Episode 8.21
Same Old World, Part I
Von Stefan
& Mel
Co-Autoren: Yamato, lion, White Magic
Bebilderung: HotWitch und Mel
Folgenbild: Stefan
Credits: Projekt 8 ist ein Projekt von www.slayerfanfic.de mit spezieller
Unterstützung durch ihre Partnerseiten pj-firepower.com, buffy-online.com und
slayerworld.info. Weiterhin bedankt sich das Projekt für Unterstützung bei
ihren Partnerseiten slayerzone.de, virtuelleserienonline.de, entertainyou.net,
sowie bei allen weiteren Partnern.
Disclaimer: Die virtuelle, achte Staffel baut auf das von
Joss Whedon erschaffene Buffy-Universum auf. Sie wurde von Fans für Fans
geschaffen, ohne dem Ziel damit Geld zu verdienen. Das Universum und seine
Charaktere sind das alleinige Gedankengut von Joss Whedon, Mutant Enemy, FOX,
WB und Paramount
Giles (VO): Bisher bei Buffy:
Der junge Dämonen-Teenager Chava kommt von einer
Party. Sie wird von einer Gruppe Jägerinnen in Cleveland umringt, angegriffen
und getötet.
Golde: “Chava ist noch nicht zu Hause... Wir hatten ausgemacht, dass sie bis Mitternacht daheim
ist, aber nun ist es beinahe zwei, und sie ist immer noch nicht da...“
Mo: “Von wo daheim? Wieso weiß ich davon
nichts?“
[...]
Mo verlässt sein Haus in Malkuth, noch in Sorge
um Chava und über die Unruhe in der Stadt. Er trifft auf den Magier Romulus: “Mein Name ist Romolus. Ich weiß, ich komme
sehr ungelegen, doch meine Ankunft ist von allergrößter Wichtigkeit. Du bist in
großer Gefahr, Zaddik, und nicht nur du, auch alle deine Freunde und deine
Familie. Die Gemeinschaft von Malkuth wird bedroht, bedroht von schrecklichen
Gefahren... Lily Usher und ihre Jägerinnen sind auf einem
Vernichtungszug. Ihr Ziel ist es, alles dämonische Leben auf dieser Erde
auszulöschen, und sie werden dabei vor nichts und niemandem halt machen.
Schuldig oder unschuldig, das spielt nicht die geringste Rolle für sie. In
Cleveland hat es begonnen, und es wird nicht enden, bevor nicht auch der letzte
Dämon vernichtet ist.“
Xander:
“Weil wir gerade dabei sind... ich hab’ in letzter Zeit einiges an Mist gebaut.
Das Auge, die Sache mit Dawn...der Streit mit Andrew...“
Willow:
“Das mit Dawn war meine Schuld. Ich war diejenige, die es zuerst wusste. Und
ich hab’s dir verschwiegen...“
Buffy: “Ja, das war schon ein verdammt harter
Brocken... Aber ich denke, ich werd’s überleben. Wenn wir schon gerade dabei
sind, uns zu entschuldigen...meine Worte euch gegenüber waren auch etwas hart.
Wenn es um Dawn geht, dann hab’ ich mich manchmal nicht unter Kontrolle. Ich
wünschte, ich könnte alles ein bisschen lockerer sehen, nicht immer gleich aus
der Haut fahren. Aber es fällt mir so verdammt schwer. Jedes Mal, wenn es
zwischen mir und Dawn gut läuft, jedes Mal, wenn ich das Gefühl habe, sie hat
endlich gelernt, für sich selbst Verantwortung zu übernehmen, passiert wieder
irgendwas. Glory will sie umbringen, Lily will sie umbringen, sie ist plötzlich
eine Jägerin, und niemand sagt es mir...sie geht mit drei verschiedenen Jungen
zum Ball...“
Xander:
“Ja, es ist ein verdammt mieses Gefühl, wenn man als Letzter erfährt, was alle
anderen schon vor einem wussten. Ehrlich gesagt, glaub’ ich, das war einer der
Hauptgründe, warum ich in der Sache mit Andrew so überreagiert habe... Ich muss
mich endlich bei ihm entschuldigen... das kann so nicht mehr weiterlaufen. Dieses
ständige Sich-gegenseitig-Ignorieren....“
Shins
Vater: „Mein Sohn, wir
haben erfahren, dass unsere Feinde hier noch nicht vollständig besiegt sind.
Ein letzter Läufer des Cleveland Spiels ist noch am Leben und deine Aufgabe
soll es sein, ihn ausfindig zu machen und ihn zu vernichten.“
Dawn: „Wenn Sie nichts dagegen haben, dann würde ich Shin gerne bei dieser
Aufgabe helfen.“
Faith
trifft auf Kimberly im Einkaufszentrum. Sie streiten darüber, wer auf der
richtigen Seite steht. Am Ende reißt sich Kimberly los und stürzt davon.
Giles kehrt
niedergeschlagen und müde aus London zurück. Alleine verlässt er den Flughafen
und genauso alleine sitzt er später in seiner Wohnung bei einem Glas Scotch.
Großes
Meeting im Wächterhaus. Alle Ergebnisse werden zusammengetragen und neue
Aufträge verteilt. Buffy zeigt ihnen das Amulett, das sie vom Unsterblichen
hat. Sie hat es entschlüsselt und eine leere Papierrolle darin gefunden. Als
Dawn sie in die Hände nimmt, glüht sie auf. Eine für Giles unbekannte Sprache wird
sichtbar.
[...]
Mitten in das Meeting platzt Lily mit einigen bewaffneten Jägerinnen. Sie will
die Gang davon überzeugen, dass sie im Fall der Reiter mit ihnen
zusammenarbeiten möchte. Buffy jedoch glaubt ihr kein Wort und jagt sie zum
Teufel.
Eve wird in
ihrer Wohnung vom Magier überfallen und später nach Malkuth entführt.
Black Pearl. Kennedy ist dort, als die
Eingangstür mit einem lauten Krachen aus dem Rahmen stürzt.
Im spärlichen Licht, das vom Schrankraum
nach draußen fällt, sind nicht mehr als die Silhouetten der etwa zwei Dutzend
Mädchen und jungen Frauen zu erkennen, welche wie düstere Schattenbilder vor
dem Eingang stehen. Ihre Schwerter, Äxte, und Messer jedoch blitzen metallisch
auf. Sie greifen an und zerstören die Black Pearl.
In Malkuth wird mit einem Ritual im
Körper von Eve ein uralter Dämon erweckt...
Lily, D’Hoffryn und Romero sitzen bei
einem Meeting zusammen. D’Hoffryn steigt aus ihrem Plan mit Malkuth aus und
Lily erwartet auf Grund einer Email jemand von Giles Gefolge, der sich für sie um
Romero kümmert. Shin und Dawn belauschen die drei, ohne zu ahnen, um was es
geht. Als Shins Familie zur Verstärkung anrückt, setzt Shin sie außer Gefecht
und bringt die bewusstlose Dawn nach Hause, wo er sie in ihr Bett legt.
Mo bittet Buffy, Giles und die anderen
um Hilfe und Beistand gegen Lily und ihre Jägerinnen. Giles ist einen kurzen
Moment Wächter und will nicht begreifen, wo der Sinn liegt eine ganze
Dämonenstadt zu beschützen. Doch Buffy
überzeugt ihn rasch von der Richtigkeit. Willow hat eine Idee – sie will einen
Zauber einsetzten, um den Bann über Lilys Jägerinnen zu brechen. Giles, Robin,
Buffy, Faith, Kennedy, Willow, Xander und Ronah brechen zusammen mit Mo auf.
Fantasy Convention – Hotel. Andrew belauscht Warren mit jemanden
und erfährt so, dass Warren wegen einem Deal Malkuth verraten hat.
Der Angriff auf die Stadt beginnt. Die Scoobies werden im
Kampfgetümmel getrennt:
Faith, Ronah und Robin sehen sich Kimberly und einer Gruppe Jägerinnen
gegenüber. Ronah wird bedroht. Faith rettet sie – als Robin aufschreit – ein
Pfeil von Kim hat ihn schwer getroffen.
Mo, Giles, Kennedy und Willow rennen durch die Stadt, um einen ruhigen
Platz für Willows Zauber zu finden. Kaum ist das geschehen, werden Mo, Giles
und Kennedy von Jägerinnen umzingelt. Mo kann sich gut verteidigen, Giles
unterliegt und sieht sich einer Jägerinnen mit einer Axt gegenüber, während
Kennedy isoliert von den beiden mit zwei Jägerinnen kämpfen muss, die gemeinsam
stärker sind.
Dawn liegt bewusstlos in ihrem Bett, als die Jägerin Caridad im
Auftrag von Lily in die Wohnung einbricht. Sie entdeckt Dawn und beschließt sie
zu töten. Mit gezogenem Dolch geht sie auf Dawns Bett zu.
Clem bittet seine Frau Bonita mit der kleinen Tochter Malkuth zu
verlassen, und Buffy um Hilfe zu bitten.
Willow vollführt ihren Zauber, muss aber durch die Empfindungen so
vieler Jägerinnen in der Nähe erkennen, dass sie dem gefühlsmäßig unterlegen
ist. Nach dem sie den Zauber beendet
hat, bricht sie unter Schmerzen, Verletzungen und Triumph und Todesangst
zusammen. Ehe sie das Bewusstsein verliert, sieht sie plötzlich Warren über
sich.
Xander rennt alleine durch die Gassen von Malkuth und findet Eve.
Doch schnell muss er erkennen, dass seine Eve nicht mehr vorherrschend ist,
sondern ein Dämon in ihr, der auf ihn zukommt.
Buffy wird von Emma abgefangen und im Kampf mit ihr und anderen
Jägerinnen fühlt sich Buffy genötigt, sich zu verteidigen, aber nicht zu töten.
Das wird ihr zum Verhängnis – mit einem Betäubungspfeil wird sie ausgeschaltet
und zu Lily gebracht. Lily verschnürt sie über dem Höllenschlund und erweckt
mit einem Ritual den vierten Reiter, wobei sie die anderen drei herbeiruft, die
bei ihrer Ankunft einen Teil von Cleveland und der Umgebung zerstören. Über den
See erzeugen sie mit ihren Waffen einen mächtigen, magischen Energieblitz, der
tief in den Höllenschlund eindringt. Buffy sieht mit entsetzten Augen wie der
vierte, indianische Reiter zu ihr aufsteigt.
TEASER
Eine Wiese, irgendwo
Kurz vor Sonnenaufgang
Langsam aber stetig gewann
der kleine Vogel an Höhe, nachdem er die Müdigkeit der Nacht abgeschüttelt hatte
und sich nun auf die Suche nach Nahrung begab. Erste, vereinzelte Sonnenstrahlen
begleiteten ihn, tasteten sich langsam voran, strichen vorbei an grünen Wäldern,
blühenden Wiesen und saftigen Früchten.
Schmetterlinge falteten ihre farbenfrohen Flügel aus, als die Sonne sie
aus dem Schlaf weckte, und begannen ihren fröhlichen Tanz durch die frische,
erholsame Morgenluft. Die ersten Blumen öffneten ihre Blüten, um die Energie
des neuen Tages in sich aufzunehmen. Die Sonne gewann immer mehr an Wärme
und Intensität, um so höher sie wanderte. Eine warme, angenehme Brise brachte
die langen Grashalme zum Tanzen, als sie sich ihren Weg durch sie bahnte,
um schlussendlich über einen weiblichen Körper zu streifen. Dunkelgrünes,
saftiges Gras umgab den Körper, der mitten in einer weitläufigen Wildblumenwiese
lag. Die roten Haare, die den Kopf der Frau umspielten, stellten einen starken
Kontrast zur grünen Fläche der Wiese dar.
Von einer Sekunde zur anderen bäumte sich der Körper auf. Willow riss
die Augen auf, holte tief Luft und fuhr ruckartig nach oben. „Warren?!“ ,
schrie sie entsetzt, und wollte schon ihre Hände zur Abwehr anheben, als sie
registrierte, dass sie sich nicht mehr in der Halle befand, nicht einmal mehr
in Malkuth.
Sie atmete viel zu schnell, ihr Herz schlug ihr fast bis zum Kopf und
ihr ganzer Körper kribbelte, als sie sich langsam und unsicher vom Boden erhob,
sich hektisch umsah und von der Schönheit der Umgebung fast erschlagen wurde.
Wo war sie nur? Was machte sie hier? Was war mit ihr passiert?
Blitzartig schossen ihr auf einmal Bilder des Kampfes in Malkuth durch
den Kopf. Mo. Die Jägerinnen. Kennedy.
Kampf. Blut. Tod. Starke Kopfschmerzen folgten. Willow schloss die Augen,
drückte ihre Hände gegen die Schläfen und schrie - schrie, um die Bilder des
Kampfes zu vertreiben, um die Angst vor neuen Schmerzen abzuschütteln. Doch
plötzlich verebbten die Visionen, die Gefühle und Empfindungen, und als sie die
Augen wieder öffnete, sah sie reflexartig an sich herab. Das Blut auf ihrem
Kleid war verschwunden. Ebenso die Schmerzen. Hastig sah sie dort nach, wo sie
am schlimmsten verletzt worden war – aber nicht einmal ein Kratzer erinnerte
mehr daran.
Zu ihrer Überraschung trug sie auch nicht mehr das Gewand, das sie in
Malkuth für den Zauber übergezogen
hatte, sondern ein langes, angenehmes Seidenkleid. Es war für sie jedoch
unmöglich, die Farbe genau festzulegen - je nachdem, wie das Licht auf das
Kleid fiel, schimmerte es in Rot, Gelb, Blau oder Weiß. Sie strich es glatt und
stellte dabei fest, dass sie keine Schuhe anhatte. ‚Daher ist dieses beengende Gefühl weg’, schoss es ihr durch den
Kopf und sie musste kurz lächeln, während sie mit ihren nackten Zehen spielte.
Auf einmal veränderte sich ihr Gesichtsausdruck und sie neigte ihren Kopf etwas
zur Seite. Warum war es hier so… leise? So friedlich...
Willow stockte der Atem, als ihr bewusst wurde, woher dieses Gefühl kam – aus
ihrem tiefsten Inneren. Sie schloss die Augen, versuchte sich zu konzentrieren
und horchte in sich hinein. Nichts. Sie waren verschwunden. Alle. Sie hörte
keine einzige Jägerin mehr. Sie spürte sie nicht mehr – weder Schmerz, noch
Glück, noch Triumph oder Niederlage. Überrascht öffnete sie wieder ihre Augen.
Was war geschehen?
Für den Augenblick beschloss die Hüterin diesen Zustand der Stille in ihrem
Kopf, den sie schon so lange nicht mehr gehabt hatte, zu genießen, und schloss
wieder ihre Augen, zog einmal tief die reine Luft ein und stieß sie wieder aus.
Wo auch immer sie war, hier gefiel es ihr. Sie lächelte, als sie
bemerkte, wie ein gelber Schmetterling vor ihrem Gesicht tanzte. Langsam
streckte sie die Hand aus - überraschenderweise landete der Falter darauf und
schien ihr einige Augenblicke direkt in die Augen zu sehen, bevor er sich
wieder erhob, und seines Weges flog.
Sie sah sich weiter um, erkannte in einiger Entfernung einen Wald, und
dahinter die Umrisse eines mit Schnee bedeckten Gebirges. Sie genoss die
friedliche Umgebung, und der Kampf in Malkuth verschwand immer mehr in den
Hintergrund ihres Gedächtnisses. Warum auch nicht? Wieso sollte sie sich mit
Gedanken an diese schreckliche, andere Welt quälen, wenn sie aus welchen
Gründen auch immer in dieses Paradies gekommen war?
Willow ging einige Schritte wahllos in eine Richtung los und gelangte an ein
Flussbett mit frischem, klarem Wasser. Sie bückte sich, fuhr mit
ihren Händen hinein, machte mit ihnen eine Hohlform und führte diese dann zu
ihrem Mund. Das kühle Nass schmeckte hervorragend und belebte die Hüterin. Doch
langsam schlich sich ein quälender Gedanke in ihren Kopf: War sie etwa
gestorben? Hatte sie Warren umgebracht, oder die Verletzungen der Jägerinnen?
Oder war an D’Hoffryns gesetztem Zeitrahmen mehr dran gewesen, als sie wirklich
glauben wollte? War sie hier im Himmel? War dies der Ort, aus dem sie Buffy
damals gerissen hatte?
Willow sah verzweifelt hoch in den Himmel, als würde dort die Antwort
geschrieben stehen. Alles was sie erblickte war ein Wolkenloser, hellblauer
Himmel. ‚Was für ein herrlicher Ort...’, schoss
es ihr durch den Kopf und nahm ihr wieder die Sorgen um das Warum und Wieso
ihres Hier seins.
Während sie noch immer in den Himmel blickte, wurde sie auf einmal von einem
hellen Lichtstrahl geblendet. Sie blinzelte irritiert und versuchte zu
erkennen, woher dieses Licht kam. Doch die Umgebung rund um sie verlor immer
mehr an Kontur, während die Intensität der Helligkeit zunahm. Als würde das
Licht nicht mehr als Strahl existieren, sondern die Umgebung ausfüllen.
Willow hob ihre rechte Hand an und hielt sie schützend vor die Augen. Sie
musste immer stärker blinzeln, um zumindest noch Teile der Umgebung zu
erkennen, wodurch ihre Augen zu tränen begannen. Obwohl die Helligkeit des
Lichtes das Sehen fast unmöglich machte, fühlte es sich nicht böse oder falsch
an. Es war warm und irgendwie...umarmte es Willow. Am liebsten wäre Willow mit
offenen Armen darauf zugelaufen. Kurz bevor das Licht zu hell, fast grell,
wurde, konnte Willow einen dunklen Umrisse erkennen, der langsam auf sie zukam,
dann musste sie jedoch die Augen schließen. Das Licht war einfach nicht mehr
anders zu ertragen.
Die Hexe spürte, wie das helle, sanfte Licht auf sie traf, sich um sie
schmiegte, und sie einige Sekunden lang nicht mehr losließ. Es schien ihren
ganzen Körper zu liebkosen, bevor es sich wieder zurückzog und seine Intensität
langsam nachließ, bevor es ganz verschwand. In der seltsamen Gewissheit nicht
mehr alleine zu sein, öffnete Willow ihre Augen, erkannte aber durch ihre noch
an der Blendung leidenden Augen im ersten Moment nichts. Aber jemand befand
sich in ihrer Nähe. War es dieses Lichtwesen? Dawns Erschaffer?
Angst nahm von Willow Besitz. Vielleicht war sie auch gerade eben einem
Engel begegnet? Doch das würde zwangsweise bedeuten, dass sie tatsächlich in
Malkuth gestorben wäre. Oder… war sie gar an einem ganz anderen Ort? Wer hatte
nur so eine enorme Macht, solch eine Energie?
„Willow!?“
Willow drehte ihren Kopf in die Richtung aus der die Stimme
kam. Sie hatte liebevoll geklungen, der Wortklang und der Sprachrhythmus... sie
klangen so erschreckend vertraut. Doch Willow wollte ihrem Instinkt nicht
vertrauen, stolperte einige Schritte nach hinten, übersah dabei einen Stein und
fiel rücklings in die feuchte Wiese.
Angst stieg in Willow hoch und ihr Blick wurde nur langsam klarer.
Hatte sie gerade richtig gehört? Konnte das sein?
„T… Tara?“ , fragte Willow,
als sie langsam die Umrisse der Person ausmachen konnte, die einige Meter
von ihr entfernt stand und sie liebevoll, und mit voller Sehnsucht ansah.
Das Wesen antwortete ihr nicht, sondern streckte ihr nur hilfsbereit ihre
Hand entgegen, um ihr aufzuhelfen.
„Tara, bist du es wirklich?“, fragte Willow erneut, und kurz darauf klärte
sich ihr Blick endlich. Sie konnte noch immer nicht glauben, was gerade hier
und jetzt passierte. Da stand jemand, der wie Tara aussah. Aber war sie es
auch wirklich? Oder versuchte nur jemand wieder Spielchen mit ihr zu spielen?
Waren es diese kranken Magier? Oder war gar das Urböse
wieder zurück? Sie wusste, dass es dazu in der Lage war. Bezwungen hin oder
her.
Sie konnte sich nur zu gut daran erinnern, wie es ihr als Cassie in Sunnydale
erschienen war, um sie durch Lügen über Tara in den Selbstmord zu treiben.
Willow ergriff daher die Hand nicht, sondern stand alleine auf. Gänsehaut
überzog ihren gesamten Körper, als sie einen Schritt auf Tara zuging.
„Endlich habe ich dich gefunden…“, sagte Tara liebevoll, und trat ebenfalls
auf Willow zu. Diese wurde wieder von der Aura ergriffen, die Tara ausstrahlte,
und ihre Zweifel begannen zu schwinden. So viel Wärme und Geborgenheit konnte
niemand ausstrahlen, der Böses in sich trug.
Als sie in Taras gütiges Gesicht blickte, füllten sich Willows
Augen mit Tränen, als sie die
letzten Zweifel wie einen Panzer, der sie noch von Tara fernhielt,
fallen ließ, und sie in die Arme schloss.
Lange standen die zwei nur so da, umgeben von dunkelgrünen
Wiesen, unter einem paradiesischem Himmel. Es fielen keine Worte, als Tara
sanft durch Willows Haar strich, ihr daraufhin einen sanften Kuss auf die Stirn
gab, und dann langsam zurück trat.
Willows Gefühlswelt war gerade vollkommen in sich zusammen gebrochen.
Sie wusste nicht, wie sie damit umgehen sollte, dass sie ihrer ersten großen
Liebe, die sie vor zwei Jahren verloren hatte, plötzlich wieder gegenüber
stand. Sie wollte sie einerseits nie wieder loslassen, andererseits existierte
auch noch Kennedy, für die sie mindestens schon eine genauso tiefe Liebe
empfand. Falls sie Kennedy je wieder sehen sollte...
„Ich... ich...“, Willow wusste nicht, was sie sagen sollte.
Tara hob eine Hand, und legte ihren Zeigefinger auf Willows Lippen.
„Sch, meine starke Amazone...“ Sie fuhr Willow noch einmal durchs Haar, und
ihre Augen drückten eine tiefe Sehnsucht aus, als sie weiter sprach. „Wir
können später darüber sprechen, aber zuerst muss ich dir etwas Wichtiges
zeigen.“
„Jetzt sofort?“ Willow war völlig perplex. Diese Situation war total
irreal.
Tara lächelte verständnisvoll, nickte, und drehte sich um. „Komm mit,
ich werde es dir zeigen…“
Im nächsten Moment erschien vor Tara wieder dieses grelle Licht. Sie
schien genau darauf zu zugehen, woraufhin Willow die Augen zusammenkniff und
ihr folgte, bis die Helligkeit wieder unerträglich wurde und sie die Augen
erneut ganz schließen musste, um nicht zu erblinden…
Erie-See
Sonnenaufgang
Ein
greller, erster Sonnenstrahl der aufgehenden Sonne brach durch die Wolkenfront
über dem Erie-See und spiegelte sich auf der Wasseroberfläche, über der die
drei Reiter noch immer schwebten. Ihre Waffen hatten sie inzwischen zur Seite
gesteckt. Jetzt schienen sie auf etwas zu warten...
In
der Ferne waren noch immer vereinzelt die Sirenen von Einsatzwagen der Polizei,
Feuerwehr und Krankenhäusern zu hören. Über dem Hafen hing nach wie vor eine
dicke Rauchwolke, auch wenn man die meisten Feuer im Laufe der vergangenen
Nacht unter Kontrolle gebracht hatte. Allerdings waren viele Lagerhallen
komplett niedergebrannt. Jetzt galt es die Überreste zur Seite zu schaffen und
nach Überlebenden in den Trümmern zu suchen.
Auf dem Erie-See hatte man bereits am vergangenen Nachmittag die
Schiffbrüchigen gerettet, jetzt versuchte man die gekenterten Boote zu bergen
und manchen noch immer brennenden Containerkahn zu löschen.
Plötzlich kam eine Veränderung in die drei Schatten
über dem See. Sie drehten sich in ihren Satteln, und sahen über die Weite des
Wassers, bevor sich ihre Pferde geräuschlos in die Höhe erhoben. Die Reiter
begannen von einander gelöst, eine Runde nach der anderen über den See zu
drehen. Sie wirkten ungeduldig, abwartend und ruhelos. Langsam lösten sie sich
wieder von der dunklen Wolkenfront und stiegen der hellen Sonne entgegen. Sie
wussten, dass die Menschen viel zu sehr mit ihren eigenen Problemen von jetzt
an beschäftigt waren, um einen Blick in den Himmel zu richten, um sie zu
entdecken. Und wenn es auch nur einen gab, der sich die Zeit nahm, so würde er
erst einen Moment brauchen, um zu begreifen, was er da sah: Drei Reiter, die
unterschiedlicher nicht sein konnten, auf drei gewaltigen Pferden, die zu fliegen schienen. Sie wendeten, um
wieder tiefer zu sinken. Ein Sonnenstrahl brach sich auf der Rüstung des
Eis-Dämons und blendete jeden stummen, fassungslosen Beobachter...
Malkuth
zur selben Zeit
Das runde Glas
einer Straßenlampe zerbrach unter einem geworfenen Stein und ließ ungeschützt
die Strahlen des hellen Lichts dahinter frei. Ein Strahl brach sich auf einer
Glasscheibe und blendete mit einem grellen Lichtblitz die vorderste Reihe
einer Gruppe flüchtender Znark-Dämonen, die im Gegensatz zu dem Chaos in Malkuth
versuchten ruhig und geordnet aus dem brennenden Teil der Stadt zu entkommen,
auch wenn ihre ansonsten Purpur farbene Haut fließend in ein kräftiges Orange
überging – ein Zeichen ihrer inneren Angst und Nervosität.
Für einen Moment kam ihre Ordnung durcheinander, bis sich die schmerzenden
Augen erholt hatten und sie weiter die Straße entlang hasten konnten, vorbei
an brennenden Häusern, hinweg über tote Dämonenleiber und einigen gefallenen
Jägerinnen, entlang an zerstörten Straßenzügen, zerschlagenen Straßenlaternen,
eingestürzten Brücken und umgekippten Karren, die ihnen von Zeit zur Zeit
den Weg versperrten mit all dem Gepäck, das jemand anders verloren oder zurück
gelassen hatte. Zwischen all den anderen fliehenden Dämonen sah man immer
wieder eine kleine Gruppe Jägerinnen, die verbissen ihrem Auftrag folgten
und weiter alles angriffen, was ihnen in den Weg kam.
Chao-Ahn
führte eine dieser Gruppen an, an denen die Znark-Dämonen vorbei hasteten. Sie
wendete kurz ihren Kopf in ihre Richtung, sah aber schnell ein, dass sie nicht
alle auf einmal töten konnte und ließ die Dämonen ungehindert vorbei ziehen.
Schön der Reihe nach, ging ihr im
Kopf herum. Was jetzt wichtig war, war einen kühlen Kopf zu bewahren. Sie
mussten versuchen ihre kleinen Gruppen wieder zu vereinen, um mit ganzer Kraft
gegen die Dämonen vorzugehen. Es reichte nicht aus, die Straßenzüge zu
verwüsten, Häuser anzustecken oder in kleinen Grüppchen gegen die Dämonen zu
kämpfen, die den Mut hatten, sich mit Jägerinnen anzulegen. Die Befehle von Ms.
Usher waren eindeutig gewesen. Es galt diesem Alptraum unter der Erde ein Ende
zu bereiten, bevor die Apokalypse dort ihren Anfang nehmen konnte. Auch wenn
das bedeutete, dass sie unter Umständen gegen Mr. Giles und seine kleine Truppe
Verräter kämpfen mussten. Sie hatten offensichtlich die Ziele aus
den Augen verloren und kämpften für die falsche Seite. Hier unten würde die
Apokalypse starten, wenn Chao-Ahn mit ihren Mitstreiterinnen sich so etwas wie
Mitleid oder Nachsicht erlauben würde. Gefühle, die ihnen seit dem Training
völlig unbekannt waren. Auch wenn Chao-Ahn für einen kurzen Moment daran
dachte, dass dieser Kampf vielleicht auch den Tod für sie oder für eine ihrer
Freundinnen bedeuten würde, kam sie nicht auf den Gedanken, dass sie es waren,
die auf der falschen Seite standen.
Entschlossenheit
spiegelte sich auf einmal in den ansonsten gefühlskalten Augen der Asiatin
wieder: „Folgt mir,“ rief sie plötzlich den anderen zehn Mitstreiterinnen zu,
als sie eine weitere Gruppe Jägerinnen unmittelbar vor ihnen ausmachte. „Zu den
anderen,“ rief sie noch über die Schulter und stürmte los, schlug sich mit
ihrem Schwert eine blutige Schneise durch die Dämonenkörper, die ihr im Weg
standen, um ihr Ziel zu erreichen.
AKT 1
Wiese, irgendwo
Am frühen Morgen
Als erneut die Intensität des grellen, jedoch wohltuenden
Lichtes, wieder nachließ, öffnete Willow langsam ihre Augen, und ließ schlussendlich
auch ihre Arme sinken, die sie als zusätzlichen Schutz erhoben hatte.
Verwirrt stellte sie fest, dass sie sich noch immer in der gleichen Gegend
befanden, nur das Gras war um einiges gewachsen. Tara war stehen geblieben,
und blickte starr in eine Richtung, woraufhin Willow ihrem Blick unsicher
folgte. In weiter Ferne entdeckte die Hüterin einen schwarzen Punkt am Himmel,
der sich langsam, aber stetig, in ihre Richtung bewegte.
Tara drehte sich gerade zu Willow herum, als wollte sie ihr eine Erklärung
geben, doch da kam plötzlich ein starker Wind auf. Sekundenschnell entwickelte
er sich zu einem wahren Orkan - das laute Getöse tat Willow in den Ohren weh
und überall wo sie hinblickte, wurde die Natur in Mitleidenschaft gezogen – Blütenstaub wirbelte herum, Blätter wurden
von den Bäumen gezerrt und durch die Lüfte geschleudert, Äste brachen ab,
Blumen wurden ihrer Blüten entrissen und dunkle Wolken zogen auf. Der Wind
riss an Willows und Taras Haaren, die dadurch einen eigenen, mystischen Tanz
in der Luft vollführten. Willow fiel es zunehmend schwerer, sich auf den Beinen
zu halten.
Verwirrt
sah Willow zu ihrer früheren, großen Liebe, bekam aber als Reaktion wider
Erwarten keinen nützlichen Hinweis. Vielleicht wusste Tara ja selbst keine
Antwort darauf, oder war zu sehr damit beschäftigt auf den Beinen zu bleiben.
Als der Boden zu beben begann, stolperte die Hexe ungewollt einige Schritte
zurück und entfernte sich dadurch von Tara. Das Beben wurde immer stärker, und
Willow erkannte, dass sich in einiger Entfernung ein großer Riss in der Erde
gebildet hatte.
Auf einmal spürte sie, wie sich Panik in ihr breit machte. Von einer Sekunde
auf die andere begannen einzelne Bäume des Waldes am Rande der Wiese lichterloh
zu brennen. Die Flammen schlugen um sich, breiteten sich innerhalb weniger
Augenblicke im gesamten Wald aus, versperrten den Tieren darin somit jeden
Ausweg und verdammten sie zu einem qualvollen Tod.
„Tara, was geht hier vor?“, schrie sie angsterfüllt gegen das Toben an und
blickte ihr dabei ins Gesicht, welches überraschenderweise keine Anzeichen von
Aufregung oder Panik zeigte. Tara sah Willow einfach nur mit ihrem ruhigen,
verliebten Lächeln an, während es jetzt auch noch zu Regnen begann.
„Tara?!“, schrie sie wieder, doch diese reagierte nicht auf sie, sondern drehte
sich weg, um wieder in den Himmel zu starren. Willow stolperte wieder nach
vorne, blieb dabei an einem Ast hängen, und schlug frontal auf der mittlerweile
zu Matsch gewordenen Erde auf. Mühsam kämpfte sie sich wieder auf, darauf
bedacht, bei der nächsten Erschütterung der Erde nicht wieder zu fallen, und
wischte sich dabei die total durchnässten Haare aus dem Gesicht. Sie konnte
nicht glauben, was hier vor sich ging. Das Paradies, in dem sie sich noch vor
Sekunden befunden hatte, verwandelte sich innerhalb von wenigen Augenblicken
zur Hölle.
Erneut drängten sich Willow Zweifel auf. Wo war sie hier eigentlich? Und noch
viel wichtiger - war das wirklich Tara? Würde ihre Tara wirklich diese Entwicklungen um sie herum so gefühllos,
so ruhig beobachten?
Langsam
trat die Hüterin einen weiteren Schritt nach vorne, um sich Tara zu nähern,
die ebenfalls völlig durchnässt noch immer in den Himmel starrte. Hatte sie
sich vorhin möglicherweise geirrt? Konnte es sein, dass dies tatsächlich der
nächste Versuch des Urbösen war, sie alle aus dem Verkehr zu ziehen? Sich
an ihnen für den herben Rückschlag letztes Jahr zu rächen? Auch wenn Willow
wusste, dass das Urböse sich erst erholen musste, und das dies lange, sehr
lange dauern würde, misstraute sie der Situation. Sie hatte zu viel erlebt,
um nicht auch das Unmögliche als Möglichkeit in Betracht zu ziehen.
Als hätte Tara Willows Gedanken gehört, drehte sie sich wieder zu ihr um und
sah sie leicht besorgt, jedoch bestimmt an. Sie deutete wieder in den Himmel,
und Willow folgte ihrem Blick erneut.
“Oh mein Gott!“, schrie sie, als sie in der Luft nur mehr wenige Meilen entfernt
einen Reiter sah, der direkt auf sie zuritt. Tara drehte sich langsam im Kreis
und zeigte für Willow in jeder Himmelsrichtung einen weiteren Reiter.
„Alle
vier Reiter?!“, fragte sie Tara laut und schockiert. Was sollte das hier?‚Kommen diese Reiter etwa auf mich zu? Es ist
viel zu spät um auszuweichen!’, schoss es der rothaarigen Hexe durch den
Kopf.
„TARA!“, schrie sie, als sie ihre Hände zum Schutz über ihren Kopf hob, sich
auf den Boden kauerte und dabei versuchte, Tara zu sich zu ziehen. Diese blieb
aber ohne jegliche Regung ruhig stehen. Willow versuchte Magie einzusetzen,
einen Schutzzauber zu sprechen, aber nichts passierte. Ihre Magie schien nutzlos
und wirkungslos in dieser Welt zu sein.
Es blieb der Hüterin nichts anderes übrig, als abzuwarten, was passierte.
Sie erwartete heftiges Hufgetrampel, aber als sich dieses nach einer Minute
noch immer nicht eingestellt hatte, hob sie langsam und unsicher wieder den
Blick. Erschrocken fuhr sie in die Höhe -
einer der Reiter, nur wenige Zentimeter von ihr entfernt, mit einem
hässlichen Knochenpanzer über der Brust und einem Federschmuck auf dem Haupt,
streckte seine Hand aus und ihr entgegen.
Mit einem raschen Blick in die Runde, musste sie entsetzt feststellen, dass sie
von den vier Dämonen umzingelt war: Ein Fell bekleideter Wikinger auf einem
Schimmel, ein Angst einflößender Asiate mit einer Maske auf einem Rappen, ein
Schwarzer, ebenfalls mit Maske auf einem Fuchs und der letzte, der Indianer,
auf einem Falber. Sie war so eingeschüchtert davon, wie mächtig alleine die
Pferde wirkten, dass sie es fast nicht wagte, die Reiter überhaupt genauer zu
betrachten.
„Wieso hat mein Zauber nicht funktioniert?“ fragte Willow laut, fast mutig, und
musterte die Pferde. Sie waren einfach.. unbeschreiblich. Sie besaßen
einerseits eine wunderbare Schönheit und Eleganz, andererseits wirkten sie
Grausam und ihre Aura war tödlich. Auf jeden Fall waren sie um vieles größer,
als Willow Pferde in Erinnerung hatte.
„Du bist hier nur Zuschauer, Willow. Sie können dir nichts anhaben. Das hier
ist alles schon vor langer Zeit passiert. Du kannst daran nichts mehr ändern,“
erklärte Tara plötzlich und trat daraufhin näher an Willow heran.
Plötzlich spürte Willow, wie Tara ihr die rechte Hand auf die Schulter legte
und sich zu ihrem Ohr beugte.
„Sieh, der Talisman…“ , flüsterte sie der Hüterin ins Ohr und schob sie sanft
in Richtung des indianischen Reiters.
Langsam trat sie näher und entdeckte, dass sich in der Hand des Wesens wirklich
ein Talisman befand - den kannte sie sogar. Sie hatte schon einmal ein Zeichnung
davon gesehen. Wenn sie sich nicht täuschte, war das der Purificatio-Talisman.
Es war eine kleine, silberne Scheibe auf der ein Tor umgeben von stilisierten
Kristallen dargestellt war. Kennedy, Buffy und die anderen sollten ihn damals
einem Vampirführer abnehmen, dessen Gruppe sich der Ausrottung von unreinen
Menschen verschrieben hatte, doch der Talisman war komischerweise verschwunden.
Was hatte das zu bedeuten?
„Tara, was...“, wollte sie fragen, wurde aber von dieser durch ein „Sch...“
unterbrochen.
Der Reiter stieg von seinem Pferd ab, und drängte sich an Willow vorbei in
die Mitte des Kreises und nachdem die anderen drei seinem Beispiel gefolgt
waren, streckten sie alle ihre Hände aus, um den Talisman zu berühren.
Plötzlich ergriff Tara ihre Hand. Willow spürte, wie sie sich von der Erde
wegbewegten, und erst wieder zum Stillstand kamen, als sie den kompletten
Planeten im Blickfeld hatten. Willow bekam sofort Kopfschmerzen, und ihr Magen
protestierte gegen die spontane Bewegung.
„Tara, was... hast du gemacht?“, fragte Willow sofort, bekam aber als Antwort
nur eine Blickrichtung gedeutet.
Ihr blieb die Luft weg, als sie eine wahnsinnig laute Explosion hörte und
mit Entsetzten sah, dass auf der Erde eine gewaltige Rauchwolke in die Luft
stieg. Schockiert musste sie mit ansehen, wie sich von der Explosionsquelle
eine Druckwelle langsam aber stetig über den kompletten Planeten ausbreitete,
jedes Lebewesen dabei vernichtete und den gesamten Erdball in eine blau-braune
Masse verwandelte.
Willow wollte die nächste Frage stellen, kam aber nicht dazu, da Tara ihre
Hand fester drückte und sie im nächsten Augenblick wieder festen Boden unter
den Füßen hatten. Tara ließ sie wieder los und trat einen Schritt zur Seite.
Ohne ein Wort zu sagen beobachtete sie Willow.
Nachdem diese sich zwingen musste, sich nicht zu übergeben, und es schaffte,
die pochenden Kopfschmerzen zu ignorieren, starrte sie fassungslos in die
Ferne. Was war hier nur passiert? Die Reiter waren verschwunden. Genau wie
jede andere Existenz auch. Willow erblickte kein einziges Lebewesen auf der
großen Lichtung. Der Wald war verschwunden, es war nicht einmal mehr ein einziger
Baum zu sehen. Das Gras war genau wie jede andere Lebensform vom Erdboden
verschluckt worden. Es gab hier nichts mehr. Nur mehr kahle Erde. Sie sah
nur mehr Tod. Alles war vernichtet worden.
„Tara, was ist hier passiert?“, brachte Willow nun endlich über die Lippen,
nachdem sich einige Tränen aus ihren feuchten Augen gelöst hatten. Sie drehte
sich um und sah ihrer früheren Geliebten intensiv in die Augen.
Tara richtete ihren Blick wieder auf Willow, bückte sich dann langsam, griff
mit ihrer rechten Hand tief in die Erde, nahm eine Handvoll und stand wieder
auf. Als sie diese braune, kahle Masse langsam durch ihre Finger rieseln ließ,
sprach sie leise, aber deutlich:
„Die vier Reiter kamen über uns, und alles, was zurück blieb, war reine Erde!“,
und ließ dann auch die letzten Klumpen wieder zu Boden fallen.
Willow kannte diesen Satz. Die Jägerinnen hatten davon geträumt. Verwirrt
wendete sie sich Tara zu. „Das verstehe ich nicht. Sie... sie haben alles
Leben ausgelöscht? Wie kann das sein? Der ganze Planet ist unfruchtbar geworden?!
Sie haben alles getötet?"
Tara lächelte, wischte sich einige Strähnen aus dem Gesicht, sah sich kurz
wieder in der Gegend um, und blickte dann Willow wieder tief in die Augen
„Wirklich? Es mag so scheinen. Vielleicht auf den ersten Blick, aber was sie
getan haben, war nur eine notwendige Reinigung...“
Willow konnte nicht glauben, was Tara ihr da sagte. Wie bitte? Eine notwendige
Reinigung? Die Reiter hatten doch das gesamte Leben auf Erden ausgelöscht.
Wie konnte sie da nur so ruhig lächeln?
In diesem Moment trat ihre Führerin zur Seite und erstaunt stellte Willow
fest, dass die Fläche, die noch vor wenigen Sekunden aus kahler, brauner Erde
bestand, nun wieder mit grünem, saftigen Gras überwuchert wurde. Sie entdeckte,
wie in einiger Entfernung in beachtlicher Geschwindigkeit junge, gesunde Bäume
aus dem Boden wuchsen, und kurz darauf einen dichten, fruchtbaren Wald bildeten.
‚Wie
wundervoll…’, schoss es ihr durch den Kopf, als sie beobachten konnte,
wie auf der gesamten, grünen Fläche, junge, frische Triebe aus dem Boden kamen,
wuchsen, und nur Sekunden darauf ihre wunderschönen, farbenfrohen Blüten preisgaben.
Erst jetzt fiel Willow auf, dass die Sonne mittlerweile wieder ihr warmes,
angenehmes Licht über die Wiese fluten ließ. Ein erfrischendes, wohltuendes
Gefühl verdrängte den Schock der vergangenen Augenblicke.
Überrascht
sprang Willow einen Schritt zurück, als bunte Schmetterlinge, die in tausend
Farben zu schimmern schienen, ihr Gesicht umrundeten, einen lebensfrohen Tanz
vor ihren Augen vollführten, und schlussendlich wieder von Dannen zogen.
Als sie sich zu Tara umdrehte, wechselte plötzlich die Landschaft, und kühles,
frisches Meereswasser berührte auf einmal ihre nackten Füße, die sich leicht in
den lauwarmen Sandstrand vergruben.
Willow stockte der Atem. Sie befand sich hier
wieder im Paradies – jedenfalls empfand sie so. Tara war einige Meter
entfernt vor ihr und wartete unter einer enormen Palme auf sie. Eine angenehme,
kühle Brise erfüllte die Luft, und kurz bevor sie bei Tara angekommen war,
erschrak sie wegen zwei exotischen Vögeln, die sich aus dem Wald hinter ihr
erhoben und in die weite Ferne flogen.
Lachend über den unnötigen Schreck kam sie bei Tara an, die ihr eine
wunderschöne, weißgelbe Blume entgegenhielt. Tara lächelte Willow liebevoll an
und erklärte ihr schließlich:
„Du musst die Reiter aus einer anderen Perspektive sehen. Nicht aus
menschlicher Sicht. Sie gehören nicht zu uns, sondern zu den Letzten der Alten.
Die letzten, die von der Erde verschwanden, als die Menschen kamen und die Welt
übernahmen. Die Welt der Dämonen. Es ist ihre dämonische Aufgabe, das zu
zerstören, was durch die Menschen unrein und vergiftet wurde. Für sie sind die
Menschen und die meisten heutigen Dämonen eine Krankheit, Willow. Sie breiten
sich aus, zerstören die Natur und das, was ihnen Leben spendet, ohne auch nur
einen Gedanken daran zu verschwenden, was das für sie in naher Zukunft bedeuten
könnte. Sie töten, morden, betrügen... so war es schon immer…“ Tara stoppte,
damit Willow das, was sie gerade gesagt hatte, verarbeiten konnte.
„Wieso auch die Dämonen, wenn sie selbst welche sind? Und, ich.. vielleicht hab
ich das nicht ganz verstanden, aber löschen die Reiter nicht durch diese…
Reinigung auch die Natur mit all ihren unschuldigen Tieren aus? Ist es nicht
gerade das, was sie schützen wollen?“ verwirrt blickte Willow in Taras
Richtung.
Wieder lächelte Tara kurz. „Ach Willow, merkst du nicht selbst, wie naiv deine
Frage ist? Wie süß..“ Tara lächelte verliebt, blickte dann aber kurz zu Boden
und sprach dann ernst weiter:
“Für die Reiter sind die Dämonen, die heutzutage noch auf Erden wandeln eine
Schande. Sie sehen sie als Schatten ihres früheren Selbst an. Beeinflusst und
verdorben von den Menschen. Es kümmert sie nicht, was mit ihnen passiert. Und
der Rest? Es ist für sie ein einkalkuliertes Risiko, um die verschmutzte und
verdorben menschliche Welt zu vernichten. Die Menschheit würde irgendwann mit
Sicherheit selbst für ihren Niedergang sorgen, oder noch schlimmer für den der
Welt. Die Reiter sehen es als ihre Pflicht an, einzugreifen, bevor es ihrer
Meinung nach zu spät ist…,“ wieder machte sie eine kurze Pause. „Zu spät für
ihre Welt.“
Sie hob ihren Arm, strich Willow langsam über die Wange, und erfasste dann ihre
Hand. „Willow, hör mir jetzt genau zu. Die Reiter haben ihre Aufgabe vor vielen
tausend Jahren schon einmal wahrgenommen. Doch diese Reinigung bedeutet nicht
zwangsfrei, dass die Welt für die Menschen wieder lebenswerter wird. Im Gegenteil...
viele überlebende, reine Kreaturen könnten wieder mächtiger werden und erneut
die Vorherrschaft übernehmen – sofern überhaupt auch nur ein Mensch überlebt.
Damals gab es niemand der sie aufhalten konnte und die Alten erlebten eine
Renaissance, bis sie von den Menschen verdrängt wurden. Ihr müsst sie
aufhalten, oder ihr werdet alle ein schreckliches Ende finden…"
Malkuth
Straße der Liebenden
zur selben Zeit
Starr blickte Ronah auf
den Körper, der leblos vor ihr lag. Wie war das nur möglich gewesen? Warum
nur? Tränen liefen ihr über die Wangen, als sie langsam die Hand hob und sie
über Robins Gesicht strich. Warum musste nur ER hier sterben? Es war so sinnlos
gewesen.
Wie aus einer anderen Welt hörte sie Kampfgeräusche. Schreie. Schläge. Wo
war Faith eigentlich? Ronah hob den Kopf und erkannte die ältere Jägerin einige
Meter entfernt. Und sie kämpfte:
Faith schlug mit geballter Faust auf Kimberly ein, die versuchte, sich aus
dem starken Griff der Jägerin loszureißen. Mit ungeheurer Wucht traf ihre
Faust erneut Kims Gesicht, und während diese laut gellend schrie, spürte sie,
wie ihre Nase brach, und ein höllischer Schmerz durch ihr Gesicht fuhr.
„Hör bitte auf! FAITH!“, schrie Kim, doch ihre Angreiferin schien nicht zu
hören. Sie schien überhaupt nichts mehr mitzubekommen. Erneut packte sie die
Jüngere an den Haaren und zerrte sie hoch.
„Wehr dich, du Stück Dreck! Wehr dich, verdammt noch mal!“, schrie Faith und
wischte sich mit der freien, blutigen Hand ihre Haare aus dem Gesicht. Sie
stieß Kim von sich.
„Faith... ich... es tut mir so leid!“, stammelte die blonde Jägerin, konnte
sich dann nicht mehr auf den Füßen halten und brach erneut zusammen.
„Deine Entschuldigungen kannst du dir sparen!“, schrie Faith wütend und sprang
auf das am Boden kauernde Mädchen zu. „Du hast ihn gekillt, dafür kill ich
dich jetzt!“
Faith holte aus und trat dem Mädchen mit voller Wucht in den Bauch. Kimberly
schrie erneut auf, bäumte sich kurz auf und spie Blut. Sie musste heftig husten,
und während sie versuchte, Faith’ nächstem Angriff auszuweichen, verschwamm
die Umwelt immer mehr. Ihr Kopf dröhnte. Sie würde nicht mehr lange durchhalten,
dessen war sich Kimberly bewusst.
„Wehr dich endlich! Ich hab dir mehr beigebracht als DAS!“, wütete die Jägerin,
fasste Kimberly am Kragen ihres Tops und zog sie erneut auf die Beine, ließ
sie dieses Mal aber nicht los.
„DU warst vorher stark
genug Robin zu töten, aber jetzt kannst du nicht einmal mehr um dein Leben
kämpfen! Was ist verdammt noch mal los mit dir?“, brüllte die dunkelhaarige
Kämpferin, holte mit der freien Hand aus und schlug Kim erneut.
„Wehr…“ Ein weiterer Schlag traf das Gesicht des Mädchens.
„… dich…“ Kim spürte, wie Faith’ Faust ihre linke Augengegend traf, und merkte,
wie es anzuschwellen drohte.
„... endlich!“ Faith trat ihr mit voller Wucht in den Magen, ließ sie los,
und beförderte sie mit dem nächsten Angriff wieder zu Boden.
Kimberlys Kopf dröhnte so sehr, dass sie die Orientierung völlig verloren
hatte. Mit ihrer letzten Kraft versuchte sie sich von Faith weg zu ziehen,
wusste aber, dass sie damit keine Erfolgsaussichten haben würde. Sie war einfach
zu schwach.
Faith stand einige Sekunden bewegungslos da und starrte auf ihr Opfer, das
langsam, mit völlig blutverschmierten Haaren, zerrissener Kleidung und unzähligen
Wunden versuchte, vor ihr zu fliehen. Doch sie kam nur langsam voran. Viel
zu langsam. Faith wischte sich erneut die Strähnen aus dem Gesicht, drehte
sich um und sah Robins Leiche. Das war einfach zu viel. Sie konnte ja vieles
verzeihen, aber nicht das. DAS würde sie ihr niemals verzeihen.
Ohne eine weitere Sekunde zu zögern, richtete sie ihre volle Aufmerksamkeit
wieder auf ihr Opfer. Sie folgte der Blutspur, die diese auf dem Boden hinterließ,
und trat nur wenige Augenblicke später auf sie zu.
„Sag ‚gute Nacht’!“, murmelte Faith und holte aus. In diesem Moment, völlig
unerwartet, packte jemand von hinten ihre Hand und verhinderte damit ihren
Angriff. Zornig fuhr sie herum, bereit dem Störenfried den Schädel einzuschlagen.
„RONAH?!“ Überrascht wich Faith zurück. Mit Tränen unterlaufenen Augen stand
die dunkelhäutige Jägerin hinter ihr und sah sie gefasst an.
„Du darfst diese Grenze
nicht überschreiten!“, sagte sie und trat auf ihre Freundin zu.
„Diese Schlampe hat Robin getötet. DU WARST DOCH DABEI! Lass es mich beenden!“
Faith wollte sich schon wieder umdrehen, wurde aber von ihrem Gegenüber fest
an beiden Schultern gepackt.
„Hör mir jetzt genau zu, Faith. Du weißt, ich habe dich immer geachtet. Ich
finde es selbst so schrecklich, was gerade passiert ist, dass ich es nicht
einmal in Worte fassen kann. Ich weiß nicht, wie es nun weitergehen soll,
aber eines weiß ich genau: Du willst das nicht tun. Das ist doch Kimberly.
Wir wussten, dass die Jägerinnen unter Fremdeinfluss stehen. Du willst diese
Grenze nicht wirklich überschreiten, Faith!“ Ronah blickte der dunkelhaarigen
Jägerin tief in die Augen. Sie wusste, was Faith gerade durchmachte, sie konnte
es nur zu gut nachvollziehen.
„Aber... sie hat... Robin... es... ich...“ Faith schüttelte Ronahs Arme ab,
drehte sich um und blickte Kimberly an, die in diesem Moment langsam wieder
aufstand. Man sah ihr an, dass jede kleine Bewegung eine Qual für sie war.
„Sieh, was du ihr angetan hast. Du hast ihren Fehler bestraft!“, sprach Ronah
weiter, und legte der Älteren sanft ihre rechte Hand auf den Rücken.
Faith schloss kurz die Augen. Sie musste das alles erst einmal verarbeiten.
Das ging doch alles viel zu schnell. Wieso erwartete man von ihr, dass sie
in solchen Situationen noch rationale Entscheidungen fällte?
Die Jägerin schluckte, öffnete langsam wieder die Augen und blickte Kim hasserfüllt
an. Das junge Mädchen schluchzte, und schien darauf zu warten, wie ihre frühere
Retterin über ihr Leben entscheiden würde.
„Verschwinde!“, sagte Faith schließlich. „Verschwinde aus Cleveland. Ich will
dich nie mehr sehen!“ Daraufhin drehte sie sich um, und ging zurück zu Robins
Leiche.
In diesem Moment merkten sie erst, dass mittlerweile ein lautes, nicht zu
überhörendes Rauschen und Brausen die Gänge beherrschte.
„Oh mein Gott, die Stadt läuft mit Wasser voll!“ schrie Ronah geschockt, als
sie zu begreifen schien, ohne jedoch zu verstehen, warum Wasser hier unten
eindrang.
„Komm her. Wir müssen hier raus. Hilf mir, Robins Leiche zu tragen!“ Faith
bückte sich bereits und hob den toten Körper hoch. Sie würde seinen Leichnam
nicht hier bei diesen Dämonen lassen, das kam absolut nicht in Frage.
Ronah beobachtete, wie Kimberly hastig die Flucht antrat, und folgte dann
Faith. Gemeinsam trugen sie den Körper zurück in die Richtung in der sie einen
Ausgang vermuteten. Gesprochen wurde dabei kein Wort. Es war nicht nötig.
Für keine der beiden. Sie verstanden sich auch so.
Malkuth,
Halle von Chesed,
selbe Zeit
“Versteckt euch!“ raunte Andrew, bedacht darauf, nicht zuviel
Lärm zu machen. Huschen und Fußgetrappel durchbrachen die Stille, als die
Kinder hastig versuchten, sich unter den Spielgeräten zu verbergen. Er selbst
trat einen Schritt auf die Jägerin zu, und sprach sie an. “Du...uhm...hör’
nicht auf die dunkle Seite der Macht! Was du tust, ist falsch.“
Immer
noch dieses Lächeln, als sich ihre Augen auf ihn richteten. Im nächsten
Augenblick sprang sie gelenk wie eine Katze vorwärts, und schwang die Kette in
ihren Händen.
Andrew
warf sich zu Boden, die Eisenkugel mit den Spikes verfehlte ihn um
Haaresbreite, und schlug neben ihm in ein hölzernes Klettergerüst ein. Der
kleine Fyarl rannte darunter hervor, und drückte sich ängstlich gegen die Wand.
“Hey,
hier bin ich!“ Durch lautes Rufen und Gestikulieren versuchte Andrew die
Aufmerksamkeit der Jägerin auf sich zu lenken. Ihr Blick war immer noch auf den
Fyarl fixiert, und die mächtige Eisenkugel hatte sich bereits wieder in
Bewegung gesetzt. Mit weit aufgerissenen Augen wich der kleine Junge an der
Wand zurück, während die Jägerin ihn anlächelte.
Die
Eisenkugel sauste vorwärts, wechselte jedoch im letzten Moment die Richtung und
krachte ein weiteres Mal gegen das Klettergerüst, welches polternd in sich
zusammenfiel. Ein dumpfer Schrei war darunter zu hören, wie es schien, war eins
der Kinder unter den Trümmern begraben worden...
“Mach
die andere Tür auf – dort,“ schrie Andrew dem kleinen Jungen zu, während er
hastig begann, die Trümmer beiseite zu räumen. Der Junge gehorchte, und blieb
plötzlich wie erstarrt stehen...
Raus
aus der Bratpfanne, rein ins Feuer! Vor der geöffneten Tür stand eine weitere
Gruppe Jägerinnen, angeführt von einem bekannten Gesicht.
“Chao-Ahn?“
Entsetzt blickte Andrew seiner früheren Kampfgefährtin entgegen, doch diese
schien ihn nicht einmal zu erkennen. Sie trat einen Schritt nach vorne, und hob
ihre Axt.
“Sundari,
nächste Tür,“ rief Andrew, als er einen weiteren kleinen Jungen unter den
Trümmern des Klettergerüsts hervorzog. Noch bevor Sundari sich jedoch rühren
konnte, stürzte Chao-Ahn bereits auf sie zu...
Und
hielt mitten in der Bewegung inne. Ihre Augen wurden glasig, ihre Arme schlaff,
beinahe hätte sie sogar die Waffe fallenlassen.
Alle
anderen Jägerinnen folgten ihrem Beispiel. Es war, als wäre ihre Aufmerksamkeit
von etwas gefesselt, was außer ihnen niemand wahrnehmen konnte.
Andrew
achtete nicht weiter darauf, er nützte seine Chance, um selbst die Tür zu
öffnen, und die Kinder hindurchzuscheuchen. Diesmal schienen sie Glück zu
haben, die Straße vor ihnen war leer, wenn auch zerstört. “Macht schnell,“
trieb er die Kinder zur Eile an. “Die Straße hoch!“
Eine
braungelockte Jägerin erwachte als erste aus ihrer Erstarrung, und sie lief mit
gezücktem Dolch auf ihn zu. Andrew, welcher gerade Sundari durch die Tür
schubste, sah sie erst kommen, als der Dolch schon vor seinem Gesicht
aufblitzte...
Ein
heftiger Stoß riss ihn und die Jägerin zu Boden – die Eisenkugel des
japanischen Mädchens hatte wieder zugeschlagen. Sie hatte wohl auf ihn gezielt,
doch es schien sie nicht weiter zu interessieren, dass sie stattdessen eine
Mitkämpferin erwischt hatte. Die gelockte Jägerin schrie auf, als die Kugel an
der Kette zurückgerissen wurde, und ein weiteres Mal durch die Luft jagte.
Andrew
rollte sich unter dem verletzten Mädchen hervor, und folgte den Kindern durch
die Tür, welche er hinter sich zuschlug. Im Laufen betastete er den blutigen
Kratzer, welcher der Dolch auf seiner Wange hinterlassen hatte, doch zum Glück
waren seine Augen unverletzt geblieben. Es war nur das Blut, welches ihm die
Sicht trübte...
Malkuth
Straße der Kaiserin
zur selben Zeit
In Giles Kopf jagte
ein Gedanke den anderen. Doch keiner gab ihm die Lösung, um aus dieser heiklen
Situation – mit einer entschlossenen Jägerin vor sich, die eine Axt auf seinen
Kopf zielte – herauszukommen. Da war er den Häschern des Urbösen entkommen
und sollte hier unten in einer Stadt voller Dämonen sein Leben in einem ungleichen
Kampf gegen eine Jägerin verlieren? Gegen jemanden, den er zu schützen geschworen
hatte? Das war undenkbar, aber leider war es auch die Wirklichkeit. Er blickte
schließlich auf, um seiner Mörderin in die Augen zu sehen. Vielleicht bewirkte
es etwas, wenn nicht jetzt, dann irgendwann einmal. Aber alles was Giles darin
sah, war eine Leere... tote Augen...
Innerlich
bereit den Tod zu empfangen, zeichnete sich auf einmal pure Überraschung auf
Giles Gesicht ab:
Die Jägerin hielt zwar die Axt seitlich zum Schwung ausgeholt, doch die Waffe
kam nicht auf seinen Hals zugerast, sondern verharrte dort. In den Augen der
Jägerin war plötzlich Erstaunen und auch Verwirrung zu erkennen. Was auch immer
gerade mit ihr passierte – für Giles war es die Rettung.
Auch Mo, der nach und nach spürte, dass seine Kräfte nachließen, erkannte die
Veränderung an den Jägerinnen, die ihn attackierten. Für ihn war es ebenfalls
die Möglichkeit für ein Entkommen. Sein Arm, den er sich noch im Kampf auf
seiner Black Pearl verletzt hatte, schmerzte unerträglich und neue blutige
Wunden waren im Gesicht und an den Armen zu erkennen.
„Was... war das,“ fragte eine der Jägerinnen in Mos Nähe. Die anderen zuckten
mit den Schultern.
„Ihr habt das auch gehört,“ wollte eine andere wissen. Die Mädchen nickten
einheitlich.
„Diese Stimme...“, die Jägerin vor Giles blickte sich suchend um.
----
Kennedy kam keuchend auf die Beine, nur um von einem erneuten Tritt in die
Seite gegen die Säule geschleudert zu werden. Sie fing sich daran ab und hatte
wenige Sekunden Zeit, um sich nach ihren beiden Angreiferinnen umzusehen. Für
einen Gegenschlag hatte sie keine Zeit mehr, denn die Dunkelhaarige packte sie
an den Haaren und riss sie derb nach hinten. Kennedy wollte sich wehren, doch
die hochgewachsene Jägerin mit dem langen weißblondem Zopf über dem Rücken
schlug sofort zu – mitten in Kennedys Körpermitte. Der Schlag raubte der
Jägerin die Luft und als sie losgelassen wurde, taumelte sie rückwärts auf den
Rand der Skyway zu.
Das Erstaunen auf den Gesichtern der beiden anderen, das Zögern und die
fragenden Blicke unter einander, registrierte Kennedy nicht mehr....
----
Giles und Mo versuchten nicht erst dahinter zu kommen, über was sich die
Mädchen da unterhielten, vielleicht war es einfach nur Willows Erfolg, sondern
nutzten ihre Chance. Giles schloss beide Hände zu einer Doppelfaust zusammen
und rammte diese von unten herauf gegen das Kinn der Jägerin, die überrascht
von diesem Angriff taumelte und gegen eine Mitstreiterin stolperte.
Mo entriss seinen rechten Arm einer Jägerin, die versucht hatte, ihn daran
festzuhalten, doch im Moment nicht all zu fest zupackte, schubste sie gegen die
Jägerin vor sich, schlug einem anderen Mädchen die Faust in den Nacken, worauf
diese zu Boden ging und blickte sich dann nach dem Mensch um, der allerdings
keine Probleme hatte, seine eigene Haut zu retten:
Giles entriss der erstaunten Jägerin die Axt, schwang sie überraschend gewandt
und geschickt, um den anderen damit zu drohen, die tatsächlich zurückwichen und
es Giles so ermöglichten, zu Mo zu gelangen. Der allerdings nicht mehr dort
stand, wo Giles ihn erwartet hätte...
----
Kennedy verlor den Halt und rutschte an der Kante ab. Sie konzentrierte sich
darauf so zu stürzen, dass sie noch die Möglichkeit hatte, sich am Rand der
Skyway festzuhalten. Ihre Chancen rechnete sie dabei nicht sonderlich hoch ein
und tatsächlich gelang es ihr nur mit der rechten nach der Kante zu fassen. Ein
schmerzhafter Ruck ging durch ihren Körper, als ihr gesamtes Gewicht nur von
einer Hand gehalten wurde.
Im nächsten Moment wurden die beiden angreifenden Jägerinnen von einer massigen
Gestalt beiseite gefegt, und Mos kräftige Pranke ergriff Kennedys Arm, um sie
zurück auf die Skyway hoch zu ziehen.
„Kenny, Kenny...,“ seufzte Mo erleichtert.
„Das war ganz schön knapp,“ gab Kennedy zu und blickte über ihre Schulter in
die Tiefe. „Danke.“
„Nichts zu danken,“ lächelte Mo schwach und zog Kennedy mit sich. „Wir müssen
uns beeilen... Mr. Giles braucht unsere Hilfe...“
Mo hatte gerade den Satz zu Ende gesprochen, als Giles in ihren Weg trat, noch
immer mit der Axt bewaffnet. „Verschwinden wir von hier, so lange noch der
Überraschungsmoment anhält,“ schlug Giles den beiden vor.
„Und Willow?“ fragte Kennedy unsicher mit einem Blick zurück auf die Halle von
Binah.
„Wir holen sie später ab,“ schlug Mo vor. Er behielt die Jägerinnen
misstrauisch im Auge, die sich noch immer miteinander aufgeregt unterhielten.
Weitere Jägerinnen kamen aus der Halle von Chockmah auf die Skyway
hinausgelaufen, auch diese aufgeregt und verwirrt. „Lasst uns jetzt von hier
verschwinden.“
“Wie?“
fragte Giles mit einem Kopfnicken zu den Mädchen.
„Sie
müssen mir jetzt vertrauen!“ Mo lief ein Stück an der Begrenzung entlang, und
setzte einen Fuß auf die Brüstung. „Hier können wir es wagen!“
„Sind
Sie wahnsinnig?“ Entsetzt blickte Giles in die Tiefe. „Wir sollen da hinunter?“
Als
Antwort warf Mo eine Fackel in die Schwärze. Der Wächter kniff die Augenbrauen
zusammen, und einen Augenblick später konnte er im Lichtschein eine Straße
erkennen, welche sich etwa zwanzig Fuß tief unter ihnen in der Dunkelheit
entlang zog.
Direkt
unter der Stelle, welche Mo zum Sprung ausgewählt hatte, befand sich ein
Brunnen, in welchem die Fackel erlosch. Der Dämon musste diese Stadt wirklich
wie seine Westentasche kennen.
„Ich
springe zuerst,“ schlug Mo vor, in dem Bestreben hilfsbereit zu sein, doch er
hatte den Satz kaum beendet, als Kennedy schon an ihnen vorbeischoss. Ein
lautes Platschen ließ die Köpfe der Jägerinnen herumfahren.
Giles
stieß einen Seufzer aus, und versuchte, nicht nach unten in die alles
verschlingende Schwärze zu blicken.
Malkuth
Halle von Daath
zur selben Zeit
Buffy hielt sich für
ziemlich feige – aber es war die einzige Reaktion auf diesen Anblick, der sich
unter ihr bot, der ihr in den Sinn kam – sie schloss fest ihre Augen und
hoffte, dass das Wesen da unten sie verschonen würde. Dann wurde ihr bewusst,
was sie da eigentlich tat und begann ohne sich eine Chance auszurechnen, gegen
ihre Fesseln an zu kämpfen. Kampflos wollte sie nicht so einfach aufgeben. Aber
natürlich erreichte sie nichts, außer das sie unkontrolliert hin und her
zappelte und die Ketten zu rasseln begannen.
Ein böses Lachen über ihr, ließ Buffy den Reiter vergessen und Lily wieder in
ihr Bewusstsein vordringen. Die Wächterin schien sich an dem Bild unter ihr zu
ergötzen. Buffy wünschte sich in diesem Moment Zauberkräfte, wie sie Willow
hatte, um dieser gemeinen Hexe da oben das Licht auszuknipsen. Aber alle
Gedanken halfen nichts.. sie hing hier wie eine Fliege in einem Spinnennetz
fest.
Dann war er da – der Reiter
– Buffy roch den Schweiß des Pferdes, spürte zum einen die Kälte des Reiters
und zum anderen die Wärme des Pferdes. Etwas streifte ihr Gesicht und sie nahm
irrtümlich an, dass es der Tomahawk des Reiters war, der ihr den letzten Schlag
versetzen würde. Doch nichts davon traf ein und Lilys Lachen über ihr
verstummte auf einmal, als der Reiter nur haarscharf an Buffy in die Höhe
aufstieg, ohne ihr auch nur einen Kratzer zu zufügen. Über ihr riss der Reiter
sein Pferd herum, um dann auf dem schmalen Pfad, der sich spiralförmig um den
Höllenschlund zog, wieder in die Tiefe zu reiten. Unten angekommen galoppierte
er hastig durch den Ausgang...
Malkuth
Straße der Hohepriesterin
zur selben Zeit
Es gab Schlimmeres
als blaue Flecken und nasse Kleidung, versicherte sich Giles, als er zum Brunnenrand
schwamm, und einen Augenblick später von einer nicht weniger nassen Kennedy
herausgezogen wurde. Mo trieb schon wieder zur Eile an, und stürmte die Straße
hinunter, so dass Giles und Kennedy Schwierigkeiten hatten, ihm zu folgen.
Keine Jägerinnen in Sicht, offenbar war ihnen auch niemand gefolgt. Wohin
Mo sie führen wollte, wussten sie allerdings nicht. Giles versuchte aufzuholen
und brüllte Mo zu: „Wohin bringen Sie uns?“
„Wenn Sie ihre Freunde wieder finden wollen, brauchen wir einen Sammelort.
Ich schlage die Halle von Daath vor... sie liegt hier im Verborgenen, und
ich glaube nicht, dass die Jägerinnen davon wissen. Sie und Kenny wären dort
sicher, bis ich die anderen gefunden habe,“ brüllte Mo über die Schulter zurück.
Es gab nichts gegen Mos Vorschlag einzuwenden, daher folgten Wächter und Jägerin
einfach weiter dem Dämon, bis dieser stehen blieb, und ein Mosaik an der Wand
berührte. Offenbar gab er eine Art Code ein, denn ein geheimer Mechanismus
setzte sich in Bewegung, und das Wandrelief auf der gegenüberliegenden Seite
schob sich auseinander. Ein Tor öffnete sich....
Ohne
zu zögern, stürzte Mo durchs Tor ins Innere der Halle. Giles und Kennedy
folgten eilig und befanden sich auf einem schmalen Felsweg, ohne sich die Zeit
für ein genaueres Umsehen zu nehmen – so sehr waren ihre Kräfte aufgebraucht.
Sicherheit war jetzt eine willkommene Abwechslung. Giles wollte zwar noch nicht
ganz einsehen, wieso er tatenlos in dieser Halle von Daath herumsitzen sollte, während
die anderen draußen noch immer ihr Leben riskierten, aber schließlich musste er
im Stillen Mo recht geben – wenn sie alle versprengt herumirrten, hatten sie
keine Chance gegen die Jägerinnen.
Etwas ließ die kleine Gruppe auf einmal abrupt anhalten – Pferdehufe, die wie
Donnerschläge in der Eingangshalle widerhallten, ein fauliger Gestank und das
Schnauben eines zur Eile angetriebenen Pferdes. Ehe sie wussten, was da auf sie
zukam, hatte das Wesen sie schon erreicht. Ein gewaltiges Pferd mit einem riesigen
Reiter darauf, preschte an ihnen vorbei, streifte Mo, der gegen Kennedy
stolperte und sie zu Boden riss, während Giles eilig nach hinten sprang und
dabei derb gegen die Wand prallte.
Dann war der Reiter auch schon an ihnen vorbei und zum Tor hinaus. Es war zu
klein für ihn gewesen, doch er durchbrach die Wand, als wäre diese aus Staub,
und landete mit einem mächtigen Satz draußen auf der Straße.
Erstaunt, aber auch mit einem Hauch Panik ergriffen sahen sie dem Reiter
hinterher, der sein Pferd geschickt durch die Zerstörung lenkte, über Dämonen
hinweg zu fliegen schien und in der Dunkelheit von Malkuth verschwand.
....
Lily hatte dem Reiter
eher überrascht hinterher geblickt und in Erwartung der vollbrachten Tat, trat
sie eilige an den Rand der Plattform heran, um in die Tiefe nach Buffy zu
sehen.
Sie lebte noch immer!
Lily fühlte sich einem
wütenden Anfall nahe – Enttäuschung, Wut und das Gefühl von Versagen machten
sich gleichzeitig in ihrem Körper breit. Mit hasserfülltem Blick wandte sich
Lily einer Bewegung zu, die sie unter Buffy am Ausgang wahrnahm. Vielleicht kam
der Reiter zurück... doch enttäuscht sah sie nur drei Gestalten, die im
schwachen Licht der Halle nur schwer zu erkennen waren. Sie hielten an und
starrten zu Buffy hoch, ehe Lily ihre Blicke auf sich fühlte. Als die drei den
Pfad zur Plattform hinauf rannten, dachte sie für einen Moment an eine Flucht.
Doch es gab nur diesen einen Ein- und Ausgang. Sie war hier oben gefangen und
musste abwarten, was als nächstes geschah. Zur Vorsicht trat sie an die
Seilwinde, an der Buffy hing und setzte ihren Ritualdolch an.. sie wollte
vorbereitet sein.
Die Schritte kamen näher
und als die drei Gestalten bei ihr auftauchten zog sie scharf die Luft ein
und ihre Augen verfinsterte sich, als sie Giles, mit einer seiner Jägerinnen
erblickte, in Begleitung eines hünenhaften Dämons – dem Barbesitzer, wie ihr
gleich darauf einfiel.
„Lily?“, erstaunt blieb Giles stehen und starrte
die Engländerin an.
„Überraschung,“ sagte Lily sarkastisch, wobei
sich kein Lächeln auf ihrem Gesicht abzeichnete. Eigentlich hatte sie damit
gerechnet, dass die Jägerinnen ihren Job ein wenig besser ausführen würden....
Giles Blick fiel auf den Dolch in Lilys Händen
und zusammen mit der Robe und den blauen Zeichen in ihrem Gesicht, fiel es
Giles nicht schwer einen Teil davon zu erraten, was Lily hier getrieben hatte.
„Durchaus,“ pflichtete Giles ihr zu und zeigte
mit dem Finger auf die Waffe. „Was hast du jetzt wieder ausgeheckt?“
„Etwas, das du gar nicht so genau wissen
willst,“ antwortete Lily mit leicht gelangweiltem Tonfall.
„GILES? Beeilen Sie sich bitte...“, Buffy klang
ein wenig ungeduldig und es nützte ihr nur wenig zu wissen, dass drei ihrer
Freunde in letzter Sekunde aufgetaucht waren.
„Ja, ja, die geliebte Jägerin...,“ murmelte Lily
gepresst. „Noch einen Schritt näher und du wirst deine Lieblingsjägerin nie
wieder sehen. Lass die Axt fallen!“
Giles hielt inne und blickte von Lily zum Seil,
das um ein Gewinde gewickelt war und in die Höhe führte, wo es an einem Haken
endete und in eine Eisenkette überging, an der Buffy gut verschnürt hing.
Widerwillig ließ Giles die Axt zu Boden fallen.
„Ich hätte ja lieber gewusst, was das für’n
Ungeheuer war,“ nuschelte Kennedy Mo zu und behielt dabei Lily im Auge. Ihr Anblick
in schwarzer Robe und mit den blauen Zeichen im Gesicht, machte Kennedy recht
nervös.
„Buffy.. wir holen dich hier raus,“ rief Giles an Lily vorbei in
die Dunkelheit. Dann wandte er sich wieder Lily zu. „Hör zu Lily.. mit ist noch
nicht ganz klar, was du hier tust, oder getan hast. Aber offensichtlich hat es
etwas mit den Reitern zu tun. Aber dabei ist mir noch nicht ganz klar, was
dieser Kampf in dieser Stadt bedeuten soll, wieso Buffy...,“ Giles
gestikulierte zu dem Abgrund, während er hinter sich Mo spürte, der näher trat.
„Wenn er noch einen Schritt näher kommt, landet
Buffy im Höllenschlund,“ unterbrach die Wächterin barsch Giles Worte und
drückte den Dolch fester ans Seil. Mo verhielt in der Bewegung inne und trat
sogar einen Schritt zurück. Als Lily sich wieder sicherer fühlte, sah sie zu
Giles. Die Wut in ihren Augen war erloschen und das Gefühl von Niederlage und
Versagen klang ein wenig ab. Sie konnte Buffy noch immer töten, wenn auch von
eigener Hand – was ihr Giles wohl niemals verzeihen würde. Doch es gab keinen
anderen Weg mehr, den sie begehen konnte.
„Der Höllenschlund?“, fragte Giles erstaunt
nach.
„Oh ja, du hast richtig gehört. Dein ach so
gesuchter Höllenschlund lag die ganze Zeit direkt vor euch, und ihr wart alle
zu blind, um ihn zu erkennen,“ giftete Lily mit einer Spur Schadenfreude in der
Stimme. „Und was das hier anbelangt...du hast noch nie verstanden, um was es
wirklich geht. Du hast immer nur von Treue und Pflicht geredet, und dabei die
Ziele aus den Augen verloren. Treue und Pflicht alleine halten nicht das
Gleichgewicht. Während ich höhere Ziele verfolgt habe...“
„Macht,“
schlug Giles bissig vor und machte einen Schritt weiter auf Lily zu. Sie ließ
es geschehen, ohne eine weitere Drohung auszusprechen. Ihre Augen funkelten
einen Moment amüsiert auf, ehe sie Giles eine Antwort gab.
„Macht? Oh nein,“ Lily lachte auf und schüttelte
dann mitleidig den Kopf. „Du hast es tatsächlich nicht verstanden, um was es
mir geht. Macht war nur ein Mittel, um meine Ziele zu verfolgen....“
Mo gab Kennedy ein stummes Zeichen – ein Nicken
zur Wand – und Kennedy verstand sofort. Da Lily ihre Augen nicht von Giles nahm
und zu sehr in ihre eigene Worte verliebt war, konnten Mo und sie unbemerkt ein
paar Schritte in den Hintergrund treten und sich gegen die schwarze Wand der
Halle pressen. „Wenn er sie nur ein paar Schritte weglocken würde,“ flüsterte
Mo Kennedy zu. „Könnte ich Buffy befreien.“ Kennedy sah ihn zweifelnd an - Mo
kannte Lily nicht. Sie wollte sie auf keinen Fall unterschätzen.
„Ehm.. entschuldigt, wenn ich unterbreche,“ rief
Buffy ungeduldig von ihrer unbequemen Lage herauf. „Aber mir schlafen langsam
sämtliche Körperteile ein, wenn ihr euch nicht ein wenig beeilt.“
Weder Giles noch Lily reagierten auf Buffy,
während Mo den Versuch wagte, sich näher an der Wand an den Abgrund
heranzuschieben.
„Dein Weg? Du meinst das Ermorden von
unliebsamen Personen und das Spinnen von unverschämten Lügen, würde dich zurück
zu den alten Traditionen führen?“ Nun war es Giles der voller Sarkasmus war.
Doch Lily ließ sich davon nicht aus der Reserve locken. Stattdessen ließ sie
ihren Arm mit dem Dolch sinken und kam auf Giles zu.
Lily sah Giles tief in die Augen und wenige
Zentimeter vor ihm blieb sie stehen. „Nein, so einfach war dies nie. Auch nicht
für mich. Aber es war notwendig, wie so vieles andere auch. Ich bedauere davon
einiges, auch wenn du mir das nicht glauben wirst. Aber es ist so. Ich tue das
alles doch nur für uns, für den Rat, für das an was wir einmal geglaubt haben.
Wir waren nie so verschieden wie du vielleicht immer angenommen hast. Wir
genossen dieselbe Erziehung, nur haben dir die schrecklichen Ereignisse der
Vergangenheit einen anderen Weg gezeigt, als mir. Und es ist meine Aufgabe,
dich wieder auf den rechten Weg zu bringen.“ Lily senkte ihren Blick und Giles
wurde misstrauisch. Es gefiel ihm nicht, dass sie versuchte ihn und sich selbst
zu vergleichen. Er fühlte sich Lily gegenüber nicht im geringsten mehr als
Seelenverwandter.
„Die Lösung unserer Probleme war im Grunde so
einfach,“ sie wagte es rasch hinter sich in die Tiefe zu blicken, ehe ihre
Augen die von Giles erneut suchten, in denen Erkenntnis aufflackerte. Sie gab
ihm keine Gelegenheit etwas zu sagen, um von ihnen auf Buffy abzulenken. „Nur
wollte ich sie nicht sehen. Ich hätte mir viele Lügen und viel Leid erspart.“
Doch das sie mit nur einer einzigen Handlung - Buffy zu töten, um den Zauber
von Willow zu durchbrechen - dieses Ziel erreicht hätte, verschwieg sie ihm
lieber. Sie wusste, dass er es nicht verstehen wollte und konnte. Und unter
keinen Umständen wollte er sie wahrscheinlich zurück haben und doch wollte sie,
dass er eines wusste: „Ich möchte, dass du weißt, dass ich dich noch immer
liebe,“ sagte sie schließlich leise. „Und ich würde am liebsten mit dir gemeinsam
den Rat zu seinen Wurzeln zurückführen. Auch das wirst du mir natürlich nicht
glauben. Aber ich kann meine Gefühle nicht länger leugnen und ich kann es dir
nicht verdenken, wenn du mir gleich ins Gesicht lachst...“
Weiter kam Lily nicht, denn sie wurde in diesem
Moment von Mo gerammt, der Lilys Ablenkung dazu ausgenutzt hatte, sich den
beiden zu nähern. Lily ging zu Boden und Giles bückte sich sofort nach seiner
Axt, um die breite, scharfe Seite Lily gegen die Kehle zu drücken, als sie
versuchte ihren Dolch ihn Mos Richtung zu schleudern, der bereits an der Winde
drehte. „Das würde ich nicht wagen....“
„Du würdest mich nicht töten. Ich bin ein
Mensch... kein bösartiger Dämon...“, keuchte Lily, ließ aber ihre Hand wieder
sinken.
Auf Giles Gesicht machte sich ein sonderbarer
Ausdruck breit, als er für einen kurzen Moment das Gesicht von Ben vor sich
sah. „Ich würde es nicht darauf anlegen,“ warnte er leise Lily. „Wenn es der
einzige Weg ist....“
Kennedy kam zu ihnen und nahm Lily den Dolch ab,
den sie ihr ohne Widerstand überließ. Für einen Augenblick war Kennedy der
Versuchung nahe, Lily mit dem Fuß zu treten – einfach so. Für alles was sie
ihnen angetan hatte.. Eigentlich gab es keinen Grund, der sie davon abhalten
konnte, aber irgendwie fühlte sich Kennedy so, als würde sie sich damit auf
Lilys Ebene begeben. Daher trat sie einfach nur wieder einige Schritte zurück
und beobachtete Mo, der langsam aber stetig das Seil auf die Winde aufdrehte.
Malkuth,
Straße des Gehängten,
Etwas früher
Verdammt, Andrew, du Wahnsinniger, bist du wirklich in dieses
Chaos zurückgekehrt? Wie konntest du nur?
Wie konntest du mir das
nur antun?
Fieberhaft
schlängelte sich Warren zwischen dem Strom an fliehenden Dämonen hindurch,
wandte die Augen nach links und rechts, immer in der Hoffnung einen blonden
Haarschopf in dem Gewimmel zu erkennen. Andrew hier zu finden, käme einem
wahren Wunder gleich, doch er musste es versuchen, er hatte keine andere Wahl.
Nicht auszudenken, wenn...
Warum hast du mich nicht
erklären lassen?
Er
hastete weiter, versuchte nicht in die verzweifelten und schmerzverzerrten
Gesichter um ihn herum zu blicken. Wer hätte auch gedacht, dass seine
Informationen zu einem solchen Vernichtungskrieg führen würden? Das hatte er
doch überhaupt nicht wissen können, und es auch ganz bestimmt nicht gewollt. Es
war nicht seine Schuld.
Hörst du, Andrew! Es war
nicht meine Schuld!
Die
Wand zur Halle von Geburah war in sich zusammengefallen, als ob ein mächtiger
Dämon durch sie hindurch gebrochen wäre. Ohne einen Blick für die seltsamen
Zeichen auf den zertrümmerten Steinen rannte Warren hindurch, und sah zu seiner
Erleichterung, dass die Straße des Wagens leer war. Hier gab es keine
Flüchtenden mehr, und wie es schien, auch keine Jägerinnen.
Angestrengt
horchte er, doch in diesem Teil von Malkuth war es geradezu unheimlich still.
Nur von ferne, ein dumpfer Widerhall an den Wänden, erschallte der Kampfeslärm.
Das Tor zur
Halle von Binah war geschlossen, doch es ließ sich ohne Probleme öffnen. Von
hier aus würde er in den anderen Teil der Stadt gelangen, um dort weiterzusuchen.
Vielleicht hatte er Glück und Andrew war zu Hause? Inzwischen
musste er doch begriffen haben, dass er hier nichts ausrichten konnte! Vielleicht
war er vernünftig genug gewesen, sich zu verstecken.
Er
rutschte aus, und hielt sich in letzter Sekunde am Brunnen fest. Immer noch
sprudelte das Wasser aus der seltsamen steinernen Blüte, als wäre hier drinnen
die Zeit stehen geblieben. Aber es war kein Wasser, auf dem er ausgerutscht
war, das verriet ihm allein der Geruch.
Sie
lag hinter dem Brunnen, inmitten von Kristallen, seltsamen Kräutern, und Kerzen
von denen einige noch brannten, und einen schwach flackernden Schein
verbreiteten. Blut klebte an ihrer Kleidung und ihrem Haar, ein leises Wimmern
entwich ihrer Kehle. Ihre Augenlider flatterten unruhig, doch sie öffneten sich
nicht.
Er
blieb wie erstarrt stehen, und glaubte im ersten Augenblick an eine Täuschung.
Wie kam seine gefürchtete Erzfeindin hierher, wie konnte sie überhaupt von Malkuth
wissen? Warum war sie hier? Was war mit ihr geschehen?
Er
beugte sich hinunter, um ihr ins Gesicht zu sehen, und es war kein Zweifel
möglich. Dies war Willow, die verfluchte Hexe, die ihm das alles angetan hatte.
Bilder stiegen in seinem Kopf hoch, die wohlvertrauten Bilder seiner Alpträume,
der nächtliche Wald, die Todesangst, die rasenden Schmerzen, ihre kalten
gnadenlosen Augen. Und schließlich die Dunkelheit.
Wenn
irgendjemand an dieser ganzen Misere schuld war, dann war sie es! Mit ihr hatte
alles angefangen!
Hatte
sie Schmerzen? Gut! Sie verdiente diese Schmerzen, und sie verdiente noch mehr.
Sie war ganz allein und vollkommen hilflos, und niemand würde kommen, um sie zu
retten.
Genau
wie er damals....
Er
hatte kein Interesse, sich noch einmal mit der Superzicke und ihrer Gang
anzulegen, doch sie brauchten es ja nicht zu erfahren. Niemand würde es
erfahren. Niemand würde es jemals erfahren, am allerwenigsten Andrew. Sie alle
würden glauben, die Hexe wäre ihren Verletzungen erlegen. Mit Sicherheit würde
das sowieso geschehen, wenn er jetzt fortging, und sie ihrem Schicksal
überließ.
Aber
warum das Risiko eingehen?
Er
ging in die Knie, vorsichtig darauf bedacht, nicht mit dem Blut in Berührung zu
kommen. Ihr Gesicht schien so winzig, eine einzige Hand reichte vollkommen aus,
um ihr Mund und Nase zuzuhalten. Kaum zu glauben, dass diese zarte junge Frau,
dieses Mädchen dieselbe Person war, die ihn damals...
Er
wollte ihr ins Gesicht sehen, wollte dabei zusehen, wie der letzte Rest von
Leben aus ihr entwich, doch als ein plötzliches Zittern durch ihren Körper
lief, und sie um Atem kämpfte, wandte er die Augen ab, und sein Blick fiel
stattdessen auf das Mosaik am Boden. Eine Pflanze, die Knospen trug, in voller
Blüte stand, und schließlich wieder verwelkte, nur um ein Samenkorn abzuwerfen,
welches den Zyklus von neuem begann.
Ein
einzelner Blutstropfen war auf die Blüte gefallen, genau wie an dem Tag, als
Zaddik Bartholomew ihre Hände vereint, und ihre Herzen miteinander verbunden
hatte. Damals hatte er Andrew versprochen, dass er...
Seine
Hand bebte, und er zog sie zurück, löste sie vom Gesicht seiner Feindin. Er
spürte keinen Atem mehr an seinen Fingern, sie bewegte sich nicht, machte
keinerlei Versuche, Luft zu holen. Keinerlei Regung mehr in ihrem Körper, stumm
und schlaff wie eine verwelkte Blume...
Atme endlich! Verdammt,
du Miststück, atme!
Er
beugte sich über sie, öffnete ihren Mund, blies ihr die Luft zwischen die
Lippen. Der Blutgeruch stieg ihm in die Nase, ihm wurde schummerig zumute, und
er schloss die Augen, als er verzweifelt versuchte, ihr wieder Leben
einzuhauchen. Endlich, nach einer Ewigkeit, wie es schien, sog sie die Luft
ein, bäumte sich kurz auf, sank aber auf den Boden zurück ohne das Bewusstsein
wiederzuerlangen.
Da hast du’s, Andrew!
Jetzt behaupte noch einmal, ich hätte mich nicht geändert!
“Warren?“
Der
Klang seines Namens ließ ihn herumfahren. Für einen verzweifelten Augenblick
glaubte er Andrews Stimme zu hören, doch dann sah er Regil und Dozer hinter
sich stehen, beide außer Atem vom Rennen, einige Kratzer und Schrammen auf
ihrer ledrigen Echsenhaut. Ihre Blicke glitten erschrocken über die blutende
Gestalt am Boden.
“Das...das
ist keine von Ushers Jägerinnen,“ stammelte Regil, “sie gehört zu Buffy....“
“Buffy?“
Warren horchte auf. “Ist Buffy hier?“
Wenn
Buffy und ihre Gang hier waren, dann befand sich Andrew vermutlich bei ihnen.
Vielleicht wussten Regil und sein kleiner Bruder, wo sie zu finden waren.
“Ja,
sie sind alle hier, aber ich hab’ nur ihre Freundin gesehen, diese
Dunkelhaarige, und ihren schwarzen Wächter...das war in Tipharet...“
“Helft
mir,“ wies Warren die beiden Dämonen an. “Wir müssen ihre Blutung stoppen,
damit wir sie mitnehmen können.“
Hastig
zog er sein Hemd aus, und begann es zu zerreißen. “Dann gehen wir Buffy und
ihre Leute suchen...“
Buffys und Dawns Wohnung
Etwa zur selben Zeit
Die Schwester der Jägerin regte sich noch immer nicht,
als Caridad an ihrem Bett angelangt war. Mit der Hand fest um den gezogenen
Dolch lauschte sie noch einmal in die Stille der Wohnung. Gedämpft hörte man
Autos durch das Fenster, die unten auf der Straße vorbeifuhren. Sirenen waren
in weiter Ferne zu hören und das leise Ticken einer Uhr im Wohnzimmer von
Buffy und Dawn. Ansonsten war da nichts...
Caridad wollte nicht mehr länger zögern. Weiteres Nachdenken über die Richtigkeit
ihres Handelns barg die Gefahr in sich, dass das Mädchen aufwachte und sie
angreifen würde.
Mit dem gezogenen Dolch in der Hand, holte Caridad rasch aus, doch ehe sie
ihn mit voller Wucht wieder herunter
und in die Brust des Mädchens brachte, geschahen ein paar Dinge gleichzeitig:
Die
halb offene Zimmertür hinter Caridad wurde plötzlich unter gewaltiger Kraft
aufgestoßen, die Jägerin drehte sich dabei herum, wurde aber zu ihrer eigenen
Überraschung unter einer faltigen Gestalt begraben, die sie im selben
Augenblick noch ansprang.
Doch
der erste Moment der Lähmung ging vorüber - Caridad entwand sich geschickt dem
festen Griff des Dämons und zog ihre Beine unter dessen Körper an, um mit einem
Stoß das Wesen von sich herunter zu katapultieren. Der Dämon flog gegen Dawns
Schrank, dessen Tür unter der Wucht des Aufpralls nachgab und einbrach.
Caridad
griff fester um ihren Dolch und ging auf das faltige Wesen mit den gewaltigen
Schlappohren zu. Niemand sollte sie daran hindern Ms. Ushers Plan auszuführen.
Ein
Stöhnen vom Bett ließ die Jägerin jedoch inne halten. Mit einem raschen Blick
über die Schulter wollte sich Caridad versichern, dass Dawn zu keiner Gefahr
für sie werden konnte, musste aber erkennen, dass Dawn zu sich gekommen war und
nun aufrecht in ihrem Bett saß. Das Mädchen hielt sich den Kopf und schien
nicht zu bemerken was um sie herum geschah. Um sie konnte sich Caridad später
noch immer kümmern. Jetzt galt es erst einmal diesen lästigen Parasiten los zu
werden.
„Du
wirst mich nicht hindern,“ flüsterte Caridad bedrohlich und machte einen
Schritt auf den Dämon zu. „Ich werde meine Befehle ausführen, erst recht, wenn
es einen kleinen Bonus gibt - den Tod dieser Kleinen hier...“
Die
Worte ließen Dawn aufblicken und verwirrt sah sie zwischen dem Dämon, der aus
welchem Grund auch immer halb in ihrem Wandschrank lag und dem Mädchen, das für
Dawn ebenso überraschend in ihrem Zimmer stand, hin und her. War das nicht
Caridad? Noch mehr verwundert zog Dawn ihre Beine an sich heran. Caridad, die
so viele Monate mit all den anderen Anwärterinnen bei ihnen in Sunnydale
gewohnt hatte? Aber was machte sie hier? Und zwar genau hier – in ihrem Zimmer?
Der faltige Dämon war inzwischen wieder auf die Beine gekommen und versuchte
aus der Reichweite von Caridad zu gelangen. Doch Caridad war schneller – sie
warf mit dem Dolch nach dem Dämon. In letzter Sekunde warf sich dieser zur
Seite. Der Dolch blieb nur wenige Zentimeter neben dem linken Schlappohr im
Holz stecken, wo er leicht vibrierend langsam zur Ruhe kam.
„Was...
was geht hier vor,“ stöhnte Dawn unter Kopfschmerzen und schwang ihre Beine
aus dem Bett. „Caridad... was .. was habt ihr beide hier verloren? “
„Dieser
Dämon wollte dich aufschlitzen,“ sagte Caridad hastig, froh darüber, dass sie
den Vorteil, dass Dawn sie kannte, ausnutzen konnte. „Ich war hinter ihm her,
als er hier ins Haus stürmte und in deine Wohnung eindrang. Ich konnte ihn
gerade noch aufhalten.“
Dawn
sah ernst zu Caridad, aber sie fühlte sich nicht wirklich sicherer. Hatte
das Mädchen vorhin nicht irgendetwas von einem Bonus gesagt? Ihrem Tod? Oder
hatte sie sich nur verhört?
„Ich habe
überhaupt nichts versucht. Ich bin nur auf der Suche nach Buffy,“ verteidigte
sich der Dämon, der sich durch die Stimme als Dämonin verriet. Ihr besorgter
Blick fiel kurz zur offenen Tür.
„Ja,
um sie wahrscheinlich auch zu töten,“ giftete Caridad zurück.
„Nein,
weil wir ihre Hilfe brauchen.“
„Ich
verstehe immer weniger,“ sagte Dawn langsam ungehalten, stand auf, griff dabei
unter ihr Bett und zog ein Schwert hervor. „Der Vorteil eines
Jägerinnen-Haushaltes,“ grinste sie breit. Tief in sich fragte sich Dawn, ob
Caridad eine der Jägerinnen war, die auf Lilys Seite standen.
Wer
bist du?“ fragte Dawn die Dämonin und ließ dabei Caridad nicht aus den Augen.
„Bonita.
Clem schickt mich, wegen Buffy...“
„Clem?“,
Dawns Gesicht hellte sich auf. „Lange Ohren wie du, genauso faltig und immer
witzig drauf? Spielt gerne Karten um ... ehm.. kleine Kätzchen?“
„Genau
der Clem. Mein Mann,“ nickte Bonita sichtlich erleichtert, dass dieses Mädchen
Clem kannte und sie damit einen Pluspunkt gewann. Das Schwert machte sie doch
ein wenig nervös.
„Dann
würde ich jetzt gerne deine Variante hören,“ Dawn trat bedrohlich auf Caridad
zu. Etwas in den Augen des Mädchens gefiel Dawn überhaupt nicht. Sie waren leer
und doch huschte ein dunkler Schatten drüber, als würde noch etwas anderes in
diesem Mädchen leben – etwas dämonisches. Caridad war eindeutig nicht sie selbst.
Bonita
trat neben Dawn und gemeinsam starrten sie die Jägerin an.
Caridad
sah unsicher zwischen Dawn, Bonita und der Tür hin und her. Sie war stark, aber
gegen eine Jägerin UND einen Dämon würde sie es wohl nicht aufnehmen können.
Zudem steckte ihre einzige Waffe hinter der Dämonin im Wandschrank. Sie konnte
es versuchen... doch ob das so klug war, stellte sie in Frage. Den Pluspunkt
bei Dawn schien nichts mehr zu nützen, seit die Kleine wusste, von wem diese
Dämonin geschickt worden war.
Ohne
ein Wort zu sagen zog sich Caridad zur Tür zurück, und ließ dabei die beiden im
Zimmer nicht aus den Augen. An der Tür angekommen, drehte sie sich herum und
rannte zur Eingangstür, um aus diesem Haus zu fliehen. Als die Tür ins Schloss
fiel, setzte ein lautes, durchdringendes Geschrei an, das aus dem Wohnzimmer
kam und eine Mischung aus Babygeschrei, Quaken und dem Kläffen eines Welpen
war.
Doch
Dawn war noch zu schwach, um sich darüber den Kopf zu zerbrechen – denn kaum
war die Gefahr vorüber, ließ sie das Schwert aus ihrer Hand gleiten und ging
in die Knie. Hätte Bonita nicht schnell reagiert, wäre Dawn unsanft aufgeschlagen.
So fing sie die Dämonin sanft auf und zog sie zurück auf Dawns Bett.
“Kopfschmerzen,“ murmelte Dawn, die froh war, dass die Jägerin eben nicht
bemerkt hatte, wie unsicher Dawn eigentlich auf ihren Beinen gestanden hatte.
Ein leichter Kick hätte ausgereicht, um sie von den Füssen zu fegen. „Keine
Ahnung... warum,“ flüsterte sie weiter. Doch dann machte etwas Klick in ihrem
Kopf und sie sah sich mit Shin zusammen in diesem alten Bürogebäude... Lily...
Romero...D’Hoffryn...ein Bündnis...sie musste ganz dringend mit Buffy und Giles
reden!
„Ruh
dich aus,“ Bonita klopfte dem Mädchen freundschaftlich auf den Rücken und ging
zur Tür. Das Geschrei war inzwischen lauter geworden „Meine Tochter..
entschuldige... ich bin gleich wieder da.“ Bonita eilte in Sorge zum Sofa, wo
sie die kleine Clementine abgelegt hatte, als sie durch die offene Wohnungstür
bereits alarmiert auf das Schlimmste gefasst war. Clementine beruhigte sich
erst, als Bonita sie auf den Arm nahm und sie beruhigend hin und her
schaukelte. „Ist schon gut, meine Kleine. Mama ist ja wieder hier. Ist ja
nichts passiert.“ Mit Clementine auf dem Arm ging Bonita zurück in das
Schlafzimmer, wo sich das junge Mädchen gerade die Schläfen rieb. „Du hattest
übrigens Glück. Diese Jägerin wollte dich im Schlaf töten. Wäre ich nicht auf
der Suche nach Buffy gewesen und zufällig hier vorbeigekommen...“
„Sie
wollte was?“, entsetzt richtete sich Dawn auf und starrte Bonita an. Hatte
ihr Gefühl sie also nicht betrogen.
„Frag
mich nicht warum,“ zuckte Bonita mit den Schultern. Eine innere Unruhe ergriff
langsam Besitz von ihr. Wenn sie hier noch länger herumsaß, um mit diesem
Mädchen zu reden, würde in Malkuth Schlimmes passieren. Wenn es nicht schon
geschehen war. „Ich suche Buffy. Es ist dringend.“
„Buffy..
ist sie nicht hier?“, dumme Frage, dachte Dawn.. wäre diese Jägerin sonst
bis an ihr Bett gekommen? Vielleicht hätte sie ihrer Schwester bescheid geben
sollen, bevor sie mit Shin einfach loszog. Sicher machte man sich Sorgen...
Aber wahrscheinlich wollte ihr Buffy auch einfach nur Zeit lassen, um mit
Lilys Auftauchen im Wächterhaus klar zu kommen. Ansonsten hätten sie wohl
telefoniert. Aber vielleicht hing am Kühlschrank auch eine Notiz von Buffy.
„Nein
ist sie nicht. Aber wir brauchen sie.“ Bonita streichelte über Clementines
Gesicht, die inzwischen wieder ganz ruhig war und ihre Mutter aus wachen Augen
ansah.
„Wir?“,
verwirrt blickte Dawn zu Bonita und der kleinen 1 zu 1 Ausgabe auf ihrem Arm.
„Clem, du und eure.. eh.. Tochter? Ist etwas passiert?“ Dawns Verwirrung wuchs.
„So
könnte man es nennen,“ nickte Bonita zögernd.
„Vielleicht
kann ich euch ja helfen. Ich bin übrigens Dawn, Buffys Schwester. Ich bin auch
eine Jägerin.“
„Aber
du bist in keinem guten Zustand,“ wehrte
Bonita vorsichtig ab.
„Ach
das ist gar nichts. Wir Jägerinnen sind zäh. Die Kopfschmerzen sind schon
vorbei.“ Zum Beweis stand sie auf. Sie schwankte nicht und es stellte sich keine
neue Übelkeit ein. „Siehst du...“
„Na
gut,“ gab Bonita recht schnell nach. „Eine Jägerin ist besser als keine. Und du
bist dazu Buffys Schwester. Ich erkläre dir am besten alles unterwegs.
Allerdings - wir brauchen Waffen!“
Malkuth
Straße der Lust
Zur selben Zeit
Xander konnte seinen Augen nicht trauen. Vor wenigen Sekunden
hatte seine Freundin noch vor ihm gestanden, jetzt jedoch sah er sich mit
einem Dämon konfrontiert, dessen Größe und Stärke nichts, aber auch gar nichts
mehr mit Eve gemeinsam hatten.
Der Dämon lachte erheitert auf, nachdem der leblose Körper der Jägerin, die
es gewagt hatte anzugreifen, tot an der kalten Steinwand landete. Xander reagierte
noch immer nicht. Er verstand die Welt nicht mehr. Was hatte das zu bedeuten?
Was war mit Eve geschehen? Er hatte doch mit Willow und Faith überprüft, ob
Eve ein Mensch war.
Die gelben Augen der Dämonin richteten sich nun auf den Pfeil, der noch immer
in ihrem Bauch steckte. Das Wesen hob die rechte Hand, umfasste die Waffe
und zog sie mit einem Ruck heraus. Sie schrie kurz auf, schien sich dann aber
wieder zu fassen und warf den nutzlos gewordenen Gegenstand zu der ebenso
nutzlos gewordenen Jägerin an die Wand.
„Wer bist du?“, fragte Xander nun endlich. Er sah sich hastig um, erblickte
drei Schritte entfernt ein Schwert und hob dieses sofort auf. „WER BIST DU?!“,
schrie er ein zweites Mal.
Der Dämon musterte ihn langsam, lächelte plötzlich, und schien ihn zumindest
vorerst nicht anzugreifen.
„Dieser Körper… sie… hat dich gekannt…“, langsam kam sie auf ihn zu, woraufhin
er das Schwert hob und sich dazu bereit machte, zu kämpfen, wenn es sein musste.
„… sie hat dich… geliebt…“, Eve stand jetzt nur mehr wenige Meter von ihm
entfernt, nahe genug, um ihn mit ihren glitschigen, aber dennoch ziemlich
robusten Klauen zu berühren.
Der Dämon hob seine Hand, bedachte Xander dabei mit einem liebevollen Blick
und strich ihm langsam, zärtlich über die Wange. Sie sah ihm tief in die Augen.
Und für einige kurze Augenblicke schien er Eve, seine Eve, darin zu erkennen.
Doch dann war sie weg.
Der Dämon packte ihn am Hals, drückte die enorme Hand zusammen und schnürte
ihm damit jegliche Luftzufuhr ab. Das Schwert fiel ihm aus der Hand, während
sie ihn hoch hob, bis er mit ihr auf Augenhöhe war. Er krächzte, flehte um
Luft.
„Ich werde mich nicht von so etwas Lächerlichem wie dir aufhalten lassen,
du WURM!“, donnerte sie los. „Ich musste höllische Qualen erleiden, als ich
in diese Welt gekommen bin. Ich werde euch töten. Jeden von euch. Ihr seid
nicht mehr als primitives Fußvolk. Ihr steht unter mir. Wir haben die Erde
beherrscht. Wir werden sie wieder beherrschen!“
Xander zappelte, versuchte sich aus dem kräftigen Griff zu befreien, versuchte
nach ihr zu treten, versuchte mit aller Kraft, ihren Griff zu lösen, doch er
blieb erfolglos. Seine Luft wurde immer knapper. Seine Haut immer blasser. Er
versuchte zu schreien, schaffte es aber nicht mehr.
Malkuth / Erie See
Etwas später
Schaum trat inzwischen
dem Falber aus dem Maul und sein beiges Fell glänzte feucht, während der indianische
Reiter ihm immer wieder die bloßen Fersen in die Flanken trieb. Was ihnen
in den Weg kam wurde einfach überrannt, bis sie endlich einen Gang erreichten,
der frei von Dämonen zu sein schien und sich nach einigen Metern langsam nach
oben wandte. Doch Meile um Meile wurde der Höhlenpfad schmaler und bald streifte
der Reiter die Steinwand mit seinen Knien. Ungeachtet der Schmerzen trieb
er das Pferd weiter, bis er einsah, dass es kein Weiterkommen mehr gab.
Malkuth
lag inzwischen Meilen hinter ihm und es konnte nicht mehr weit bis nach draußen
sein, aber der Pfad war so schmal geworden, dass seine Schultern inzwischen den
kalten Stein berührten. Es gab nur einen Weg, um hier herauszukommen, um dem
Ruf seiner drei Gefährten zu folgen – er zog den Tomahawk aus seinem Gürtel und
streckte ihn vor sich schräg in die Höhe. Ein rötlich, brauner Blitz lief durch
seinen Arm, hinauf am Holzgriff in die Waffe, und weiter zur Decke des Pfades.
Ein leichtes Beben unter ihm brachte das Pferd und ihn ein wenig ins Wanken.
Das Pferd versuchte sogar ein wenig nach hinten auszuweichen, doch der Reiter
hielt es mit der freien Hand eisern am Zügel auf seinem Platz.
Das Beben nahm zu und erschütterte die tonnenschwere Steinmasse über ihm,
setzte sich in einer Welle fort, die schnell Besitz vom Erie See über Malkuth
nahm....
....
Cleveland
versuchte sich gerade an einem neuen Morgen von den gewaltigen Naturereignissen
des letzten Tages zu erholen, die der Stadt erhebliche Schäden zugefügt hatten.
Die Zeitungen waren voll mit Berichten über die Feuer im Hafen, dem Waldbrand
und dem Eissturm in Cleveland selbst. Berichte über Tote und Verletzte,
vermischt mit Vorhersagen über das weitere Wetter füllten die restlichen
Seiten. Die Menschen gingen bereits wieder ihrem Leben nach, als wäre nicht
erst gestern in der Innenstadt die Hölle los gewesen. Straßenarbeiter
beseitigten erste Schäden, Ampeln wurden repariert und neue Glasscheiben in
Cafés eingesetzt. Niemand rechnete mit diesem Erdbeben, das den See erbeben
ließ und die Löschschiffe, Schlepperkahne und Boote der Küstenwache und der
Polizei zum Kentern brachte. Die Welle setzte sich fort, brachte die
Aufräumarbeit im Hafen durcheinander und erreichte schließlich auch die Stadt –
Häuser erzitterten, Menschen wurden von ihren Füssen gerissen, Autos schoben
sich ineinander, Straßenabschnitte brachen ab, Brücken brachen in sich zusammen
...
....
Ein
Spalt bildete sich schräg über dem Reiter, durch den einzelne Wassertropfen
herunterfielen. Kleine Gesteinsbrocken
rieselten herunter und landeten auf seinem Haupt und seinen Schultern. Nach
und nach traten auch an anderen Stellen Risse auf und das Wasser kam in kleinen
Rinnsalen an den Wänden herunter gelaufen.
Ein gewaltiges Dröhnen begleitete die plötzliche Vergrößerung des Hauptrisses,
durch den daraufhin sich ein Schwall Wasser über den Reiter hinweg goss. Das
war für ihn das Zeichen – mit einem Tritt in die Flanken seines Pferdes, ein
Ruck an den Zügeln, stieg das Pferd nach vorne auf und schob sich mit seiner
gewaltigen Körpermasse durch den Riss nach oben. Steinsgebrocken, Erde und
Schutt stürzten nach unten auf den Pfad, begleitet von einer zunehmenden Menge Wasser,
die sich zu nächst in einer großen Pfütze auf dem Steinboden ansammelte. Die
Pfütze wuchs schnell zu einem kleinen See und durch die Risse drang immer
mehr Wasser ein, bis unter dem Druck der Wassermasse von oben sich ein Strahl
seinen Weg frei sprengte und als reißende
Wasserflut den Gang hinunter auf Malkuth zuschoss.
Im selben Moment brach der vierte und letzte Reiter durch die See-Oberfläche.
Wasser perlte über seine Haut und über das Fell des Pferdes ab, und Sonnenlicht
brach sich auf den Tropfen. Er stieg ungebremst nach oben auf, wo die anderen
drei auf ihn warteten. Als er sie erreicht hatte und sich mit ihnen vereinte,
zogen sie eine letzte Runde über den See und
„ritten“ dann in Richtung Cleveland los.
Der Himmel hinter ihnen begann sich zu verdunkeln.
Akt 2
Halle von Daath
Ein paar Minuten später
Mit
einem letzten, kraftvollen Ruck sprengte Mo die letzte Kette um Buffys Körper,
die sofort anfing auf und ab zu springen, wobei sie ihre Körperglieder ausschüttelte,
um das taube Gefühl los zu werden. Mo bugsierte sie dabei sanft vom Rand des
wieder entdeckten Höllenschlundes weg, dem sie gefährlich nahe stand.
Kaum
fühlte sich Buffy wieder soweit fit, dass sie sich auf ihre Umgebung
konzentrieren konnte, trat sie mit ernstem Gesichtsausdruck auf Giles zu.
„Geben
Sie mir die Axt,“ verlangte Buffy ohne sich lange mit Worten aufzuhalten und
streckte ihre Hand fordernd aus.
Giles,
der zunächst erleichtert Buffy entgegen geblickt hatte – froh, dass ihr nichts
passiert war - kniff die Augen etwas zusammen. Er glaubte in Buffys Blick etwas
zu erkennen, was ihm nicht gefiel: Hass und Wut.
„Du
weißt, dass ich das nicht tun kann,“ sagte Giles bedacht, aber bestimmt.
Natürlich verstand er sie auch ein Stückweit... aber das, was sie im Moment mit
ihren Augen ausdrückte, würde zu weit gehen.
„Mir
ist völlig egal, was Sie können oder nicht. Diese Wahnsinnige wollte erst vor
Wochen Dawn töten, jetzt mich. Wie viele Gründe muss Lily Ihnen noch bieten,
bevor Sie einsehen, dass sie ein Recht auf eine faire Behandlung verloren hat?“
„Sie.. sie ist
ein Mensch,“ Giles sah Buffy fassungslos an. „Wir haben kein Recht über einen
Menschen zu urteilen – jedenfalls nicht auf diesem Weg. Das weißt du selbst.
Wir können sie mit unseren Beweisen der Polizei übergeben, aber damit endet
unsere Pflicht. Wir sind nur da, um unsere Aufgabe, die Welt vor Dämonen zu
beschützen, gerecht zu werden,“ letzteres sagte Giles etwas leiser und wagte
dabei nicht Mo anzublicken. Irgendwie klang dieser Satz selbst für ihn hohl und
leer. Eine bedeutungslose Floskel, an die er sich wohl als Wächter noch immer
zu klammern schien, um den Kampf, den sie täglich kämpften zu rechtfertigen,
auch wenn ihn die Erfahrung mehr als nur einmal etwas anderes gelehrt hatte. Mo
sagte jedoch nichts dazu.
„Das
hat Sie bei Ben nicht gestört,“ erwiderte Buffy schneidend. Ihre Augen waren
auf Lily gerichtet, die noch immer unter Giles Axt lag und sich nicht zu rühren
wagte. Buffy wünschte sich Angst auf ihrem Gesicht zu erkennen, aber da war
nichts. Absolut nichts.
„Das
war etwas völlig anderes. Von Lily hat keine bösartige Halbgöttin Besitz ergriffen.“
„Aber
auch sie strebt einen Weltuntergang an,“ sagte Buffy scharf, ehe sich ihr
Ausdruck in den Augen veränderte und sie Giles sanft ansah. Sie legte dabei
Giles beruhigend eine Hand auf seine, die die Axt hielt. „Ich weiß, was Lily
für sie bedeutet hat oder noch bedeuten mag. Und ich weiß bestimmt besser als
jeder andere auf der Welt, was es heißt zu erkennen, dass jemand, den man liebt
plötzlich nicht mehr er selbst ist und böses tut. Sehr viel böses. Es tut weh
ihn zu verlieren,“ Giles hob seine Augen und begegnete denen von Buffy. In
diesem kurzen Blick zwischen den beiden wurde alles weitere stumm gesagt, was
notwendig war, um Giles einsehen zu lassen, dass Buffy ein Stück weit recht
hatte. Er konnte Lily nicht mehr länger schützen. Sie war zu weit gegangen,
hatte zu viel riskiert...
„Gerade
weil kein Dämon oder Halbgöttin in Lily steckt, ist sie für ihr Handeln alleine
verantwortlich,“ fuhr Buffy fort und zog ihre Hand zurück. „Sie hat jeglichen
Kodex gebrochen, auch wenn sie selbst darauf herumreitet, für die alten Regeln
einzutreten. Wussten sie, dass sie all diese Jägerinnen hier mit einem
gefährlichen, uralten Dämon verflucht hat, der sie gehörig und gefügig macht?
Das sie all diese Jägerinnen bewusst hier unten in den Tod geführt hat, um sie
los zu werden? Um uns dabei los zu werden? Dass sie wusste, wo der
Höllenschlund lag und der vierte Reiter versteckt wurde? Sie hätte uns darüber
informieren müssen. Aber es war ihr egal. Es ist ihr noch immer egal.
Hauptsache ihr großes Ziel,“ diese Worte sprach Buffy verächtlich aus. „Wird
erreicht. Sie wollte mich von diesem Reiter ermorden lassen. Ja nicht die Hände
selber schmutzig machen, nicht wahr Lily?“
Giles
wusste nicht mehr, was er Buffys Worte entgegen zu setzen hatte. Sie hatte
ja recht. Lily war eine Gefahr für sie alle. Offensichtlich begriff sie noch
immer nicht, was die Reiter bedeuteten. Oder wollte Lily die Apokalypse, um
die Jägerinnen gemeinsam in die Schlacht zu schicken, um sie zu vernichten,
sie zu dezimieren, wenn ihr Plan, Buffy zu beseitigen, nicht funktionieren
sollte? Giles Gedanken kreisten um die denkwürdigsten Theorien, aber letztendlich
würde nur Lily ihre Fragen beantworten können.
Lily
zog es jedoch vor zu schweigen. Sie verstand Buffys Wut, aber sie hatte gelernt
die junge Frau einzuschätzen. Buffy würde nie etwas tun, mit dem sie ihr
Gewissen belasten musste. Sie war so gut wie in Sicherheit...
„Buffy..
wenn wir sie ... wenn du sie...uhm.. ermordest... dann kann sie uns keine
wichtigen Fragen mehr beantworten.“
„Ermorden?“,
nun war es Buffy, die Giles erstaunt anblickte und fast gelacht hätte, wäre
die Situation in der Halle von Daath nicht so verdammt ernst gewesen. Sicher,
sie hatte vorhin von Angel gesprochen... aber sie brachte damals ein seelenloses
Monster um.. jedenfalls hatte sie das gedacht. Lily war ein Mensch.. genau
wie Giles selbst gesagt hatte. „Natürlich
nicht, Giles! Ich wollte ihr nur ein wenig Angst machen. Aber Sie haben recht,
fesseln wir sie und bringen sie in die Zentrale. Ich hätte da nämlich ein
paar interessante Fragen an Sie, Lily.“ Buffys Augen blitzten drohend auf
und als Giles schließlich ein Einsehen hatte und Buffy den Griff der Axt zu
drehte, nahm sie diesen mit einem leichten, dankend Kopfnicken an.
„Stehen
Sie schon auf,“ fuhr Buffy Lily an und nahm die Schneide der Axt von Lilys
Hals. Unsicher kam die Wächterin auf die Beine, rieb sich die gerötete Stelle
am Hals und sah ein wenig ratlos zwischen den Anwesenden hin und her.
Mo
griff nach den gesprengten Ketten und ging gerade auf Lily zu, als Schritte,
hastige und eilige, zu ihnen vordrangen. Gleich darauf stolperte ein völlig
durchnässter Egothil-Dämon den Pfad zur Plattform hinauf.
„Endlich..
ich habe dich gefunden Zaddik,“ sprudelte es aus dem Wesen hervor. „Ihr müsst
schnell mitkommen, bevor wir endgültig verloren sind.“
„Was ist
passiert?“, Mo vergaß für einen Moment Lily und trat auf den Dämon zu, der am
ganzen Leib zitterte und sich dabei immer wieder ein stachliger Haarkamm
aufrichtete und wieder einklappte.
„Wasser...,“
brachte der Egothil-Dämon bibbernd hervor. „Wasser.. überall in Malkuth. Von
irgendwoher dringt Wasser ein und überflutet alles.“
Buffy,
Kennedy und auch Giles sahen sich beunruhigt an, während sie dem was der Dämon
zu sagen hatte, zuhörten. Keiner bemerkte, wie Lily die Situation ausnutzte, um
sich Schritt für Schritt in das Dunkle der Halle zurückzuziehen, um sich zum
Pfad zu schieben. Als sie dort ankam, hastete sie eilig und leise den Pfad nach
unten zum Ausgang.
„Wir
müssen sofort hier raus und nachsehen,“ drängte Mo. „Es ist besser wenn ihr
mitkommt und wir unterwegs eure Freunde einsammeln. Ich muss mich erst über die
Lage informieren.“
„Einverstanden,“
meinte Buffy. „Vielleicht können wir irgendwie helfen,“ mit diesen Worten
wandte sie sich der Stelle zu, an der noch vor einer Minute Lily gestanden
hatte. „Verdammt.. wo ist sie hin?“
„Abgehauen,“
schlug Kennedy wenig hilfreich vor und deutete über den Rand der Plattform.
„Verdammt...
ich sollte ihr sofort...“
„Nein,
Buffy.. lass es gut sein,“ fiel ihr Giles ins Wort. „Weit kann sie nicht
kommen. Sie kennt sich sicher nicht hier unten so gut aus. Und wir werden einen
Weg finden, um sie aufzuhalten. Kümmern wir uns erst um wichtigeres.“
Strasse der Lust
Zur selben Zeit
Der Dämon betrachtete Xander lächelnd, sah ihm beim Sterben
zu wie ein kleines Kind einem Insekt. Er war eine Gefahr für sie. Die Stimme
in ihr war noch nicht verstummt. Die eigentliche Besitzerin des Körpers liebte
diesen Mann. Er war ihr Halt. Sie kämpfte. Für sich selbst, und für ihn. Wenn
er gestorben war, noch dazu durch ihre Hände, würde diese Schlampe wenigstens
so lange Ruhe geben, bis der Dämon wusste, wie der Aufenthalt in der Hülle
permanenter gestaltet werden könnte.
„EVE, hilf… mir!“, stammelte Xander hervor, brachte dafür seine letzten Kräfte
auf, und sah sich schon sterben, als plötzlich wieder eine Veränderung in
dem Dämonen vorzugehen schien, und ihn darauf wieder die Augen von Eve anstarrten.
Sie waren erfüllt von Angst, irrsinniger Angst, Sorge und wahnsinniger Anstrengung.
Aber nur kurz. Jedoch lang genug, um den Griff zu lockern und ihm damit das
Leben zu retten.
Xander knallte hart zu Boden, während sich rund um ihn die Stadt zu drehen
schien. Trotz allem kämpfte er sich hoch, torkelte benommen nach hinten, versuchte
so weit wie möglich von dem Dämon weg zu kommen.
Er wusste nicht genau, was da vor ihm stand, aber seine Eve schien noch zu
leben. Vielleicht. Er musste versuchen sie zu retten.
Der Dämon schien sich nach einem kurzen, inneren Kampf wieder gefasst zu haben,
fixierte ihn nun hasserfüllt, und stürmte auf ihn zu.
Xander
griff wieder nach dem Schwert, torkelte aber noch immer stark schnaufend umher.
Nur mit Mühe und Not schaffte er es, sich im letzten Moment nach rechts zu
drehen, und damit dem Angriff auszuweichen. Die Waffe rutschte ihm dabei wieder
aus der Hand, und kurz fürchtete er, ohnmächtig zu werden.
Der Dämon schrie wütend auf, und Xanders Schicksal schien besiegelt zu sein.
Benommen stützte er sich an einer Wand neben ihm ab und rang noch immer nach
Luft. Plötzlich wurde die gesamte Höhle von einem lauten Rauschen erfüllt.
Verwirrt sahen sich sowohl Xander als auch der Dämon um.
Völlig unerwartet schoss wie aus dem Nichts eine Unmenge Wasser aus einem
der Gänge, erfasste Eve und riss sie mit sich. Xander sah ihr nach, fragte
sich, wo die Wassermassen plötzlich herkamen, und dankte Gott, dass nicht
er in dieser Verzweigung gestanden hatte.
„Eve...“, flüsterte er, als er den dunklen Gang hinab blickte, in den der
Dämon gespült wurde, und rieb sich dabei den roten Hals. Er schwor sich, sie
nicht so sterben zu lassen. Sie war noch nicht tot und er würde ihr das Leben
retten. Irgendwie…
Doch
jetzt galt es erst einmal in Erfahrung zu bringen was hier geschehen war und
wo die anderen waren. Vielleicht fand er jemand, der mit ihm nach Eve suchte.
Es ging ja nicht nur darum die Frau zu retten, der er nach Anya eine Chance
gegeben hatte und die er liebte, sondern auch einen Dämon unschädlich zu machen,
der eine unvorstellbare Gefahr für sie alle darstellte. Als hätten sie nicht
schon genug Sorgen.
Das
Wasser schoss noch immer aus dem Gang und suchte sich seinen Weg durch die
anderen Gassen und Gänge. Xander hatte mühe auf den Beinen zu bleiben und
kämpfte sich seinen Weg in eine Richtung, von der er glaubte, das sie sicherer
war und ihn möglicherweise zurück zu dem Ausgangspunkt brachte, wo er die
anderen verloren hatte.
Um
so weiter er ging, um so belebter wurde es wieder. Doch dieses Mal flüchteten
die Dämonen nicht vor Waffen schwingenden Jägerinnen, sondern vor dem Wasser,
das langsam besitzt von Malkuth zu nehmen schien. Und es stieg an. Manche
Treppen waren bereits überflutet und viele Dämonen, die ihre Haustüre öffneten
erlebten eine nasse Überraschung.
Ein
kleiner, feuerroter Dämon schoss aus einem Gang und rannte Xander fast über den
Haufen, der sich gerade noch an einem Straßenmast festhalten konnte.
„’Tschuldigung,“
nuschelte der Dämon, ohne Xander genauer zu mustern und wollte schon wieder
weiter. Doch Xander hielt ihn rasch am Ärmel fest.
„Nichts
zu entschuldigen. Aber sag mal, was geht hier vor? Woher kommt das ganze Wasser?“
„Wenn
ich das wüsste, würde ich nicht weglaufen, sondern etwas dagegen tun,“ war die
leicht gereizte Antwort des Dämons und seine Haut nahm eine dunkelrote Tönung
an. Xander hielt es für klug ihn loszulassen. Schon war der Dämon im nächsten
Gang verschwunden und Xander war noch immer so schlau wie vorher.
Egal
welchen Dämon er auf seinem Weg traf, niemand konnte oder wollte ihm seine
Frage beantworten. Wahrscheinlich waren sie genauso überrascht und verwirrt wie
er selbst.
Wo
genau er sich befand war ihm ein ebensolches Rätsel.
Als
er eine breitere Straße erreichte, drehte er sich hilflos um die eigene Achse.
Egal welchen Weg er nahm, es würde ihn sicher nicht zu seinen Freunden führen.
Wenigstens war hier das Wasser nicht so hoch, wie in dem Bereich der Stadt, wo
er auf Eve gestoßen war. Er hatte die Umdrehung fast abgeschlossen, als er in
der Menge eine größere Bewegung entdeckte und genauer hinsah. Er erkannte Mo an
der Spitze und dahinter Buffy... Gott sei
Dank.
Bei
dem Versuch sich einen Weg zu ihnen zu Bahnen hob er die Hände und rief
verzweifelt Buffys Namen, die ihn auch zu hören schien. Mo blieb jedenfalls
stehen und blickte über die Köpfe der anderen Dämonen in seine Richtung.
„Gott
sei Dank hab ich euch gefunden,“ stöhnte Xander erleichtert auf, als er sie
erreichte und neben Buffy auch noch Giles und Kennedy erkannte. „Ich dachte
schon ich hätte mich völlig verlaufen.“
„Hast
du jemand von den anderen gesehen? Faith, Ronah...,“ fragte Buffy sofort und
runzelte dann die Stirn. „Was ist den mit dir passiert... dein Hals ist irgendwie...“
„So
rot und gequetscht,“ fragte Xander sarkastisch zurück und fuhr sich über die
schmerzende Stelle am Hals. Buffy nickte und Giles machte ein besorgtes
Gesicht. „Eve. Aber das ist ein wenig kompliziert. Sagt mir lieber was hier los
ist. Wo kommt das ganze Wasser her?“
„Lily
hat den vierten Reiter befreit,“ erklärte Giles knapp. „Und kurz nachdem er
seinen Weg in die Freiheit nahm, kam das Wasser. Wir vermuten, dass er etwas
damit zu tun hat.“
„Es
würde sich mit den Beobachtungen der anderen decken,“ nickte Mo nachdenklich
und dachte an die bruchstückhaften Berichte der Dämonen, denen sie begegnet
waren. „Aber lasst uns weiter gehen. Wenn wir die Halle von Tipharet erreicht
haben, können wir reden. Auch über... Eve?“
„Eve,
richtig,“ Xander machte ein düsteres Gesicht. „Meine Freundin. Oder vielleicht
sollte ich lieber Ex-Freundin sagen...,“ murmelte er mehr zu sich. „Sie hat
sich verwandelt - in ein gigantisches, schleimiges Monster und will alle und
jeden töten.“
Buffy
musste unweigerlich grinsen, auch wenn die Sache natürlich ernst war. „Hm...
damit dürfte sich Eve in deiner Sammlung von Gottesanbeterinnen, Mumien und
Rachedämoninnen gut machen.“
„Sehr
witzig, Buff.. wirklich sehr witzig,“ stöhnte Xander. „Mir wäre es lieber, sie
wäre einfach nur Eve geblieben.“
“Aber sie ist doch ein Mensch. Du hast das doch geklärt,“ ratlos sah Buffy
ihren Freund an.
„Das
dachte ich auch. Aber irgendetwas muss passiert sein. Ich muss es herausfinden.
Vielleicht hat sie jemand verhext, oder ein Dämon hat Besitz von ihr
ergriffen,“ versuchte Xander eine Lösung zu finden.
„Noch
eine Bedrohung mehr“, seufzte Kennedy, die etwas irritiert von dem kleinen
Scherz von Buffy zwischen Xander und der anderen Jägerin hin und her blickte.
„Apropos
Bedrohung,“ Buffy machte ein düsteres Gesicht und deutete in einen Gang rechts
von ihnen, wo gerade Warren in Begleitung von Regil und Dozer auftauchten. „Was
macht er hier und wieso haben sie Willow?“
„Willow?“,
Kennedy trat neben Buffy und erkannte sofort die schlaffe, regungslose Gestalt,
die die drei zwischen sich trugen. „Wenn er ihr nur ein Haar gekrümmt hat,
bring ich ihn um.“
„Ich
denke nicht, dass er ihr etwas getan hat,“ beruhigte Mo. „Regil und Dozer haben
das sicher nicht zugelassen.“
„Wenn
sie von Anfang an dabei waren,“ merkte Buffy skeptisch an und eilte mit Kennedy
und Xander auf die drei zu, um sie in Empfang zu nehmen.
Warren
sah sofort die beiden Jägerinnen und hielt an. Erleichtert, endlich die Last
loszuwerden, aber auch ein wenig ängstlich darüber, was die beiden
fälschlicherweise dachten. Regil und Dozer wurden gezwungen stehen zu bleiben,
wollten sie nicht riskieren, dass die Hexe zwischen ihnen, zu Boden fiel.
„Was
habt ihr mit Willow gemacht,“ herrschte Kennedy sofort die kleine Gruppe an.
Schuldbewusst sahen sich Regil und Dozer an, ehe sie gemeinsam ihren Blick auf
Warren richteten.
„Nichts,“
beeilte sich Warren zu sagen. „Gar nichts. Ehrlich. Sie war schon so, als
ich sie gefunden habe. Ich habe nur mit meinem Hemd ein paar blutige Verletzungen
versorgt. Und dann haben wir nach euch gesucht, um sie euch zu überlassen.
Ich will nur nach Andrew suchen mehr nicht. Und schon gar nicht will ich Ärger
mit euch haben.“
„Sie
lebt,“ sagte Buffy erleichtert, die inzwischen nach Willows Puls gefühlt hatte.
„Überlasst sie uns.“ Kennedy und Buffy packten Willow und nahmen sie vorsichtig
den drei ab. „Wir bringen sie von hier weg...“
„In
ein Krankenhaus,“ schlug Xander vor.
„Okay, macht das,“ sagte Warren. "Eh.. hat jemand von euch Andrew gesehen?"
Xander als auch Buffy schüttelte den Kopf.
"Na
ja," Warren machte einen Schritt nach hinten und zog sich dabei langsam
in die belebte Gasse zurück. „Ich eh... such dann mal weiter. Vielleicht könnt
ihr ihm, wenn ihr Andrew seht, von mir... oder besser nicht. Vergesst es einfach.“
„Wir
bringen eure Freundin erst einmal in die Halle von Tipharet und dann sehen wir
weiter,“ sagte Mo bestimmend, der mit Giles zu ihnen getreten war. „Ihr zwei
kommt am besten mit,“ befahl er Regil und Dozer, die zustimmend nickten.
Mit
Mo wieder an ihrer Spitze setzte sich die inzwischen gewachsene Gruppe wieder
in Bewegung...
Malkuth,
Straße des Eremiten
etwas später
Wo waren Sundari und die
anderen hingerannt? In dem dunklen Gang konnte Andrew kaum etwas erkennen.
Nur einige wenige Fackeln brannten noch an den Mauern, und einmal schlugen
Flammen aus einem Haus.
Kein
Kampfeslärm. Offenbar waren in diesem Teil der Stadt keine Jägerinnen mehr.
Bedeutete das, dass alle Dämonen bereits tot waren? Er wollte gar nicht daran
denken!
“Andrew?“
Jemand rief seinen Namen, als er die Halle von Tipharet erreichte, und
unvermittelt sah er sich Buffy, Giles, Kennedy, Mo, Xander, und einer
verletzten Willow gegenüber. Weiter hinten in der Halle konnte er eine Gruppe
von weiteren Dämonen erkennen, welche sich um Sundari und die anderen Kinder
kümmerten.
“Buffy,
was ist passiert? Sind Lilys Jägerinnen noch hier? Seid ihr verletzt, oh Gott,
was ist mit Willow? Wo sind Faith und die andern?“
“Ich
kann dir leider nur die Kurzfassung geben,“ wehrte Buffy seine Fragen ab. “Es
ist unheimlich viel passiert, und wir müssen schleunigst...“
“...Willow
ins Krankenhaus bringen,“ unterbrach Giles. “Sie ist lebensgefährlich verletzt.
Wenn Warren sie nicht gefunden hätte...“
“Warren
ist hier?“ fragte Andrew erschrocken. “Aber das kann nicht sein!“
“Du
kannst mir glauben, er ist der letzte Mensch auf dieser Welt, von dem wir
irgendwelche Hilfe erwartet hätten,“ entgegnete Buffy, “nun gut, der Vorletzte.
Du kannst dir also zu deinem guten Einfluss gratulieren. Mo, hör zu,“ sie
wandte sich an den bärtigen Dämon. “Ich weiß, ihr steckt hier noch bis zum Hals
in Problemen, aber wir können im Moment nicht mehr für euch tun. Wir müssen uns
um Willow kümmern, und um die Reiter, bevor sie alles in Schutt und Asche
legen. Wir werden zurückkommen und euch helfen, wenn wir – entschuldige, das
klingt kitschig – die Welt gerettet haben. Bitte versteh’ mich nicht falsch,
ich muss solche Entscheidungen treffen.“
Der
Dämon nickte langsam. “Ihr habt schon genug für uns getan, du und deine
Freunde,“ sagte er und sah mit traurigem Blick auf das Chaos um sie alle herum.
“Wir werden jetzt versuchen, die Verletzten einzusammeln, und zu versorgen. Und
wir müssen etwas wegen des Wassers tun...“
“Falls
wir Faith und die anderen nicht wie verabredet am Ausgang treffen, müsste
jemand von uns hier bleiben und nach ihnen suchen,“ überlegte Buffy, “aber das
besprechen wir noch.“ Sie wandte sich ab, eine grimmige Entschlossenheit in
ihrem Blick. Die anderen folgten ihr, als sie mit schnellen Schritten die Halle
durchquerte.
“Aber...“
begannen Andrew und Xander gleichzeitig, doch sie schnitt ihnen das Wort ab.
“Ich erkläre euch alles auf dem Weg, wir haben schon zuviel Zeit verloren.“
“Was
immer es ist, ich kann hier jetzt nicht weg,“ protestierte Andrew. “Du siehst
doch, was los ist!“
“Andrew,
Lily hat den vierten Reiter befreit, und wenn wir jetzt nicht handeln, stehen
wir vor dem nächsten Weltuntergang. Wir können jetzt auf niemanden verzichten,
und deine Hilfe brauchen wir bei der Recherche – was ist, wenn wir wieder auf
dämonische Sprachen stoßen? Du kannst uns jetzt nicht hängen lassen!“
“Es
tut mir leid!“ Andrew war den Tränen nahe. “Es tut mir so leid, Buffy. Aber
ich kann mein Zuhause nicht im Stich lassen!“
“Buffy.“
Xander legte eine Hand auf die Schulter der Jägerin und zwang sie sanft zum
Stehen bleiben. “Du kannst diese Entscheidung nicht für uns alle treffen. Bitte
versteh’ das!“
“Willst
du uns jetzt auch noch im Stich lassen!“ rief sie aufgebracht. Andrew war eine
Sache, aber Xander? Bisher war er noch bei jeder Apokalypse an ihrer Seite
gestanden. Nun gut, nicht bei jeder, aber dass er ihr jetzt den Rücken
zuwandte, nachdem Lily sie beinahe...
“Buffy,
Eve ist hier. Ich weiß nicht, wie und warum, aber hier stinkt etwas ganz
gewaltig, und ich muss mich drum kümmern.“
Nein,
hier ging es nicht darum, jemanden im Stich zu lassen, sie durfte nicht so
egoistisch denken. Andrew und Xander hatten sich ihre Entscheidungen sicher
nicht leicht gemacht, sie mussten denjenigen helfen, die ihre Hilfe jetzt am
meisten benötigten...
“Ich
werd’ ganz bestimmt auf mich aufpassen,“ versprach Xander, als er seine
Freundin zum Abschied umarmte. “Sorg’ du nur dafür, dass Willow
schnellstmöglich Hilfe bekommt.“
Buffy
nickte, sie war so bewegt, dass sie nicht sprechen konnte.
Xander
stieß hörbar die Luft aus, und blickte seinen Freunden nach, als sie die Halle
verließen. Giles und Buffy, welche die bewusstlose Willow zwischen sich trugen,
warfen ihm und Andrew noch einmal besorgte Blicke zu, bevor sie durchs Tor
traten, gefolgt von Kennedy, und dabei von der Dunkelheit verschluckt wurden.
Andrew
dagegen wich seinem Blick aus, doch er schien sehr nachdenklich geworden zu sein.
Als sie gemeinsam zu Mo zurückgingen, hatte Xander zum ersten Mal seit langem
das Gefühl, dass sich die Spannungen zwischen ihnen etwas gelöst hatten.
Vielleicht lag es aber auch nur daran, dass ihre Gedanken jetzt bei so viel
wichtigeren Dingen waren. Wie unsinnig war ihr Streit angesichts einer solchen
Katastrophe.
“Ich
hab’ leider schlechte Nachrichten,“ wandte sich Andrew an Mo. “Ich bin vor
kurzem noch auf eine Gruppe Jägerinnen gestoßen, es kann sein, dass sie noch in
der Stadt sind. Wir sollten auf alle Fälle vorsichtig sein.“
“Das
kann ich noch toppen,“ fügte Xander hinzu. “Ein unglaublich starker und
mächtiger Dämon, welcher noch vor kurzem meine äußerst menschliche Freundin
war, rennt hier in der Stadt rum, und schlägt alles kurz und klein...“
Mo
blickte von einem zum anderen. “Sieht nach einem arbeitsreichen Tag aus,“
entgegnete er düster.
Erie-See
Derselbe Morgen, etwas später
Dawn und Bonita, mit
Clementine auf dem Arm, kamen endlich am Ufer des Sees an. Sie hatten auf
dem Weg hier her eine Spur der Zerstörung gesehen, und Dawn war sehr verwirrt.
Ihr Entsetzen und die Verwirrung wurden nicht besser, als sie am Ufer anhielten.
„Meine
Güte...,“ Dawn atmete hörbar entsetzt ein und verharrte regungslos, als sie von
ihrer Stelle aus die vier Reiter über dem Erie kreisen sah und die Zerstörung
am Ufer, auf See und in der Entfernung im Hafen erblickte. „Was ist hier nur
geschehen?“
Bonita
presste die kleine Clementine fester an ihre Brust, als sie ihre Augen in der
Umgebung herum schweifen ließ. „Ich will gar nicht wissen, wie es inzwischen in
Malkuth aussieht.“
„Das
waren nicht die Jägerinnen,“ sagte Dawn bestimmt und zeigte zu den gekenterten
Booten auf dem See. „Das hat mit ihnen nichts zu tun.“ Ihre Augen verfolgten
die vier Reiter, die sich formierten und auf die Stadt zu ritten. Oder sollte
sie besser sagen – flogen?
Unangenehm fühlte sich Dawn an ihren Prophezeiungstraum erinnert. In dunkler
Vorahnung lief ihr ein Schauer über den Rücken.
„Und
das da?“, Bonita zeigte auf einen Punkt in der Mitte des Sees. Dort hatte sich
ein gewaltiger Wasserstrudel gebildet, vor dem die Rettungsboote zu fliehen
schienen. „Das war heute Morgen noch nicht, als ich zu euch aufbrach.“
Dawn
kniff ihre Augen etwas fester zusammen, um gegen die glitzernde Wasseroberfläche
etwas genaueres erkennen zu können. „Ich glaube, das hat was mit den vier da
oben zu tun,“ sie zeigte zu den Reitern. „Das Wasser läuft nach unten...“
„Malkuth,“
flüsterte Bonita entsetzt, als ihr die Gefahr bewusst wurde. „Ich muss mich
beeilen und meinen Leuten helfen.“
„Ich
komme natürlich mit,“ sagte Dawn mutig. „Deswegen bin ich ja hier.“
„Wir
brauchen Hilfe gegen die Jägerinnen.... aber das Wasser....“
„Ich
kann versuchen zu helfen wo ich kann,“ Dawn packte ihr Schwert fester an. „Ich verstehe
nur nicht wo Buffy steckt oder die anderen. Ich kann es noch mal vom Handy aus
versuchen,“ schlug Dawn vor, doch Bonita schüttelte den Kopf.
„Das
wäre Zeitverschwendung. Wenn sie nicht da sind, wird es einen Grund dafür
geben. Dann komm mit,“ Bonita wollte losgehen, als sie stutzte und zögerte. Vor
ihnen tauchte hinter einigen Felsklippen drei Gestalten auf, die eine vierte
zwischen sich trugen.
Dawn
bemerkte Bonitas Zögern und blickte in die entsprechende Richtung.
Erleichterung machte sich auf ihrem Gesicht breit, die jedoch sofort in Sorge
umschlug, als sie erkannte, wer zwischen Giles und Buffy hing – Willow.
„Buffy?,“
rief Dawn und rannte auf die kleine Gruppe zu.
Buffy
hob erstaunt ihren Kopf und entdeckte ihre Schwester. Bonita sah sie erst, als
sie noch einmal genauer hinblickte. Aber inzwischen hatte sie zu viel gesehen,
als das sie noch irgendetwas in Erstaunen versetzen konnte. Nicht nach dieser
Nacht und diesem Morgen.
„Was
ist passiert? Wo wart ihr nur? Ich habe versucht euch zu erreichen...“
„Ich
erkläre dir das später,“ wehrte Buffy müde ab. Ihre Kleider waren durchnässt,
wie auch die von Giles, Kennedy und Willow. „Es ist.. kompliziert. Aber was
machst du hier?“
„Clems
Frau war auf der Suche nach dir. Weil wir dich nicht finden konnten, habe ich
meine Hilfe angeboten.“, erklärte Dawn, während Bonita zu ihnen kam.
„Malkuth
wird von Jägerinnen angegriffen,“ fügte die Dämonin hinzu.
„Wissen
wir,“ sagte Kennedy niedergeschlagen. „Mo hat uns bereits verständigt. Aber im
Moment hat Malkuth ganz andere Probleme.“
„Der
Wasserstrudel?“, fragte Bonita besorgt. Fragend blickten Giles, Buffy und
Kennedy die beiden vor sich an, die daraufhin zum Wasser zeigten. Ihre Blicke
folgten der Richtung.
Stumm
nickten alle drei.
„Dann
muss ich sofort in die Stadt und Clem suchen,“ sagte Bonita aufgeregt und
panisch.
„Vielleicht
wäre es für dich und die Kleine sicherer
hier oben darauf zu warten, dass sich die Lage in der Stadt etwas
beruhigt,“ schlug Buffy vor. „Da unten tobt die Hölle. Wo das Wasser nicht ist,
kämpfen noch einige Jägerinnen gegen euch. Auch wenn die meisten geflohen
sind...es wäre wirklich...“
„Es
sind meine Freunde, Buffy,“ erklärte Bonita schlicht und ging bereits auf die
Klippen zu, hinter denen der Eingang lag, durch den die anderen nach draußen
gelangt waren.
„Ich..
gehe mit ihr,“ schlug Dawn vor.
„Nein
du gehst mir nicht da runter,“ sagte Buffy hastig. „Es ist gefährlich. Ich.. du
kannst uns helfen Willow ins Krankenhaus zu bringen.“
„Deine
Schwester hat recht,“ stimmte Bonita zu und hielt noch einmal inne. „Du kannst
nicht viel für uns tun, außer dein eigenes Leben in Gefahr zu bringen. Kümmert
euch um eure Freundin.“ Damit drehte sie sich endgültig herum und verschwand
zwischen den Klippen.
Malkuth
Zur selben Zeit
Schäumend
bahnte sich ein Wasserstrom seinen Weg durch eine Gasse in Malkuth. Alles,
was nicht irgendwie verankert war, jeder der sich nicht in Sicherheit brachte,
wurde einfach mitgerissen.
Eine
kleine Gruppe Jägerinnen kämpfte nicht unweit gegen eine Überzahl Dämonen und
während diese langsam die Oberhand zu gewinnen schienen, näherte sich ihnen die
reißende Flut in Sekundenschnelle. Sie wurden alle erst darauf aufmerksam, als
sie ein unnatürliches Geräusch hörten und in die entsprechende Richtung blickten.
Wasser berührte bereits ihre Füße, als sich Dämonen, als auch Jägerinnen,
entschlossen panisch ihr Heil in der Flucht zu suchen.
Während
sich manche in Hauseingängen retten konnten, versuchten andere in Gruppen zu
fliehen und wählten dabei aus reinem Glück die richtige Richtung, während
einzelne Jägerinnen als auch Dämonen sich für die falsche entschieden und von
der Flutwelle erfasst wurden...
Erie-See, andere
Uferseite
etwas später
Durchnässt,
müde und abgekämpft stolperte eine große Gruppe Jägerinnen aus einer Felshöhle
heraus, die direkt an das steinige Ufer des Erie-Sees führte. Sie waren zu
erschöpft, um wirklich den Ereignissen um sich herum Beachtung zu schenken
– Sirenen in der Ferne, gekenterte Boote auf dem See, ein gewaltiger Strudel,
der sich in der Mitte des Sees gebildet hatte, Hubschrauber, die ihn umkreisten...
Chao-Ahn bahnte
sich einen Weg durch die Jägerinnen und atmete die frische Luft ein. Sie war
kälter, als am Abend, als sie nach Malkuth vordrangen und der Himmel war
düster, grau, fast schwarz, obwohl die Sonne doch erst aufgegangen war. Aber
das spielte jetzt keine große Rolle. Sie waren in Sicherheit. Und Chao-Ahn war
mehr als dankbar, dass sie von dem magischen Schutztor gewusst hatten, das den
Durchgang in einen der vielen Steingänge nach Malkuth tarnte. Die Wassermassen
dort unten hatten alles durcheinander gebracht. Sie hatten keinen anderen Weg
gesehen, als zu fliehen.
Hinzu
kam diese Stimme, die sie alle offensichtlich gehört hatten. Eine Stimme, die
ihnen weiß machen wollte, dass Lily diejenige war, die sich irrte und sie alle
im Irrglauben der falschen Person folgten.
Dort unten, im Kampf,
hatte Chao-Ahn das alles für einen Trick gehalten und für eine Lüge. Jetzt,
wo sie sich umsah, und nur wenige vertraute Gesichter unter den Jägerinnen
erblickte kamen ihr Zweifel. Fast jede von ihnen war verletzt und sofern das
hier alle waren, die rechtzeitig einen Weg nach draußen gefunden hatten, war
ihr Vorteil mit der Überzahl verflogen. Chao-Ahn fragte sich zum ersten Mal,
ob dieser Kampf wirklich so sinnvoll und weise gewesen war, wie ihnen Lily
hatte weis machen wollen.
Es
war, als hätte diese Stimme ein unsichtbares Band zwischen ihnen und Lily
durchtrennt und sie, wenn auch mit Verspätung, etwas aus ihrem Tiefschlaf wachgerüttelt.
Etwas war von ihnen abgefallen... doch nun standen sie hier oben im Freien,
ratlos und hilflos. Ohne Ahnung was sie als nächstes tun sollten.
Und
die Stimmen um sie herum, fragten sich alle das gleiche – wieso sind wir hier, wieso war der Kampf so wichtig, wie viele von uns
sind gefallen, was haben wir erreicht, war es das wirklich wert....
Erie-See
bei den Klippen
zur selben Zeit
„Ins
Krankenhaus“, fragte Kennedy leise, nachdem Bonita verschwunden war und alle
zögernd herumstanden und die Verwüstung über Malkuth am frühen, neuen Morgen
betrachteten.
„Krankenhaus,“
bestätigte Giles mit besorgter Stimme und holte einmal kurz tief Luft, bevor es
weitergehen konnte.
„Warten
Sie.. ich nehme Ihnen Willow ab,“ bot sich Kennedy mit einem Grinsen an, dem
jedoch der humorvolle Glanz in den Augen fehlte. Ihre Sorge um die Freundin war
einfach zu groß, um ernsthaft Giles aufzuziehen.
„Gerne,
danke,“ Giles überließ Kennedy Willows rechte Seite und trat zurück. Dabei
streifte sein Blick über den See hinter ihnen. Er stutzte einen Moment, als er
drei weitere Gestalten erblickte, die am Ufer entlang gingen und auf sie
zuhielten.
„Wartet
einen Moment. Ich glaube da kommen Faith, Ronah und Robin.. meine Güte...,“ die
drei kamen schnell näher und Giles sah überall Blut auf Robins Kleidung. „Was
ist passiert?“, mit dieser Frage eilte er auf die drei zu. „Ist es sehr
schlimm? Robin.. hören Sie mich...“
„Sparen
Sie sich die Mühe, Giles,“ sagte Ronah matt.
„Was
soll das heißen,“ verwundert blickte Giles zu Faith, die jedoch durch ihn
hindurch zu starren schien. Es brauchte nur ein paar Sekunden, bevor Giles –
leider – begriff. „Oh...nein,“ brachte er nur leise hervor und fühlte trotzdem
zur aller Sicherheit nach Robins Puls am Hals. „Wie.. konnte das passieren?“
Dawn
trat mit bleichem Gesicht neben Giles und starrte auf die reglose Gestalt von
Robin zwischen Ronah und Faith, während Buffy und Kennedy in stummen Entsetzen
dem Gespräch folgten. „Hat ihn etwa eine dieser Jägerinnen....?“
Ronah
nickte stumm. Ihr fehlten die Worte, um wiederzugeben, was passiert war und sah
Hilfe suchend zu Faith, doch diese blieb weiterhin stumm. „Eine Armbrust...
Kimberly... es war Kim. Unsere Kim,“ flüsterte Ronah und Tränen schossen in
ihre Augen.
„Es
tut mir ja so schrecklich leid,“ sagte Giles mitfühlend und drückte kurz Ronahs
Schulter, ehe er sich an Faith wandte. „Wir wussten, dass wir mit Verlusten
rechnen mussten. Robin wusste das auch. Er hatte trotzdem keine Angst gezeigt,
sich mit uns in die Schlacht zu begeben. Er ....,“ Giles brach ab. Ihm fehlten
selbst die Worte, um mit dieser Situation umzugehen. Er konnte nicht begreifen,
wie jemand, der das Urböse überlebt hatte, ein solches Ende finden musste. Vor
Augen geführt zu bekommen, was dieses Einkalkulieren von Verlusten bedeutete,
tat weh.
Faith
Kopf wanderte langsam zu Giles hoch. Ihre Augen waren von tiefem Schmerz
gekennzeichnet, aber keine Träne war zu sehen, nur stumme Verzweiflung.
Plötzlich ließ sie Robin los, dessen Leiche nur durch Dawns schnelles Zugreifen
nicht auf den Boden rutschte.
Faith
öffnete den Mund, als wollte sie etwas sagen, doch dann drehte sie sich halb zu
Ronah herum, schüttelte den Kopf und murmelte ein; „Ich brauch.. Zeit... ich
muss.. nachdenken.“ Und mit diesen Worten rannte sie einfach los. Weg von den
Menschen, die sie immer an Robin erinnern würden, weg von seiner Leiche, die
ihr nur vor Augen führte, dass es vorbei war, dass sie ihn nicht hatte
beschützen können... weg von all dem... weit weg....
Ratlos
blickten ihr die anderen hinterher, ehe sie sich mit Giles an der Spitze weiter
auf den Weg machten...
Cleveland
Krankenhaus
eine Stunde später
Der Zeiger der Uhr sprang um eine Minute weiter und die Augen von
Buffy, Giles, Kennedy und Dawn hingen daran, als wäre es das Spannendste auf
der Welt: Sie saßen nun schon seit einer Stunde im Wartebereich des Krankenhauses
und hofften auf baldige Informationen über Willows Zustand. Seit sie Willow
auf einer fahrbaren Trage den Ärzten überlassen hatten, hatten sie untereinander
kaum ein Wort gewechselt. Die Stille wurde zunehmend unerträglich, vor allem
für Dawn, der Fragen über Fragen auf der Zunge brannten. Schließlich gab sie
sich einen Ruck und ergriff mutig das Wort.
„Okay,
ich weiß, der Ort ist vielleicht etwas.. ungünstig... aber könnte mir
vielleicht jemand erklären was hier los ist? Bonita hat mir zwar etwas von
einem Überfall auf diese Dämonenstadt unter dem See erzählt.. aber....,“
hilflos sah sie von Giles zu Buffy und verstummte.
„Später,
okay,“ sagte Buffy müde und legte Dawn einen Arm um die Schulter. „Später...
wenn wir wissen, was mit Willow los ist.“ Dawn nickte einsichtig, wenn auch
unbefriedigt. Sie spürte, dass ihre Freunde zu viel gesehen und erlebt hatten,
um jetzt darüber zu reden. Zudem gab es hier im Krankenhaus zu viele unwissende
Mithörer.
„Ich
hätte Willow niemals dort alleine lassen sollen,“ murmelte Kennedy plötzlich
und ließ ihren Kopf mutlos hängen. „Ich hätte bei ihr bleiben müssen...“
„Du
darfst dir keine Schuld geben,“ sagte Giles behutsam. „Sie brauchte ihre Ruhe
und Konzentration. Wir konnten doch nicht ahnen, dass uns eine Fluchtwelle,
Jägerinnen und Wassermassen dazwischen kommen sollten. Vielleicht ist es nur
schlimmer als es aussieht und morgen schon kann sie uns erzählen, was passiert
ist.“ Er hatte aufmunternd klingen wollen und es war ihm sogar überraschend
gelungen. Trotzdem blickten Buffy und Kennedy nicht zuversichtlicher drein.
„Ihr
ging es schon seit Wochen nicht besonders,“ sagte Kennedy nach einer kleinen
Pause. „Nie wollte sie darüber reden. Sie war immer der Ansicht, dass sie alles
unter Kontrolle hätte. Aber ich... ich hätte es doch bemerken müssen? Ich hätte
sie gar nicht erst auf die Idee mit diesem
Zauber kommen lassen dürfen...“
Buffy
und Giles wechselten einen ernsten Blick miteinander, aber es gab nichts, was
sie Kennedy zum Trost hätten sagen können. Also schwiegen sie.
Dawn
beschloss die drückende Atmosphäre ein wenig aufzulockern und stand auf, um
nach Kleingeld in ihren Taschen zu kramen. „Will noch jemand außer mir etwas
für seine Figur tun? Ich geh zum Süßigkeitenautomaten?“ Ehe ihr jemand
antworten konnte, ertönte hinter ihr ein Räuspern, das sie herumfahren ließ und
die anderen dazu brachte gespannt aus ihren Sitzen aufzuspringen. Willows
behandelnder Arzt war zurück.
„Wie
geht es Willow,“ fragte Kennedy hastig und trat etwas vor.
„Sie
hat sehr viel Blut verloren. Vor allem durch die Wunde am Bauch. Ich schätze,
das haben sie sich sowieso schon gedacht,“ der Arzt fuhr sich nervös über die
Nase. Er klang nicht sonderlich freundlich, aber man hätte auch nicht sagen
können, besondern unfreundlich. Eher... misstrauisch und ratlos. Was
verständlich war. Immerhin hatte man ihm ohne Erklärung eine schwer verletzte
junge Frau übergeben. „Die anderen Verletzungen sind zwar tief, aber nicht
weiter gefährlich. Wir haben sie gesäubert, desinfiziert, genäht und verbunden.
Die Wunde am Bauch.. nun wir haben sie operieren müssen, trotz ihrem
geschwächten Zustand. Aber keine Sorge – es ging zum Glück alles gut,“
beschwichtigte der Arzt sofort wieder, als er die besorgten Blicke
registrierte. „Allerdings haben wir keine Erklärung für ihre Bewusstlosigkeit.
Sie sollte seit einigen Minuten zu sich gekommen sein, aber ihr Zustand ist
unverändert.“
Die
vier vor dem Arzt sahen sich ebenfalls ratlos und noch besorgter an.
Schließlich war es Buffy, die wieder ihre Sprache als erste fand. „Können wir
sie sehen?“
Der
Arzt atmete hörbar durch und sah mit gerunzelter Stirn über seine Schulter, als
würde er dort eine Antwort auf Buffys Frage finden. Als er wieder zurück zu den
vier Personen vor sich blickte, war das Stirnrunzeln verschwunden und er nickte
leicht. „Zimmer 106. Aber nur für ein paar Minuten. Sie braucht Ruhe. Ehm...
vielleicht könnte mir jemand von ihnen erklären, was mit dem Mädchen passiert
ist?“
Buffy
sah Giles flehend an, der stumm nickte und auf den Arzt zutrat, während
Kennedy, Buffy und Dawn sich in die Richtung von Willows Zimmer aufmachten.
Ihnen stand jetzt nicht der Sinn nach einer Lügengeschichte und Giles, als der
älteste von ihnen, hatte vielleicht mehr Überzeugungskraft mit dem, was er dem
Arzt über Willow erzählen würde, als eine von ihnen.
„Sehen Sie, wir
wissen das selbst nicht so genau. Sie war alleine in der Nacht unterwegs, eine
Disco oder wie das heute bei den jungen Leuten heißt. Sie rief uns von ihrem
Handy aus an, weil sie glaubte von jemanden verfolgt zu werden. Als wir sie
endlich fanden, hatte sie schon das Bewusstsein verloren. Die Polizei hat uns
geraten, keine Zeit zu verlieren und sie gleich hierher zu fahren....“
Buffy
sah noch einmal kurz zu dem Arzt und Giles zurück ehe sie Dawn und Kennedy in
das Zimmer folgte. Sie hoffte, der Arzt würde diese Geschichte akzeptieren und
nicht noch selbst auf die Idee kommen, die Polizei zu informieren. Was sie
jetzt ganz bestimmt nicht brauchten, waren Fragen und ein Polizist, der sich
einmischte.
Das Zimmer in dem Willow lag war abgedunkelt und zahlreiche Monitore
beherrschten den größten Teil des Raumes. Willow selbst lag blass und reglos in
ihrem Bett. Vom rechten Arm führte ein Schlauch zu einem Tropf, während Dioden
aus ihrem Krankenhausnachthemd ragten und zu einem Monitor führten, der ihren
Herzschlag überwachte. Es gab noch andere Überwachungsgeräte, von denen die
drei jungen Frauen nur ahnen konnten, für was sie gut waren.
Verbände
und Heftpflaster verdeckten die Verletzungen, von denen Dawn, Kennedy und auch Buffy nicht wirklich all zu viel
mitbekommen hatten – sie waren vorhin nur darum bemüht gewesen, Willow so
schnell wie möglich ins Krankenhaus zu bekommen.
„Sie sieht so...entspannt
aus,“ meinte Kennedy mit Tränen in den Augen und setzte sich neben Willow
aufs Bett. Ihre Hände ergriffen Willows Linke und hielt sie ganz fest. „Ich
meine... man könnte fast meinen sie schläft nur.“
„Ihr
geht es sicher gut,“ sagte Dawn leise und trat hinter Kennedy, während Buffy
auf der anderen Seite des Bettes Position bezog.
„Und
vielleicht wacht sie ja bald auf... wenn sich nicht einmal die Ärzte sicher
sind...“, flüsterte Buffy, der man die Sorge um die beste Freundin anhören
konnte. Auch sie kämpfte mit den Tränen. Es war nicht gerecht, dass Willow hier
lag...dass Robin nicht mehr unter ihnen war... es war doch nur einer von so
vielen Kämpfen gewesen....
Als
sich Willows Pupillen unter ihren geschlossenen Augenlidern heftig hin und her
bewegten, verstummten die drei und sahen erstaunt und in Erwartung Willow
gebannt an... doch sie kam nicht zu sich. Die Pupillenbewegung schien nur ein
Reflex gewesen zu sein....
Sandstrand
irgendwo
....
Willow trat langsam, Schritt für Schritt, den kühlen, weißen, Sandstrand entlang.
Sie lächelte Tara an, die direkt neben ihr herspazierte, sie immer wieder
musterte, und die Chance, noch einmal mit ihr sprechen zu können, selbst kaum
zu glauben schien.
Tara strich sich eine Strähne aus dem Gesicht, hielt sich eine Hand vor die
Augen, um trotz der blendenden Sonne noch etwas zu erkennen, und lächelte
Willow liebevoll an. Ihre Aufgabe, dass wusste sie, war bald beendet, und
die Zeit verstrich bekanntlich immer schneller, als man es selbst gerne hätte.
Doch IHR schien es wieder besser zu gehen. Sie hatte die Ereignisse in Malkuth
anscheinend schon fast vergessen.
„Komm mit, ich muss dir unbedingt noch etwas zeigen...“ , sagte Tara lachend,
schnappte sie am linken Arm und begann mit ihr zurück auf den Palmenwald zuzulaufen.
Willow folgte ihr, doch einige Fragen betrübten noch immer ihr Gemüt.
Sie verlangsamte
ihre Schritte, als sie in den angenehmen, kühlen Schatten der Palmen gekommen
waren, und fragte Tara:
„Tara, bitte, du musst mir einfach antworten. Wo bin ich hier? Bin ich gestorben?
Was hat das alles mit den Reitern zu tun?“ Verwirrt und wissensbedürftig blickte
sie ihre frühere Begleiterin an.
Diese wandte kurz ihren Blick ab, schien einige Gedanken zu sammeln, trat
dann auf eine wunderschöne, rote Rose zu und brach sie ab. Willow schmunzelte.
Was hatten Rosen hier verloren? Sie waren doch auf einer tropischen Insel
- hier gab es doch gar keine Rosen.
Tara lächelte, drehte sich mit der Blume in der Hand wieder um und trat auf
Willow zu.
„Sieh mal, Willow…“, sprach sie, während sie ihre Hand hob und die Blüte sanft
in Willows Haare steckte. Zufrieden trat sie zurück und begann dann wieder
langsam den Weg entlang zu gehen.
„… ich kann dir deine Fragen nicht beantworten. Das ist nicht meine Aufgabe…“
„Was ist dann deine Aufgabe?“, unterbrach sie Willow stürmisch.
„... dich zu finden ... und zu führen...“, sprach Tara langsam und mit langen
Pausen weiter.
„Warum? Wohin?“
„Willow, Liebl… ähm... ich darf dir deine Fragen nicht beantworten. Dafür
bin ich nicht hier.“ Plötzlich ergriff Tara Willows Hand und riss sie unsanft
an sich heran, woraufhin diese vor Schreck laut aufschrie.
„Du
bist nicht tot!“, flüsterte Tara ihr in dieser Sekunde sanft ins linke Ohr,
löste sich dann wieder und sah kurz zu Boden. „Es tut mir leid, wenn du dich
erschreckt hast… komm mit...“ sie lächelte Willow wieder an, und lief dann
auf das Ende des Dschungels zu.
Willow eilte ihr schnell nach, doch als sie die Palmen hinter sich ließ, stockte
ihr beinahe der Atem. Tara stand einige Meter von ihr entfernt an einer meterhohen
Klippe. Das Meer, welches darunter sich am Gestein brach, schien bis zum Horizont
vollkommen ruhig zu sein.
„Komm her...“ , sagte Tara weich, legte Willow einen Arm um die Hüften, als
sie neben ihr angekommen war, und drückte sie fast an sich. Beide blickten
hinaus in den Horizont und beobachteten, wie die Sonne dahinter verschwand,
dabei den Himmel zuerst hell orange und dann fast rot färbte. Die Zeit schien
hier schneller zu vergehen. Oder Willow hatte jegliches Zeitgefühl verloren..
sie war sich nicht wirklich sicher...
„Tara... ich... muss dir von jemandem erzählen...“ , begann Willow plötzlich
und drehte sich von ihr weg.
„Von Kennedy?“ , fragte Tara, wobei sie weiterhin Richtung Horizont blickte.
‚Vielleicht ist es auch
besser so, da muss ich ihr wenigstens nicht direkt in die Augen sehen’, schoss es Willow durch
den Kopf, bevor sie bejahte.
„Was gibt es denn da großartig zu bereden?“, murmelte Tara leise, aber gefasst.
„Na ja, ich... liebe sie!“, antwortete Willow zögernd. Sie fühlte sich unwohl.
Was dachte Tara nur gerade? Wieso sah sie sie nicht an? War es eine schlechte
Idee gewesen, die Sache jetzt anzusprechen? Aber sie wollte es klären, jetzt,
wo sie die Chance dazu hatte.
Tara drehte sich um und lächelte Willow noch immer liebevoll an. Erst auf den
zweiten Blick erkannte die Hüterin, dass eine Träne über ihre linke Wange lief.
„Und sie liebt dich. Über alles. Sie würde ihr Leben für dich geben, Willow.
Ich bin so froh, dass du wieder jemanden gefunden hast, der dich so gut
ergänzt. Ich habe kein Problem damit, wie sollte ich auch? Ich bin gestorben,
Willow. Meine Zeit ist vorüber. Die Zeit mir dir war das Beste, was ich je
erlebt habe. Ohne dich würde diese Welt hier gar nicht in dieser Form
existieren...“
Tara schloss kurz die Augen, und für den Bruchteil einer Sekunde stand Willow
in einer dunklen, kalten Welt. Es blitzte, donnerte, und sie war allein. Ganz
allein.
Dann war wieder alles vorbei und sie stand auf der Klippe neben Tara und
blickte in den schönsten Sonnenuntergang, den sie jemals gesehen hatte.
Tara trat auf Willow zu, hob eine Hand und fuhr ihr sanft durchs Haar. Sie sah
ihr liebevoll, gütig und voller Leidenschaft und Wissen in die Augen.
„Und gerade deswegen bin ich so froh, dass du sie gefunden hast. Ich wünsche
euch das gesamte Glück der Welt...“
Willow schluchzte, dann konnte sie es nicht mehr zurückhalten und begann zu
weinen. Tara umarmte sie, drückte sie an ihre Schultern und streichelte dabei
ihren Kopf.
„Ich werde immer versuchen, auf dich Acht zu geben, Willow. Auf meine Weise.
Ich bin so stolz auf dich. Was du alles geschafft hast, nach allem, was du
durchmachen musstest. Und bedenke eines, nur wenige können an dem Punkt, an dem
du schon warst, noch aufhören. Und nun hast du eine neue Bestimmung, du bist
die Hüterin…“ , flüsterte Tara ihr ins Ohr.
„Aber... ich komme damit nicht zurecht...“, schluchzte Willow weiter.
„Sch, wenn das jemand packt, Willow, dann doch du. Sieh mal, ich werde dir
jetzt jemanden vorstellen...“ Als sich Willow von Tara löste, fühlte sie sich
frei. Es war, als hätte Tara ihr eine große Last von den Schultern genommen,
die sie schon Monate mit sich trug.
Es war mittlerweile dunkel geworden, und sie stellte zu ihrem Erstaunen fest,
dass sie gar nicht mehr auf der Klippe standen, sondern mitten in einer Wüste.
Einige Meter vor ihnen befand sich ein Zelt, in dem ein Feuer brannte.
Willow wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und nickte Tara zu. Wenn auch
sie immer noch nicht verstand, was hier mit ihr tatsächlich geschah.
Tara
nahm sie an der Hand, führte sie, und betrat mit ihr das Zelt.
Kaum waren sie eingetreten, hörte sie die Stimme einer alten Frau: „Hallo
Willow!“
Willow
blickte sich um, konnte aber niemanden sehen. Zu allem ließ auch noch Tara ihre
Hand los, blieb am Eingang stehen und bedeutete ihr, dass sie nun alleine
weitergehen musste.
Willow schob eine Reihe von Stoffen zur Seite, und entdeckte dahinter die
Person, die ihren Namen ausgesprochen hatte: eine einzige, alte Frau mit weißem
Haar, im Inneren des Zeltes. Sie trat
auf die Alte zu, die ihr zeigte, dass sie ihr gegenüber am Boden Platz nehmen
sollte. Willow folgte der Aufforderung und sah zu ihrer Beruhigung aus den Augenwinkeln,
dass Tara gefolgt war, allerdings im Hintergrund blieb.
„Wer sind Sie?“, fragte Willow schließlich und betrachtete ihr Gegenüber. Sie
schien schon ziemlich alt zu sein, ihre Haare waren schneeweiß, doch sie
strahlte trotzdem noch Eleganz und ein großes Selbstwertgefühl aus.
„Ich... liebe Willow... habe auf dich gewartet...“
Cleveland,
ein heruntergekommener Hinterhof, Bar
zur selben Zeit
In
der leicht schummrigen Beleuchtung der Dämonenbar waren schon - oder noch
- einige Tische im hinteren Bereich besetzt. Musik plätscherte aus Lautsprechern
über der Tür und ein müder, gelangweilter Halbdämon stand hinter der Theke
und polierte an der Zapfanlage herum. Seine Schicht war längst vorbei. Doch
die Ablösung ließ auf sich warten.
Please
allow me to introduce myself
I'm a man of wealth and taste
I've been around for a long, long years
Stole many a man's soul and faith
Die
Stimmung war gedrückt. Jeder, auch wenn er nicht in Malkuth lebte oder dort
Zuflucht gesucht hatte, wusste, was in der vergangenen Nacht passiert war.
Einige hatten Freunde dort unten oder sogar Familienangehörige und man sprach
gedämpft über die eigenen Theorien oder über die wilden Gerüchte. Was wirklich
passiert war, wusste jedoch keiner so genau. Angeblich seien Jägerinnen
Grundlos eingedrungen und hätten alles was ihnen in den Weg kam,
abgeschlachtet. Wieso man in Cleveland selbst vom Eissturm zum Erdbeben
Naturereignisse erlebt hatte, war ihnen allen ein Rätsel. Nur wenige an den
Tischen wagten die Theorie anzusprechen, dass dies alles Vorboten einer neuen
Apokalypse waren.
And
I was 'round when Jesus Christ
Had his moment of doubt and pain
Made damn sure that Pilate
Washed his hands and sealed his fate
Plötzlich
wurde die Tür aus der Angel gerissen, als sie unter enormer Wucht aufgestoßen
wurde. Alle Köpfe flogen herum und starrten den vier hünenhaften Gestalten
entgegen, die den Raum betraten, der im Keller einer der zahlreichen
Hinterhöfen von Clevelands wirtschaftlich heruntergekommen Viertel, lag.
Ihre
vier Augenpaare streiften über die Anwesenden hinweg.
Pleased
to meet you
Hope you guess my name
But what's puzzling you
Is the nature of my game
Niemand
regte sich, niemand sagte etwas. Man rutschte nur enger zusammen, als drei der
dämonischen Männer auf die hinteren Tische zu gingen und der vierte, ein Asiate
mit schrecklicher Fratzenmaske, auf die Theke zu trat. Er beugte sich vor,
sprach leise mit dem Mann, der daraufhin mit dem Kopf verneinend schüttelte und
als Dank dafür in die Flaschenwand hinter sich geworfen wurde.
I
stuck around St. Petersburg
When I saw it was a time for a change
Killed the czar and his ministers
Anastasia screamed in vain
Ohne mit den anderen Dämonen ein Wort gewechselt zu haben, verließen die vier
geschlossen die Bar wieder, um auf ihre wartende Pferde zu steigen. Als sie in
den Himmel aufstiegen, explodierte etwas in der Bar und Feuer brach aus...
I
rode a tank
Held a general's rank
When the blitzkrieg raged
And the bodies stank
Pleased to meet you
Hope you guess my name, oh yeah
Ah, what's puzzling you
Is the nature of my game, oh yeah
(woo woo, woo woo)
....
Cleveland
Geschäftsviertel
etwas später
Die Tür zu dem kleinen Zauberladen wurde aufgerissen und die Türglocke darüber
begann protestierend zu bimmeln. Eine behandschuhte Hand griff nach oben und
riss die Glocke ab, um sie anschließend unter Stiefeln zu zertreten. Erst
dann machte der Hüne platz, um seine drei Gefolgsmänner eintreten zu lassen.
I
watched with glee
While your kings and queens
Fought for ten decades
For the gods they made
(woo woo, woo woo)
Sie schritten
geschlossen auf die Theke zu, wo der Verkäufer, ein gehörnter, blau gesichtiger Dämon, ihnen ängstlich
entgegen blickte, wobei sein Ziegenbärtchen vor Aufregung zitterte. Der dämonische
Reiter in Fellen packte sich den Verkäufer, flüsterte ihm etwas in sein Ohr,
woraufhin dieser nickte und dann etwas hastig auf einen Zettel notierte.
I
shouted out,
"Who killed the Kennedys?"
When after all
It was you and me
(who who, who who)
Die
anderen drei Dämonen drehten sich zum Ausgang, während der wikingerhafte Hüne
den Verkäufer los ließ, ihn aber noch mit seinen Augen gefangen hielt – der
andere Dämon erstarrte kurz darauf, und plötzlich bildete sich auf seiner Haut
eine Schicht Eis, die sich rasch über den restlichen Körper ausbreitete.
Langsam wurde aus dem Hauch Eis eine dicke, feste Eisschicht, bis der Dämon
vollkommen zu Eis erstarrt war. Als der Reiter ihn mit einem Finger anstupste,
fiel dieser zur Seite und zersplitterte auf dem Boden.
Let
me please introduce myself
I'm a man of wealth and taste
And I laid traps for troubadours
Who get killed before they reached Bombay
(woo woo, who who)
---
Cleveland
noch etwas später
Ihre
Suche und die Spur der Vernichtung zog sich durch ganz Cleveland und ihr Ruf
eilte ihnen schnell voraus. An manchen Straßenecken, wo die vier Reiter aufkreuzten
nahmen die Dämonen Reiß aus und in Bars und Kneipen hatten es viele Dämonen
auf einmal eilig über den Notausgang zu fliehen.
Pleased
to meet you
Hope you guessed my name, oh yeah
(who who)
But what's puzzling you
Is the nature of my game, oh yeah, get down, baby
(who who, who who)
Feuer vernichtete dämonische Einrichtungen, einzelne Dämonen erstarrten zu Eis,
andere mussten mit ansehen, wie ihr Zuhause plötzlich unter Wasser stand...
eine Spur der Zerstörung, egal ob sie
auf ihre Fragen Antworten bekamen, die weiterhalfen oder in eine Sackgasse
führten...
Cleveland
Seitengasse
eine weitere Stunde später
Just
as every cop is a criminal
And all the sinners saints
As heads is tails
Just call me Lucifer
'Cause I'm in need of some restraint
(who who, who who)
Beim
Vorbeigehen wurde ihm ein fünfziger zugesteckt und ein Tütchen Stoff wechselte
dabei den Besitzer. Beim flüchtigen Hingucken hätte jeder Passant nur gesehen,
wie ein Mann in Trenchcoat und Aktenmappe einen jungen Mann mit grauer Kapuzenjacke
aus Versehen fast umgerannt hätte. Das der junge Mann seine Kapuze weit ins
Gesicht gezogen hatte und sich nach dem Zwischenfall weit in das Zwielicht
einer Seitengasse zurückzog, bemerkte schon keiner mehr.
Weit
hinten, wo die Gasse an einer Wand endete, holte der junge Mann ein Bündel
Geldscheine aus der Seitentasche seiner Jacke und zählte hastig nach. Der
Morgen war für ihn bereits sehr lukrativ verlaufen. Obwohl die Stadt schwer
mitgenommen von den Schäden durch Eis und Erdbeben war. Aber vielleicht gerade deswegen.
So
if you meet me
Have some courtesy
Have some sympathy, and some taste
(woo woo)
Use all your well-learned politesse
Or I'll lay your soul to waste, um yeah
(woo woo, woo woo)
Der junge Mann streifte die Kapuze ab und enthüllte eine vernarbte Glatze. Nur
vorne über der Stirn hatte er ein Büschel blond gefärbtes Haar. Die Ohren waren
zu spitz für einen Menschen und bei genauerem Hinsehen erkannte man auf jeder
Ohrspitze ein kleines, weißes Haarbüschel. Die Narben waren auch nicht wirklich
Narben, sondern pulsierende Öffnungen, durch die der junge Dämon atmete.
In
der Gewissheit alleine zu sein, zog er sich ein Plastikbeutelchen hervor und
wollte den Stoff selbst benutzen, als die Steinmauer nur wenige Schritte neben
ihm zu explodieren schien. Schutz suchend vor den herumfliegenden
Ziegelsteinen, ließ sich der Dämon zwischen Kartons und Mülltonnen fallen.
Seine Arme hob er zum Schutz über seinen Kopf.
Erst
als der Regen aus Schutt, Steinbrocken und Ziegelsteine aufhörte, wagte er
einen Blick über die Tonnen hinweg. Er wünschte, er hätte es nicht getan, als
er zu vier Dämonen aufblickte, von denen er bereits an der 13th Street gehört
hatte – vier hünenhafte Dämonen auf vier Pferden, die der Hölle entsprungen zu
sein schienen. Vier Dämonen, die zu den Alten gehören und in der Stadt nach
etwas bestimmtem suchten... wer ihnen begegnete, überlebte die nächste Minute
nicht. Doch alles was sich der Junge in diesem Moment wünschte, war eine
Sekunde mehr im Leben zu haben, um sich noch einen Schuss zu verpassen, damit
sich der Tod wenigstens lohnte. Da wurde er auch schon von einem der vier in
die Höhe gerissen und er blickte einem wild entschlossenen Indianer in die
Augen.
„Du
bist Jarret?“, fragte eine Stimme, die alt wirkte und in der alles lag, was
diese Dämonen bereits gesehen und erlebt hatten.
Der
Dämon nickte eifrig.
„Man
sagt, du kennst dich in der Stadt aus.“
Wieder
hatte es Jarret eilig zu nicken.
„Dann
kannst du uns bestimmt sagen, wo wir den Purificatio Talisman finden können.“
„Den
was?“, rutschte es Jarret überrascht heraus, wobei er seinen Gegenüber
ängstlich im Auge behielt. Dieser sagte nichts, auch keiner der anderen. Aber
ihre Blicke reichten Jarret aus, um sich schnell zu erinnern. „Oh... ich weiß
was ihr meint. Dieses verdammte Ding, hinter dem letztes Jahr so ne
durchgeknallte Vampir-Gang her war. Wrukolas... Griechen,“ Jarret lachte nervös
auf, aber keiner teilte seinen Humor. Also fuhr er wieder ernster fort. „Ist
aber seit dem verschwunden. Gibt ein paar Gerüchte darüber, wo er sein könnte,
aber nichts konkretes. Versucht es doch mal bei der Organisation. Die wissen
alles, weil sie hier in der Stadt das Sagen haben. Perfektes Informationsnetz.
Könnt sie nicht verfehlen. Haben ein Firmengelände im Industriegebiet.
„Larokee“ heißt der Laden...,“ weiter kam Jarret nicht mehr, denn der Indianer
beendete das Gespräch auf seine Weise – er brach dem jungen Dämon das Genick,
blickte verächtlich auf die Leiche hinunter und ging dann zurück zu den anderen
drei.
Wieder
vereint, stiegen sie auf die Pferde auf.
Pleased
to meet you
Hope you guessed my name, um yeah
(who who)
But what's puzzling you
Is the nature of my game, um mean it, get down
(woo woo, woo woo)
Woo, who
Oh yeah, get on down
Oh yeah
Oh yeah!
(woo woo)
Bürokomplex
Später Morgen, kurz vor Mittag
Die
Akten, die Notizen, die Rechercheaufzeichnungen... sie musste alles verbrennen.
Alles was sie in Verbindung mit D’Hoffryn, Kan Hsirg, Malkuth, ihrem Plan und den Magiern brachte. Alles was
Giles und Buffy weiterhalf bei der vorzeitigen Vernichtung der Reiter, ehe
ihr Plan vollbracht war... es musste verschwinden, für den Fall, dass man
hier nach ihr suchte. Oder nach Spuren. Sie war schließlich so dumm gewesen
mit einer Email an Dawn Aufmerksamkeit auf dieses Gebäude zu lenken. Vor Stunden
war ihr der Plan gelegen gekommen, doch jetzt, wo alles was sie mit und durch
Malkuth geplant hatte, ins Wanken geriet, wollte sie nicht noch einmal zu
viel riskieren.
Zwar rechnete sie fest damit, dass Buffy und Co zu sehr mit anderen Dingen
beschäftig waren, um hier nach Spuren zu suchen, aber man konnte ja nie wissen...
Lily
riss die Blätter hektisch aus den Ordnern und den Mappen und warf sie in einen
alten, zusammengefallenen Kamin. Zur Sicherheit riss sie die Schubladen des
alten Schreibtisches noch einmal auf, um nachzusehen, ob sie nicht doch noch
irgendwo etwas übersehen hatte. Den Inhalt eines Kartons schüttete sie komplett
über den Haufen Blätter aus. Erst als sie sich sicher war alles angehäuft zu
haben, was sie verriet - sie und ihre wahren Absichten, Beweise, die Giles vor
dem Rat der Wächter gegen sie einsetzen konnte - suchte sie nach Streichhölzern
in ihrer Handtasche. Ein Geräusch an der Tür ließ sie jedoch innehalten und
aufhorchen. Stimmen kamen näher... laut, nicht all zu sehr darum bemüht nicht
aufzufallen. Plötzlich rief jemand laut nach ihr:
„Ms.
Usher?“
Lily
atmete hörbar durch, als sie die Stimme von Chao-Ahn erkannte. Sie verließ
eilig, aber auch alarmiert, das Büro, um sich auf dem Flur einer geschlagenen
Gruppe Jägerinnen gegenüber stehen zu sehen. Irritation und Verwirrung machte
sich auf ihrem Gesicht breit.
„Gott
sei Dank sind Sie hier,“ Chao-Ahn klang erleichtert. „Wir sind... wieder da.“
„Was ist passiert?“
Lily versuchte die Überraschung zu unterdrücken. Sie hatte nicht mit so vielen
Überlebenden gerechnet und schon gar nicht zu dieser Zeit. Der Kampf in Malkuth
sollte noch immer toben und inzwischen hätte mehr als die Hälfte der Jägerinnen
tot sein müssen. Vielleicht hatte aber das Ganze auch etwas mit diesem Wasser
zu tun, von dem jener Dämon berichtete, dem sie ihre Flucht aus der Halle
von Daath verdankte.
Lilys Frage als
aufrichtige Besorgnis falsch interpretierend, trat Kimberly humpelnd neben
Chao-Ahn. Ihr Gesicht war geschwollen, das rechte Auge sogar so schlimm, dass
sie es bereits nicht mehr öffnen konnte und ihre aufgeplatzte Oberlippe hatte
eine Dicke und Verfärbung angenommen, die den Betrachter eine ungefähre
Vorstellung der Schmerzen wiedergab, die Kim haben musste. Getrocknetes Blut
war auf der Vorderseite ihres Tops und sie wirkte sehr durcheinander. Trotzdem
versuchte sie Lily gefasst einen Bericht zu erstatten. „Es.. es waren zu viele.
Und zudem wimmelte es dort unten vor kampfbereiten Dämonen. Es waren viel mehr,
als sie uns glauben ließen. Wir fragen uns nur wieso?“
„Ich
wollte euch nicht schon im Voraus entmutigen,“ wandte sich Lily heraus. „Was
hätte es euch genutzt, wenn ich euch die Höhe der Einwohnerzahl verraten
hätte?“
„Na
ja, wir wären vielleicht etwas überlegter an die Sache herangegangen,“ dachte
Chao-Ahn laut, wobei sie die anderen Jägerinnen um Zustimmung ansah, die
nickten.
„Buffy,
Faith und all diese Verräter waren auch dort und haben dazu noch versucht uns
vom Kämpfen abzuhalten,“ entrüstete sich Emma, die sich zu den beiden nach
vorne gesellte. Allerdings schwang in ihrer Stimme leiser Zweifel mit. „Und dann kam das Wasser,“ fügte sie matt
hinzu. „Wir mussten fliehen, ansonsten wären wir wohl alle in dieser Stadt
ertrunken. Ob es noch andere geschafft haben wissen wir nicht.“
Lilys
Stirn verdunkelte sich und sie sah von einer Jägerin zu anderen. Schon wieder
ein gescheiterter Plan! Hatte sich das Schicksal wirklich so gegen sie
verschworen? „Was ist mit den anderen? Den Verrätern.. Faith, Mr. Wood,
Ronah...,“ fragte Lily vorsichtig. Zum einen wollte sie gegenüber den
Jägerinnen nicht erwähnen müssen, dass sie selbst einem Teil der Verräter nahe
gewesen war, und dabei nicht einen hatte beseitigen können, zum anderen spürte
sie, dass hier etwas anders war, als noch zu dem Zeitpunkt, als sie die
Jägerinnen los geschickt hatte. Sie konnte fühlen, dass der Bann nicht mehr
ganz so stark war. Und das machte sie misstraurig und mahnte sie zur Vorsicht.
„Entkommen,“
seufzte Kimberly und verzog dabei schmerzhaft das Gesicht. Leise fügte sie
hinzu, als würde sie es fast bedauern:. „Außer dem Wächter... ich, i-ich hab
ihn erwischt. Wood ist Geschichte.“ Stolz klang in Kims Stimme nicht mit, auch
fehlte ihr die von Lily vorausgesetzte Gleichgültigkeit, den eine Träne löste
sich aus ihrem unverletzten Auge und lief an der Wange herab. Kim wusste nur
nicht genau wieso – weil sie plötzlich wieder Gefühle wie Verlust, Trauer und
Verrat spürte? Für Menschen, die Lily ihnen als Verräter des Rates überführt
hatte? Oder für Menschen, die ihr einmal sehr viel bedeutet hatten, nur das sie
sich nicht wirklich mehr daran erinnerte wann das war?
Das
irritierte nicht nur sie. Auch Lily starrte Kim fasziniert und fast ein wenig
panisch an. Der zarte Hauch von Bedauern und Selbstzweifel, beunruhigte Lily
enorm. Ließ die Wirkung von Zauber, Manipulation und Medikamenten nach? War sie
zu weit gegangen, hatte zu viel riskiert?
„Nun
gut.. ihr habt euer bestes getan,“ sagte Lily sanft und wandte sich der
Bürotüre zu, damit niemand ihr enttäuschtes Gesicht sehen konnte.
„Aber
wir haben den Auftrag nicht...“, setzte Emma an.
„Das
ist nicht schlimm. Wir haben gezeigt, dass wir präsent sind und dass wir eine
Übernahme durch den Feind nicht einfach nur beobachten und tatenlos dabei
herumsitzen. Die Dämonen sind gewarnt, Buffy ist gewarnt,“ Lily verschwand kurz
in ihrem Büro und kam mit einem Stapel schmaler Papiere in der Hand zurück. Sie
drückte sie Chao-Ahn in die Hand, die verwundert auf Flugtickets hinunter sah.
„Am
besten ihr fliegt alle zurück nach London und berichtet den Wächtern, dass die
Apokalypse nicht verhindert werden konnte, weil uns Mr. Giles und Buffy dazwischen
gefunkt haben. Weil sie der Ansicht waren, dass man Dämonen vor Jägerinnen
schützen müsste. Ich denke das wird dem Rat noch ein Beweis mehr dafür sein,
dass ich recht hatte. Ich habe hier noch einiges zu erledigen, aber ich komme
bald nach.“
„Aber
sollten wir nicht hier bleiben, falls die Apokalypse....“, setzte Kim
vorsichtig an.
„Es
ist nicht sicher, wo genau die ersten Auswirkungen der Apokalypse auftreten
werden. Ich brauche noch ein paar Informationen mehr. Fliegt zurück, erholt
euch und haltet euch bereit, falls ich euch hier doch noch einmal brauchen
sollte.“
Damit
ließ sie die überraschten und jetzt erst recht verwirrten Mädchen auf dem Flur
alleine zurück und ging in das Büro, um endlich ein Streichholz zu entzünden.
Sie warf es auf den Papierstapel. Flammen züngelten auf und fraßen sich schnell
durch das Papier hindurch, das schwarz und verkohlt in sich zusammen fiel,
während Lily mit einem kleinen Lächeln dabei stand und alles beobachtete.
Sie hörte draußen, wie sich die Jägerinnen leise unterhielten und sich dabei
entfernten. Erleichterung war auf Lilys Gesicht zu sehen. Wenigstens waren die
Beweise vernichtet, die Jägerinnen mit ein paar Lügen abgespeist auf dem Weg
nach Hause und vielleicht gelang es ihr so, wenigstens ihre Position im Rat zu
halten. Und wenn sie ganz viel Glück hatte, dann überlebte Buffy ja unter
Umständen den Kampf gegen die vier Reiter nicht und der Zauber würde so doch
noch gebrochen werden.... Sie hatte jedenfalls alles getan, um die alten Regeln
wieder herzustellen... jetzt lag es nicht mehr in ihrer Macht. Nicht nachdem
der vierte Reiter erwacht war, die Jägerinnen nicht im Kampf ums Leben gekommen
waren und Buffy das Ganze auch noch überlebt hatte....
Cleveland, Straßen /
später Bus
später Morgen
Faith’ Kopf war
vollkommen leer, als sie durch die Straßen von Cleveland rannte. Sie rannte,
sie floh, sie flüchtete. Wovor? Das wusste sie selbst nicht so genau, doch
es war ihr auch egal. Sie wusste nur eines: Sie musste jetzt allein sein.
Sie hatte weder Lust noch Kraft, den anderen zu erzählen, was da unten passiert
war. Ihr war klar, dass die anderen es gut meinten, doch sie konnte jetzt
einfach nicht mit ihnen reden.
Zielstrebig bog sie um die nächste Ecke und stieß
dabei frontal in einen jungen Mann, der total überrascht von der Wucht des
Aufpralls heftig auf den Boden knallte.
„HEY, WAS SOLL DAS?“, schrie er ihr nach, doch sie kümmerte sich nicht um
ihn. Es war so nebensächlich. Alles schien plötzlich so sinnlos zu wirken.
Sollte die Welt jetzt untergehen, hätte sie auch kein Problem damit.
Sie verlangsamte ihre Schritte, als sie vor dem Wächterhaus ankam. Eigentlich
wusste sie nicht genau, warum sie hierher gelaufen war, aber andererseits,
wo sollte sie sonst hin? Langsam betrat sie den Garten, in dem sie so viel
Zeit mit Robin verbracht hatte und blieb schlussendlich vor der Tür des Busses
stehen. Sie schloss die Augen, atmete tief ein, und öffnete die Eingangstür.
Mit einem versteinerten Gesichtsausdruck bestieg sie den Bus, den sie nun
schon so lange mit Robin bewohnt hatte. Jetzt war er weg, für immer von ihr
gegangen. Er war an einen sinnlosen Tod gestorben, durch die Hand eines Mädchens
getötet, welches sie selbst damals aus den Fängen der Magier und Silent Hill
gerettet hatte. Wie ironisch war das eigentlich?
Faith trat näher an das Bett heran, welches sie in der letzten Nacht noch
mit Robin geteilt hatte, und von einem Augenblick auf den anderen drehte sich
ihr Magen um. Sie fuhr herum, riss die Tür, die in das kleine Bad führte auf,
und brachte es gerade noch zu Stande, sich über das Waschbecken zu beugen,
bevor sie sich übergeben musste.
Benommen drehte sie den Wasserhahn auf, um das Becken auszuspülen. Sie fühlte
sich schrecklich, als sie endlich wieder den Kopf hob, sich die Haare aus
dem Gesicht strich, und sich daraufhin im Spiegel betrachtete. Was war denn
nur mit ihr los? Sie erlebte so etwas nun wirklich nicht das erste Mal. Wieso
ließ sie sich so gehen? Warum zum Teufel konnte sie absolut nichts dagegen
tun?
Sie starrte in den Spiegel und verlor sich in dem Bild, das ihr entgegen geworfen
wurde. Das heiße Wasser schoss noch immer aus dem Wasserhahn und erzeugte
Dampf. Das Glas beschlug sich, und Faith konnte nur mehr auf eine graue, nebelähnliche
Fläche starren.
„Silent Hill...“, flüsterte sie, hob ihre Hand, wischte über den Spiegel,
und sah sich daraufhin wieder auf der verschmierten Glasfläche. Im ersten
Moment erschrak sie vor sich selbst.
„Es ist wirklich schrecklich, was passiert ist“, kam eine bekannte Stimme
aus dem Wohnbereich des umgebauten Busses.
Faith
zuckte kurz zusammen, drehte endlich das Wasser ab, bewegte sich allerdings
nicht. Sie hatte jetzt keine Lust, sich um Ronah zu kümmern. Nein, sie hatte
in Wirklichkeit nicht einmal die Kraft dazu. Sie wusste doch nicht einmal,
wie sie selbst damit klarkommen sollte.
„Ronah, bitte, sei mir nicht böse, aber ich würde gerne...“ Sie wurde jedoch
unterbrochen, bevor sie den Satz beenden konnte.
„Oh, ich bin doch nicht Ronah“, begann die Person zu lachen, und trat durch
die Trennwand zwischen Wohn- und Waschbereich.
„Eve? Was machen Sie hier?“, fragte Faith verwirrt. Was hatte diese Frau hier
verloren? Sie sollte bei Xander sein, nicht hier bei ihr. Oder...? Nein, das
konnte unmöglich sein.
„Oh, ich bin genau dort, wo ich hingehöre“, lachte Eve wieder, trat hinter
Faith und betrachtete sich und die Jägerin im halbbeschlagenen Spiegel.
„Du weißt, wer die Schuld an diesem Schlamassel trägt“, flüsterte die blonde
Frau sinnlich in Faith’ Ohr und strich ihr daraufhin über die linke Wange.
Die Jägerin konnte nicht fassen, was hier gerade vor sich ging. Das war definitiv
nicht Xanders Eve. Das konnte doch nicht wahr sein. Die Magier hatten ihr
doch gesagt, dass die Eve aus Silent Hill nur erfunden war. Was ging hier
vor?
„Du kannst dich an ihr rächen. Du weißt, wo du sie findest“, hauchte ihr Eve
in das andere Ohr, und fuhr dabei mit ihrer Hand durch Faith’ Haar. „Jetzt
zögerst du noch, aber eines weiß ich von dir, Schätzchen. Es liegt dir im
Blut. Du kannst es nicht ewig zurück halten. Bring sie um. Sie hat es verdient!“
Faith fühlte sich plötzlich, als wäre sie in einem Kühlraum eingesperrt worden,
während die andere ihre rechte Hand ausstreckte und mit ihren Fingern ein
Wort auf den Spiegel schrieb. Sie schob sich an der Jägerin vorbei, drehte
sich dann zu ihr um, und sah ihr tief in die Augen.
„Du hast es in dir, und du kannst es nicht ewig verstecken“, flüsterte sie
erneut, beugte sich nach vorn, und gab Faith einen langen, zärtlichen Kuss.
Faith schloss die Augen, ihre Füße versagten und sie sackte zu Boden.
In der nächsten Sekunde riss sie die Augen geschockt auf, jedoch war sie wieder
allein in dem kleinen Raum. Sie hob ihre rechte Hand und griff sich an den
Kopf. Die Schmerzen waren unerträglich, es fühlte sich an, als hätte sie ein
Uhrwerk in ihrem Schädel.
Langsam erhob sie sich wieder vom Boden und wollte schon wieder den Raum verlassen,
als ihr Blick dabei auf den Spiegel fiel.
Obwohl sich der Wasserdampf schon wieder auflöste, konnte sie ein Wort noch
ganz genau lesen.
„Töte…!“, las Faith leise.
England, London
Ratsgebäude
Lenhardts Büro
Ca. acht Uhr abends –
nach Europäische Zeit
Gedankenverloren waren
die Blicke des Wächters aus dem Fenster gerichtet - der Regen, der in dichten
Schleiern vom Himmel herab fiel, dauerte nun schon drei Tage an. Das war zwar
nicht sonderlich ungewöhnlich für London, dennoch sagte ihm sein Gefühl, dass
irgendetwas nicht stimmte.
Sein Blick glitt zum warmen Kaminfeuer. Auf dem Kaminsims darüber thronte
ein altes Familienbild der Lenhardts: Es zeigte seinen Vater, seine Mutter
und seine drei großen Brüder auf ihrem alten Hof in Deutschland vor dem Anfang
des Krieges.
Es kam ihm beinah so vor, als ob sein Vater ihn aus dem Bild heraus direkt
anschauen würde. Er war ein guter Mann gewesen und hatte immer an die Sache
der Wächter geglaubt. Was hätte er wohl an seiner Stelle getan? Vermutlich
hätte er sich nicht auf Lilys Seite geschlagen, aber Lenhardt wusste, dass
dies die einzige richtige Entscheidung gewesen war.
Ein Telefonklingeln riss ihn aus seinen Gedanken. Das musste Lily sein, sie
hätte sich schon vor einer Stunde melden sollen.
„Lenhardt?“, er führte den Hörer zu seinem Ohr.
Zu seinem Erstaunen musste er feststellen, dass es nicht Lily war: „Ah ja,
Chao-Ahn, du bist eine der Jägerinnen oder? Woher hast du diese Nummer, von Ms.
Usher?“
Die Stimme am anderen Ende klang unsicher: „Ja, ich weiß, dass sie mit Ms.
Usher die ganze Zeit über im Kontakt standen. Darum rufe ich an... weil,“ sie
zögerte, „Ms. Usher hat gesagt, dass wir… dass wir zurück nach England fliegen
sollen, aber wir… Wir fragen uns, ob das alles seine Richtigkeit hat, nach
allem was passiert ist?“
„Ganz langsam!“, während er mit der aufgewühlten jungen Frau am anderen Ende
der Leitung sprach glitt sein Blick wieder hinüber zum Bild seines Vaters, „Was
ist denn genau geschehen?“
„Wir haben die Dämonen angegriffen, aber es waren einfach zu viele. Buffy und
ihre Freunde waren auch da, sie wollten uns davon abhalten, genau wie es Ms.
Usher vorhergesagt hatte. Eine von uns war gezwungen gewesen Mr. Wood zu töten.
Und dann ist irgendetwas in der Stadt passiert, weil überall Wassermassen über
uns hereinbrachen. Ich konnte mit einigen fliehen, aber so viele sind tot.“,
ihre Stimme zitterte, als sie von den Geschehnissen berichtete. „Und wir haben
versagt. Die Apokalypse ist nicht verhindert worden. Die Stadt existiert noch
immer.“
„Nun beruhige dich erstmal“, Sorgenfalten zeichneten sich auf dem Gesicht des
alten Wächters ab. „Ich bin sicher Ms. Usher weiß genau was sie tut. Wenn sie
euch sagt, dass ihr zurück nach England kommen sollt, dann hat das auch seine
Richtigkeit!“
„Also denken Sie, wir sollen machen was Ms. Usher sagt?“, Chao-Ahn klang
entmutigt.
„In Anbetracht der Lage auf jeden Fall ja.“, stimmte Lenhardt zu, „Das ist das
einzig Richtige, was ihr jetzt machen könnt.“
„Gut. Und entschuldigen Sie den Anruf!“
„Kein Problem. Auf Wiedersehen!“, er legte auf.
Der Blick seines Vaters lastete weiterhin auf ihm, während Lenhardt für einen
Moment nachdachte und die Situation abwog. Dann griff er erneut zum Hörer und
wählte. Nach einem Moment des Wartens meldete sich jemand auf der anderen
Seite.
„George? .. Ja, ich bin es. Möchten Sie nicht vielleicht auf einen Drink
vorbeikommen? Es gibt einige Dinge, die ich mit Ihnen besprechen muss!“
Cleveland, Wächterhaus
Nachmittag
„Wir sollten nicht zu lange damit warten,“ sagte
Giles gerade, als Ronah den Hörer des Telefons zurücklegte und damit ihr Gespräch
mit dem Bestattungsinstitut beendete.
„Ich
weiß, aber sie haben erst in ein paar Tagen wieder einen Termin frei... und
zudem... ich weiß nicht, ob wir nicht mit der Planung für Robins Beerdigung
warten sollten, bis Faith wieder auftaucht. Vielleicht... hat sie ihre eigenen
Vorstellungen.“
„Ich
denke, Faith hat nichts dagegen, wenn wir ihr diese schweren Entscheidungen
abnehmen. Sie ist jetzt sicher nicht in der Verfassung...“
Die
Tür, die sich öffnete unterbrach Giles. Es war Buffy, die ihren Kopf
hereinsteckte.
„Wir
sind alle da.. soweit erreichbar und verfügbar. Wir warten im Konferenzraum auf
euch.“
„Faith...,“
fragte Ronah vorsichtig, aber Buffy schüttelte den Kopf. Ronah blickte
enttäuscht zu Giles und zuckte mit den Schultern. „Ich geh dann mal schnell im
Bus nachsehen, vielleicht ist sie ja inzwischen zurückgekommen...“
Malkuth, Halle von Binah
selbe Zeit
Leises Stöhnen drang durch den Raum, in welchem die Verletzten
Seite an Seite lagen. Mo spürte, wie ihm erneut die Tränen in die Augen stiegen,
doch er schluckte sie rasch hinunter. Jetzt war keine Zeit dafür, er hatte
noch nicht einmal Zeit, um hier zu bleiben. Die anderen brauchten seine Hilfe
beim Errichten eines Dammes, welcher das Wasser davon abhalten sollte, auch
in die höheren Bereiche der Stadt vorzudringen.
“Xander, ich möchte dich mit jemanden bekannt
machen.“ Mo wandte sich an den jungen Mann, welcher gerade dabei half, einen
Verband anzulegen. Xander nickte, überprüfte den Verband noch einmal, und
wandte sich dann an den bärtigen Dämon, während sich die anderen bereits um den
nächsten Verletzten kümmerten.
“Begleite mich, bitte.“ Mo führte Xander zum Ausgang
der Halle, wo eine alte Frau auf sie zutrat. “Du hast eine Frage an mich, ja?“
stellte sie unverwandt fest, ohne jeden Versuch ein normales Gespräch zu
beginnen.
“Dies ist Zaddik Babette,“ stellte Mo die Frau vor,
welche vor Xanders Augen weiter zu altern schien. Ich habe ihr von der
seltsamen Verwandlung deiner Gefährtin berichtet, und sie kennt vielleicht
einen Weg, um die Verwandlung rückgängig zu machen...entschuldigt mich jetzt
bitte, meine Hilfe wird gebraucht.“
“Eine aus unserer Mitte hat mit Kräften kokettiert,
von denen man sich besser fernhalten sollte,“ begann Babette. “Sie wollte
unsere Stadt vor den Jägerinnen bewahren, doch letztendlich wurde sie nur von ihrer
eigenen Machtgier getrieben. Leider hat sie ihre Torheit mit dem Leben bezahlt,
bevor sie zur Vernunft...“
Während der letzten Worte war ihre Stimme rau und
knarrend geworden, ihr Kopf hatte sich gesenkt, als könne ihr alterschwacher
Körper ihn nicht mehr tragen. Erschrocken sprang Xander zurück, als sie in sich
zusammensackte, und plötzlich zu Staub zerfiel. Er wandte sich nach Mo um, doch
dieser hastete bereits die Straße hinunter und verschwand im Dunkel der Stadt.
Die einzige Person, die Eve vielleicht helfen
konnte, und jetzt war sie vor seinen Augen gestorben. Wütend kickte Xander
gegen den Torbalken, doch er hielt mitten in der Bewegung inne, als sich in dem
Haufen Staub, welcher von der alten Frau geblieben war, etwas zu regen begann.
Sekunden später hörte er das Geschrei eines neugeborenen Kindes.
“Tsagran,“ brabbelte das Baby, welches rasch zu
wachsen begann, und sich auf seine pummeligen Beinchen erhob. Xander wusste
nicht wirklich, was er darauf antworten sollte, also wartete er lieber ab.
“Tsagran, der Herr des Irrsinns wurde beschworen.“
Die Stimme des kleinen Mädchens klang beunruhigt, ihre Augen voller Sorge. “Es
ist nicht mehr deine Gefährtin, mit der wir es hier zu tun haben...“
Malkuth, Halle von Binah
selbe Zeit
Verwundert
blickte Andrew Xander und Zaddik Babette hinterher, doch ein Räuspern von Mos
Frau erinnerte ihn daran, dass es Arbeit für ihn gab, und so wandte er seine
Aufmerksamkeit sofort wieder dem Dämon zu, den sie gerade versorgten. “Halt
seinen Kopf zur Seite,“ wies Golde ihn an, “es wird ihm etwas wehtun, wenn ich
die Wunde nähe, und er wird vielleicht ein paar Giftsporen ausspucken.“
Andrew
gehorchte ihr, und versuchte sich so hinzustellen, dass der bedrohlich wirkende
Schlund
des pilzartigen Dämons nicht auf ihn zeigte. Er trug eine Klammer auf der Nase,
damit ihm von dem furchtbaren Geruch um sie herum nicht übel wurde und
versuchte das grauenvolle Bild von Tod und Verwundung, das sich ihm bot, nicht
auf sich wirken zu lassen. Das einzige, was er tun konnte, war sich immer nur
auf die Handgriffe zu konzentrieren, welche er gerade ausführen musste, und
alles andere aus seinem Wahrnehmungsbereich zu verdrängen.
In
den letzten Stunden hatte er sich keine Pause gegönnt. Er konnte es sich jetzt
nicht leisten, nachzudenken, sonst würde alles in ihm zusammenbrechen, was noch
heil war, und das schien ihm ohnehin nicht mehr sehr viel zu sein. Noch vor
vierundzwanzig Stunden hatte er ein richtiges Leben gehabt, und nun war nichts
mehr davon übrig geblieben.
Halt,
das stimmte nicht ganz – Malkuth war noch da. Mit jedem geretteten Verwundeten,
jedem wiederaufgebauten Stein würden sie ein Stück Leben in die Stadt
zurückbringen. Sie würden weiterkämpfen, und er würde jeden letzten Rest seiner
Kraft in diesen Kampf hineinstecken.
Auch
wenn er damit niemals wiedergutmachen konnte, was Warren angerichtet hatte...
Die
Wunde war jetzt fertig genäht, und vorsichtig hoben sie den stöhnenden Dämon
vom Tisch und legten ihn zu den anderen auf eine Decke. Die Zaddikim hatten die
Kinder in die Häuser geschickt, um dort Decken, Kissen, Stofftücher, und andere
nützliche Dinge einzusammeln und in die Verletztenlager zu bringen. Nur an
Medikamenten fehlte es etwas, sie verwendeten zwar die Gifte verschiedener
Dämonen als Narkotisierungs- und Schmerzmittel, hatten aber nicht immer das
Passende zur Hand.
Sie
hoben gerade den nächsten Dämon auf den Tisch, und machten sich daran, seine
Wunden zu säubern, als Xander neben Andrew trat, seine Miene äußerst
sorgenvoll. Was immer er mit Zaddik Babette besprochen hatte, es schien ihn
nicht gerade aufgemuntert zu haben.
“Brauchst
du eine Pause?“ wollte Xander wissen. “Ich kann hier weitermachen, wenn du dich
ein wenig ausruhen willst.“
“Nein,
danke, es geht schon,“ lehnte Andrew ab. “Ich kann jetzt nicht rumsitzen.“
“Du
könntest drüben meiner Tochter helfen,“ schlug Golde vor. Xander nickte, und
wollte sich schon abwenden, als ein ohrenbetäubender Krach sie alle
zusammenfahren ließ.
Alarmiert,
aber auch mit einer Spur von Panik wandten sie ihre Köpfe in die Richtung – in
Erwartung des Schlimmsten, Wassermassen, Jägerinnen, mussten sie feststellen,
dass es noch schlimmer kommen konnte: Eve, oder besser gesagt, dass was einmal
Eve war, hatte eine Wand der provisorischen Krankenstation eingerissen und starrte
ins Innere.
Als
sie Xander in dem hinteren Bereich entdeckte, stieß sie einen gewaltigen Schrei
aus.
„Um Himmels Willen,“ keuchte Andrew. „So hatte ich mir sie nicht vorgestellt.“,
dabei legte er die Binde zur Seite, mit der er gerade noch einen Dämon behandelt
hatte, und griff nach einem Schwert.
„Lass
mal,“ sagte Xander versucht ruhig und drückte Andrews Hand mit der Waffe nieder.
„Das ist meine Angelegenheit. Ich werde versuchen, sie von euch abzulenken.
Vielleicht kann ich sie zu Babette locken. Du bleibst hier. Kümmere dich lieber
um die Leute. Ich schaff das schon!“ Xander riss Andrew die Waffe aus der
Hand, nickte ihm zum Abschluss noch zu und steuerte dann direkt auf die Dämonin
zu, die ihn vor kurzem fast getötet hatte.
Doch nun sah es anders aus. Er war gewissermaßen im Vorteil. Er wusste nun
Bescheid. Er hatte nicht vor sie zu bekämpfen. Er musste sie nur zu Babette
bringen. Das war zu schaffen. Hoffentlich.
Der Dämon war mittlerweile bei einigen tapferen Wesen angekommen, die das
Lager verteidigen wollten. Sie hatten allerdings keine Chance. Ohne auch nur
groß zu überlegen, packte sie den ersten von ihnen, schleuderte ihn mit voller
Wucht auf die beiden anderen und beförderte sie damit zu Boden. Als Eve sich
der Gruppe nähern wollte, erblickte sie plötzlich Xander, der dumm genug war
mit einer Waffe auf sie zu zukommen. ‚Mistkerl.
Er wird hier als Erster sterben!’, schoss es ihr durch den Kopf.
Xander blieb noch einmal kurz stehen, um sich zu orientieren. Nachdem er Eve
aus dem Lager gelockt hatte, musste er von Binah aus die Straße des Wagens
hinunterlaufen, und sie schlussendlich in die Halle von Geburah bringen. Das
war zu schaffen. Er musste es einfach.
„Hey, du stinkende Dämonin!“, schrie Xander, fasste allen Mut zusammen und
lief auf sie zu. Er musste irgendwie an ihr vorbei, und die beste Chance bestand
darin, unter ihr durch zu rutschen. Er machte sich bereit, duckte sich, vollführte
eine Rolle... und wurde von Eve gepackt.
‚Verdammt!’, fluchte Xander innerlich.
‚Jetzt hab ich schon den Anfang vermasselt…’
Eve
schlug ihm kräftig ins Gesicht, woraufhin ihr Gegner einige Meter zurück
taumelte. Aus weiter Entfernung hörte er Frauen und Kinder schreien, die
versuchten, sich zurückzuziehen.
„Komm her… hol mich doch!“, schrie Xander, nachdem er sich die schmerzende Nase
gerieben hatte. Wieder fester auf den Beinen, umklammerte er das Schwert
eisern. Er würde es wohl benutzten müssen.
Eve stürmte los, schleuderte dabei eine Trage aus dem Weg und sprang
schlussendlich den letzten Meter bis zu ihm. In Sekundenschnelle drehte sich
Xander zur Seite, wich dadurch dem Angriff aus und hastete auf den Ausgang zu.
Der Dämon schrie wütend auf und panisch musste ihr Widersacher feststellen,
dass sie trotz ihrer enormen Körpermasse schneller zu laufen schien als er.
„Straße des Wagens... Straße des Wagens...“, flüsterte Xander vor sich hin, als
er aus dem Lager lief, dicht gefolgt von Eve, oder besser gesagt dem Wesen in
ihrem Körper. Als er sich endlich orientiert hatte, rannte er so schnell er
konnte los, und hatte bereits die halbe Streckte hinter sich, als plötzlich ein
großer Steinbrocken nur wenige Zentimeter neben ihm einschlug und ein enormes
Loch in den Boden rammte. Er war sich bewusst, dass, wenn sie getroffen hätte,
er jetzt nur noch Brei wäre.
Sofort drehte er sich um, kundschaftete hastig die Umgebung aus und suchte
hinter einer Häuserecke Schutz, bevor der zweite Steinbrocken einschlug. Eve
stand einige Meter von ihm entfernt an einer Hauswand und riss völlig in Rage
verfallen riesige Steine aus der Front.
„Denk nach, Harris!“, befahl er sich selbst, doch er sah keine andere
Möglichkeit, als sein Leben dem Risiko auszusetzen. Er musste in die Halle, und
in sie kam er nur durch diese Straße.
Er holte noch einmal tief Luft, wartete, bis der nächste Brocken eingeschlagen
war, und lief dann wieder los. Sekunden, bevor das nächste Wurfgeschoss ihn
treffen konnte, hatte er hinter der nächsten Häuserecke Platz gefunden. Er
lächelte. So würde es gehen.
Nach einigen weiteren erfolglosen Versuchen ließ der Dämon die Wand links
liegen und folgte seinem Opfer wieder.
Völlig außer Atem betrat Xander kurz darauf die Halle von Geburah. Babette, die
mitten im Raum stand und von einer mächtigen Aura umgeben war, blickte auf,
nickte ihm zu, und schien bereit zu sein, den Dämon in die Mangel zu nehmen.
Xander trat von der Tür weg und ging hinter einem kleinen Vorsprung in Deckung.
Nur wenige Sekunden später stürmte Eve brüllend herein, und merkte zuerst gar
nicht, dass es nicht Xander war, der in der Mitte der Halle stand. Dann war es
auch schon zu spät…
Wächterhaus
zur selben Zeit
Als
Giles hinter Buffy in den Raum eintrat gewann er schnell den Überblick – Dawn,
Kennedy, Buffy... er selbst.. mehr waren nicht da. Schmerzlich an Willow erinnert
blickte er auf den leeren Stuhl, wo Willow gewöhnlich saß. Ihr Laptop stand
verwaist auf dem Tisch und Kennedy wirkte ebenso verloren wie die „Höllenmaschine.“
Xander
und Andrew noch in Malkuth zu wissen, beruhigte Giles auch nicht sonderlich. Aber
sie waren erwachsen und hatten ihre eigenen Entscheidungen getroffen. Dass
diese ihm nicht gefielen.. nun das war wohl sein eigenes Problem. Und wo immer
auch Faith war... er hoffte Ronah würde sie finden und einen guten Einfluss auf
sie haben. Der Verlust von Vi hatte Faith bereits verändert. Doch Robin zu
verlieren war etwas völlig anderes. Er wusste nur zu gut, wie unüberlegt man
aus dem Wunsch zur Rache handelte.
Nervös fuhr er sich durch das Haar und räusperte sich. „Nun gut... dann wollen
wir anfangen... gibt es etwas neues von Willow,“ Giles blickte zu Kennedy, die
traurig ihren Kopf hob und verneinend schüttelte. Giles schwieg für einen
Moment und wollte gerade wieder seine Stimme erheben, als er durch die Tür, die
sich noch einmal öffnete, unterbrochen wurde. Ronah schlüpfte leise herein,
gefolgt von Faith. Faith verzichtete auf eine Begrüßung der Anwesenden, noch
schien sie wirklich wahrzunehmen, was um sie herum geschah. Sie nahm einfach
platz und starrte mit unbeweglicher Miene auf die Tischplatte. Ronah dahingegen
hatte verweinte, geschwollene Augen und die Stille im Raum wurde erdrückend,
als allen wieder klar wurde, was sie in Malkuth riskiert hatten.
Schließlich
war es Buffy, die das Wort ergriff, wenn auch zunächst nur zögernd.
„Wenn
... wenn Sie schon von anfangen sprechen,“ Buffy drehte sich auf ihrem Stuhl zu
Dawn herum und ihre Stimme wurde wieder fester. „Wo hast du eigentlich die
ganze Zeit über gesteckt? Wir hatten wichtige Treffen, nur du warst weder hier
noch zuhause! Und dein Handy war abgeschaltet.“
„Na
die Frage gebe ich doch gerne an all die anderen zurück,“ meinte Dawn etwas
gekränkt. „Ich war nur mal mit Shin unterwegs... was erledigen. Und ehe ich
mich versehe, verpasse ich eine Schlacht -
Jägerinnen gegen Jägerinnen...“
“Nicht ganz,“ mischte sich Giles ein. „Lily hat ihre Jägerinnen eigentlich
gegen Malkuth losgeschickt...“
„Lily... gut
das Sie sie erwähnen,“ fiel ihm Dawn rasch ins Wort. „Shin und ich habe sie
gestern in einem Bürogebäude belauscht. Sie war dort mit D’Hoffryn und diesem
Romero. Ihr wisst schon, diesem wichtigen Typen von diesem merkwürdigen HtoGrom Clan, hinter dem Shins Leute
seit zig Jahrhunderten her sind?“ Als alle nickten und gespannt Dawn anblickten,
fuhr sie fort. „Ich habe nicht verstanden, um was es bei diesem Gespräch genau
ging, aber ich halte es für sehr.. bedenklich.“
„Brauchen
Sie noch mehr Beweise,“ fragte Buffy sarkastisch in Richtung Giles, der
unangenehm berührt den Blick senkte. Er hatte ja verstanden zu welcher Gefahr
Lily inzwischen geworden war. Sie war kein Gegner mehr, mit dem man vernünftig
reden oder verhandeln konnte. Er atmete leise tief durch - der einzige Ausdruck
seiner inneren Verzweiflung über Lily und dem was er noch immer versuchte in
ihr zu sehen – einen Menschen mit Verstand, einen Menschen, den er noch lieben
könnte.
„Sicher
stecken die anderen auch mit drinnen,“ vermutete Ronah. „Wieso sonst sollte
sich Lily mit Dämonen in Cleveland treffen und das nur wenige Stunden vor dem
Angriff?“
„Aber
ich habe dort unten nur Jägerinnen kämpfen gesehen.“ Warf Buffy dazwischen.
„Keine Dämonenarmee.“
„Dann
plant sie etwas anderes,“ mutmaßte Dawn.
„Und
was hast du und Shin dort eigentlich zu suchen gehabt,“ wollte Kennedy wissen.
„Shin...
na ja, er muss doch diese Prüfung machen. Komplizierte, japanische
Familientradition,“ lächelte Dawn verlegen darüber, dass sie selbst nicht so
ganz mit dieser Mentalität klar kam. „Er musste Romero finden und besiegen. Per
Email bekamen wir einen Tipp auf dieses Gebäude. Ich wollte ihm helfen und bin
mitgegangen. Und als wir dort ankamen, fanden wir nicht nur Romero. Shin rief
seine Familie zur Verstärkung. Was dann passierte, weiß ich nicht so genau..
mir wurde... irgendwie schwindlig und als ich wieder aufwachte, lag ich in
meinem Bett, neben mir eine Jägerin, übrigens Caridad, falls ihr euch noch
erinnert, mit einem Dolch und Bonita. Den Rest kennt ihr ja.“
„Vielleicht
sollten wir uns dort mal genauer umsehen. Nur für den Fall, dass Lily sich
dort versteckt hält, oder die anderen beiden. Sicher finden wir dort auch
wichtige Beweise, die Lily als Verräterin überführen könnten,“ schlug Buffy
vor. Giles nickte schwach. „Gut, dann gehen wir Jägerinnen dort vorbei. Am
besten alle, wer weiß, vielleicht hat sie dort auch ihre kleine Armee versteckt.
Ich will vorbereitet sein.“
„Kann
mich jetzt jemand mal über dieses Malkuth und Lily aufklären?“, fragte Dawn
ungeduldig. „Bonita hat mir einen groben Überblick über die Stadt gegeben,
wieso sie existiert und so.. aber sie wusste ja selbst nicht genau, was
passiert ist.“
Buffy,
Kennedy und Ronah blickten gleichzeitig zu Giles, der sich genötigt davon zu
einem schweren Seufzer hinreißen ließ und Dawn eine Zusammenfassung der
Ereignisse der letzten Stunden gab. Dawn wurde ein wenig blass, als sie von Buffys
Situation über dem Höllenschlund erfuhr und von Lilys wahnsinnigem Plan, den
vierten Reiter nur aus einem Grund zu befreien – Buffy durch ihn sterben zu
lassen, um einen Zauber, von dem niemand wusste, ob er wirklich so einfach zu
brechen war, zu Nichte zu machen.
„Und
das war ihr ganzer Plan? Ich meine.. nachdem sie versucht hat mich als
Schlüssel zu benutzen, wollte sie Buffy opfern? Ohne zu wissen, ob es
funktioniert?“
„Ich
glaube nicht Dawn,“ Giles rieb sich über die müden Augen. „Lily tut nicht
einfach irgendetwas, ohne sich nicht vorher abgesichert zu haben. Bei dir gab
es eine angebliche alte Prophezeiung, die sie von ihrem Vater hatte. Ob sie sie
falsch interpretiert hat, wissen wir nicht. Und ich glaube fest daran, dass
auch im Fall von Buffy eine Quelle dahinter steckt.“
„Und
sie scheint nicht zu wissen, dass die vier Reiter mehr tun werden, als nur eine
Apokalypse anzuzetteln,“ ergänzte Buffy. „Sie hat mir nicht viel von ihrem Plan
verraten, während ich über dem Höllenschlund hing. Aber eines ist klar - jemand
muss sie aufhalten oder zumindest den Rat davon überzeugen, dass sie
durchgedreht ist und nicht mehr das Sagen haben darf.“
„Das
wissen wir doch schon länger,“ brummte Kennedy. „Und der Rat hat uns nicht
geglaubt.“
„Aber
jetzt haben wir Beweise... die anderen Jägerinnen.. spätestens wenn diese dem
Rat erzählen, was sie in Cleveland getan haben, müssen doch Alarmglocken
aufschrillen,“ Buffys Stimme klang fast flehend, als wollte sie keine andere
Antwort als ein Ja hören.
„Wir
kennen Lily... sie ist perfekt darin andere Leute um den Finger zu wickeln,“
Giles blickte müde in die Runde. Alle außer Faith hatten sich bisher zu den
letzten Ereignissen geäußert, aber er wollte sie nicht dazu auffordern bevor
sie nicht dazu bereit war. Sie musste im Moment mit ganz anderen Dingen
klarkommen.
Faith
Gesichtsausdruck war noch immer versteinert. Aber inzwischen hatte sie das
Interesse an der nackten Tischplatte verloren und starrte in eine Ecke des
Konferenzraumes. Mit einem Ohr versuchte sie dem Gesprächen zu folgen, aber das
war alles nur unnötiges Blablabla.. sie wussten doch längst, dass Lily für den
ganzen Schlamassel verantwortlich war und konnten nichts dagegen machen, weil
sie ein Mensch war. Und Menschen tötete man in der Welt von Buffy nicht. Faith
wäre am liebsten wieder zurück in den alten Bus gegangen, doch wenn sie etwas
für Robin tun wollte, dann war es besser hier zu bleiben, den Schein zu wahren
und mitzuhelfen – das würde Robin sicher gefallen.
Sie
atmete tief durch, um ihre Nerven zu beruhigen, ihre Gedanken abzulenken, aber
es war so schwer, die Bilder aus Malkuth aus ihrem Kopf zu verbannen: Ronah, die in Gefahr war, der Schrei von
Robin, ihr Versuch zu ihm zu kommen, Kim, die den Pfeil abschoss.... Eve...
Eve? Faith setzte sich ruckartig in ihrem Stuhl auf, als ihr bewusst wurde,
dass sie keine Bilder aus den Erinnerungen heraufbeschworen hatte. Eve war
nicht dort gewesen... Aber sie stand jetzt in der Ecke des Raumes, spielte mit
einem Messer in ihrer Hand und grinste breit und gehässig zu ihr herüber.
Langsam drehte sie das Messer nach vorne. Die Spitze zeigte auf Ronah und
wanderte dann weiter zu Faith. Als wollte sie ihr damit sagen, wer als nächstes
dran war.
„Faith? Faith!
Alles in Ordnung?“, Ronah legte Faith eine Hand auf die Schulter, während
die anderen überrascht, aber auch erschrocken Faith anblickten. Ihre ruckartige
Bewegung von eben, der entsetzte Gesichtsausdruck und die starren Augen waren
nicht unbemerkt geblieben.
Faith blinzelte mehrmals und sah wieder in die
Ecke. Sie war leer. Drehte sie langsam durch? Ihr Kopf wanderte langsam zurück
zu Ronah. „Uhm.. alles in Ordnung.. entschuldigt... ich musste nur wieder an
Malkuth denken.... an... ist schon gut,“ wehrte sie ab und Ronah zog ihre Hand
zurück.
Die
anderen musterten Faith, die sich unangenehm berührt auf ihrem Stuhl hin und
her wandte und ein Lächeln zustande brachte, wenn auch nur ein recht schräges.
„Ist schon gut, sagte ich. Macht euch keine Sorgen. Fahrt fort....wir waren bei
Lily und dem was sie getan hat....“
„Uhm... ja...,“
nickte Giles noch ein wenig irritiert von Faith Verhalten, aber ergriff dann
wieder das Wort. „Zurück zu den Jägerinnen als Zeugen... Lily hat sie mit einem
Bann belegt. Es ist fraglich ob sie dem Rat tatsächlich die Ereignisse so
schildern werden, wie sie vorgefallen sind.“
„Aber
Willow hat doch diesen Zauber...“, setzte Kennedy hoffnungsvoll an, wurde aber
von einer raschen Handbewegung von Giles unterbrochen.
„Ob
es funktioniert hat, wissen wir erst, wenn Willow wieder aufwacht und uns
berichten kann.“ Giles rieb sich die Nasenwurzel. „Fassen wir kurz zusammen –
Lily hat für uns den Höllenschlund entdeckt, das Versteck des vierten Reiters.
Möglicherweise hat ihr Ritual den Schlund zum Leben erweckt. Was für uns in
nächster Zeit viel Arbeit bedeutet.“
„Sofern
wir die Reiter überleben“, brummte Kennedy.
„Ich
frage mich nur, wieso Lily nicht sehen kann, was die Reiter vorhaben“,
schüttelte Buffy verzweifelt den Kopf. „Sie ist doch Wächterin. Eine Apokalypse
sollte mit allen Mitteln auch von ihr verhindert werden.“
„Ich
schätze Lilys Problem ist es, leider so ziemlich vieles falsch zu
interpretieren,“ sagte Kennedy. „Ist doch wahr,“ fügte sie hinzu, als die
anderen sie ansahen. „Oder sie pickt sich nur das heraus, was sie gerne „hören“
will. So blind und taub kann man doch gar nicht sein.“
„Vielleicht
ist das ihr Notplan,“ sagte Giles nachdenklich. „Möglicherweise will sie die
Apokalypse, um die Jägerinnen in einer ungleichen Schlacht sterben zu sehen.
Darunter auch... auch Buffy.“
„Und
dann wäre der Zauber durchbrochen?“, fragte Dawn zweifelnd.
„Wenn
es nach Lily ginge – ja,“ nickte Giles. „Rein vom Wissen her – keine Ahnung.
Wir haben damals eine Grenze überschritten ohne zu wissen ob es funktioniert
und wie lange es funktioniert. Wie es aber scheint, hat der Zauber etwas getan,
das anhält.“
„Und
das Wasser?“, fragte Dawn plötzlich. „Hat es auch was damit zu tun? Oder woher
kam es?“
„Wissen
wir nicht wirklich,“ zuckte Kennedy mit den Schultern. „Wir mussten uns um
Willow kümmern.“
„Ich
glaube der vierte Reiter ist irgendwo weiter oben über der Stadt ausgebrochen,
weil er keinen anderen Weg nach draußen gefunden hatte,“ sprang Ronah ein.
„Jedenfalls hab ich so was gehört, als wir auf der Suche nach euch oder einem
Ausweg waren.“
„Erinnert
ihr euch an den Tumult auf See?“, fragte Buffy.
„Der
Wasserstrudel.. ja,“ nickte Giles.
„Ich
schätze da haben wir unsere Antwort.“ Buffy seufzte. „Ich hoffe Xander passt
auf. Und Andrew auch,“ fügte sie etwas verspätet hinzu. „Es ist sicher nicht
ungefährlich dort unten im Moment.“
„Ich
hoffe sie können etwas für Mo und seine Leute tun,“ sagte Kennedy
hoffnungsvoll.
„Sie werden
sich melden, sobald es neues gibt,“ beruhigte Giles. „Wir sollten uns so lange
um unsere Probleme kümmern, die durchaus größer sind. Da Lilys Pläne
offensichtlich nicht funktioniert haben, und sie uns immer ein Schritt voraus
ist, müssen wir versuchen, herauszufinden, was sie als nächstes plant.
Allerdings denke ich, so lange wir nicht alle Fakten kennen, die sie kennt und
das schließt die Reiter mit ein, werden wir nicht einen Schritt vorankommen.“
Giles klang alles andere nur nicht optimistisch.
„Es
reicht uns nicht zu wissen, dass sie eine Prophezeiung besaß, nach der sie wohl
fälschlich annahm, Dawn könnte die Linie der Jägerinnen schließen im Sinne von
– der Kreis schließt sich, alles ist wieder wie es vorher war. Es nützt uns
nichts, Lilys Plan zu kennen, es bringt uns auch keinen Schritt weiter, dass
wir jetzt wissen, dass Lily den vierten Reiter befreite, in der Hoffnung ihren
Plan so noch immer umzusetzen.. wir brauchen mehr Belege für das, was die
Reiter planen. Wie sieht die Apokalypse aus? Wo wird sie auftreten? Wo sind die
Schwächen, was sind ihre Stärken...“
„Giles,“ unterbrach
Buffy leicht ungehalten. „Ist es nicht eigentlich immer ihr Job gewesen uns aufzubauen, wenn eine Situation
vollkommen ausweglos erschien?,“ lächelte Buffy schwach, worauf Giles sich
unterbrach und etwas verlegen zurück lächelte.
„Wir
brauchen mehr Informationen,“ beschloss er knapp, doch dieses Mal mit fester
Stimme. „Und diese kann uns Shins Familie geben. Und wir brauchen Willows
Rechercheergebnisse, an denen sie gearbeitet hat. Vielleicht besteht schon
Kontakt zu diesem Indianerstamm.“
„Ich
könnte nachsehen,“ bot sich Kennedy an und zog den Laptop heran. „Ich kenne Willows Passwörter und ich
weiß wo sie alles abspeichert...sie hat’s mir mal gezeigt, für den Fall.... für
den Fall das ihr was passieren könnte...“ fügte sie leise hinzu.
„Gut
und du Dawn, könntest Shin anrufen, um ihn davon zu unterrichten, dass ich
vorbeikommen werde. Ich muss mit seinen Eltern reden. Wir können nicht länger
warten.“
„Okay..
kein Problem. Ich denke, dass sie inzwischen.. offener sind,“ lächelte Dawn
unsicher, der gar nicht wohl bei dem Gedanken war, jetzt mit Shin zu
telefonieren, als wäre nichts passiert.. schließlich hatte er sie am Kampf
gehindert und sie irgendwie aus dem Gebäude geschafft.. oder war es vielleicht
anders gewesen? Sie konnte sich leider überhaupt nicht richtig erinnern... Dawn
stand auf und ging auf den Flur hinaus, um zu telefonieren, während Kennedy
gebannt auf den Monitor blickte und auf der Tastatur herumtippte.
Wächterhaus, Flur
zur selben Zeit
Dawn
griff nach dem Hörer, wählte Shins Nummer und wartete geduldig, wenn auch
innerlich angespannt und nervös auf das Freizeichen. Als sich kurz darauf Shins
Stimme meldete, schluckte sie hart und dachte darüber nach, wie sie das
Gespräch am besten beginnen sollte.
„Uhm..
Hi, Shin, ich bin’s Dawn. Hör mal... wir haben hier ein paar Probleme... die
heißen Lily, Jägerinnen, vier Reiter...“
„Vier?“, fragte Shin laut und
entsetzt nach.
„Ja,
vier. Sie hat den vierten gefunden und leider befreit. Ist alles ziemlich
kompliziert. Ich kann’s dir später erklären, wenn ich mehr Zeit habe. Giles möchte unbedingt mit deinen
Eltern reden.“
Auf
der anderen Seite der Leitung war ein kurzes Zögern ehe Shin fragte: „Okay, und wann?“
„Am
liebsten gestern,“ grinste Dawn in den Hörer. „Würde es heute noch gehen?“
„Ich denke schon. Ich
rede mit ihnen. Kommt einfach vorbei.“
„Danke,“
Dawn wollte sich schon verabschieden, aber dann waren die Fragen über das was
im Gebäude passiert war, doch stärker. „Uhm.. du, Shin?“
„Ja?“
„Wegen
gestern.. was ist da eigentlich passiert? Ich meine, nachdem ich plötzlich
bewusstlos wurde...“
„Können wir darüber
später reden? Das wäre mir lieber... weil es persönlicher wäre als am Telefon?“
„Geht
klar,“ erwiderte Dawn etwas enttäuscht. „Ich komme einfach mit Giles mit, und
dann können wir reden. Bis später.“
Konferenzraum / Giles Büro
zur selben Zeit
„Oh...
ich hab hier was,“ verkündete Kennedy stolz und aufgeregt. „Eine Email. Kam
gestern Abend rein. Es ist eine Antwort auf eine Anfrage, die Willow
offensichtlich bei diesem Stamm gemacht hatte. Und zwar bat sie um einen
Besuchstermin bei einem Medizinmann... oh meine Güte.. den Namen kann ja keiner
aussprechen...er ist einverstanden. Ich hab hier sogar eine Telefonnummer.“
Giles schob ihr seinen Notizblock zu und sie schrieb für ihn die Nummer und den
Namen ab.
„Ich
bin gleich zurück,“ Giles ging mit dem Zettel in der Hand in sein Büro, um
einen Termin für die nächste Stunde auszumachen. Das Gefühl endlich
voranzukommen, war wunderbar und es ließ ihn und auch die anderen im
Konferenzraum ein wenig die Strapazen und Schicksalsschläge der vergangenen
Stunden vergessen.
Als
Dawn wieder zurück in den Raum kam, hörte man Giles noch immer gedämpft in
seinem Büro am Telefon reden. Daher nahm Dawn erst einmal platz. Niemand sprach
miteinander und Dawn fühlte sich unangenehm an den Morgen im Krankenhaus
erinnert. Doch ehe die Stille erdrückend werden konnte, kam Giles
freudestrahlend zurück.
„Wunderbar.
Ich kann gleich vorbeikommen.“
„Ich
komme mit,“ bot sich Dawn an. „Sie können nämlich auch nachher gleich noch bei
Shins Eltern vorbeischauen. Er regelt das für uns...“
„Großartig,“
Giles war an einem der Schränke beschäftigt, in dem er die Bücher und
Aufzeichnungen über die Reiter aufbewahrte. Er wollte vorbereitet sein, falls
er dort weiter ausholen musste, um sich und sein Anliegen zu erklären. „Aber
ich denke es ist besser, wenn ich alleine fahre. Ihr besprecht am besten euren
Plan in diesem Bürogebäude nach dem Rechten zu sehen.“ Mit diesen Worten packte
er das letzte Buch in die Tasche und verließ den Raum.
Altes Bürogebäude
später Nachmittag
Die
Jägerinnen hatten längst ihr Hab und Gut gepackt und waren gegangen, das kurze
Feuer im alten Kamin war erloschen und Lily saß in Gedanken versunken alleine
da und dachte über ihre nächsten Schritte nach. Was würde passieren, wenn die
Jägerinnen in London den Kampf in Malkuth so darstellten, dass man misstrauisch
wurde und sich Fragen stellte? Oder egal wie sie es erzählten, falsch verstehen
würden?
Sie
hatte nicht vergessen, dass sie nur wegen einer einzigen Stimme mehr gegen
Giles gewonnen hatte. Seine Anhänger und Mitläufer waren noch immer als Wächter
tätig und sicher gerne bereit jeden kleinen Fehltritt von ihr genauestens unter
die Lupe zu nehmen.
Aber
vielleicht machte sie sich nur unnötige Sorgen, und der Bann zusammen mit den
Medikamenten hielt länger an. Unter Umständen sogar so lange, bis sie selbst
wieder in London war und dafür sorgen konnte, dass die Jägerinnen nur ihr hörig
waren. Falls sie nach London zurückkehren konnte. Es gab zum einen hier noch
das eine oder andere zu regeln, damit die Apokalypse tatsächlich dafür sorgen
würde, dass ihre Jägerinnen-Armee ein für alle Male ausgelöscht wurde und mit
ihnen auch Buffy. Zum anderen hing alles von ihrem Telefonat mit Lenhardt und
George ab. Nur so würde sie erfahren, wie man in London auf die Jägerinnen
reagiert hatte. Aber das würde warten müssen. Noch waren die Jägerinnen nicht
gelandet.
Jetzt
galt es erst einmal einen sicheren Unterschlupf in der Stadt zu finden, wo sie
vor Buffy sicher war.
Während
sie diesen Entschluss fasste, stand sie auf, packte all die Papiere zusammen,
die sie vor dem Feuer geschont hatte und für sie noch wichtig waren, um sie
wegzustecken. Mit einer einzigen Aktenmappe unter dem Arm verließ Lily ohne
sich noch einmal umzusehen das Bürogebäude.
Die Organisation
Nach Sonnenuntergang
Die
Dächer der Lagerhallen auf dem Firmengelände „Larokee“ spiegelten das warme,
rote Licht der untergehenden Sonne wieder. Im letzten Tageslicht fuhren
Lastwagen vom Hof, andere kamen gerade an, einige andere wurden an den
Lagerhallen ausgeladen. Obstkisten voller reifer Orangen wanderten aus den
Laderäumen in die Hallen, wo geschäftig einige Dämonen die Kisten prüften – sie
packten die obersten Schichten Obst zur Zeit, um darunter Waffen freizulegen.
Wieder unter Orangen verdeckt wurden die Kisten gepackt und dann weiter
aufgestapelt. Die Waffen wurden hier nur zwischengelagert, um sie später auf
einem lukrativen Markt weiterzuverkaufen. Die Organisation wusste, dass man mit
der Zeit gehen musste und verstand es Geschäfte zu machen. Sie brauchten Geld,
um sich zu vergrößern, um auch in anderen Städten die Führung zu übernehmen.
In
einer anderen Lagerhalle wurden Zitronen angeliefert. Unter ihnen war Munition
und Sprengstoff versteckt.
Draußen
im Hof patrouillierten Wachposten, die seit der Niederlage gegen die Jägerin
und dem erzwungenen Waffenstillstand verdoppelt worden waren. Aber der Abend
verlief so ruhig wie immer. Einige der Dämonen waren heute zwar nervöser als
sonst, aber das war nach dem Überfall auf Malkuth nur verständlich. Gerüchte
besagten, dass Wasser vom See in die Stadt eindrang und das, was die Jägerinnen
zurück gelassen hatten, endgültig zerstörte. Aber mit Sicherheit wusste das
niemand.
Als
die Schatten länger wurden und die Kisten langsam abnahmen, fiel ein
sonderbarer Schatten über die Dächer der Hallen. Ein gewaltiger großer, dunkler
Fleck, der sich auf einmal aufteilte und zu vier einzelnen Schatten wurden. Ein
heftiger Luftzug wehte über den Hof und ließ unbefestigte Lagertore hin und her
klappern. Die Wachposten blieben alarmiert stehen und sahen nach oben und
trauten ihren Augen nicht. Über ihnen kreisten vier Pferde auf denen jeweils
ein Reiter saß. Sie konnten nichts genaueres erkennen, aber etwas an dem
Anblick ließ sie nervös die Waffen entsichern.
Langsam zogen
die Pferde einen engeren Kreis und sanken schließlich nieder, bis die Hufen
auf dem geteerten Hof klappernd zum Stehen kamen. Niemand im Umkreis der Reiter
wagte es sich zu bewegen, noch etwas zu sagen. Jeder spürte die Bedrohung,
das Dunkle, das Alte, das von ihnen ausging. Einige auf dem Hof erinnerten
sich an die Gerüchte, die seit dem Morgen herumgingen – vier Dämonen aus der
alten Welt wären in Cleveland angekommen, und würden auf der Suche nach Informationen
eine Spur der Vernichtung mit sich ziehen. Niemand zweifelte daran, dass sie
es genau mit diesen Dämonen im Moment zu tun hatten.
Plötzlich
stiegen die vier Reiter synchron ohne dass es eine Absprache gegeben hätte von
ihren Pferden herunter. Leder knirschte, Waffen klirrten, die Pferde schnaubten
nervös und noch immer regte sich niemand anders auf dem Platz.
Die
vier Dämonen schritten nebeneinander im Gleichschritt auf eine der Lagerhallen
zu – die Haare wehten hinter ihnen her, ihre Rechte lag auf den Waffen und
unter Masken, Kriegsbemalung und Bartwuchs blitzen bedrohlich ihre Augen für
einen Augenblick rot auf.
Erst
jetzt kam Bewegung in die Dämonen und in die Menschen vor der Halle – sie
flohen ins Innere. Einer von ihnen rannte weiter, riss eine Notfalltür auf und
hielt auf das Bürogebäude zu, um den Boss zu verständigen.
Einer
der Wachposten hob mutig seine Waffe und zielte damit auf die Reiter. Eine
rasche Handbewegung des asiatischen Dämons prellte dem Bewaffneten das Gewehr
aus der Hand und ließ ihn in der gleichen Sekunde in Feuer aufgehen. Schreiend
vor Schmerzen taumelte er als lebende Fackel unkontrolliert hin und her, bis er
zu Boden fiel und die Flammen über seine Leiche züngelten.
Die
vier erreichten einen der LKWs an der Rampe. Der Fahrer versuchte sich
verzweifelt in der Kabine unsichtbar zu
machen, aber es gelang ihm nicht. Der indianische Dämon riss die Tür aus der
Verankerung, warf sie achtlos zur Seite und zog den menschlichen Fahrer aus der
Kabine. „Wer hat hier das Sagen,“ herrschte der indianische Dämon den Mann an.
Beeindruckt und verängstigt von dem Geschehen, wagte es der Mann nicht lange
mit einer Antwort zu warten. Er schluckte heftig und deutete hinter sich.
„Mandara Salogel – hinter der Halle im Büro.“
Die
Reiter hielten sich nicht länger auf, ließen diesen Menschen dieses Mal am
Leben, und schritten um die Lagerhalle herum. Das Bürogebäude lag vor ihnen und
zwei echsenartige Dämonen rannten gerade daraus hervor, nur um ruckartig stehen
zu bleiben, als sie die vier anderen Dämonen erblickten. Wie versteinert
blieben sie wo sie waren, bis die Reiter sie erreicht hatten.
„Mandara
Salogel?“, wetterte der europäische Reiter die beiden an. Der Lagerarbeiter,
der vor wenigen Sekunden über den Notausgang hier her geflohen war, trat einen
Schritt zurück und lieferte so den Dämon im teurem Anzug den Reitern aus.
Salogel hatte keine andere Wahl als zu nicken.
„Wir
suchen etwas und es heißt, du wüsstest, wo wir es finden würden,“ erklärte der
Reiter mit der afrikanischen Schamanenmaske.
„Ich
werde eure Fragen so gut ich kann beantworten,“ sagte Salogel hastig und
unterwürfig.
„Wo
ist der Purificatio Talisman?“, kam der indianische Reiter schnell zum
Hauptthema.
Salogel
sah die vier Reiter verdutzt an und versuchte sich vorzustellen, wie er diese
Frage beantworten sollte, ohne sein Leben zu riskieren, noch das der anderen
und die Existenz der Firma.
„Wo
– ist – der Talisman,“ wiederholte der Indianer mit sichtlicher Ungeduld.
„I-i-ich..
ich weiß es nicht. Ich habe nur meine bescheidenen Informationsquellen und die
sind nicht immer verlässlich,“ stotterte Salogel. „Es ist nur ein Gerücht, aber
es heißt eine Wächterin namens Lily Usher habe den Talisman gestohlen, um eine
alte, mächtige Dämonen-Frau in diese Welt zu holen und daran zu fesseln. Ob sie
ihn noch hat,“ Salogel zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Aber sie ist
hier in der Stadt. Angeblich in einem alten Motel namens „Santiago“.“
Die
vier sahen sich langsam an, dann nickten sie auf einmal und wandten sich von Salogel
ab, um zurück zu ihren Pferden zu gehen. Die Erleichterung im Gesicht von
Mandara Salogel sahen sie nicht mehr, aber dafür waren seine Gedanken für sie
gut „hörbar“. Für Dämonen, die die Sündigen dieser Welt bestraften, war es
nicht schwer die Gedanken anderer zu lesen. Und Salogel dankte gerade im
Stillen einem dämonischen Gott dafür, dass man ihn und den Hauptsitz in
Celveland zu verschonen gedachte. Ein
Lächeln zeichnete sich auf den Lippen aller vier Dämonen ab, als plötzlich eine
der Lagerhallen in die Luft flog. Salogels Gesicht veränderte sich – Angst und
Panik war nun darin zu erkennen.
Die
Reiter schwangen sich auf ihre Pferde, gaben ihnen die Fersen und stiegen
wieder auf. Hinter ihnen explodierte die zweite Halle und Feuer griff bereits auf
die dritte Halle über. Ehe sie an Höhe gewonnen hatten, stand das gesamte
Firmengelände, der Hauptsitz der Organisation, in Flammen.
Der
Feueralarm erfüllte die Luft und in weiter Ferne hörte man die Sirenen, der
ausrückenden Feuerwache.
Akt 4
Malkuth
Halle von Geburah
Langsam, zögernd trat Xander
hinter dem Steinvorsprung hervor, hinter dem er sich vor dem mächtigen Dämon
versteckt hatte. Das Bild, das sich ihm nun bot, war außergewöhnlich.
Babette stand, in eine dunkle Robe gehüllt in der Mitte des Raumes. Sie hatte
mittlerweile wieder das Aussehen einer 30-Jährigen, doch Xander erschauderte
noch immer, wenn er daran dachte, wie DIESE Frau vor kurzem direkt vor ihm
zu Staub zerfallen war.
Die Hexe von Malkuth hatte beide Hände über sich ausgebreitet. Ein starker
Wind war aufgekommen und schien sie und das andere Wesen zu umhüllen. Hier
und da schossen Blitze aus Babettes Händen, die sich in diese Windhülle zu
entladen schienen, und dann wieder verschwanden.
Der Dämon hing einige Meter in der Luft. Bewegungslos. Er schien etwas zu
brüllen, doch der Wind übertönte es.
„Bleib stehen. Komm nicht näher!“, sagte Babette plötzlich und riss Xander
damit aus den Gedanken zurück in die Gegenwart. Geschockt stellte er fest,
dass sich die Augen der Hexe vollkommen schwarz gefärbt hatten. Langsam ging
er einige Schritte zurück, bis er an der Wand der Höhle stand.
Die Magierin richtete ihren Blick wieder auf den Dämon. Sie musste viel riskieren.
Vielleicht würde sie diesen Zauber nicht überleben, aber sie war es diesen
Menschen schuldig. Sie war es Malkuth schuldig. Einen der Alten hier zu lassen,
nur aus Angst, man könnte bei dem Kampf sterben, wäre ein irrsinniger und
selbstsüchtiger Akt, den SIE keinesfalls begehen würde.
„Tsagran, Herr des Irrsinns, hör mich an. Deine Zeit auf dieser Welt ist vorüber.
Verlasse sie freiwillig, oder ich werde dich mit Gewalt aus dem Körper dieses
jungen Menschen entfernen müssen!“, schrie Babette, deren Stimme plötzlich
derartige Autorität ausstrahlte, dass der Dämon wirklich für einige Sekunden
die Möglichkeit in Betracht zu ziehen schien.
Dann änderte sich aber der Gesichtsausdruck wieder schlagartig, bekam die
Selbstgefälligkeit zurück, und donnerte: „ICH habe keine Angst vor dir. Du
bist NICHTS. HÖRST DU? NICHTS! Ihr seid nur der Dreck, den wir zurück ließen,
als wir diese Welt verlassen mussten. Ihr seid unwürdig, diesen Planeten zu
beherrschen. Ihr seid unwürdig, MICH zu bedrohen. Das wirst du noch bereuen,
HEXE!“, donnerte der Dämon, tobte, konnte aber an seiner Lage nichts ändern.
„Wie du möchtest. Ich wollte uns beiden nur den nun unausweichlichen Schmerz
ersparen!“, setzte Babette fort, schloss kurz die Augen, öffnete sie nach
einigen Sekunden wieder und fixierte den Dämon.
Xander stellte erstaunt fest, dass die Augen der Hexe nun zu leuchten begonnen
hatten. Dunkelrot. Und noch etwas fiel ihm auf. Die Frau schien in ungewöhnlicher
Geschwindigkeit zu altern. Was, wenn sie während des Rituals wieder zu Staub
zerfallen würde? Besorgt trat er wieder einen Schritt näher.
Der Dämon schrie auf, als aus Babettes Händen Blitze zuckten und ihn direkt
in die Augen trafen.
Sie begann laut und deutlich einen Spruch zu sprechen:
„Umbo saz in berke - mit tumbemo kinde
enarme,
tumb hiez ter berch, tumb hiez taz kint:
ter heiligo Tumbo uersegne tirsa uunda“
Laut hallte der Schwur in der Höhle
nach. Der Dämon schrie vor Schmerzen. Mittlerweile war der Wind zu einem Sturm
geworden, und Xander gelang es nur mit Mühe und Not, stehen zu bleiben, ohne
sich festhalten zu müssen. Graue Strähnen bildeten sich in Babettes Haar.
„Hol wart hi midgard wunt - daz wart da ze asgarde chunt.
iz ne blvotete noch ne svar - noch neh ein eiter ne bar.
taz was ein file gvote stunte - heil sis tu wunte!“
Blitze und Donner erfüllten nun die Halle. Schmerzensschreie des Dämons ließen
Xander hoffen, dass es bald vorüber sein würde. Er klammerte sich an einer
Felskante fest, als er auf einmal sah, wie Babettes Knie versagten und die
mittlerweile weißhaarige Frau zusammensackte. Sie stockte. Ihre Haut schien
in Sekundenschnelle zu Leder zu werden. Xander schloss kurz die Augen. Wenn
er jetzt nicht eingriff, würde die Sache schief gehen. Sie würde zu Staub
zerfallen, bevor der Spruch zu Ende war.
Er sprang hoch, kämpfte sich durch den starken Wind, und trat hinter Babette.
Mit voller Kraft half er ihr wieder auf, nickte ihr zu, und reichte ihr schlussendlich
seine Hand. Er fühlte, wie ihre Energie auf ihn überging. Gleichzeitig spürte
er, wie sie auf seine Energie zurückgriff. Sie entzog sie ihm. Nun donnerte
wieder ihre volle Stimme in der Höhle:
„Tulta femina super fontem sedebat et
stultum infantem in sinu tenebat,
siccant montes, siccant valles, siccant venae vel quae de sanguine sunt plenae.
alder
uuarth giuuund - so uuarth he hel gi ok gisund
that bluod fostuond: so duo thu,….. bluod! “
Im nächsten Moment war alles vorbei. Babette war zu Staub zerfallen. An der
Stelle, an der der Dämon von ihr in der Luft gefangen gehalten wurde, schwebte
nun etwas, das Xander nicht erkennen konnte. Grelles Licht ging davon aus
und erfüllte die ganze Höhle. In der nächsten Sekunde erlosch auch dieses
und ein Körper sank sanft zu Boden…
England, London
Ratsgebäude
Lenhardts Büro
Gegen neun Uhr abends –
nach Europäischer Zeit
“Hmm, diese Sandwiches sind wirklich gut. Wo haben Sie sie
her,“ George benutzte eine Serviette, um sich ein zweites Sandwich zu greifen
und blickte kurz nachdenklich auf sein Glas mit Scotch. „Bei solch einem Wetter
wäre eigentlich eine Tasse Tee viel angebrachter,“ doch dann grinste er auf
einmal. „Aber Scotch kann auch sehr wärmend sein.“
Lenhardt beäugte seinen Gast misstrauisch: „Es freut mich, dass es ihnen
schmeckt. Aber auf einen Umtrunk alleine, habe ich sie nicht hier her gebeten.
Ich muss mit Ihnen etwas wichtiges besprechen: Sie wissen nicht zufälliger
Weise, wie die Dinge bei Ms. Usher in Cleveland stehen?“
„Ich denke es läuft alles wie geplant.“, beschwichtigte George. Aus seiner
Stimme konnte man heraushören, dass er es nicht für nötig hielt das Thema
weiter zu erörtern, „Wenn sie unsere Hilfe braucht, meldet sie sich schon.“
„Ah ja.“, er erhob seine Stimme, „Dann stimmt es also nicht, dass sie die
Mädchen absichtlich in eine Falle hat laufen lassen? Und dass sie gegen andere
Jägerinnen kämpfen mussten?“
Überrascht sah George zu Lenhardt. „Wie kommen Sie denn auf so etwas? Lily weiß
was sie tut. Sie versucht nur unserer Sache zu dienen. Wir können ihr
uneingeschränkt vertrauen!“, George wirkte aufgebracht, auch wenn er es gut
verbarg. „Egal was Sie gehört haben – es ist nicht richtig.“
Lenhardt schien nachzudenken. Eine Falte bildete sich auf seiner Stirn, während
er nach seinem eigenen Glas Scotch griff. Schließlich nickte er bedacht, ehe er
weiter sprach. „Sehen Sie, wir haben das Spiel mit Mr. Giles mitgespielt, weil
es das Beste für uns und das Beste für den Rat war, doch was Lily nun tut… nun
ich weiß nicht... sicher müssen wir dem Problem mit den Jägerinnen Herr werden,
aber wir können nicht einfach Leute, die auf unserer Seite stehen ohne
Vorwarnung ins Messer laufen lassen!“, Lenhardt fuhr plötzlich aus seinem Stuhl
auf. „Jägerinnen, die uns vertrauen, zum Beispiel! Selbst wenn ich kein Problem
damit hätte, wie wollen Sie das den anderen erklären? Denen, die für Mr. Giles
gestimmt haben?“
„Wir haben die Macht im Rat, dass wissen Sie genau, Lily hat die Mehrheit. Die
anderen können gar nichts ausrichten, wenn wir es ihnen nicht erlauben.“,
George legte das angebissene Sandwich zur Seite. „Lily weiß was sie tut, ich
kenne sie seit ihrer Kindheit und glauben sie mir, es gibt keine Person hier,
die mehr am Wohlergehen des Rates interessiert ist.“
„Vielleicht. Aber wissen Sie was ich seit dem Anruf der Jägerinnen glaube? Das
Lily eben nicht mehr weiß was sie tut. Das sie den Blick für das Wichtige in ihrem
eigenen Kampf verloren hat. Sie ist nicht mehr auf unserer Seite, sie steht auf
ihrer eigenen Seite. Sie ist nicht mehr tragbar für uns, wir müssen uns von ihr
trennen, bevor die Folgen nicht mehr absehbar sind und wir endgültig die
Kontrolle verlieren. Die Gerichtsverhandlung von Mr. Giles war schon knapp
genug.“, Lenhardt versucht sich ein bisschen zu beruhigen, „Wir können es uns
nicht leisten unser Gesicht zu verlieren, gerade jetzt nicht.“
„Lily ist unser Gesicht! Denken Sie, die anderen werden, wenn sie das mit Lily
erst einmal herausgefunden haben, aufhören zu fragen? Nein, sie werden wissen
wollen wie sie an die Macht kam, wer ihr geholfen hat. Wenn wir Lily auffliegen
lassen, wird es nicht bei ihr bleiben. Wir würden alles riskieren, für das wir
seit hunderten von Jahren kämpfen. Außerdem bezweifle ich, dass Sie die anderen
überhaupt von ihrer Version der Geschichte überzeugen könnten.“, George wirkte
beinahe selbstgefällig. Lenhardt hatte nicht die Macht etwas zu verändern, es
bestand keine Gefahr für Lilys Pläne.
„So, denken Sie? Dann soll der Rat darüber entscheiden. Ich habe bereits eine
Sitzung einberufen. In einer halben Stunde. Und die Wächter mit denen ich
bisher gesprochen habe, scheinen der gleichen Meinung zu sein wie ich. Ich habe
vorgeschlagen Ms. Usher aus all ihren Ämtern zu entheben.“
Georges Selbstsicherheit wandelte sich mit einem Mal in Ungewissheit, er sah
aus wie erstarrt: „Das haben Sie nicht gemacht. Das können Sie nicht gemacht
haben!“
„Ich habe Sie eingeladen, um zu sehen, auf welcher Seite Sie stehen. Doch
scheinbar nicht auf unserer. Ich werde alles veranlassen, damit Sie ebenso wie
Ms. Usher von ihren Ämtern enthoben werden!“
Georges schockierte Blick ließ Lenhardt vollkommen kalt. Es gab wichtigeres zu
tun, er musste alle Dinge in Bewegung setzen. Lilys Fehltritte durften nicht
auf ihn und die anderen zurückfallen.
Malkuth, Halle von Binah
“Wie
kommt ihr voran?“ Mit sorgenvollem Gesicht trat Mo an seine Frau heran, und
legte seine Hand auf ihre Schulter.
“Wir
tun, was wir können.“ Müde warf sie einen Blick auf die Reihe der Verwundeten.
“Zumindest wissen wir bei den meisten, dass sie durchkommen werden. Dämonen
sind von Natur aus zähe Geschöpfe.“
“Zwei
Feuerdämonen waren hier,“ murmelte Andrew, welcher neben Golde stand. “Sie
haben diejenigen mitgenommen, die es nicht geschafft...“ Er brach ab, und
starrte zu Boden.
Mo
nickte. “Wir müssen unsere Freunde so rasch wie möglich zur Bestattung
vorbereiten,“ erklärte er, “sonst besteht die Gefahr, dass Seuchen ausbrechen.
Golde, war Arjuna vorhin bei euch? Ich hab’ ihn mit einigen Medikamenten hoch
geschickt.“
“Ja,
danke, wir haben die Medikamente bekommen. Wie geht es mit dem Damm voran,
konntet ihr das Wasser aufhalten?“
“Wir
arbeiten noch dran. Aber zumindest konnten wir bisher verhindern, dass sich die
Flut auch in den höhern Teilen der Stadt ausbreitet. Für den Moment dürften wir
sicher sein, auch wenn wir nicht wissen für wie lange es vorhält. “
Golde
atmete erleichtert auf, und der Anflug eines Lächelns huschte über ihr müdes
Gesicht.
“Sind
noch Jägerinnen in der Stadt?“ fragte Andrew. “Und was ist mit Xander, und
diesem durchgedrehten Dämon? Geht es Xander gut?“
“Jägerinnen
sind keine mehr hier,“ Mo begann mit der guten Nachricht. “Was allerdings
Xander angeht, kann ich dir leider noch nichts sagen. Ich weiß nicht, ob es
Babette gelungen ist, ihm zu helfen. Sobald ich etwas über deinen Freund
erfahre, werde ich es sofort an dich weiterleiten, das verspreche ich dir.“
Andrew
wandte sich, bei dem Wort Freund war sein Gesicht schmerzhaft zusammengezuckt,
und er hoffte, dass Bartholomew es nicht bemerkt hatte. Er wusste nicht, ob
Xander noch sein Freund war. Eigentlich wusste er gar nicht, wie die Beziehung
zwischen ihnen im Moment aussah, und ob man überhaupt von irgendeiner Art
von Beziehung sprechen konnte, jetzt wo sie monatelang kaum mehr miteinander
geredet hatten. Alles was er wusste war, dass er furchtbare Angst um Xander
hatte.
“Andrew?
Andrew!“ riss Bartholomew ihn unsanft aus seinen Gedanken. “Wir brauchen noch
ein paar Leute beim Damm, kommst du bitte mit? Golde, ich hoffe, du und die
Mädchen, ihr kommt hier klar?“
Mos
Frau nickte. “Nimm ihn ruhig mit. Danke für deine Hilfe, Andrew.“
“Nichts
zu danken.“ Andrew lächelte ihr zu, bevor er Mo aus der Halle folgte. “Ich hab’
nur das getan, was jeder hier getan hätte.“
“Nicht
jeder,“ entgegnete Bartholomew und eine Zornesfalte erschien auf seiner Stirn.
Andrews Herz schlug höher, dies war der Moment vor dem er sich gefürchtet
hatte. Jetzt würde Mo ihn fragen, woher er von dem Angriff gewusst hatte, und
wie er die Stadt hatte warnen können. Vielleicht verdächtigte der Dämon ihn
sogar des Verrats...
Und
genau genommen hätte er sogar Recht damit. Andrew senkte den Kopf. Eigentlich
wäre es seine Pflicht gewesen, Warren gefangen zu nehmen, und ihn dem Rat der
Zaddik auszuliefern.
Doch
das hatte er nicht gekonnt. Er war nicht bereit gewesen, sich dem Gefühlschaos
in seinem Inneren zu stellen, und er war es auch jetzt noch nicht. Wichtig war
nur gewesen, Malkuth zu warnen, und so schnell wie möglich in die Stadt
zurückzukehren. Wenn sie alles wieder einigermaßen im Griff hatten, wenn genug
Zeit war, sich auszuruhen und über alles nachzudenken, dann würde er sich
überlegen, wie es weitergehen sollte. Nicht früher.
Aber
selbst wenn die Stadt gerettet war, gab es immer noch Buffy, Giles und die
anderen, die seine Hilfe gebrauchen konnten. Die Sache mit Lily und den Reitern
war noch längst nicht ausgestanden.
“Du
musstest eine Entscheidung treffen,“ sagte Mo mit bitterer Stimme. “Und du hast
sie getroffen.“
Andrew
blickte erstaunt auf. Er versuchte zu erkennen, ob ein Vorwurf im Gesicht des
Dämons lag, doch es war nicht wirklich auszumachen.
“Ich
wollte euch warnen,“ murmelte er leise, “ich wollte hierher zurückkehren...wollte
helfen.“
“Das
ist mir klar,“ entgegnete Mo. “Und es war eine sinnvolle Entscheidung, Andrew.
Einige von uns, die kleine Sundari und ihre Freunde zum Beispiel wären jetzt
nicht mehr am Leben, wenn du nicht gewesen wärst.“
“Heißt
das...“ fragte Andrew vorsichtig, “...heißt das, du und die anderen Zaddikim,
ihr werdet mich nicht wegen Verrats anklagen?“
“Ich
kann nichts versprechen, aber ich werde mein Möglichstes tun, um eine Anklage
gegen dich zu verhindern. Wir brauchen deine Hilfe hier, Andrew. Wir werden sie
nicht brauchen, um den Verräter zu finden und ihn der Gerechtigkeit zuzuführen.
Das schaffen wir auch so.“
Er
blieb stehen und wandte sich dem blonden Jungen zu. “Ich würde dir allerdings
den guten Rat geben, uns dabei nicht in die Quere zu kommen. Sonst kann ich
nichts mehr für dich tun...“
Institute of The Shawnee Nation United Remnant Band
Sonnenuntergang
Giles
war ein wenig enttäuscht – die ihm angegebene Fahranweisung hatte ihn statt
auf das knapp 100 Acres große Stammesland der Shawnees zu
einem privaten Institut der Shawnees
außerhalb von Cleveland geführt. Und statt in einem Zeremonienzelt auf dem
Boden zu sitzen, saß er in einem kleinen Büro, das spartanisch eingerichtet
war –ein großes Bücherregal, ein kleiner Schreibtisch mit Computer, Telefon
und zahlreichen Notizen. An den Wänden hingen indianische Webarbeiten und
Bilder. Einige alte Artefakte standen auf dem Schreibtisch und zierten den
Fenstersims. Er wusste nicht, was er erwartet hatte, aber nicht ein normales
Büro – vielleicht ein Zelt, ein alter Mann, ein besonders beißender Rauch
in der Luft, weissagende Worte... jetzt saß er hier und wartete bis man irgendwann
Zeit für ihn übrig hatte.
Als die Tür aufging, wurde Giles ein zweites Mal überrascht – der Medizinmann
entpuppte sich als eine kleinwüchsige alte Frau, die ihr langes, graues Haar
zu einem festen Zopf geflochten trug und mit ganz normalen Jeans, Karohemd
und Stiefeln bekleidet war. Das also war Tecumapese – Sternschnuppe – der
Name, den Kennedy nicht hatte aussprechen können und hinter dem Giles einen
Medizinmann oder Häuptling erwartet hätte.
Mit
dem Erstaunen deutlich auf seinem Gesicht geschrieben, stand Giles auf und
reichte ihr die Hand. „Giles. Rupert Giles. Ich habe vorhin mit jemanden aus
diesem Institut telefoniert...,“
„Oh
ja.. dieser Engländer,“ nickte die Frau. „Setzen Sie sich doch wieder.“ Selbst
nahm sie hinter dem Schreibtisch platz und seufzte. „Sie haben mit mir
gesprochen.“ Ein Lächeln erschien auf ihren runzligen Lippen. „Sie haben einen
Mann erwartet. Aber das passiert mir häufiger. Erst vor kurzem rief mich jemand
aus ihrer Heimat an und war genauso erstaunt. Ich sollte öfters den Namen
benutzen, mit dem man uns in ihrer Welt leichter ‚verwalten’ kann.“
Giles
setzte sich und horchte auf, als Tecumapese England erwähnte. Dabei vergaß er
seine Verlegenheit darüber durchschaut worden zu sein. „Sie erinnern sich nicht
zufällig daran, wer dieser Anrufer war?“
„Oh
doch.. warten Sie,“ die Indianerin legte ihre Stirn in Falten und dachte offensichtlich
nach. „Ihr Name war Usher. Ja, eine gewisse Lily Usher. Sie war vom Rat, nicht
wahr? Wie Sie?“
Giles
wollte im ersten Impuls nicken, während er noch die Information über Lily
zu verarbeiten versuchte, als ihm bewusst wurde, dass die Frau Kenntnisse
darüber hatte, wer er war. Er hatte es jedenfalls nicht am Telefon erwähnt.
„Es ist nicht
schwer zu erraten,“ lächelte ihn die Frau nachsichtig an. „Wenn plötzlich
Personen auftauchen, die sich für Wesen aus längst vergangener Zeit
interessieren, Wesen, die verborgen bleiben sollten, weil sie Unheil und
Vernichtung bringen, dann ist es auch für uns kein Geheimnis, zu welcher
Fraktion sie gehören. Zudem gab es in Cleveland eine Wächterfamilie. Sie sind
uns bekannt,“ sie legte ihre Fingerspitzen aneinander und beugte sich auf ihrem
Schreibtisch etwas nach vorne. „Dieser Wächter vor ihnen... er sollte den
Höllenschlund im Auge behalten, ohne zu wissen, wo genau er lag... hat ihn
gefunden. Den Schlund. Das war diesen Dämonen in ihrer friedliebenden Stadt zu
risikoreich gewesen. Ich schätze das klärt ihre Frage, wo der Wächter samt
seinen Aufzeichnungen abgeblieben ist.“
Froh
darüber nicht erst umständlich erklären zu müssen, wer er war und wieso er sich
für diese vier alten Dämonen interessierte, entspannte sich Giles ein wenig und
dachte über seine Fragen nach, die eine ganz andere Richtung nehmen mussten,
jetzt wo er von Lily wusste. Die Information über den Vorgänger versuchte er
dabei gelassen hinzunehmen. Innerlich weckte sie jedoch eine kleine Stimme, die
sagte, dass er doch recht hatte, was seine Zweifel bezüglich Mo und Malkuth
angingen. Dämonen blieben eben doch Dämonen.
“Was wollte Ms. Usher genau von Ihnen wissen?“
„Nun,
wo sich der vierte Reiter befindet.“
„Und
Sie haben es ihr gesagt?“ Giles richtete sich ruckartig auf.
„Wieso
hätte ich es nicht tun sollen?,“ fragte Tecumapese vorsichtig zurück. „Sie
stellte sich als Vorstand des Rates vor und das man eine Apokalypse zu
verhindern hätte. Niemand konnte die Zeichen dafür leugnen und dass drei Reiter
bereits befreit wurden, war für alle Beteiligten kein Geheimnis mehr. Es gab
keinen Grund ihr zu misstrauen,“ Tecumapeses Stimme drückte Bedauern aus und
sie blickte auf ihre Tischplatte. Wieder kam ein Seufzer über ihre Lippen. „Ich
hätte es ahnen müssen, aber habe die Zeichen ignoriert. Dass der vierte Reiter
befreit wurde ist alleine meine Schuld. Ich weiß das natürlich.“
„Würden
Sie Ms. Usher kennen, wie ich das tue, würden Sie sich nicht die Schuld geben,
glauben Sie mir das,“ versuchte Giles ein wenig zu beruhigen, auch wenn er
wusste, dass das unmöglich war. „Gibt es irgendetwas über die vier Reiter, das
sie mir sagen könnten? Dass mir und meinen Freunden hilft, die vier zu besiegen?“
„Ich
weiß nichts, was sie nicht schon wissen. Der vierte Reiter war hier in
Cleveland im Höllenschlund gebannt. Die Erie waren die ersten, die ihn
bewachten. Es folgten viele Stämme, die mit der Zeit diese Aufgabe übernahmen,
ehe sie immerweiter verdrängt wurden. Jetzt ist es unser kleiner Stamm, der
versucht hat, das Schlimmste, was auf dieser Erde in Gestalt wandelte zu
kontrollieren. Sie zu besiegen ist undenkbar. Sie gehören zu den Alten.“
„Haben
Sie Aufzeichnungen, Prophezeiungen oder ein Ritual.. irgendetwas,“ versuchte es
Giles noch einmal mit Hoffnung. „Das uns weiterhelfen könnte?“
„Ich
habe etwas viel besseres,“ sagte Tecumapese geheimnisvoll und stand auf, um im
Regal hinter Giles ein Buch hervorzuziehen. Sie reichte es ihm.
„An
der markierten Stelle finden Sie ein Ritual, das ihnen ein Portal zum Alten Orakel der Zeit öffnet. Zu diesem
Orakel schickte ich auch ihre Ms. Usher. Dort werden Sie Antworten erhalten,
wenn sie die richtigen Fragen stellen. Mit mehr kann ich ihnen leider nicht
dienen,“ bedauernd schüttelte sie ihren Kopf. „Es waren vier Kontinente, die
sich dazu bereit erklärten die vier Dämonen zu verstecken. Niemand wusste von
dem anderen, wo er den Dämon für alle Zeiten ins Exil schickte. Es gab nur
eines, von dem wir alle gemeinsam Kenntnis hatten - der Schlüssel, der dafür
sorgte, dass die Verstecke für alle Zeiten verschlossen blieben. Jemand hat ihn
gefunden und das Ritual unvollständig vollführt.“
Giles
hörte Tecumapese zu, während er das Buch aufschlug und über die Seiten flog.
Die Sprache war ihm nicht geläufig, aber sie war aussprechbar. Schließlich
nickte er und stand auf. „Damit haben Sie leider recht. Wenn das hier
überstanden ist, kann ich Ihnen gerne die ganze Geschichte von Anfang an für
Ihre Stammesaufzeichnungen erzählen. Im Moment haben Sie mir bereits mehr
geholfen, als ich es mir erhofft habe. Vielen Dank.“
Die
beiden reichten sich die Hand und als Giles die Tür öffnete und auf den Flur
verschwand flüsterte ihm Tecumapese in ihrer Sprache ein „Viel Glück“
hinterher.
Shins Elternhaus
eine Stunde später
Als Dawn mit dem
Fahrrad endlich bei Shin zuhause ankam, stand die Sonne bereits sehr tief. Die
Schatten wurden länger und die Luft kühler.
Ein Wagnis, das sie früher in Sunnydale nie eingegangen wäre. Doch jetzt, wo
sie die entdeckten Kräfte einer Jägerin in sich hatte, war sie ein wenig
mutiger geworden. Natürlich auch erst jetzt, wo alle bescheid wussten, und
Buffy recht gut und offen damit um ging. Eine Last weniger, dachte Dawn wenig
heiter, als sie auf die Haustür starrte und sich dabei überlegte, wie sie mit
Shin umgehen sollte. Ihre Erinnerungen kamen nämlich langsam zurück und in
einer davon sah sie immer wieder, wie Shin auf sie zutrat und ihr kurz darauf
schwarz vor Augen wurde.
Sie
straffte ihre Schultern und ging entschlossen auf die Tür zu. Auf ihr Klopfen öffnete
Shins Mutter und bat sie auf ihre höfliche Weise einzutreten.
„Danke.
Ich bin etwas später dran. Aber Giles ist sowieso noch bei diesen Indianern und
Buffy musste unbedingt eine ausgedehnte Besprechung abhalten.“ Was Dawn
natürlich einsah – schließlich wollten sie sich in dem alten Bürogebäude nicht
von verrückten Jägerinnen überraschen lassen, aber sie wusste auch was für
Shins Eltern als unhöflich galt.
„Shin
ist noch nicht da. Er musste noch einmal weg. Eine verspätete
Sonderzustellung,“ erklärte sie Dawn. „Er kommt aber in der nächsten halben
Stunde zurück.“
Na
prima, dachte sich Dawn und folgte Yui, die sie in das Wohnzimmer führte. Da
hatte sie sich so beeilt und der Herr
war nicht da!
Als
Dawn eintrat, blieb sie überrascht stehen – auf dem Sofa saß Akira und lächelte ihr gelassen entgegen.
Sie war nicht über Akira an sich überrascht, sondern eher, dass er ausgerechnet
heute hier war und Shin ihr nichts davon am Telefon erzählt hatte. Sie hatte
ihn gestern hier schon einmal sitzen gesehen und ihr waren die Blicke noch
gut im Gedächtnis, mit denen er sie durchdrungen hatte.
Als
sich Dawn fragend an Yui wandte, stellte Dawn fest, dass die Japanerin nicht
mehr im Zimmer war.
„Setz
dich doch, Shins Freundin,“ lächelte Akira und zeigte auf einen Sessel.
Widerwillig kam Dawn der Aufforderung nach. „Ich bin überrascht wie wenig du
deiner Schwester ähnelst.“
„Sie
kennen Buffy?“
„Ich
hatte mehrmals das Vergnügen,“ ein breites Grinsen huschte über sein Gesicht.
„Auf anderen Kontinenten, wie auch hier.“
Dawn
wurde nicht ganz schlau aus den Worten des Mannes, aber sie beschloss erst
einmal zu zuhören. Es gab sicher einen Grund, wieso Yui sie mit ihm alleine
ließ. Aber ein unentschlossener Ausdruck auf ihrem Gesicht signalisierte ihrem
Gegenüber, dass er sich mit einer Erklärung ruhig beeilen konnte.
„Ich
war derjenige, der deiner Schwester den ersten Hinweis auf die bevorstehende
Apokalypse gab, nachdem sie über das Geheimnis unserer Familie mehr oder
weniger gestolpert war. Mein Blick in die Zukunft zeigt mir nur den ‚großen“
Plan, aber nie wer dahinter steckt. Sonst hätten wir selbst die Zeichen deuten
können und es verhindert,“ mit einem Bedauern, das sehr tief zu liegen schien,
seufzte Akira und holte Luft.
„Darum
suchte ich Hilfe bei ihr, einer Jägerin.“
„Schön.
Und was wollen Sie jetzt von mir?“, Dawns Interesse war geweckt, aber auch ihre
Ungeduld.
„Wir
sollten wohl zum Kern der Unterhaltung kommen,“ lächelte Akira nachsichtig. „Du
hattest erst kürzlich eine Reise zu deinen Wurzeln, nicht wahr?“
Dawn
runzelte die Stirn. Meinte Akira ihre körperlose Form als Schlüssel, die
Begegnung mit dem Lichtgott? Etwas anderes wohl kaum, also nickte sie zögernd.
Aber woher wusste er das?
„Du hast
gespürt, was für eine Macht in dir liegt, wenn du nicht Mensch bist. Und doch
hast du dich für deine Form als verletzlicher Mensch entschieden.“ Akira legte
die Fingerspitzen aneinander und legte sie nachdenklich gegen seine Lippen. Es
war nicht einfach dem Mädchen das zu offenbaren, was er vorhatte. Er musste behutsam
vorgehen. „Das war sehr mutig von dir. Und zeigt auch wie stark dein Wille ist.
Dieser starker Wille wird dafür verantwortlich sein, dass du alleine die
Schlacht um diese Welt wie wir sie kennen, entscheiden wirst...“
„Bitte
was?“ Nun war es mit Dawns Ruhe vorbei. Sie sprang von ihrem Sessel auf und
starrte Akira an. „ICH?“ Ein ‚schon
wieder’ lag ihr auf den Lippen, aber so schnell wie der Ärger aufgebraust
war, ebbte er auch wieder ab. Akira konnte ja nichts für all die diversen
Prophezeiungen.
„Bitte..
setz dich wieder,“ bat Akira ruhig und wartete mit weiteren Erklärungen, bis
Dawn sich tatsächlich wieder gesetzt hatte. Erst dann fuhr er fort. „Ich kann
dir alles erklären. Natürlich klingt es für dich absurd, aber in dir alleine
liegt die Kraft. Du musst lernen diese Kraft zu deinem Vorteil zu nutzen. Ich
kann dir dabei helfen...“
Ein
Klingeln an der Haustür unterbrach Akira und er sah mit einem missbilligenden
Stirnrunzeln zur Tür. „Es scheint als wären dein Freund und Mr. Giles
angekommen.“
War
Dawn noch vor wenigen Minuten enttäuscht gewesen, weil Shin nicht zuhause war,
so war sie es jetzt, weil er zu einem sehr ungünstigen Moment zurückkehrte.
Keine halbe Minute später ging die Wohnzimmertür auf und Yui führte Giles
herein, dem Shin folgte. Shin lächelte, als er Dawn entdeckte, grüßte Akira mit
dem notwendigen Respekt und gab Dawn einen zarten Kuss, ohne zu bemerken, dass
Dawn ihm nicht sonderlich freundlich entgegenblickte.
„Setzen
Sie sich doch, Mr. Giles,“ Yui bot ihm einen Platz an und Giles kam der Bitte
nach.. Er und Akira wurden sich vorgestellt und Yui nahm neben ihrem Verwandten
auf dem Sofa platz. „Mein Mann kann leider nicht am Gespräch teilnehmen. Er
musste aus familiären Gründen weg. Aber es gibt nichts, auf das ich Ihnen
nicht antworten könnte.“
„Das
ist gut,“ nickte Giles. „Uns fehlen nämlich noch immer ein paar Puzzleteile, um
den Überblick zu gewinnen. Inzwischen haben wir jedoch Teile davon selbst
herausgefunden. Der Höllenschlund, der vierte Reiter... das sind keine Geheimnisse
mehr. Auch hatte ich vor einigen Minuten ein interessantes Gespräch mit einer
indianischen Schamanin, die mir erzählte, dass sie gegenseitig nicht wussten,
wo der jeweils andere Dämon versteckt wurde...“
„Richtig,“
nickte Yui. „Das war eine Vorsichtsmaßnahme unserer Vorfahren, damit keine
Macht der Welt oder aus einer anderen durch die Gefangennahme einer einzigen
Person aus unserer Verbindung heraus die Verstecke aller Dämonen verraten
bekam. Selbst nicht durch Folter.“
„Das
war sehr weise,“ stimmte Giles zu. „Was ist mit den anderen Verbindungen? In
Europa und Afrika? Existieren sie noch?“
Yui schüttelte leicht den Kopf, als wäre sie sich
über eine Antwort nicht ganz sicher. „Ich kann Ihnen das leider nicht wirklich
beantworten. Unsere Familie ist sich über die vielen Jahrhunderte ihrer Aufgabe
bewusst geblieben. Akira gehört zu jenen, die aus der Tradition heraus ein
Leben im Kloster wählten, um dem Reiter nahe zu sein, um zu beobachten und um
zu wachen. Ihre Schamanin gehört ebenfalls einer Familie an, die sich dieser
Aufgabe bewusst geblieben ist. Doch in Europa haben Kriege, Machtwechsel,
Eroberungskämpfe und das Mittelalter viele Dinge der Vergangenheit vergessen
lassen und vieles in das Reich der Sagen und Legenden gedrängt. Mir ist niemand
bekannt, der noch seiner Wachrolle nachkommt. In Afrika versuchte ein kleiner
Stamm mit ihren Schamanen die Aufgabe wahr zu
nehmen, was auch dort durch die vielen Völkerkriege erschwert wird.“
Giles
dachte über das, was Yui ihm erzählte, nach. Es brachte sie nicht weiter, aber
schloss einige Lücken über die Reiter. „Haben Sie eine Ahnung, wie wir diese
Dämonen besiegen können?“
Yui
tauschte einen raschen, nervösen Blick mit Akira, der Giles entging, und
antwortete: „Wäre es so, wären die Reiter längst nicht mehr in der Lage gewesen
zu ‚erwachen’.“
„Ich
fasse das als ein nein auf,“ lächelte Giles bedauernd.
„Sagt
Ihnen die Schrift von Sineya etwas?“, mischte sich unerwartet Akira ein.
„Die
Schrift nicht direkt,“ verneinte Giles. „Aber wir haben ein Zitat daraus
erhalten, dass uns weiterhelfen sollte.“ Giles musste an Buffys Informationen
denken, die sie vom Unsterblichen erhalten hatte. Bis jetzt hatte er noch keine
Zeit gehabt, deswegen näher nachzuforschen.
„Behalten
Sie sie im Auge,“ riet Akira geheimnisvoll und schwieg wieder, während Yui fort
fuhr und Giles jede Chance nahm, auf Akiras Worte eine entsprechende Frage zu
stellen.
„Sie
dürfen nicht vergessen, dass diese Dämonen zu jenen gehörten, die einst auf
dieser Welt wandelten, lange bevor es Menschen gab. Sie waren die letzten, die
von der Oberfläche verschwanden, lange nachdem die Menschen existierten. Sie
gingen nicht ohne totale Vernichtung anzurichten. Der Grund, wieso wir sie mit
Magie fesseln mussten.“
„Ich
verstehe. Was ich aber noch immer nicht herausgefunden habe – wie wird diese
Vernichtung aussehen? Was genau tun diese Dämonen?“
„Sie
reinigen die Welt von allem Übel. Übel in ihren Augen. Dunkelheit, Vernichtung
werden der Reinigung folgen, bis die Welt in ihrem Ordnungssinn neu entsteht.“
Giles
Stirn umwölbte sich. Er wusste, was das bedeutete – die Menschen und die
unwürdigen Dämonen würden vernichtet werden, damit die Alten und mächtigen
Dämonen die alte Herrschaft zurückbekamen.
Krankenhaus
Willows Zimmer
zur selben Zeit
Langsam
strich Kennedy über Willows bleiche Hand. Ihre Freundin sah schrecklich aus.
Zwar waren die hauptsächlichen Wunden gut versorgt und verbunden, aber ihr
Gesicht wurde von unzähligen blauen Flecken und Schnittwunden geziert, die der
Jägerin bewusst machten, wie groß die Schmerzen gewesen sein mussten, die ihre
Geliebte gespürt hatte, bevor sie ins Koma gefallen war.
Langsam beugte sie sich vor, strich ihrer Liebe das rote Haar aus dem Gesicht,
und befeuchtete Willows Lippen leicht, während eines der medizinischen Geräte
sie mit einem monotonen Piepsen fast einschläferte.
„Schrecklich, was Ms. Rosenberg da zugestoßen ist.“, sagte eine Schwester, die
wie aus dem Nichts aufgetaucht war, neben das Bett trat und Kennedy dabei so
sehr erschreckte, dass sie fast den Tee über die Decke geleert hätte.
„Gott, erschrecken Sie mich nicht so.“ , gab Kennedy etwas zu unsanft zurück,
woraufhin die Schwester leise ein „Entschuldigung“ flüsterte, den Stand des
Schmerzmittels in dem Tropf neben dem Bett überprüfte, das langsam in die Venen
der Patientin floss, und daraufhin wieder den Raum verließ.
Auf einmal begannen sich Willows Pupillen hinter den geschlossenen Lidern
wieder heftiger zu bewegen. Kennedy sprang auf, ergriff Wills Hand und drückte
sie fest.
„Willow?“ , sprach sie, während Tränen ihre Augen füllten. „Willow, hörst du
mich? Hast du Schmerzen? Willo…“
-----
„Willow, bitte folge mir. Ich würde dir gerne etwas zeigen.“ Die ältere Frau
stand auf, trat an den Vorhang, der sich vorher hinter ihr befunden hatte,
reichte Willow die Hand und half ihr auf.
Als diese bereit war, schob die Alte den Stoff beiseite und die Hexe erblickte
ein großes Dorf, welches sich rund um einen wunderschönen Marktplatz
auszubreiten schien.
Die Frau führte sie langsam auf dem Weg an einigen Hütten vorbei, und während
Willow darin weitere Frauen erblickte, einige noch jung, viele aber schon sehr
alt, sprach ihre Führerin:
„Das hier ist nun unser Paradies. Die Belohnung für die harte Arbeit, die wir
geleistet haben.“ Willow sah kurz nach hinten und stellte erleichtert fest,
dass ihnen Tara mit einigem Abstand folgte.
Nach einem kleinen Rundgang zwischen den Hütten, die wunderschön geschmückt
waren und eine entspannende, erholende Aura hatten, betraten sie den kleinen
Hauptplatz, in dessen Mitte sich ein Lagerfeuer befand. Rundherum saßen weitere
Frauen, viele grau- oder weißhaarig, wenige aber doch noch voller Jugend, die
ein wohlklingendes Lied in einer Sprache sangen, die Willow noch nie gehört
hatte.
„Wir können hier nun das ruhige, entspannte Leben führen, das uns auf Erden
wegen unserer Aufgabe verwehrt blieb. Aber nicht dass du falsch verstehst,
junge Dame, wir haben unsere Aufgabe geliebt. Jede von uns hat sie voller Stolz
und Ehre bis zu ihrem Tod ausgeführt. Und deine Ankunft lässt nun auch mich
ruhiger zu Bett gehen. Meine letzten Sorgen sind damit beendet.“
Die Alte lächelte freundlich, nahm etwas abseits von den anderem am Lagerfeuer
platz und wartete, bis auch Willow sich gesetzt hatte.
Fast erschlagen von den vielen Eindrücken und Ereignissen der letzten Minuten
sah Willow sich noch einmal um, sah Tara wieder im Schatten einer Hütte stehen
und wandte sich schlussendlich an ihr Gegenüber.
„Verzeihen Sie mir bitte, aber, wer sind Sie denn überhaupt? Wo bin ich hier?“
, fragte sie unsicher und strich sich dabei ihre Haare aus dem Gesicht.
„Du hast es noch immer nicht begriffen? Wir sind… oder besser gesagt waren
Hüterinnen. Wie du!“ Ein weiteres, diesmal junges Gesicht trat an sie heran und
reichte ihnen Wasser. Das Mädchen schien erst um die 20 zu sein, und während
sie Willows Glas mit dem frischem Nass füllte, strahlten sie die Augen der
jungen Frau voller Freude, Stolz und Ehrerbietung an.
„Du musst durstig sein. Trink!“ , sprach die alte Hüterin, nahm selbst auch
einen Schluck aus ihrem Becher und blickte kurz der jungen Frau nach, die
wieder in einer der Hütten verschwand.
„Hmm… die Kleine ist so jung gestorben. Sie ist eine der Jüngsten gewesen.
Schrecklich, was ihr zugestoßen ist.“ Ihre Gedanken schienen abzuschweifen,
wurden aber sogleich von Willow wieder auf die rechte Bahn gelenkt.
„Das heißt, vor langer Zeit gab es mehr als nur eine Hüterin?“, fragte diese,
nachdem sie ebenfalls getrunken hatte.
Die Alte lächelte wieder „Aber natürlich, Dummerchen.“
„Aber Buffy sagte, dass sie damals die letzte Hüterin getroffen hatte. Also war
diese doch alleine!“, argumentierte sie.
„Das ist wahr. Ich war die letzte der ersten Generation Hüterinnen. Aber die
Zeit, in der ich alleine war, war unbedeutend. Nicht der Rede wert. Ich habe
nur überlebt, um meine Aufgabe zu beenden.“
„Aber ich bin doch nun auch wieder alleine, oder etwa nicht?“, fragte Willow.
„Ach Kindchen… “ Auf einmal machten sich Sorgen auf dem Gesicht der alten
Hüterin breit „… verzeih’ mir, ich vergesse immer wieder, dass du die erste der
neuen Generation bist. Wie sollst du davon auch wissen? Also, hör mir genau zu.
Es gab eine Prophezeiung, in der von der „Erweckung“ gesprochen wurde. Sie
besagte, dass, nachdem die letzte Hüterin ihre Augen für immer geschlossen
haben wird, eine neue, mächtigere Generation von Hüterinnen erwacht, geleitet
von einer, die die Regeln für immer ändern wird.“
Willow stockte der Atem. Ihr war klar, dass SIE damit gemeint war. Daran
bestand kein Zweifel. Aber wie sollte sie nur mit der Information umgehen. Es
war doch offensichtlich, dass sie mit dieser Rolle nicht zurecht kam. Sie war
zu schwach dafür. Eine Willow Rosenberg war offensichtlich nicht dazu geboren,
eine neue Generation von Hüterinnen aufzuspüren.
„Aber wie soll ICH das schaffen? Ich komme doch selbst nicht damit zurecht.
Nicht einmal der Rat der Wächter hat Informationen, die mir in irgendeiner Form
behilflich wären…“
„Was sagtest du da?“ Die Hüterin sprang sofort auf und verschüttete dabei ihr
restliches Wasser. Ihre Miene verfinsterte sich, und von einer Sekunde auf die
andere wurde der wunderschöne Sternenhimmel von dunklen Wolken verdeckt.
Starker, eiskalter Wind kam auf und ließ das Lagerfeuer erlöschen. Willow
spürte, wie augenblicklich jegliche Stimme im Dorf verstummt war, jede
Tätigkeit stoppte und die entsetzten Blicke aller Hüterinnen auf ihr lagen.
Motel „Santiago“
Am Abend
Hier
also würde sie für einige Zeit wohnen müssen – angewidert wanderte Lilys Blick
durch den kleinen, grauen Raum, dessen Tapete abgeschossen, der Teppich abgelaufen
und die Fenster grau waren. Ein geschmackloses Bild hing leicht schräg über
dem schmalen Bett am Fenster. Der Fernseher wirkte genauso grau und schmutzig
wie der Rest der Einrichtung. Aber wenigstens würde man sie hier ganz sicher
nicht suchen. Sie hatte dafür gesorgt, das billigste und abgelegenste Motel
zu buchen. Es war ja nicht für die Ewigkeit gedacht. Nur als Versteck vor
Buffy und ihrer Truppe.
Lily
packte das wenige, das ihre Aktentasche beinhaltete auf den kleinen, wackligen
Tisch – ihr Laptop und einige Aufzeichnungen, die sie sich noch einmal genauer
ansehen wollte. Ein Blick auf die Uhr, erinnerte sie an ihr Telefonat mit
London. Die Jägerinnen waren zwar noch nicht gelandet, aber ein erstes
Herantasten an die momentane Lage zuhause, war sicher nicht verkehrt. Sie
fragte sich nur, wen sie kontaktierten sollte. Lenhardt oder zu nächst ihren
Vertrauten George?
Sie
traf eine Entscheidung, griff nach dem Hörer und wählte die Nummer von George.
Es ging nur seine Haushälterin an den Apparat, die ihr mitteilte George wäre
noch zu Lenhardt gefahren und nicht wieder zurückgekehrt. Ein wenig in Sorge
versuchte sie George über sein Handy zu erreichen. Als sie es schon aufgeben
wollte, meldete er sich mit leiser Stimme.
„George,
endlich... ich dachte schon...“
„Lily, hör zu, ich kann
nicht lange mit dir telefonieren. Wir haben eine Sitzung,“ unterbrach sie George
und Lily hörte sofort, dass etwas nicht stimmte. „Wegen dir und wegen Malkuth.“
„Was
soll das bedeuten? Ich verstehe nicht ganz? Wieso hat man mich nicht
informiert?“ Lily klang beunruhigt.
„Deine Jägerinnen haben
anscheinend Lenhardt angerufen und ihm von Malkuth erzählt und von ihrem Kampf.
Etwas davon hat ihn wohl in Panik versetzt. Er befürchtet, dass die Jägerinnen
dem Rat ein falsches Bild von deinen Vorhaben geben werden. Er denkt, das würde
nicht nur an deinem Stuhl sägen, sondern auch an seinem..“
„Mit
anderen Worten, er versucht mir zuvor zukommen und seinen Kopf aus der Schlinge
zu ziehen?“, fiel Lily George ins Wort und hätte dabei am liebsten vor Wut über
Lenhardt das Telefon an die Wand geworfen.
„Richtig. Er hält dich
für nicht mehr tragbar. Im Moment wird gerade darüber abgestimmt, ob man dich
deiner Ämter enthebt. Und Lily,“ fügte George bedacht vorsichtig hinzu. „Es
könnte noch schlimmer kommen. Lenhardt möchte vorschlagen, dich auch als
Wächterin abzusetzen.“
Für
einen Moment hörte George nur das Rauschen in der Leitung, das dank einer
schlechten Verbindung entstanden war. Dann hörte er etwas, dass einem
unterdrückten Wutschrei gleichkam, ehe er wieder Lilys Stimme beherrscht hörte.
„Lass ihn tun was auch immer er plant. Es wird mich nicht daran hindern, das zu
tun, was ich vorhabe, um die Welt zudem zu machen, wie wir sie kennen. Wächter
ist man nicht, weil ein Vorstand und wichtige Männer und Frauen einen per
Abstimmung dazu machen.. man ist es mit Herz und Seele, George. Und was ich
selbst nicht mehr im Rat bewirken kann.. nun wir haben noch immer unsere
Verbindungen.“
„Da wäre ich mir im Moment nicht so sicher. Einige
Herren und Damen sind ziemlich unruhig geworden. Aber ich rufe dich an, sobald
ich mehr weiß. So lange.. halt dich einfach bedeckt. Ich muss zurück.“
Niedergeschmettert
legte Lily wieder auf und starrte das Telefon für eine Minute fassungslos
an. Sie war „untragbar“ geworden? Wann war das passiert? Panik machte sich
in ihr breit, als sie begriff, was Georges Worte wirklich bedeuteten. Konnte
sie überhaupt noch wagen nach London zurückzukehren? Oder musste sie nur Einbußen
in ihrer Machtstellung hinnehmen? War es jedoch für sie akzeptabel aus zweiter
oder dritter Reihe zu agieren? Erreichte sie so noch ihre Ziele?
Fürs
erste musste sie wohl auf Georges Rückruf warten, und auf das, was man auf
dieser Sitzung gegen sie beschloss.
Verzweifelt
über die gescheiterten Pläne und dem Kartenhaus, das langsam zusammenzufallen
drohte, spielte Lily kurz mit der Idee einen Flug nach Mexiko zu buchen und
einfach abzuwarten, was geschah. Schließlich hatte sie die Apokalypse bereits
angeschubst... in ein, zwei Monaten empfing man sie vielleicht wieder mit
offenen Armen...
Müde
erhob sich die Wächterin und wollte den alten Fernseher einschalten, als ein
gewaltiges Krachen und Erbeben der Mauern sie zusammenfahren ließ. Keine
Sekunde später fiel die Rückwand ihres Zimmers in sich zusammen und Staub
hüllte Lily ein. Sie musste heftig Husten und Niesen.
Als
sich der Staub etwas gelegt hatte und Lily die Lage sondieren konnte, fuhr sie
panisch nach hinten zurück und stieß heftig mit der Hüfte gegen den
Schreibtisch – durch das gewaltige Loch in der Wand starrten sie vier
hünenhafte Dämonen auf vier Pferden an, die auf der Höhe des dritten Stocks
schwebten.
Cleveland
Wächterhaus
zur selben Zeit
Schweigen herrschte
im Wächterhaus. Stille. Bis auf zwei Personen war das Haus leer. Verlassen.
Ronah, die ruhig am Fenster des Konferenzraumes stand und ihren Blick langsam,
ohne Ziel, über den dunklen Garten gleiten ließ, wischte sich eine einzige
Träne aus dem Gesicht. Es war jetzt keine Zeit dafür, dessen war sie sich
bewusst. Die Rollen in diesem Spiel namens Leben hatten sich auf dramatische
Weise geändert – zumindest für kurze Zeit.
Zögernd und nachdenklich drehte sie sich um und beobachtete Faith für einige
Minuten stumm. Ronah wusste nicht, wie sie ihrer Freundin helfen sollte. Gab
es in einer solchen Situation überhaupt etwas, das man tun konnte, um zu helfen?
Ronah zweifelte daran.
„Ich hole mir eine Tasse Kaffee. Möchtest du auch eine?“, fragte die dunkelhäutige
Jägerin, nachdem sie an Faith vorbeigegangen war, um den Vorhang zur kleinen
Küche bei Seite zu schieben.
„Ja, danke!“, antwortete Faith knapp und sah Ronah nach, die hinter dem Vorhang
verschwand. Ronah wirkte sehr gefasst, dachte Faith müde. Ihrer Freundin schien
es gut zu gehen. Wenigstens darum musste sie sich anscheinend keine Sorgen
machen.
---
Stumm sah sich Ronah in der kleinen Küche um, öffnete den Schrank und nahm
zwei Tassen heraus. Ihr Gesicht war versteinert, als sie die Kanne aus der
Maschine nahm, und die dunkelbraune Flüssigkeit vorsichtig in die Tassen goss.
Plötzlich schoss etwas wie ein Blitz durch sie hindurch. Sie biss sich auf
die Lippen, ihre Hände begannen zu zittern und die Kanne rutschte ihr aus
der Hand. Mit einem lauten Klirren zerschlug sie auf dem Boden und verbreitete
neben den Scherben noch den restlichen Kaffee.
Tränen bildeten sich in Ronahs Augen, ihre Beine gaben nach und langsam sackte
sie neben der Pfütze zu Boden. Das Zittern wurde stärker, als sie ihre rechte
Hand hob und sich langsam über die Stirn und schlussendlich durchs Haar strich.
Vi war tot. Robin war tot. Alle starben.
Ronah schrie sich den Schmerz aus dem Herzen. Sie weinte. Sie trauerte. Allein.
---
„Warum hast du auch nicht auf mich gehört?“, hallte Eves Stimme plötzlich
durch Faiths Ohren, während Ronah hinter dem Vorhang hantierte. Die Jägerin
sprang hoch und sah sich hastig im Raum um.
Lächelnd, mit einem Messer in der Hand, stand die blonde Frau vor dem Fenster
und schenkte der Jägerin nur ein missgünstiges Lächeln.
„Was meinst du damit?“, schrie Faith und ging mit großen Schritten auf ihr
Gegenüber zu.
„Na, was meine ich wohl? Du bist ja begriffsstutzig wie eh und je. Vielleicht
hättest du die Schule doch nicht abbrechen sollen, dann würdest du deine Träume
auch verstehen!“, schimpfte Eve, wurde daraufhin allerdings von Faith gepackt
und fest gegen die Wand gedrückt.
„Wovon sprichst du überhaupt?“
„Ich
hatte doch gesagt, dass du Ronah vergessen sollst... ICH hatte dich gewarnt!“
Mit unmenschlichen Kräften befreite sich die Frau aus dem Griff der Jägerin,
stieß sie zu Boden, und ging daraufhin lachend auf Faith zu.
„Wie lange, denkst du, wird Ronah noch standhalten?“, fragte sie, blickte
die andere auf einmal besorgt an und half ihr hoch.
„Was meinst du damit?“, fragte die Jägerin und sah die blonde Frau an. Sie
hatte aufgegeben, darüber nachzudenken, wer diese Eve überhaupt war. Es war
nicht Xanders Freundin, dessen war sie sich sicher. Wahrscheinlich steckten
die Magier wieder dahinter, doch Faith hatte jetzt weder Zeit noch Lust, sich
darum zu kümmern.
Eve deutete auf die Küche, und im nächsten Moment hörte Faith dumpf etwas
klirren, daraufhin ein lauter Schrei.
Geschockt sah Faith zuerst auf den Vorhang, dann zu Eve. Dann geschah einige
Sekunden lang gar nichts.
„Geh schon!“, sagte die Blonde. Daraufhin rannte die Jägerin los, riss den
Vorhang zur Seite und starrte auf ihre Freundin, die neben einer zerbrochenen
Kaffeekanne auf dem Boden hockte.
Erleichterung machte sich zunächst in Faith breit, als sie erkannte, dass Ronah
nicht in Gefahr geschrieen hatte. Sie lebte noch. Sie war nicht verletzt. Das
war das Wichtigste.
Doch in der Sekunde darauf erkannte sie, wie es Ronah wirklich ging. ‚Nicht
gut’ war wahrscheinlich noch die optimistischste Beschreibung dafür. Langsam,
ohne ein Wort zu sagen, trat sie auf ihre Freundin zu, ließ sich ebenfalls
neben ihr zu Boden sinken und legte ihren linken Arm um sie.
Diese rückte ein Stück näher, lehnte ihren Kopf an Faith’ Schulter und gab sich
ihren Gefühlen hin. Faith hob ihre rechte Hand und strich der Jüngeren langsam
und sanft durchs Haar. Auch sie weinte. Sie mussten nicht darüber sprechen, um
zu wissen, warum. Sie verstanden sich auch so. Ohne Worte.
Außerhalb Clevelands
Giles Wagen / Wald
Nacht
Giles
steuerte seinen Wagen sicher über die leichte Serpentinenstraße, während Buffy
verzweifelt am Radio herumspielte und versuchte einen Sender reinzubekommen.
„
Ach Mist... kaum verlässt man die Zivilisation, verlässt einen die Technik,“
frustriert schaltete sie das statische Rauschen ab.
„Wir sind
sowieso gleich da,“ meinte Giles gelassen und hielt im Scheinwerferlicht
Ausschau nach der Abzweigung. „Dawn ist übrigens bei Shin geblieben, soll ich
dir ausrichten.“
„Mhm,“
machte Buffy abwesend und starrte aus dem Fenster. „Sind Sie sich sicher, dass
wir hier richtig sind?“
„Ich
habe ein wenig nachgeforscht, nachdem ich die Informationen über das Orakel
hatte. Der Platz für die Öffnung eines Portals war genauestens beschrieben. Und
auf der Karte konnte ich nur diesen Punkt hier im Wald ausfindig machen.“
„Na
hoffentlich gibt es hier keine Vampire.“, kommentierte Buffy trocken. „Ich muss
Sie schließlich für ein paar Minuten alleine lassen, wenn ich zu dem Orakel
gehe.“
„Ich
werde mir zu helfen wissen,“ lächelte Giles über Buffys Sorge. „Im Moment mache
ich mir über dieses Orakel mehr Sorgen. Es ist ein komplizierter Ort. Deine
Fragen müssen klug ausgewählt und geschickt gestellt werden, um eine Antwort zu
erhalten, die uns weiterhilft.“
„Am
besten kommen Sie einfach mit,“ schlug Buffy vor. „Und schauen mir auf die
Finger.“
„Das
geht leider nicht. Jemand muss das Portal geöffnet halten.“ Giles bog von der
Hauptstraße ab und fuhr über einen geschotterten Waldweg weiter.
„Na
ob das gut geht,“ grinste Buffy.
„Es
ist unsere einzige Chance,“ sagte Giles humorlos.
„Ich
verstehe nicht, wieso Sie mich nicht morgen zu diesem Orakel hätten schicken
können. Ich wäre heute Nacht lieber in dieses Bürogebäude geschlichen. Wenn
Lily Beweise beseitigt, finden wir morgen doch nichts mehr.“
„Wir
haben keine Zeit, die wir verschwenden können. Das Orakel und die Reiter gehen
jetzt vor,“ erklärte Giles und kam vor einem Schild, der den Zugang vor ihnen
als State Park auszeichnete, zum Halten. „Ab hier müssen wir zu Fuß weiter.“
Ein paar Minuten später
Lichtung
Die
Taschenlampen von Giles und Buffy huschten über den Waldweg, über Baumstämme,
Gebüsche und leuchteten schließlich eine kleine Lichtung aus. In der Nähe war
das Plätschern eines Bachlaufes zu hören und ein gewaltiger, einzelner Fels
stand in der Mitte.
„Lassen
Sie mich raten.. der Fels war ausschlaggebend?“ Buffy zeigte mit ihre Lampe
darauf.
Giles
nickte in der Dunkelheit und ließ seine Tasche auf den Boden sinken. „Er gehört
zum Ritual. Wir brauchen Äste für ein Feuer.“
---
Als
sie kurz darauf einen kleinen Asthaufen zusammen hatten und dieser entzündet
war, setzten sich Giles und Buffy nebeneinander am Feuer nieder.
„Und
was jetzt?“
„Jetzt
werfe ich das hier ins Feuer,“ Giles öffnete einen Beutel und schüttete
schwarzes Pulver ins Feuer. Rauch stieg zischend in die Höhe. „Dann klopfe ich
mit diesen Zeremonienstäben,“ er griff dabei nach zwei Holzstäben, die
kunterbunt angemalt waren, klopfte sie dreimal zusammen und lächelte verlegen.
„Uhm.. und dann lese ich den Text.“
Buffys
Augenbrauen waren amüsiert in die Höhe gezogen. „Ihre Rituale werden immer
merkwürdiger. Aber nur zu.. ich warte.“
Giles
schlug das Buch, das ihm Tecumapese gegeben hatte, auf und konzentrierte sich
auf die Aussprache. Alte indianische Worte kamen über seine Lippen, während das
Feuer vor ihnen plötzlich nervös zu zucken und zu tänzeln anfing. Als Giles zu
Ende gelesen hatte, ertönte ein sonderbarer melodischer Klang in ihrer Nähe,
der von dem gewaltigen Felsen zu kommen schien und die Luft für einen
Augenblick völlig ausfüllte.
Fasziniert
stand Buffy auf und trat darauf zu. Der Klang wurde lauter und wechselte über
in ein monotones Brummen. Plötzlich erschien vor ihr im Felsen ein gelber
Lichtstreifen, der sich mit einer elektrischen Entladung zu einem ovalen Tor
ausdehnte.
Mit
einem letzten Blick zu Giles, der aufmunternd nickte, trat Buffy mutig durch
die grüne Lichtmasse auf den Fels zu, der sie zu verschlucken schien...
----
Auf
der anderen Seite des Felsens fand sich Buffy für einen Moment in völliger
Dunkelheit wieder, bis sie einige Schritte nach vorne machte, wobei sie ihre
Hände schützend und tastend nach oben nahm. Doch sie trafen auf keinen Widerstand
und Buffy trat durch eine Öffnung in der Wand aus der Dunkelheit hinaus in
ein schwach schimmerndes Licht.
Die
Quelle war ein antiker Brunnen aus Marmor, der in der Mitte des großen Raumes
stand und imposant mehrere Meter in die Höhe ragte. Wasser sprudelte aus seiner
Tiefe hervor und fiel an den runden Seiten der Brunnenschale hinab in ein
Auffangbecken, das zu Buffys Füssen begann und in dem das Wasser einige
Zentimeter hoch stand. Buffys Spiegelbild schwamm verzerrt auf der
Wasseroberfläche und wenn man genauer hinsah, konnte man Goldfische darin schwimmen
sehen.
Aber nicht nur das Wasser drang aus der Tiefe des Brunnens, sondern auch das
Licht. Es wurde in einem Strahl nach oben an die hohe Decke geworfen und verlor
sich in der Weite des Raumes, und warf lange Schatten an die Wände, die von
einem Säulengang geziert wurden. Ansonsten war der Raum leer und wirkte kühl
und nüchtern.
Unsicher machte Buffy einen Schritt um das Wasserbecken herum und bestaunte den
Brunnen und das Licht- und Wasserspiel.
„Ihr seid gekommen, um mir eine Frage zu stellen.“
Die
warme und sympathische Stimme riss Buffy aus ihren Gedanken und sie blickte
sich überrascht im Raum um. Doch sie sah niemanden. Natürlich war dieses Orakel
hier nicht das erste in ihrer Laufbahn als Jägerin, aber die gestaltlose
Stimme, die von allen Seiten des Raumes widerhallte, machte sie ein wenig
nervös. Es war ärgerlich, dass Giles in der kurzen Zeit nicht mehr über das
Alte Orakel der Zeit herausgefunden hatte.
„Uhm...
ja,“ antwortete Buffy schließlich zögernd und wartete, bis ihr das Orakel
wieder eine Frage stellte, doch es schwieg. „Nur weiß ich nicht wo ich anfangen
soll,“ verlegen lächelte Buffy ohne zu wissen, ob es hier im Raum jemanden
gab, der es sehen konnte. Noch immer schwieg das Orakel.
„Na
gut... eh... fangen wir an - eine Wächterin war hier, und hat ebenfalls Fragen
an dich gehabt. Was genau wollte sie wissen?“
„Sie
wollte nur hören, was sie hören wollte.“
Nun,
dass brachte Buffy nicht sonderlich weiter. Sie wussten inzwischen, dass Lily
vieles für sich so gebogen hatte, dass es passte und dadurch vieles
verschlimmert hatte.
„Was
genau meinst du damit? Was hat sie missverstanden?“
„Die
Damaskus-Prophezeiung und die Rolle des Schlüssels. Als auch deine Rolle in dem
Gesamten.“
Buffys
Stirn runzelte sich. Orakel hatten immer diese dämliche Angewohnheit alles zu
geschwollen auszudrücken. Und sie musste sich das alles auch noch merken, um es
Giles wiederzugeben.
„Okay... da ich
im Gegensatz zu Lily zu hören kann, kannst du mir ruhig die ganze Geschichte
erklären. Welche Rolle spiele ich?“
„Die
Wächterin wollte nur wissen, wer die vier Reiter sind und stellte ihre Fragen
über dich zu ungenau.“ Die Stimme des Orakels hallte fast ein wenig amüsiert
von den Wänden zurück. Aber Buffy war sich nicht sicher, ob das nur in ihrer
Einbildung geschah. „Ich habe ihr das Gleiche gesagt, wie ich dir jetzt sagen
werde – du bist der Schlüssel.“
„Oh
oh.. stopp,“ Buffy hob abwehrend ihre Hände und schüttelte kräftig den Kopf.
„Da irrst du gewaltig. In meiner Familie gibt es nur einen Schlüssel und das
ist meine Schwester Dawn.“
„Das
ist richtig. Aber dadurch, dass du ihr dein Blut gegeben hast, um sie zu
erschaffen, hast du es erst möglich gemacht, den Schlüssel zum Sieg in den
Händen zu halten.“
„Okay..
auch nicht unbedingt etwas neues. Welchen Sieg meinst du?“ Buffy war inzwischen
einmal um den gewaltigen Brunnen herum geschritten, nun blieb sie stehen.
„Den
Sieg über die vier Alten.“
„Die
vier Reiter, nehme ich an,“ Buffy dachte nach und legte ihren Kopf leicht
schräg. „Wie können wir diese vier Reiter besiegen?“
„Lernt
den Schlüssel zu benutzen.“
Buffy
legte sich eine Hand auf ihre Hüfte und starrte in die Weiten des Raumes. Das
Orakel machte sie langsam verrückt. „Könntest du dich nicht etwas konkreter
ausdrücken?“
„Ich
bin müde...,“ kam die Stimme dieses Mal ein wenig leiser als zuvor und hallte
nicht mehr ganz so kräftig wider.
„Ich
schätze das heißt nein,“ seufzte Buffy und als Antwort darauf erklang derselbe
helle Ton wieder, den sie mit Giles auf der Lichtung vernommen hatte. Hinter ihr
öffnete sich mit einem monotonen Brummen eine gelbe Lichtspalte....
Shins Zimmer
zur selben Zeit
Wütend
lief Dawn in dem kleinen Zimmer auf und ab. Sie wartete auf ihren Freund,
der noch etwas mit Akira zu besprechen hatte. Das hatte sie auch, aber Shin
wollte zuerst mit ihm alleine reden, dann mit ihr. Das machte sie noch nervöser...
Eine verächtliches Lächeln zog über ihre Lippen. War Shin überhaupt noch ihr
Freund? Oder hatte sich erneut etwas zwischen ihnen verändert?
Sie konnte einfach keine Ruhe finden und um so mehr sie darüber nachdachte,
wieso sie eigentlich nach Giles Weggang geblieben war, um so mehr Zweifel
kamen ihr. Sie wusste noch nicht einmal genau was sie ihm sagen wollte. Sie
war stinksauer – das war klar. Dass gerade der Mensch, dem sie am meisten
vertraut hatte und den sie liebte, sich zu so einem niedrigen Schritt hatte
hinreißen lassen - und das nur wegen einer Prüfung. Was waren das denn für
Prüfungen, wenn er sich nicht mal helfen ließ? Dass sie ihm ja vorher schon
geholfen hatte, vergaß Dawn über ihre Wut hinaus.
Sie hörte wie die Zimmertür aufging und dann erfüllte ein kurzes Schweigen den
Raum. Eine ihr gut bekannte Stimme sagte zaghaft:
„Hi.“
Sie
drehte sich um. Die Tränen, die ihr vor Wut in die Augen gestiegen waren,
unterdrückte sie. Sie wollte ihn zappeln lassen.
„Hi,“ erwiderte sie nicht sonderlich freundlich. Sein liebevolles Lächeln
erstarb ihm auf den Lippen.
Ernst
sah er sie an. „Ich verstehe, wenn du wütend auf mich bist. Aber lass mich dir
alles erklären. Du sollst verstehen was ich getan habe und warum.“
Wütend zischte Dawn: „Vielleicht will ich es ja gar nicht wissen. Vielleicht
will ich nicht wissen, warum mein Freund der mich angeblich liebt und mir
vertrauen sollte, mich einfach in Gefahr und wehrlos zu Hause liegen lässt.“
„Gefahr?“, verständnislos blickte Shin Dawn an.
„Ja,
Gefahr. Eine Jägerin von Lily wollte mich kaltblütig ermorden.“
„Dawn,
das – das wusste ich doch nicht. Ich wollte dich nur in Sicherheit bringen.“
„Ja tolle Sicherheit,“ lachte Dawn wütend auf. „Wenn Bonita nicht zufällig
aufgetaucht wäre, dann wäre ich jetzt tot und du könntest mich in einem Sarg in
Sicherheit bringen.“ Jetzt stiegen Dawn doch Tränen in die Augen und die
letzten Worte gingen in ihrem Schluchzen unter.
Shin ergriff die
Möglichkeit und versuchte Dawn seine Beweggründe zu erklären.
„Ich habe es nicht aus den Gründen getan, die du dir jetzt vielleicht denkst.
Ich wollte dich aus der Gefahr herausbringen, ja das stimmt, aber nicht weil
ich der Meinung bin, dass du dich nicht wehren kannst. Sondern weil ich nicht
wusste, was auf dich zukommt, du bist wichtig und nicht nur für mich. Ich
konnte nicht einfach zulassen, das du dich in eine unkalkulierbare Gefahr
begibst. Außerdem wusste ich, dass unsere Kämpfer dich sicher nicht akzeptiert
hätten. Du weißt, dass diese Aufgabe für meine Familie wichtig ist.“
Dawn schaute ihn an und was sie in seinen Augen las, war nur Sorge um sie und
Aufrichtigkeit. Plötzlich kam sie sich sehr kindisch vor. „Aber ... aber das heißt ja, du warst gar
nicht dort, als es zum Kampf kam?“
Shin
schüttelte bedauernd den Kopf. „Nein. Mein Cousin trat an meine Stelle und
tötete Romero.“
„Aber...
dann hast du also wegen mir deine Prüfung nicht bestanden?“
Shin nahm die Hände seiner Freundin fest in seine. Er war froh, dass er nun
vernünftig mit ihr reden konnte und sie sich beruhigt hatte. „Das stimmt. Meine
Aufgabe habe ich nicht bis zum Ende erfüllen können. Aber es war mir egal was
mit mir passiert. Nur war es mir nicht egal was mit dir passiert.“
Dawn
lächelte unsicher. „Tut mir leid, aber was ist denn jetzt mit deiner Prüfung?“
„Tja was meine Prüfung angeht, da hab ich meine Familie wohl unterschätzt,“
erklärte ihr Shin.
„Wieso das denn?“
„Na
ja, wenn ich ehrlich bin hab ich schon mit einer ziemlichen Standpauke
gerechnet, als ich nach Hause kam. Ich dachte ich hätte Schande auf mich und
meine Familie geladen. Meine Eltern waren natürlich schon von meinem Cousin
informiert worden. Als ich nach Hause kam, saßen alle im Wohnzimmer und
erwarteten mich.“
„Ja und? Nun komm mal zum Punkt.“ Unterbrach ihn Dawn ungeduldig.
„Ja
gleich. Also jedenfalls kam ich ins Wohnzimmer, setzte mich und wartete auf
das, was nun kommen möge. Mein Vater erklärte mir völlig überraschend, dass ich
die Prüfung bestanden hätte.“
„Aber warum?“ Wieder unterbrach ihn Dawn, doch dieses Mal voller Erstaunen.
„Ja nun lass mich doch erklären. Mein Vater sagte, dass ich eine richtige
Entscheidung im richtigen Augenblick getroffen hätte. Ich hatte mich dafür
entschieden einen sehr wichtigen Menschen in Sicherheit zu bringen.“ Bei diesen
Worten schaute er seine Freundin an. „Anstatt an Ruhm und Ehre im Kampf zu
denken. Ich habe Selbstlos gehandelt – so etwas ist ehrenhafter.“
Dawn ließ seine Worte noch einmal durch ihre Gedanken fließen. „Also hast du
jetzt doch Ansehen für deine Familie erreicht? Weil du einen wichtigen Menschen
in Sicherheit...,“ Dawn brach ab und
starrte Shin fassungslos an. “Wieso bin ich ein wichtiger Mensch?“
„Na
ja zum einen bist du für mich wichtig.“ Er gab ihr einen Kuss. „Weil ich dich
liebe.“
Dawn lächelte
ihn geschmeichelt an. Aber irgendetwas gefiel ihr nicht an Shins Gesicht, als
er tief Luft holte und weitersprach. „Und zum anderen, weil du der
Schlüssel bist und mit deinen
Fähigkeiten die letzte Schlacht um die Menschheit entscheiden wirst.“
Dawn ließ seine Hände los und ging einen Schritt zurück. „Woher weißt du vom
Schlüssel?“
Shin ging auf sie zu und versuchte wieder ihre Hände aufzunehmen, doch sie
entzog sie ihm. „Ich weiß schon lange davon, aber noch nicht so lange, dass DU
dieser Schlüssel bist. Aber du musst keine Angst haben. Meine Familie kann dir
helfen und dich lehren, was du wissen musst.“
„Deine Familie?“ Dawn war skeptisch. „Was hat deine Familie damit zu tun?
Meinst du Akira?“
„Meine Onkel ist ein weiser Mann und er wird dich lehren, wie du deine Macht
und deine Energien richtig führen musst. Du hast sie noch in dir, auch wenn du
sie vielleicht nicht spürst. Tief in deinem Inneren sind sie verborgen und
warten nur darauf, dass du sie entdeckst und aus ihnen lernst. Willst du es
lernen? Willst du meinem Onkel vertrauen und dich in seine Lehre begeben?“
Dawn zögerte unmerklich. Sie hatte Akiras Worte vorhin schon merkwürdig
gefunden und Shins Erklärung verwirrte sie noch viel mehr. Aber sie spürte,
dass er es aufrichtig meinte und sie wahrscheinlich keine andere Wahl hatte.
Daher nickte sie zustimmend.
Daraufhin
ging die Zimmertür auf und Akira kam mit den Worten „Es wird Zeit, zu lernen,
Dawn“ herein. Sie nickte erneut, dieses Mal entschlossener und drehte sich
um, um mit ihm zu gehen. Shin flüsterte ihr ein „ich liebe dich“ hinterher
und sie lächelte zurück, ehe sie im Flur verschwand.
Dorf der Hüterin
Ohne Zeit und Raum
Ein Blitz durchschnitt die Dunkelheit der Nacht, und erhellte einmal mehr die
geschockten Gesichter der Hüterinnen, die sich langsam rund um Willow
versammelten. Die älteste war aufgestanden, und schien kurz nach ihrer eben
abhanden gekommenen Fassung zu suchen. Als sie fragen wollte, was sie falsch
gemacht hatte, durchzog erneut ein eiskalter Windhauch den Platz, woraufhin
heftiger Donner die gedrückte Stille beendete.
Als die junge Frau, die ihnen zuvor das Wasser gebracht hatte, zu ihnen trat
und der Alten beruhigend eine Hand auf die Schultern legte, fiel es Willow wie
Schuppen von den Augen:
Sie stand auf einer Lichtung, es war Nacht und der Himmel war völlig
wolkenfrei, als ob die Sterne ihrem Tod persönlich beiwohnen wollten. Die
Fesseln schnitten in ihre Handgelenke und drückten sie fest an den Holzpfosten.
Es gab kein Entkommen, kein Erbarmen. Sie und ihre Schwestern waren verloren
Die in dunkle Umhänge gehüllten Männer auf der anderen Seite redeten leise,
doch Willow konnte nicht verstehen, was sie sagten. Sie hatte Angst, unendliche
Angst, ein kurzer Blick zu ihren Schwestern zeigte, dass es den beiden nicht
anders ging – starr blickten sie vor sich hin.
Nachdem die Wächter sie mit dem Feuer aus der Bibliothek getrieben hatten,
hatten sie sie hier her gebracht. Die Älteste war den Flammen zum Opfer
gefallen, und eine der anderen hatten die Männer mitgenommen. Willow wusste
nicht, welches Schicksal ihr bevorstand und vermutlich wollte sie es auch nicht
wissen.
Einer der Männer trat vor. Um seinen Hals baumelte ein christliches Kreuz: „Nun
werdet ihr endgültig brennen!“ Er ließ sich eine Fackel reichen und hielt sie
Willow direkt unter die Nase: „Was sagt ihr nun, im Angesicht eurer gerechten
Strafe?“
„Was ich sage? Ihr seid Narren! Ihr rennt in euren eigenen Untergang, doch wenn
ihr uns töten wollt, dann tut es, doch besiegen werdet ihr uns niemals!“,
ereiferte sich eine ihrer Schwestern.
„Sprich nicht in diesem Ton mit mir, Weib!“ Er stieß die Fackel in den
Holzhaufen, der zu ihren Füßen aufgestapelt worden war, „Und jetzt begegne
deinem Untergang!“
Willow schloss ihre Augen, Rauch stieg in ihre Nase auf und sie musste husten.
Auf der anderen Seite hörte sie die Männer laut lachen, ihre Schwester schrie
neben ihr auf, als das Feuer sich an ihr hoch züngelte.
Ehe Willow etwas sagen konnte, nickte ihr die ältere Hüterin wieder zu. Sie
streifte sanft die Hand der Jüngeren ab und trat ihr Gegenüber zu „... du
denkst richtig, Hüterin“, sprach sie, ihre Stimme gefüllt von Hass und Furcht.
„Der Rat der Wächter hat sich lange Zeit vor uns gefürchtet. Sie haben die
Hexenverbrennungen ausgenutzt, um uns los zu werden. Sie haben uns gejagt und
abgeschlachtet, als wären wir Freiwild. Sie sind schuld daran, dass dieses Dorf
auch von so jungen Geschöpfen wie Rosalind...“, sie deutete in die Richtung der
jungen Frau „… bevölkert ist. Jede von uns hat durch den Rat der Wächter einen
qualvollen Tod erlitten. Vertraue keinen Männern, die allein über das
mächtigste Werkzeug des Guten bestimmen wollen, nur um ihre eigenen Ziele zu erreichen.“
Die Hüterin strich Willow langsam durchs Haar, woraufhin diese nickte, kurz
überlegte, dann jedoch ebenfalls aufstand und sprach:
„Ich weiß, welchen Schmerz euch der Rat zugefügt hat. Ich kann eure Argumente
sehr gut verstehen. Aber die Spielregeln haben sich geändert. Der Rat wird
nicht nur mehr von Männern gelenkt, sehr viele Frauen sind auch darin. Es gibt
nicht mehr nur eine Jägerin, jetzt gibt es tausende, verstreut auf der ganzen
Welt. Ohne die Wächter wären die Jägerinnen verloren.“
Als sich die Wolken wieder lichteten, der Wind sich legte und das Feuer wie aus
dem Nichts wieder zu brennen begann, glitt der Blick der Alten in die Ferne.
„Der Rat der Wächter, Ms. Rosenberg, hat seine guten Seiten, allerdings nur an
einigen, seltenen Tagen…“
England,
London, Flughafen Heathrow
Als der Flug 3984 von Cleveland,
Ohio, über Washington DC nach einigen Stunden in der Luft endlich zum Landeflug
ansetzte, fuhren gerade zwei Reisebusse unbekannter Herkunft auf einen der
großen Parkplätze. Die Türen glitten leise auf, und insgesamt acht Beinpaare
verließen die Fahrzeuge in Richtung Gate 10. In schnellem Tempo durchschritten
die Wächter die große Eingangshalle ohne dabei ihr Ziel aus den Augen zu
verlieren.
Als sich die Türen des Gates endlich öffneten, und sich eine große Traube von
Leuten in die Halle ergoss, blieben die Wächter ruhig stehen und beobachteten
jeden Passagier. Erleichterung machte sich auf den jungen Gesichtern breit, als
keiner der Reisenden Spuren eines Kampfes aufwies. Sie hatten sich also unter
Kontrolle gehabt.
„Da kommen sie!“, sagte eine blonde, ungefähr 28-jährige Frau, und trat auf die
Gruppe Mädchen zu.
„Chao-Ahn?“, fragte sie diejenige, welche die Mädchen zu führen schien,
woraufhin die Jägerin leicht nickte, ihr gegenüber stehen blieb und ihr die
Hand schüttelte.
„Es tut uns leid, wir haben versagt…“, sprach sie und sah dabei emotionslos in
das Gesicht der jungen Wächterin.
„Macht euch keine Gedanken darüber. Ihr habt keine Konsequenzen zu fürchten.
Folgt uns!“
Die Gruppe von Wächtern und Jägerinnen setzte sich in Bewegung, und während die
Kämpferinnen langsam aber sicher auf den Ausgang des Flughafens zukamen, schien
sich eine gewaltige Spannung von ihnen zu lösen, wobei einige erst jetzt zu
realisieren begannen, was eigentlich passiert war.
Die Gruppe teilte sich auf und eine nach der anderen betrat den Bus. Emma
zögerte kurz, als sie als letzte das zweite Fahrzeug betrat und kurz einen
Blick zurück wagte. Sie war sich noch immer nicht sicher, was genau passiert
war, und warum es passiert war, sie wusste nur eines: Sie war froh, dass es
vorbei war. Jetzt war sie wieder in sicheren Händen.
Nachdem sich die Türen geschlossen hatten, setzten sich die Fahrzeuge langsam
in Bewegung.
---
V.O. Hüterin: „… aber der Rat hat auch seine Schattenseiten, über die niemand
gerne spricht, und die jeder zu vertuschen versucht...“
---
England,
altes Gebäude, unbekannter Ort
Hektische Schritte
hallten durch die alten Flure und Gänge der Verbindung. Türen öffneten sich und wurden hastig
geschlossen. Nach dem Treffen und der Abstimmung über Lily, galt es in erster
Linie Beweise zu vernichten. Beweise, die alle, die ihrer Verbindung
angehörten, einen schrecklichen Preis kosten könnten. Ein Preis, der keiner von
ihnen für Lily Usher zu zahlen bereit war.
Hastig wurden Dokumente und Akten aus Schränken gerissen und ins Feuer
geworfen, das im alten Kamin loderte. Einige schichteten Bücher in Kisten,
während andere Chemikalien in sichere Behälter verschlossen und ebenfalls verschwinden
ließen.
Zitternd sperrte ein dunkelhaariger Wächter die Tür zur Trainingshalle auf und
trat auf die wenigen Jägerinnen zu, die sie als Reserve nicht in den Kampf
geschickt hatten. Sie hatten noch keine Ahnung, was mittlerweile passiert war, und
er beabsichtigte auch nicht, irgendetwas daran zu ändern.
„Geht!“, befahl er ihnen und führte sie zu einem der Ausgänge, der ans Freie
und somit an die frische Luft führte. Irritiert, verwirrt und orientierungslos
stolperten die Mädchen aus den geheimen Gängen, worauf die Türen wieder hastig
verschlossen wurden.
„Was sollen wir jetzt machen?“, fragte eine der Jägerinnen.
„Jagen... was sonst?!“, antwortete eine andere. Ohne ein spezifisches Ziel
liefen die Mädchen los.
---
V.O. Hüterin: „Dort wo es gute Menschen gibt...“
Cleveland
State Park
Umrundet von Bäumen saß Giles wartend auf Buffy vor einem Lagerfeuer. Zweifel
und Sorge stand ihm im Gesicht und ließ ihn noch um einige Jahre älter wirken.
Doch entgegen aller Gründe war er innerlich ruhig. Er wusste, dass Buffy es
schaffen würde. Sie schaffte es immer.
In diesem Moment erfüllte ein heller Klang die Luft, Wind kam auf und ein
monotones Brummen kündete das Tor zum Orakel an.
Giles stand auf, um zu
dem Fels zu treten. Keine Sekunde später öffnete sich das gelbe Portal und
Buffy taumelte hervor. Giles griff hilfsbereit zu und fing Buffy auf. Dankbar
lächelte sie zu ihm hoch...
---
V.O.
Hüterin: „... gibt es auch immer schlechte…“
Cleveland
Motel „Santiago“
Entsetzen machte sich auf dem sonst so
gefassten Gesicht von Lily Usher breit, als die vier Reiter es schafften, ihre
Pferde so in den Raum zu drängen, dass sie absteigen konnten. Das Entsetzen
wurde größer, als ihr die Reiter
gegenüber traten. Lily konnte nicht anders und stieß einen kurzen, panischen
Schrei aus. Doch dann fing sie sich wieder und versuchte zu kämpfen. Alles was
auf dem schäbigen Tisch hinter ihr stand diente ihr als Waffe und sie
schleuderte Aschenbecher, Telefon, Blumenvase und ihre eigenen Unterlagen den
Dämonen entgegen, um die Ablenkung dazu zu nutzen hinter dem Schreibtisch
Schutz zu suchen.
“Verschwindet! Ich bin nicht euer Ziel!“, schrie die Wächterin, presste sich
voller Entsetzen gegen die Wand, die hinter ihr war und sah den Reitern
entgegen. „Ihr habt nur mir zu verdanken, dass ihr wieder hier seid.“
Einer der Dämonen trat unbekümmert von ihrem Verhalten vor, erfasste ihren Schreibtisch und
schleuderte ihn mit voller Wucht gegen die Wand. Das Holz splitterte, während
der Putz zu Boden fiel. Lily schrie erneut auf, als der Reiter seine Hände um
ihre Kehle legte und sich mit seinem Gesicht dem ihren bis auf wenige
Zentimeter näherte.
“Wo ist der Talisman?“, fragte er erzürnt.
---
V.O. Hüterin: „Wo Treue und Ehre eine Rolle spielen, fruchtet Verrat und
Egoismus...“
Malkuth
Schreie von Verletzten oder
Hilfesuchenden hallten noch immer vereinzelt durch die Hallen und Gänge von
Malkuth, dem früheren Utopia der friedlichen Dämonen. Hunderte Verletzte
säumten die Wege, obwohl die schnell zusammengestellten Hilfsgruppen taten, was
sie konnten: Tote wurden abtransportiert, Verletzte nach Grad ihrer Wunden auf
die Lager verteilt, wo man sich um sie kümmern würde und unzählige Helfer
schichteten an den wichtigen Schlüsselpunkten Sandsäcke auf, um eine völlige
Überflutung der Stadt zu verhindern.
Xander schleppte sich
mit der reglosen Gestalt von Eve auf den Armen durch die Gassen zurück zum
Lager, wo Mo und seine Frau waren. Sie würden ihm helfen können. Sie würden
sich um Eve kümmern, damit sie wieder zu Kräften kam, während er den festen
Plan hatte hier unten weiter mitzuhelfen. Man brauchte jede Hand.
In einer dunklen Ecke stand eine Gestalt und beobachtete das Geschehen passiv.
Er war nicht hier um zu helfen. Wahrscheinlich würde man es auch überhaupt
nicht zu lassen. Er war nur hier um zu sehen, was er angerichtet hatte. Lange
Zeit starrte Warren nur ungläubig ins Nichts, bis er von einer Sekunde auf die
andere auf dem Absatz kehrt machte und im Dunkeln verschwand.
ENDE