weiter als eine
Stadt. Eine verwundbare Stadt.
“Wissen
wir nicht noch mehr darüber?“ klang Lily’s Stimme aus dem Lautsprecher von
Hsirgs Laptop. Die beiden Magier mochten Verbindungen durch Telepathie aufrechterhalten,
die Wächterin jedoch benötigte dazu die moderne Technik. “Was ist mit der
Anzahl der Bewohner, ihrer dämonischen Fähigkeiten, ihrer
Verteidigungsanlagen?“
“Alles
zu seiner Zeit,“ beruhigte D’Hoffryn. “Wir werden bald noch weitere Informationen
erhalten.“
“Das
hoffe ich.“ Kan Hsirg holte seinen inzwischen schon sehr verknitterten Zettel
hervor und studierte ihn aufmerksam. “Ms. Usher’s Armee wird – alle
Verzögerungen mit einberechnet in etwa zwei Wochen angriffsbereit sein. Bis
dahin sollten wir wohl die nötigen Informationen zusammen haben, was meinen
Sie?“
“Das
sollte kein Problem darstellen,“ entgegnete D’Hoffryn.
“Punkt
eins und Punkt zwei wären hiermit abgehakt.“ Kan Hsirg machte ein weiteres
Kreuz auf seinem Zettel. “Ladies und Gentlemen,
lassen Sie uns Krieg führen!“
Take me wherever
the answer lingers in the sand
show me the way as the story unfolds
Love is remote
in this wailing winter wonderland
show me the way to the temples of gold
Grrr
Arrgh