Folge 8.13
”Last Shot was the
Charm"
von Yamato
mit Unterstützung von:
HopelezZ, Mel, Stefan, Cthulhu, Lion, White Magic, Nightfever
Länge: ca.80 Seiten
Autor: Yamato
Co-Autoren: HopelezZ, Mel, Stefan, Cthulhu, Lion, White Magic, Nightfever
Bilderstellung: HotWitch und Mel
Credits: Projekt 8 ist ein Projekt von slayerfanfic.de
mit spezieller Unterstützung durch buffy-online.com als auch slayerzone.de,
slayerworld.info, virtuelleserienonline.de sowie weiteren Partnern.
Disclaimer: Die virtuelle, achte Staffel baut auf das von
Joss Whedon erschaffene Buffy-Universum auf. Sie wurde von Fans für Fans geschaffen,
ohne dem Ziel damit Geld zu verdienen. Das Universum und seine Charaktere
sind das alleinige Gedankengut von Joss Whedon, Mutant Enemy, FOX, WB und
Paramount
Schwarzer Bildschirm. Flügelrauschen. Lautes Krächzen einer Krähe. Das
Donnern von Hufen. Stille.
D'Hoffryn (V.O.): Du glaubst immer noch, Magie sei dazu da, große Dinge zu
bewegen, und das ist ein Irrtum. Sie bewegt kleine Dinge, ganz kleine Dinge.
Winzig. Und doch so tödlich!" - 8.09
Giles (V.O.) Bisher bei Buffy:
Maskenträger (VO): Schützin, die im Dunkeln wacht,
Überblende: Die geheimnisvolle maskierte Person und Weatherby in einer dunklen
Lagerhalle - 8.02
Maskenträger (VO): Samielle, Samielle, hab acht!
Überblende: Eine Krähe flattert durch die Lagerhalle und verwandelt sich
in Samielle - 8.02
Maskenträger (VO): Steh' mir bei in dieser Nacht,
Überblende: Samielle verneigt sich demütig vor Weatherby, und verbirgt
ihr höhnisches Grinsen - 8.07
Maskenträger (VO): Bis der Zauber ist vollbracht!
Überblende: Eine Krähe sitzt auf dem Fensterbrett der Ratszentrale und
beobachtet die Scoobies - 8.11
Maskenträger (VO): Salbe mir so Kraut als Blei,
Überblende: Buffy kämpft gegen die Schützin, diese versucht, ihr die
Münzen zu stehlen - 8.11
Maskenträger (VO): Segn'es sieben, neun und drei,
Überblende: Samielle schlitzt Sina der Wahrsagerin mit ihrem Schnabel
die Kehle auf - 8.07
Maskenträger (VO): Daß die Kugel tüchtig sei!
Überblende: Samielle berührt die Disc des HtoGrom Clans mit dem Schnabel
und entschlüsselt sie - 8.08
Maskenträger (VO): Samielle, Samielle, herbei!“
Überblende: Dawn wird von Samielle aus der Gefahrenzone getragen -
8.11
Samielle (VO): Eins
Überblende: Faith und die dämonische Eve kämpfen in der Kirche
gegeneinander. Ein plötzlicher Schnitt zum Friedhof vor der Kirche, und den
Gräbern darauf. Eve lacht höhnisch, und versichert Faith, dass alle ihre
Freunde tot seien, und sie selbst daran schuld. - 8.03
Samielle (VO): Zwei
Überblende: Buffy steht inmitten einer Prärie, sie hört Schreie,
Hufgetrappel, auf einmal jagen vier Reiter auf sie zu. Sie kann sie nicht genau
erkennen, sie sind eine verschwommen Masse um sie herum, ihre Pferde gewaltige
Streitrösser. - 8.01
Samielle (VO): Drei
Überblende: Amy klingelt an der Tür vom Summers Haus, versucht Willow
in ein Gespräch zu verwickeln. Doch Willow weist sie ab, kühl und entschlossen.
Beide Mädchen tragen einen kurzen Willenskampf mit ihren Blicken aus, doch dann
wendet Amy sich ab, und geht - 6.12
Samielle (VO): Vier
Überblende: Giles und Lily halten einander eng umschlungen, und küssen sich
leidenschaftlich. Giles' Jackett fliegt über den Küchentisch, seine Hände
beginnen, ihre Bluse zu öffnen - 8.07
Samielle (VO): Fünf
Überblende: Vampire überfallen Kendra und die Scoobies in der
Bibliothek. Zwischen ihnen schreitet Drusilla, wie eine Königin in den Raum.
Kendra stellt sich ihr, doch Dru schlitzt ihr mit dem Fingernagel die Kehle
auf, und wünscht ihr eine gute Nacht. - 2.21
Samielle (VO): Sechs
Überblende: Kennedy und Warren kämpfen auf dem brennenden Flugplatz
gegeneinander. Andrew redet auf die beiden ein, versucht verzweifelt, sie davon
abzuhalten, doch sie hören nicht auf ihn. Er will Warren umarmen, doch dieser
stößt ihn beiseite - 8.09
Samielle (VO): Sieben
Überblende: Willow und Tara stehen in ihrem Zimmer im Summers Haus,
als plötzlich eine verirrte Kugel die Fensterscheibe durchschlägt. Blut spritzt
auf Willow's Bluse. Tödlich getroffen bricht Tara zusammen - 6.19
Teaser
Wenn die Sonne langsam dem Horizont zuwandert, die Mütter ihre kleinen
Kinder vom Spielplatz in die Wohnung holen, während die Väter, müde von der
Arbeit, sich bei einer Flasche Bier die Sportnachrichten ansehen, die Läden
schließen, und die grellen Neonlichter die Namen verschiedenster Firmen in die
Dunkelheit brennen, beginnt in der Unterwelt der tägliche Kreislauf.
Denn Sunnydale ist kein Ort, wie jeder andere...
Cleveland, Hafenviertel
nachts
"Also die Party wurde doch echt noch der volle Hammer.
Du hast Kennedy ja total unter den Tisch gesoffen!” schrie Ronah und lächelte
Faith dabei an.
Sie befanden sich auf ihrer gewöhnlichen Dienstag-Nacht-Streife, und während
Kennedy die Innenstadt unsicher machte, hatten sich die drei auf das Hafenviertel
konzentriert. Es war eine ungewöhnlich laue Februarnacht, und während der
Schnee langsam aber sicher wieder zu Wasser wurde, breitete sich im Hafen
wieder der stechende Fischgeruch aus.
"Na ja, was sollte ich denn machen? Sie wollte es unbedingt. Ich konnte
doch nicht nein sagen..” antwortete Faith lachend, und auch etwas stolz. Natürlich
war ihr bewusst gewesen, dass Kennedy einen miserablen Tag hinter sich hatte,
aber, mein Gott, jeder wollte Spaß haben, und dieses kleine Match ging eindeutig
an sie.
"Und das Beste war, wie Kennedy beinah Andrew's Handy in den See
geschmissen hat," grinste Ronah. "Nur dass sie schon zu blau war, um
richtig zu treffen..."
"Das blöde Ding hat aber auch genervt!" Faith blieb stehen, als
sie etwas rascheln hörte, doch es war nur ein Waschbär, der die Mülltonnen
durchwühlte. "Dauernd klingelt es, und er geht nicht ran. Kaum zu glauben,
dass jemand so dermaßen dringend mit Andrew reden will..."
"Das war sein Freund, hast du nicht das Photo auf dem Display geseh'n?"
fragte Vi, während sie den Pflock nervös von einer Hand in die andere warf.
"War klar, dass er da nicht rangeht, wer hat schon Bock auf so dumme
Kontrollanrufe. Partys sind doch zum Amüsieren da, und nicht um sich dumme
Sprüche von eifersüchtigen Kerlen anzuhören."
Sie überhörte Ronah’s schnippische Antwort und driftete mit den Gedanken
weiter ab. Sie war heute schon den ganzen Tag nervös, wobei sie auch nicht
wirklich gut geschlafen hatte- Sie wurde in den letzten Tagen von einem schlimmen
Kater verfolgt. Es war ja auch klar, dass ausgerechnet sie selbst schon nach
zwei Gläsern Sekt und einem kleinen Schnaps (oder waren es auch zwei?)
am nächsten Tag dröhnende Kopfschmerzen hatte. Vi musste kurz über
sich selbst lächeln, blieb stehen und sah Faith und Ronah nach.
Was hatte sich in letzter Zeit nicht alles verändert? Seit
sie hier in Cleveland waren, hatte sich ihr Freundschaftskreis enorm vergrößert,
und dadurch kamen ihr Faith, Ronah und Robin noch umso mehr wie ihre neue
Familie vor. Es war schön, endlich jemanden zu haben, auf den man sich verlassen
konnte.
"Vi, was ist los? Willst du Wurzeln schlagen? Beeil dich!” schrie Faith,
die vor einer kleine Gasse stand. Sie schien angespannt zu sein. Vi war klar,
dass sie dort auf etwas gestoßen sein musste, vermutlich wieder einmal Vampire.
Ohne einen weiteren Gedanken zu verschwenden lief Vi los, nickte Ronah zu,
die keinen Pflock in der Hand hatte, warf ihr ihren eigenen zu, und zog einen
weiteren aus ihrer Jackentasche.
Lautes, aggressives Fauchen drang aus der Gasse, und die drei Jägerinnen erblickten
eine Gruppe von drei Vampiren.
"Ronah, du nimmst Blondie. Vi, kümmere dich um den Hippie..!” schrie
Faith, die im Laufen einen Pflock in die rechte Hand nahm, und sich bereit
machte, um dem kurzhaarigen, breiten Vampir in den Rücken zu springen.
Als die Vampire die Anwesenheit der drei bemerkten, schrieen sie erschrocken
auf, stießen auseinander und gaben damit den Blick auf ein junges Mädchen
frei, welches sich in ihrer Mitte befand. Ihr Blick war glasig und ihre Haut
blass, sie war bereits tot.
Faith’ Vampir, hatte dunkle Haare, und trug einen langen, ebenso schwarzen,
Mantel. Seine Sonnenbrille, die er selbst bei Nacht trug, zerbrach, als er
mit dem Kopf neben seinem Opfer auf den Boden knallte, und ein lautes 'Knack'-Geräusch
verriet der Jägerin, dass er sich beim Aufschlag die Nase gebrochen hatte.
Vi konzentrierte sich auf den Kerl mit den langen Haaren, wobei dieser angesichts
seiner Haltung sicherlich noch nie etwas von einer Jägerin gehört hatte.
"Verschwindet!” knurrte er Vi an, sprang auf sie zu, und wollte ihren
Kopf fassen. Doch die rothaarige Jägerin bückte sich unter dem Angreifer hinweg,
nahm Anlauf, sprang gegen die Wand, und nutzte den Schwung für einen Rückwärtssalto.
Der Vampir sprang erschrocken zurück, als die Jägerin wieder vor ihm stand,
und ihm ihre Faust ins Gesicht knallte.
Faith sprang ihrem Neo-Exemplar nach, riss ihn vom Boden hoch, und schleuderte
ihn gegen den Müllcontainer, der sich nur wenige Schritte neben ihr befand.
Der Vampir schnaubte überrascht, versuchte sich von ihrem Griff zu befreien,
blieb aber erfolglos. Er sah sie geschockt an
”Wer seid ihr?” schnappte er hilflos. "Eure schlimmsten Feinde!” antwortete
Faith, zwinkerte ihm kurz zu und lächelte ihn befriedigt an, als sie ihm ihren
Pflock ins Herz trieb und er sich in Staub verwandelte.
Vi sprang in die Luft, schlug dem Hippie-Vampir ihren linken Fuß ins Gesicht
und landete wieder fest auf beiden Füßen. "Na, die Zeiten des höllischen
Friedens sind wohl vorbei... ach was mich interessieren würde... wie kann
man als mordende Kreatur eigentlich ein Hippie sein?” fragte Vi den Vampir
ironisch, wich einem weiteren Schlag aus, und bekam ein Knurren als Antwort.
"Vi, Vorsicht!” schrie plötzlich Ronah, doch es war zu spät. Vi wurde
von hinten gepackt, und gegen die harte Ziegelwand geschleudert. Sofort waren
Ronah und Faith bei ihr, doch die Vampire hatten ihr Interesse am Kampf anscheinend
verloren.
Faith streckte der rothaarigen Jägerin ihre Hand entgegen, zog sie auf, und
sah den beiden Vampiren nach.
”Worauf warten wir denn?” fragte Vi und drehte sich im Laufen kurz um "..
Na kommt schon! Ihnen nach!” Sie lächelte ihre beiden Begleiterinnen an, drehte
sich wieder um und rannte den Vampiren durch die dunkle Gasse hinterher. Ronah
und Faith nickten sich kurz zu, holten tief Luft, und folgten ebenfalls.
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Lagerhalle, selbe Zeit
"Und Sie sind sich sicher, dass es eine gute Idee war, Samielle
als unser Werkzeug zu benutzen?” fragte Weatherby, während er die Tür der
großen Lagerhalle hinter sich schloss. Der Raum war, wie immer, leer und kalt,
und ihre Schritte hallten wie Verfolger durch die Luft.
Er folgte der maskierten Gestalt bis in die Mitte des Raumes, wo sich ein
kleiner Tisch mit zwei Stühlen befand. Ohne seine Frage wirklich zu beachten,
trat die Gestalt auf den Holztisch zu, und starrte die Waffen an, die darauf
lagen. Ihr Blick fiel auf die Armbrust.
"Wieso haben Sie all diese Waffen hierher gebracht?” fragte der Maskierte
gereizt und drehte sich zu Weatherby, der inzwischen auf einem der alten,
morschen Stühle Platz genommen hatte.
"Ich dachte nur, dass es hier am sichersten ist. Außerdem haben wir keine
Wachen hier, und wenn hier eine Horde von Dämonen herein stürmt, ist es sicher
nicht schlecht, sie hier zu haben...” antwortete der Mann hektisch.
”Und deswegen mussten Sie DIE Armbrust heraus legen? Sind Sie denn wahnsinnig?
Sie wissen doch genau, wofür sie gedacht ist!” sagte der Maskierte erzürnt
und trat dabei auf Weatherby zu.
Dieser schien sich allerdings wieder gefangen zu haben, und antwortete kühl.
"Na ja, man weiß ja nie, wer hier genau herein stürmt, während wir unsere
Unterhaltung führen..” er stand auf drehte sich um, und starrte in die Dunkelheit
der Halle, die nur durch die kleine Lampe, die sich auf dem Tisch befand,
unterbrochen wurde. "... das sollte Ihnen doch bewusst sein. Samielle
ist dieses Mal nicht hier, um für uns zu kämpfen...”
Der Maskierte schien kurz die Geduld zu verlieren, riss sich dann
aber doch zusammen, und trat wieder an den Tisch heran.
”Setzen Sie sich gefälligst wieder hin..” befahl er seinem Lakaien, und ließ
dabei seinen Blick über den Pfeil gleiten, der in der Armbrust eingespannt
war. Weatherby nickte, schien seine Selbstsicherheit mit einem Schlag wieder
zu verlieren, und wartete einige Minuten, bis die eingehüllte Gestallt wieder
zu sprechen begann.
"... die Zeit läuft. Ich denke, dass es nicht mehr lange dauern wird.
Bei unserem nächsten Treffen mit Samielle werde ich ihr anordnen, ihren Auftrag
zu beenden. Ich kann und will nicht mehr länger warten..”
"Wann immer Sie denken, dass die Zeit gekommen ist. Ich hoffe nur, dass
Samielle uns nicht wieder entt..” antwortete Weatherby, wurde jedoch von einem
lauten Krachen unterbrochen. Er sprang auf, und erkannte, dass die große Lagertür
aus den Angeln geschleudert wurde, und ein Vampirpärchen, gefolgt von einer
dritten Person in die Halle stürmte.
Der Maskenträger schien kurz verwirrt zu sein, fasste sich einen der Pflöcke,
warf ihn Weatherby zu, und schrie. "Los, kümmern Sie sich darum!”, und
wollte sich schon umdrehen, und in den hinteren Raum flüchten, als ihm klar
wurde, dass dazu keine Zeit mehr blieb.
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Straße, selbe Zeit
"Sie
flüchten in die Lagerhalle!” schrie Vi, nachdem sie um die Ecke gebogen war,
und die zwei Vampire verfolgte, die geradewegs auf das große Gebäude zu liefen.
. Faith und Ronah hatten sie noch immer nicht eingeholt, als die Untoten die
Tür aus den Angeln traten, und dicht gefolgt von Vi in den dunklen Raum stürmten.
Sie
war umgeben von Dunkelheit, aber sie verspürte keine Furcht, den Kampf mit
zwei Vampiren konnte sie durchaus
aufnehmen. Doch dann erstarrte sie, die Gestalt in der Mitte des Raumes war
kein Vampir. Sie trug eine seltsam verzierte hölzerne Maske und eine schwarze
Kutte. Eine mysteriöse Aura schien sie zu umgeben, und für kurze Zeit vergaß
Vi Zeit und Raum und blieb verwirrt stehen.
Die blonde Vampirin war auf den hinteren Eingang zugestürmt, doch als sie
die Tür öffnen wollte, spürte sie einen kräftigen Schlag, und wurde heftig
gegen die Tür geschleudert. Knurrend drehte sie sich um, und sah Weatherby
wütend an. Sie spannte ihre Muskeln an, und bereitete sich auf einen
schwierigen Kampf vor, während ihr männlicher Partner sich dem Tisch mitsamt
Maskenträger näherte. Dieser wich erschrocken einen Schritt zurück.
Der Maskierte griff nach der Armbrust, und richtete die Waffe auf den
Vampir, welcher drohend seitlich auf
ihn zukam, und ihn aggressiv anknurrte. Vi konnte nicht viel erkennen, da alles
ziemlich schnell passierte, aber sie erwachte aus ihrer Erstarrung, und rannte
ein Stück in die Halle hinein, um den anderen Jägerinnen nicht den Weg zu
blockieren. Sie versuchte noch immer, den Vampir im Auge zu behalten.
In diesem Moment sprang der Vampir nach vorne, um den Maskenträger
anzugreifen. Verwirrt über die plötzliche Bewegung riss die Gestalt die Arme
hoch, um den Angriff abzuwehren, dabei stieß ihre Armbrust gegen die Maske,
welche zur Seite rutschte. Mit einem hektischen Schritt nach hinten wich die
Gestalt aus, und schlug den Vampir mit der Armbrust zu Boden.
Der Maskierte richtete die Waffe erneut auf den Untoten, doch ein Aufschrei
ließ ihn herumfahren. Blick und Armbrust richteten sich nach vorne, auf das
junge Mädchen, welches mit purem Entsetzen in den Augen sein Gesicht anstarrte.
"Aber was...was hat das...warum..."
Faith und Ronah stürmten durch den Eingang, als die Gestalt mit einer
raschen Handbewegung ihre Maske übers Gesicht zurückschob. Mit wachsender Panik
erkannte Faith von der Tür her, dass Vi direkt in der Schusslinie einer
Armbrust stand, und lief los, noch bevor der Pfeil abgeschossen wurde.
”VI!!! Pass auf!” schrie Faith, preschte auf die rothaarige Jägerin zu, und
sprang hoch. Sie schloss die Augen, und als sie spürte, wie sie im Flug ihre
junge Freundin rammte, schoss ein Gefühl der Erleichterung durch ihren Körper,
bis dieses im nächsten Moment von Schmerz abgelöst wurde, ein stechender
Schmerz, der ihren linken Arm durchdrang. Sie spürte förmlich, wie sich die
Metallspitze des Pfeils durch das Fleisch bohrte, und sie konnte einen
Aufschrei nicht unterdrücken. "Egal!" schoss es ihr durch den Kopf,
"es müsste genügt haben, um sie zu schützen, das allein zählt!"
Ihr wurde einen Moment schwarz vor Augen, als ihre Füße den Dienst
versagten, und unter ihr nachgaben. Sie schlug auf dem harten, kalten Boden
auf, und ein weiterer Schrei hallte durch das dunkle Nichts.
---
Willow's Collegezimmer,
selbe Zeit
Willow's Bettdecke klebte durch den Schweiß an ihrem Körper. Ihr Atem
beschleunigte sich, und langsam schnürte sich ihre trockene Kehle zu. Ihr Herz
pumpte immer schneller werdend das Blut durch ihre Adern, und ihr Herzschlag
übertönte die tickende Uhr.
Dieses grauenhafte Stechen in ihrem Brustkorb riss Willow aus dem Schlaf, und
ließ sie für einen kurzen Augenblick schreien wollen. Ihr Körper fühlte sich
an, wie Eis, doch da war der warme Schweiß, der auf ihrer Stirn brannte.
Genauso, wie wenn man im Winter aus der eisigen Kälte ins warme Zimmer kam. Es
war ein purer Alptraum, als sie mit einer Hand langsam über ihren Arm strich,
schwer atmend die Gänsehaut beobachtete, dieser Schmerz in ihrem Oberkörper
nicht weniger werden wollte, und sich schließlich immer mehr Panik in ihrem
Kopf ausbreitete..
---
Lagerhalle,
selbe Zeit
Es dauerte einige Sekunden, bis Faith ihre Augen wieder öffnen könnte.
Als sie sich umdrehte und kurz auf die Decke starrte, schoss es ihr durch
den Kopf, dass sie eigentlich keine Zeit zu verlieren hatte. Trotz der großen
Schmerzen sprang sie auf, und drehte sich sofort wieder in Richtung des Tisches.
Der Maskierte war verschwunden, zusammen mit der Armbrust.
Und in ihrem verletzten Arm steckte kein Pfeil...
Ein Knurren kam aus dem hinteren Teil des Raumes, als sich Faith an Ronah
wandte: "Ronah, Kümmere dich um die Vampire.. Vi, komm mit mir mit, wir
verfolgen den Maskenkerl!” Doch Ronah bewegte sich keinen Zoll. Sie starrte
schockiert durch Faith hindurch, als wäre sie gar nicht vorhanden, während ihr
Unterkiefer zitterte. Tränen standen ihr in den Augen.
Und als Faith sich umdrehte, erkannte sie auch den Grund.
Vi lag am Boden. Ihre Augen waren leer. Sie atmete nicht, während sich ihr
Oberteil langsam mit Blut voll sog. Der Pfeil steckte direkt in ihrem Herzen.
Opening Credits
AKT 1
Sunnydale ist ein Ort, an dem du jeden Morgen in die Schule gehst, und dich
fragst, wer von deinen Mitschülern noch im Klassenzimmer sitzt, und wessen
Platz nun für immer leer bleiben wird. In Sunnydale ist das Böse so
allgegenwärtig, dass du nur den Kopf in den Sand stecken und alles vergessen
kannst.
Solange, bis es jemanden trifft, den du liebst. Dann kannst du nicht mehr
vergessen.
Nie mehr!
Böhmen, Deutschland, 1869
nachts
Die
weißen Nebelschwaden hingen wie Schleier zwischen den dicht stehenden, schwarzen
Bäumen und die Dunkelheit der Nacht hatte sich tief hinabgesenkt. Um ihn herum
herrschte eine gespenstische Stille, kein Laut eines Tieres, kein Rascheln
des Laubes, das ihm verraten hätte, dass er sich in einem Wald befand, nur
das Heulen des Windes war in der allgegenwärtigen Finsternis zu vernehmen.
Max war, wie es sich für einen Jäger geziemte, wachsam, und so stieg ein ungutes
Gefühl in ihm hoch, so als ob irgendetwas ihn aus den Schatten zwischen den
Bäumen heraus beobachte, doch dort war nichts zu erschauen, außer der undurchdringlichen
Wand aus Nebel; vielleicht war es gerade diese, die ihn so beunruhigte? Seine
rechte Hand saß fest am Holzgriff seines Gewehres.
"Oh Max, bist es du, der dort durch den Wald schleicht?" Die sanfte
Stimme seiner Geliebten durchschnitt die unangenehme Stille des Waldes, als
sie langsam aus einer Wegbiegung hervortrat.
"Agathe! Ich habe deine Nachricht erhalten, doch dieser Wald ist zu gefährlich
für ein junges Mädchen wie dich, vor allem zu so später Stunde. Wir sollten
uns nicht mehr hier treffen!" Schnellen Schrittes eilte er zu ihr und
schloss sie in seine Arme. "Oh, es ist gut, dich wieder an mir zu fühlen!"
"Ja, doch wo sollen wir uns treffen, wenn nicht hier? Mein Vater würde
keinen Mann in meiner Nähe billigen, sei er nicht höheren Ranges als du es
bist!" Sie legte ihren Kopf an seine Brust und schloss ihre Augen. "Ach,
wenn du doch nur immer bei mir sein könntest und nicht nur im Verborgenen!"
"Dein Vater wird unsere Liebe nicht leugnen können, und sollte er es
doch versuchen, so kann es nur noch ein Duell zwischen uns entscheiden..."
die Verzweiflung klang in seiner Stimme mit.
"Doch ich habe eine gute Nachricht für uns," die tröstenden Worte
ihrer sanften Stimme klangen wie das Spiel einer Harfe in seinen Ohren, "beim
Schießwettbewerb, der meines Vaters, des Oberförsters zu Ehren am morgigen
Abend stattfinden wird, wird der Meisterschuss ausgetragen, der nach alter
Tradition durchgeführt wird um der Herkunft meines Vaters vom einzigen Leibschütz
des obersten Fürsten Rechnung zu tragen. Wer immer diesen Wettbewerb gewinnt,
sei ihm ein würdig Nachfolger, und hätte somit auch das Recht um meine Hand
anzuhalten! Er selbst hat's so gesagt!"
"Das sind wahrlich gute Neuigkeiten, denn wer könnt mich schon im Schießen
schlagen?" sprach er, obwohl er sich seiner Sache bei weitem nicht so
sicher war, wie er sich vor der Frau seines Herzens gab.
"Ja, hab' mich nur aus dem Haus geschlichen um dir davon zu berichten
und ich sollte jetzt schnell zurückkehren, sonst wird die alte Magd noch Lunte
riechen!" Ein letztes Mal küssten sie sich innig, bevor sie von ihm abließ
und wieder, mit der gebotenen Eile, in die Dunkelheit des Waldes entschwand.
Lange blickte Max ihr nach, bis sie im Nebel verschwunden war, was wenn er
nicht als Sieger aus diesem Wettbewerb hervorgehen würde? Was, wenn gar Kaspar,
dieser Rumtreiber den Meisterschuss gewann? Seine Gedanken wurden trüb, denn
noch heute morgen hatte er gegen diesen Angeber bei einem Wettstreit unter
den Jägern den Kürzeren gezogen. Was sollte aus ihm und seiner Liebe werden,
wenn er morgen nicht in besserer Form war?
Tränen stiegen in seine Augen, er könnte es nicht ertragen, sie in den Armen
dieses falschen Hundes liegend, oder ihn an ihrem Mund hängend zu sehen, und
nur ein einziger falsch gezielter Schuss konnte es womöglich entscheiden.
Oh, was für dunkle Aussichten!
In Gedanken an den morgigen Tag versunken, eilte er so schnell er konnte,
durch den Wald und zerteilte dabei die immer dichter werdenden Nebelschleier.
Er durfte nicht zulassen, dass es so kam, er durfte es einfach nicht zulassen!
Der Wind wurde immer stärker und ließ die Äste wild durch die Luft peitschen,
plötzlich war es Max für einen Moment so, als hörte er eine leise Melodie,
die von einer anmutigen Stimme ganz leise in die Nacht hinein gesummt wurde.
Wie angewurzelt kam er zum Stehen, sein Gesicht war bleich und er drehte sich
langsam um, doch er konnte nichts als den Nebel sehen, der zwischen den schwarz
erscheinenden Bäumen hing: "Ist da wer?"
Nichts tat sich.
Schließlich tat er es als das Heulen des Windes ab, doch das ungute Gefühl,
das er schon die ganze Zeit gehabt hatte, verhärtete sich und ließ ihn für
einen Moment seine anderen Sorgen vergessen.
Da war es wieder, als er sich gerade wieder auf den Weg machen wollte, wie
ein leises, liebliches Lied aus dem Mund eines Kindes. Er war nicht allein!
Mit einer schnellen Bewegung zog er das Gewehr vom Rücken und richtete es
auf den Nebel, doch nichts geschah.
"Ich frage mich, ob dieser junge Jägersmann wohl meiner Hilfe bedarf?
Er wirkt so allein, so verloren, ob er sich wohl verlaufen hat?"
Die hohe, flüsternde Stimme einer Frau bohrte sich in seinen Schädel, er fuhr
herum, und sah wie die Nebel sich verflüchtigten und die am Wegrand stehende
Dame freigaben. Ihr schlanker Körper war in ein weißes Kleid gehüllt, ihre
schwarzen Haare waren ordentlich gekämmt und auf dem Arm trug sie die Puppe
eines kleinen Mädchens: Sie wirkte so als ob sie nicht wirklich hier wäre,
so als ob sie nicht an diesen Ort gehörte und sich nur verirrt hätte.
"Wer... Wer bist du?" Max Stimme bebte vor Angst,
obgleich er es zu verbergen suchte. Ihre Miene hatte inzwischen einen Ausdruck
angenommen, den ein Raubtier auf der Pirsch trug, eines das ihn gleich anfallen
würde, um mit ihm sein grausames Spielchen zu treiben.
"Meine Mami hat mich Drusilla getauft; hast du auch eine Mami? Weißt
du ich habe meine Eltern verloren, als ich noch sehr, sehr unschuldig war,
doch jetzt habe ich neue Eltern, oh ja! Und sie spielen immer schöne Spiele
mit mir...", ein grausames Lächeln trat in ihr Gesicht. "Wer war
das Mädchen, das vorhin so schnell nach Hause geeilt ist?"
"Agathe? Du hast Agathe gesehen?" Der Gedanken an seine Geliebte
lenkte ihn von den Sorgen um sich selbst ab, und ließ ihn mutig einen Schritt
nach vorne auf die unheimliche Unbekannte zu treten.
"Oh ja, wie gerne hätte ich ihr junges und unverdorbenes Blut gekostet,
doch du bist viel interessanter. Ich rieche so viel Liebe hier, dass mir mein
Kopf weh tut, doch dort wo Liebe ist, ist auch immer der süße Duft der Verzweiflung.
Du wirst sie nicht bekommen, die Sterne haben es mir erzählt! Oh ja, sie reden
viel, wenn man ihnen nur zuhört!" Sie kicherte.
"Was weißt du schon davon, Hexe, oder was immer du bist. Unsere Liebe
ist etwas Wahres, Reines im Gegensatz zu jeder Liebe die du je würdest empfinden
können. Ich muss nur morgen das Turnier gewinnen und nicht nur ihr Herz, sondern
auch ihre Hand wird mir gehören!", ereiferte sich Max.
"Oh, du brauchst nicht versuchen mich zu belügen, wenn du doch nicht
einmal dich selbst belügen kannst. Der Geschmack von Zweifel liegt in deinem
Mund, du weißt, dass du es nicht schaffen wirst, doch glücklicherweise vermag
ich dir zu helfen!" Sie lächelte geheimnisvoll.
Über ihnen war der Schrei einer Krähe zu hören, die auf Beutefang war.
+++
Hafenviertel, Lagerhalle
Gegenwart
Neben
dem Knurren der zwei Vampire, die sich im hinteren Teil der Halle verkrochen,
war nur das leise Schluchzen der afro-amerikanischen Jägerin zu hören. Faith
starrte auf Vi’s Leiche, starrte, und starrte, und konnte es nicht glauben.
Dies konnte nicht passiert sein. Vi war nicht tot, sie war nicht tot.. sie
konnte doch nicht gestorben sein. Nicht Vi. Nicht hier. Nicht jetzt.
Faith ging auf den leblosen Körper zu und kniete sich zu dem Mädchen, das
fast zu ihrer kleinen Schwester geworden war. Langsam, ganz langsam hob sie
ihre rechte Hand und führte sie zum Gesicht der rothaarigen Jägerin. Sie war
tot. Definitiv. Ihr Leben war zu Ende. Unwiderruflich. Faith schloss die Augenlider
ihrer Kampfgefährtin, erhob sich dann, und starrte weiter auf deren Leiche.
Als sie ein lautes Knurren hörte, und Schatten an ihr vorbei huschten, packte
sie in Sekundenschnelle ihren und Vi’s Pflock, zielte, und schleuderte sie
jeweils in die Rücken der flüchtenden Vampire. Mit einem leisen Puff wurden
diese zu Staub.
"Wir müssen ihn verfolgen!” sagte Faith plötzlich, drehte sich um, und
steuerte auf den hinteren Ausgang zu. "Wir müssen den Mörder verfolgen!"
Langsam wich die lähmende Starre, die sich über sie gelegt hatte, machte einem
rasenden Schmerz Platz, und einer gnadenlosen Wut.
”Ronah.. komm.. wir .. holen sie später ab!” schrie Faith, als sie bei der
Tür ankam, durch die der Mörder von Vi geflohen war und merkte, dass sich
Ronah noch nicht bewegt hatte. "Komm schon!”
Doch diese konnte sich nicht bewegen. Vi war tot. Sie war tot. Für immer weg.
Wieso? Sie konnte es nicht glauben. Dies musste ein Alptraum sein. Sie war
nicht in der Lage, dem Angreifer nachzujagen.
Langsam drehte sie sich zu Faith und sah sie mit ihren feuchten
Augen geschockt an.
”Wir .. wir müssen die Polizei rufen. Das.. das Handy. Faith.. du hast unser
Handy. Ruf die Polizei..” babbelte die junge Jägerin und versuchte, nicht
zusammenzubrechen.
Faith konnte nicht glauben, was sie hörte. Da hatte gerade jemand Vi umgebracht.
Dieser jemand hatte ihr Vi einfach weg genommen, und Ronah wollte diese Monster
nicht verfolgen? Nicht zur Strecke bringen? Sich nicht an ihnen rächen.. für
Vi.
”Was willst du von den Bullen.. die sind nutzlos. Das weißt du doch genau.
Wenn wir noch länger warten sind sie w..”
"Weg? Willst du das sagen? Faith sie sind doch schon längst über alle
Berge. Ruf die Polizei. Als mein Bruder damals ermordet wurde, musste ich
auch die Polizei rufen. Wenn jemand stirbt.. die.. du musst sie anrufen..
bitte.. ruf sie an. Du weißt doch nicht mal, ob das keine normalen Menschen
waren! Vielleicht war es ein normaler... Mord!” Ronah musste schlucken, und
als sie Faith wieder in die Augen sah, lief die erste Träne ihre Wange herab.
”Das waren keine Menschen. Das waren Monster. Da war Magie im Spiel.
Kein normaler Pfeil fliegt so. Der ist durch meinen Arm durch, und weitergeflogen.
Die wollten Vi killen, und jetzt killen WIR sie. Komm jetzt!” Faith drehte
sich um, und öffnete die Tür.
”Nein.. Faith!” schrie Ronah, und bewegte sich noch immer nicht.
Viel entnervter als eigentlich beabsichtigt drehte sie sich wieder um , warf
die Tür ins Schloss und trat näher an Ronah heran.
”WAS? Was ist los mit dir? Willst du Vi’s Mörder einfach so entkommen lassen?
Reiß dich zusammen!” schrie Faith.
Ronah sah Faith an, die Frau, die sie als große Schwester betrachtet hatte,
als ihren Mutter-Ersatz, ihr Vorbild. Dann wanderte ihr Blick wieder zu Vi,
ihrer besten Freundin. Ihrer Schwester. Ihrer toten Kampfgefährtin.
Sie sah Faith wieder an, und versuchte krampfhaft, noch einen Satz zu sagen.
"Du.. ich.. Faith.. ich .. ich kann.. ich kann nicht.. Vi.. sie.. oh
Gott..” sie brach in Tränen aus, und als ihre Füße den Dienst versagte, sprang
Faith nach vorne und fing sie auf. Ronah schloss ihre Arme um Faith und während
sie sich umarmten, sich aneinander fest hielten, und sich Ronah an ihrer Schulter
ausweinte, verfinsterte sich der Blick von Faith. Eine einzige, einsame Träne
bildete sich in ihrem rechten Auge und bahnte sich den Weg über ihre Wange.
Eine einzige Träne.
+++
Ratszentrale
selbe Nacht, etwas später
”... und als ich mich umgedreht hab', lag Vi am Boden. Tot. Der Pfeil
steckte ihr mitten im Herz,” Faith' Stimme brach, als sie die schrecklichen
Bilder erneut vor ihrem inneren Auge sah und sie blickte niedergeschlagen
in die Runde.
Niemand sprach ein Wort, niemand versuchte, sie mit einer Frage, oder einem
Kommentar zu unterbrechen . Geschockte Stille hing über Giles Wohnzimmer,
während man aus müden Augen Faith' Erzählung lauschte. "Ich wollte ja
diesen beiden hinterher, doch Ronah hat mich davon abgehalten.” Mit einer
Stimme, die etwas an Stärke gewonnen hatte, fuhr die Jägerin heftiger fort:
"Ich schlag' vor, wir zieh'n los und krallen uns diese gemeinen
hinterhältigen Mörder!”
Faith Augen funkelten zornig und voller Tatendrang, während die Anwesenden
sie anstarrten, teils fassungslos teils verschlafen, oder einfach zu geschockt,
um etwas zu sagen, das Faith ein wenig gebremst hätte. Faith selbst, versprach
sich Worte der Unterstützung und keine des Mitgefühls. Sie wollte etwas
unternehmen, nicht tatenlos herumsitzen und trauern.
Aber sie erwartete nicht wirklich viel... Xander gähnte herzhaft, so frisch
aus dem Schlaf gerissen, war er noch nicht wach genug, um wirklich zu begreifen,
was vor wenigen Minuten passiert war, während Andrew blass und von der schlechten
Nachricht gezeichnet auf dem Sofa saß. Er hielt eines von Giles' Sofakissen
eng umschlungen vor dem Bauch fest, und starrte durch sie hindurch. Willow
kuschelte sich an Kennedy und wirkte fast mitgenommener als Faith selbst.
Dawn, die neben Andrew saß schien mit den Tränen zu kämpfen. Giles und Buffy
wirkten als einzige interessiert und aufnahmefähig.. das Los von Menschen,
die bereits zu viele verloren hatten, die ihnen etwas bedeuteten und täglich
mit neuen Verlusten rechneten.... aber auch ihre Gesichter drückten Überraschung,
Trauer und Hilflosigkeit aus.
”Du bist dir sicher, dass derjenige, der Vi tötete, eine Kutte und eine, eine
Maske trug?" ergriff schließlich Giles unsicher das Wort.
"Ich weiß nicht, wie sicher man sein kann, wenn man nur 'n paar Schritte
entfernt steht,” fuhr Faith auf. Erneut trat betretenes Schweigen ein. "Ja
ich bin sicher. 'Ne Maske und 'ne Kutte. Vielleicht war's auch keine Maske,
sondern nur ein Dämon mit einer hässlichen Fratze. Es war dunkel da drinnen....”
"Und der andere?” versuchte Buffy es betont ruhig und mitfühlend.
"Hast du ihn besser erkennen können? Oder kanntest du ihn?”
"Woher hätt' ich den Kerl kennen sollen,” schnauzte Faith Buffy an. Genau
diese mitfühlende, leise Stimme... wie sie das hasste. Es erinnerte nur an
den eigenen Kummer und Schmerz. Aber sie wollte das jetzt nicht fühlen. Sie
wollte Vis Tod rächen und sich dabei nicht von irgendetwas ablenken lassen,
das sie traurig machte, sie resignieren ließ.... "Er war da, er hat gekämpft
und diesem Was-auch-immer bei der Flucht geholfen. Er war jedenfalls ein Mensch,”
fügte sie etwas ruhiger hinzu.
"Vielleicht könnten wir ein Phantombild erstellen,” schlug Buffy vor,
und sah erwartungsvoll zwischen Faith und Giles hin und her. "Zumindest
von dem, was Faith für einen Dämonen hält. Unsere Bücher oder die Datenbank
spucken bestimmt was Brauchbares aus.”
"Ich halte ihn nicht bloß dafür,” giftete Faith weiter, als würde sie
damit ihren Zorn und ihre Wut los werden, wenn sie sie an anderen ausließ.
"Es muss ein Dämon gewesen sein! Und dieser Pfeil.. er war bestimmt verzaubert,
verflucht oder magisch.. ich war genau in der Schusslinie und trotzdem hat
er mich nur am Arm erwischt - fast als wäre er mir ausgewichen.” Sie hob ihren
Arm, der mit einem dicken Verband versorgt worden war. Zum Glück war der Knochen
heil geblieben, es war nur ein Streifschuss gewesen.
"Jetzt beruhig dich erst mal wieder!” Kennedy löste sich von Willow,
die in ihren tröstenden Armen traurig, müde und erschöpft versucht hatte,
gegen die Tränen anzukämpfen. "Wenn du uns alle anschreist, wird Vi nicht
wieder lebendig.”
Faith fuhr zu Kennedy herum, aber als sie die anderen erblickte, die noch
immer in einem Schockzustand zu stehen schienen - die Anteilnahme zeigten
- die ehrlich und aufrichtig über Vis Tod trauerten, schluckte sie ihre Bemerkung
herunter und nickte einsichtig. "Okay.. machen wir ein Phantombild.”
Willow nickte mechanisch, als sie aufstand, um ihren Laptop zu holen. Schritte
auf der Treppe ließen Willow ihren Blick von der Garderobe am Treppenende
nach unten schweifen. Robin kam - gefolgt von Lily - nach oben. Der ehemalige
Schulrektor wirkte müde und sehr niedergeschlagen, und auf Lily's Stirn hatte
sich eine steile Sorgenfalte gebildet. Während Robin zu Faith ging und sich
die beiden umarmten, eilte Lily zu Giles.
"Wieso bist du hier.. wolltest du nicht...”
"Ich bin natürlich sofort nach deinem Anruf umgekehrt. Der Auftrag kann
warten. Das hier ist wichtiger und sehr ernst. Wie geht es dir, Faith?” wandte
sie sich an die junge Frau, die Robin festhielt, als wäre sie am Ertrinken.
Nie hätte sie gedacht, solch schützende starke Arme zu gebrauchen. "Gut..,”
murmelte Faith in Robin's Hemd, ehe sie sich löste und sich zu den anderen
herumdrehte. "Ich meine.. Vi ist tot, nicht ich,” ihre Stimme klang bitter.
"Wie soll es mir schon gehen?”
Giles' Hand berührte Lily's Arm und als sie zu ihm blickte, schüttelte er
leicht den Kopf, um ihr zu verstehen zu geben, Faith einfach in Ruhe zu lassen.
"Wie geht es Ronah?” fragte Faith besorgt.
"Sie ist sofort in den Bus gerannt und hat mich angeschrieen,
ich solle verschwinden und sie alleine lassen. Da sie mich nicht reinlassen
wollte..,” entschuldigte sich Robin, als ihn Faith' anklagender Blick traf,
"bin ich gleich zu euch gekommen.”
"Was hat die Polizei gesagt,” Giles nahm seine Brille ab und rieb sich
über die leichten Bartstoppel, die in den wenigen Stunden Schlaf erschienen
waren.
"Nicht viel. Ronah wird eine protokollierte Aussage über den Tathergang
machen müssen. Jetzt war sie zu aufgewühlt und die Polizei hatte ein Einsehen.
Sie gehen von einem Unfall aus, möglicherweise ist Vi für sie eines der
zahlreichen Opfer eines Gangfights. Ich habe nicht versucht, sie vom Gegenteil
zu überzeugen. Nicht nachdem sie mir erklärt haben, dass die Polizei in der
Gangszene ermitteln wird. Sie machen sich keine große Hoffnung und das ist das
Beste für uns. Sie hätten mir ja sowieso nicht geglaubt, wenn ich ihnen etwas
anderes erzählt hätte.”
Robin klang gefasst, doch der Ausdruck in seinen Augen sagte alles über
seinen Schmerz. Er seufzte und sah zu seiner Freundin. "Damit Faith keine
Schwierigkeiten bekommt, haben wir sie erst gar nicht als Zeugin angegeben.
Offiziell war sie nie am Tatort."
"Die Polizei wird uns dabei sowieso nicht helfen können. Egal ob sie uns
glaubt, oder nicht,” erklärte Buffy ruhig.
"Wieso nicht?” fragte Lily irritiert. "Ich meine... wenn Vi ermordet
wurde, dann...”
"Das wurde sie, aber es war kein normaler Mord!” fuhr Faith erneut auf.
"Das war Magie... das war...”
"Hör zu...” Ernst und eindringlich sah Robin seine Freundin an. "Beruhig dich.. niemand hier im Raum kann
etwas für Vi's Tod.”
Faith atmete tief durch, und ließ Robin’s Worte auf sich wirken. Er gab ihr die
Ruhe, die sie vorhin noch nicht gehabt hatte und sie war ihm unendlich dankbar
dafür, dass er die Angelegenheiten geregelt hatte.. sie hätte nicht die Nerven
gehabt, mit der Polizei zu reden... nicht nachdem was passiert war.
Während die beiden reglos inmitten ihrer Freunde standen, und sich in die Augen
sahen, senkte sich wieder eine unangenehme, beklemmende Stille über den Raum.
+++
Böhmen, Deutschland, 1869
nächster Tag
Der
Jubel des Publikums war weit über die Pfarrwiese hinaus im ganzen Ort zu hören,
als Max' Kugel an der Strohpuppe vorbei in den fünften der sieben tönernen
Hirschköpfe, die an einem Holzständer in einiger Entfernung angebracht waren,
einschlug.
Wer alle Ziele traf, der würde vom Oberförster einen Ehrentitel und somit das
Recht erhalten, um die Hand seiner Tochter anzuhalten.
Max' Gegner, Kaspar setzte angespannt zu seinem fünften Schuss an, nachdem ein
neuer Tonkopf aufgestellt worden war. Er war der Einzige, der noch außer ihm im
Rennen war, doch Max war guten Mutes, denn er konnte seine Ziele an diesem Tage
nicht verfehlen und schon bald würde Agathe endlich seine Braut sein.
Die Gewehrkugel zerschmetterte das Ziel, verhaltende Anerkennung der
Dorfbewohner war die Folge, Kaspar war im Dorf nicht angesehen, da man ihm
nachsagte, in krumme Geschäfte verwickelt zu sein und mit dem Teufel im Bunde
zu stehen. Nur üble Gerüchte, da war sich Max sicher, doch ein angenehmer
Zeitgenosse war er bei Leibe nicht. Mit dem Teufel im Bunde konnte er aber wohl
nicht sein, denn der Teufel war heute schon auf jemand anderen Seite.
Nun legte Max zum nächsten, dem vorletzten Schuss an und zielte, der Finger lag
am Abzug. Er konnte Agathe's Blick von der Tribüne aus auf sich ruhen spüren,
sie hatte ihre Hände zum Gebet zusammengefaltet, doch er war ganz ruhig, es
würde nichts schief gehen, dafür hatte er gut genug vorgesorgt.
Er drückte ab. Plötzlich, im selben Moment traf eine kräftige Windböe das Ziel
und riss es von seiner Befestigung. Die Kugel zischte durch die Luft, Kaspar
setzte zu einem Lachen an und Agathe schlug ihre Hände vor dem Mund zusammen.
Mit einem lauten Knall zersprengte die Kugel den fallenden Tonkopf in tausende
Einzelteile. Die Dorfbewohner sprangen in den Bänken auf, erst ungläubig, doch
dann voll Bewunderung riefen sie ihm Lob zu. Max drehte sich um und sah Agathe
erleichtert aufatmen, er lächelte ihr zu, der Sieg war in greifbare Nähe
gerückt.
"Da geht doch was nicht mit rechten Dingen zu, das war Zauberei!",
ereiferte sich Kasper, doch der Oberförster erhob sich und sprach: "Du
wagst es ihn, anzuklagen, nur weil dein Können nicht im Mindesten an das Seinige
heranreicht?"
In seinem Stolz gekränkt, antwortete Kaspar nicht, sondern legte sofort an und
schoss. Die schlecht gezielte Kugel durchschlug die symbolisch aufgestellte
Strohpuppe und traf auf der anderen Seite nicht ihr Ziel.
"Nun denn, Jäger Kaspar, wie es mir scheint, seid ihr somit aus dem Rennen
um den Meisterschuss, unser tapferer Max ist der einzig Übrige und darf den
letzten Schuss führen. Wenn ihm dieser gelingt, so wird er der gefeierte Sieger
dieses Tages werden!" verkündete Agathe's Vater voller Genugtuung, nicht
ahnend, was sich zwischen Max und seiner Tochter abspielte.
In seinem Inneren läuteten die Siegesglocken. Während Kaspar ihm noch böse
Blicke zuwarf, hob Max sein Gewehr, visierte das Ziel an, um den Eindruck, dass
ihm der Schuss ohne Hilfe gelang, zu wahren und löste schließlich den Schuss
auf.
Die Kugel zischte durch die Luft, ein guter Schuss, selbst wenn er mit offenen
Karten gespielt hätte. Doch was war das? Wie war das möglich? Die Kugel hatte
ihr Ziel verfehlt!
Plötzlich ein Aufschrei auf der Tribüne. Max kannte die Stimme, wie in einem
Traum gefangen drehte er sich um und sah Agathe zu Grunde gehen.
Sein Gewehr landete im Gras und er rannte los, das konnte nicht sein! Es war
unmöglich, dass seine Kugel sie getroffen hatte, wie sollte eine Kugel um eine
Kurve fliegen können? Oh, hätte er sich doch nie auf diesen schändlichen Zauber
eingelassen!
Er erreichte die Tribüne und schloss seine Geliebte in seine Arme, doch sie
hatte ihr Leben bereits ausgehaucht. Aus einem sauberen Einschuss, der genau
ihr Herz getroffen hatte, quoll dunkelrotes Blut hervor.
Er küsste ihre Stirn, während das Publikum ihn verständnislos anstarrte, sie
wichen vor ihm zurück, überall lagen Worte wie Magie und Teufel in der Luft.
"Oh, hätte ich es doch bloß nicht getan, hätte ich doch bloß auf mein
eigenes Können vertraut!" Die Tränen aus seinen Augen befleckten ihr
weißes Kleid und vermischten sich mit ihrem Blut.
Die letzten Worte, die er mit der seltsamen Dame gewechselt hatte, als sie die
Wolfsschlucht betraten, kamen ihm wieder in den Sinn und um so bitterer wurde
der stechende Schmerz in seinem Herzen: "Der letzte Schuss... Oh ja, es
ist der letzte Schuss!", hatte sie gemurmelt und er hatte daraufhin
gefragt: "Was ist damit?" "Er wird dich zum Sieg führen. Der
letzte Schuss ist der Zauber," hatte sie ihm ins Ohr geflüstert und dann
gekichert, wie sie es immer zu tun pflegte.
+++
Cleveland, Friedhof
Gegenwart, vier Tage später
"Von der Erde sind wir genommen, zur Erde sollen wir wieder werden,
Erde zu Erde, Asche zu Asche, Staub zu Staub"
Warum schon wieder?
Früher hatte es nur eine Jägerin gegeben, und die wurde zumeist nicht besonders
alt. Jetzt im Nachhinein, erschien es Buffy geradezu unbegreiflich, wie eines,
ein einziges Mädchen die dämonischen Bedrohungen über so viele Jahrhunderte
hinweg hatte aufhalten können.
Sie hatte die Regeln gebrochen, aber was hatte sie dadurch geändert? Einen
Weltuntergang mehr aufgehalten? War das alles? Wenn ein Mädchen auf sich gestellt,
den Kampf aufnehmen konnte, sollten dann nicht viele Mädchen in der Lage sein,
sich gegenseitig zu beschützen?
Damit so etwas nicht mehr vorkam?
‘Sei nicht so naiv!‘ schalt sie sich selbst. ‘Es wird immer wieder Verluste
geben!‘
Hatte sie wirklich geglaubt, dass es jemals vorbei sein könnte? Dass
sie sich jemals zurücklehnen, und ihr Leben als eine Jägerin von vielen genießen
würde? Weniger Stress, weniger Verantwortung? Weniger Tod?
Allein der Gedanke daran, war pure Illusion...
"Der Herr ist mein Hirte, es wird mir an nichts mangeln. Er weidet
mich auf einer grünenden Au, und labet mich an stillen Wassern. Er erquicket
meine Seele, und leitet mich auf Pfaden der Gerechtigkeit, um seines Namens
willen."
Es tat immer weh, jemanden zu verlieren, doch wenn man die Gelegenheit
hatte, Abschied zu nehmen, so war das zumindest ein Trost. Selbst, wenn es
dadurch nicht leichter wurde.
Natürlich konnte Xander nicht wissen, ob Vi seinen gemurmelten
Abschiedsgruß hören konnte. Konnte nicht wissen, ob seine Gedanken für sie
überhaupt noch eine Rolle spielten. Doch schon bevor Buffy von dort
zurückgekehrt war, hatte er fest daran geglaubt, dass es einen Ort geben
musste, an dem man sicher und aufgehoben war. Alles wäre doch sinnlos, wenn es
diesen Ort nicht gäbe...
Ob Anya jetzt auch dort war? In den letzten Wochen und Monaten hatte er
kaum an sie gedacht, zuviel anderes war ihm im Kopf herumgegangen. Im Gegensatz
zu Vi war sie kein unschuldiges junges Mädchen gewesen, sie hatte eine
Vergangenheit. Eine sehr bewegte Vergangenheit, und mit dem Gedanken daran
kehrte auch die Sorge zurück.
Was, wenn es ihr nicht gut ging? Was, wenn sie nicht an diesem Ort war?
Es gab keine Antworten auf diese Fragen, und deshalb war es sinnlos über
sie nachzugrübeln. Man wusste nie, was das Schicksal für einen bereithielt, und
am Ende kam doch immer alles ganz anders als geplant.
"Und ob ich auch wanderte im finsteren Tal, so fürchte ich doch kein
Unheil, denn du bist bei mir, dein Stecken und dein Stab, sie trösten
mich."
Diesmal war es Vi....
Kennedy hätte es genauso treffen können. Wie damals Tara. Menschen starben
täglich, auch Jägerinnen. Doch was war das Ganze wert?
Willow konnte immer öfter diesen bitteren Nachgeschmack des Todes fühlen,
der beim Verlust eines Menschen heraufbeschwört wurde, doch Vi’s Tod hatte
einen besonderen Stich in ihrem Herzen hinterlassen. Hatte ihr für eine Sekunde
den Atem geraubt.
Auch wenn sie ihr im Rückblick nicht so nahe stand wie anderen Jägerinnen. Es
hatte weh getan. Mehr als Faith’ Armverletzung, die ihr noch in diesem Moment
ein lähmendes Gefühl an dieser Stelle verursachte.
Hätte sie Buffy‘s Entscheidung nicht aufgehalten, und verhindert, dass es
nun so viele Mädchen gab, die zu Jägerinnen wurden, wären viele von ihnen noch
am Leben.
Leider war es nun zu spät um alles rückgängig zu machen. Sie wusste, was es
hieß jemanden zu verlieren. Willow war sich sogar bewusst, wie es war, jeden
Tag die selbe Angst zu spüren, die auch Vi im Augenblick des Todes hatte.
Durften sie die Mädchen diesem Schicksal aussetzen?
Oder war es alles ein großer Fehler gewesen?
"Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der
Finsternis wandeln, sondern wird das Licht des Lebens haben..."
Seinen Blick starr auf den Sarg gerichtet, fiel es Giles
einfacher seine Gedanken abschweifen zu lassen, um nicht von der seltsamen
Stille und der trauernden Atmosphäre eingefangen zu werden. Er hatte Vi nicht
gut genug gekannt - in Sunnydale war sie eine von vielen gewesen, die im Kampf
gegen das Urböse überlebte und anschließend das Leben an der Seite von Faith
wählte, um der Berufung nachzugehen. Jetzt lag sie in einem Sarg - und sie
wussten nicht einmal so recht wieso. Aber sie waren es ihr schuldig, herauszufinden,
wie so etwas geschehen konnte.
Die Worte des Priesters drangen zu ihm durch und es fiel Giles immer schwerer,
sie auszuschließen, um nur auf den Straßenverkehr in der Ferne zu lauschen.
Dafür waren die Erinnerungen an all die Trauer, die er in seinen Jahren als
Wächter zu oft hatte erleben müssen, zu stark. In Sunnydale war Trauer und
Verlust allgegenwärtig gewesen, aber obwohl ihn die Jahre gelehrt hatten damit
umzugehen, war es in Sunnydale wieder zu einer sehr schmerzhaften Erfahrung
geworden, als er Menschen zu Grabe trug, die er respektiert, geachtet und
sogar geliebt hatte.
Er wollte heute nicht abgestumpft und gefühllos wirken, doch wenn er nicht
Stärke zeigte, wie sollten seine Jägerinnen hier am Grab in den nächsten Tagen
über den Verlust und den Schmerz hinwegkommen?
Eine sachte Berührung an seiner Seite, ließ ihn kurz zu Lily blicken, die
ihn tröstend anlächelt, doch Giles war es nicht danach, ihre gebotene Hand
in seine zu nehmen, um Kraft zu schöpfen. Nicht in diesem Moment der traurigen
Erinnerungen, die langsam doch kamen und sich unweigerlich in seinem Kopf
breit machten. All die verlorenen Jägerinnen im Kampf gegen das Urböse und
Anya... es hatte keinen Abschied gegeben, kein Grab, das man ihnen zum Gedenken
errichten konnte, nichts, das ihnen geblieben wäre, um sich an sie zu erinnern.
Und die, die sie all die Jahre zuvor verloren hatten, Tara, Joyce, Jenny...
mussten sie ein weiteres Mal begraben, als Sunnydale hinter ihnen einstürzte.
Er atmete tief durch, richtete seinen Blick auf einen Punkt in die Ferne und
sammelte sich wieder. Nicht jetzt... nicht diese Gedanken...
"Und ich sah, dass das Lamm das erste der sieben Siegel auftat, und
ich hörte eine der vier Gestalten sagen wie mit einer Donnerstimme: Komm! Und
ich sah, und siehe, ein weißes Pferd. Und der darauf saß, hatte einen Bogen,
und ihm wurde eine Krone gegeben, und er zog aus sieghaft und um zu
siegen."
Was war diesmal anders? Sie hatte doch schon viele geliebte Menschen
verloren, damals am Höllenschlund.
Natürlich war Dawn auch da traurig gewesen. Hatte sich in bedrückter
Stimmung befunden. Aber etwas war diesmal anders, sie wusste nur nicht, was
Es war nie so nah gewesen, hatte
sie nie so fertig gemacht. Dawn fühlte sich so ausgelaugt, so zerrissen. Sie
fror regelrecht. Ein ums andere Mal fuhr ihr ein Schauer über den Rücken. Vi
war ihr doch gar nicht so nah gestanden. Wieso tat ihr der Tod der Jägerin
trotzdem so weh?
Jägerin...Vi war eine Jägerin gewesen..
Genau, wie sie selbst...
Vi war in Erfüllung ihrer Pflicht gestorben und sie, Dawn hatte nicht mal
den Mut, den anderen zu sagen das sie auch eine Jägerin war.
"Und als es das zweite Siegel auftat, hörte ich die zweite Gestalt
sagen: Komm! Und es kam heraus ein zweites Pferd, das war feuerrot. Und dem,
der darauf saß, wurde Macht gegeben, den Frieden von der Erde zu nehmen, daß
sie sich untereinander umbrächten, und ihm wurde ein großes Schwert
gegeben."
"Du hast uns vom Ehrencodex der Jedi Ritter erzählt, weißt du noch?
Darüber, dass es keinen Tod gibt, weil alle Lebewesen eins mit der Macht
werden..."
Vi's Gesicht erschien vor Andrew's innerem Auge, als er an ihre Worte im
Krankenhauszelt zurück denken musste. Und an die langen langen Nächte vor der
letzten Schlacht gegen die Turok Han. Vi hatte ihm gern zugehört, sie hörte
lieber zu, als dass sie redete. Sie war eher eine von der stillen Sorte, auch
wenn sich das ein wenig geändert hatte, als sie von ihrer Tour mit Faith und
den anderen zurückgekehrt war. Da war sie selbstbewusster und fröhlicher
gewesen, und jetzt...und jetzt war sie da so einfach rausgerissen worden.
Wenn jemand starb, dann war das normalerweise für immer. Auch wenn es
danach woanders weiterging.
Normalerweise? In den letzten Jahren waren drei Menschen, die er kannte,
von dort zurückgekehrt. Wenn auch einer von ihnen nicht wirklich ein Mensch
gewesen war.
Buffy war von dort zurückgeholt worden. Und Warren.
Und Spike...
"Und als es das dritte Siegel auftat, hörte ich die dritte Gestalt
sagen: Komm! Und ich sah, und siehe, ein schwarzes Pferd. Und der darauf saß,
hatte eine Waage in seiner Hand. Und ich hörte eine Stimme mitten unter den
vier Gestalten sagen: Ein Maß Weizen für einen Silbergroschen und drei Maß
Gerste für einen Silbergroschen; aber dem Öl und Wein tu keinen Schaden!"
Faith starrte auf den Sarg, auf die Konstruktion aus Holz, in dem sich ihre
rothaarige Kampgefährtin befand. Ihre Freundin. Ihre Schwester, ja, das war die
richtige Bezeichnung. Vi war längst keine normale Freundin mehr gewesen. Sie
war zu ihrer Familie geworden, und jetzt war sie weg. Sie war aus dem Leben
gerissen worden, vor ihrem 20. Lebensjahr, und war eines sinnlosen Todes
gestorben. Es war nicht das Urböse gewesen, nicht Angelus oder auch sonst keine
wichtige, superstarke Macht, die die Welt zerstören wollte, nein, es war ein
Niemand gewesen, der Vi getötet hatte, und Faith nahm sich fest vor, diesem
Niemand zuerst ein Gesicht zu verschaffen, um dann in dieses schlagen zu
können.
Dieses Monster musste dafür zahlen, es musste Schmerzen fühlen, die
gleichen Schmerzen, die sie selbst jetzt fühlen musste. Der Mörder von Vi muss
dafür bezahlen, was er getan hat. Faith fühlte, wie Robin, der neben ihr stand,
langsam und sanft nach ihrer Hand tastete, und sie ließ es zu, dass er ihre fest
umfasste.
Mit der anderen Hand umfasste er Ronah's, gab ihr Halt, wo sie ihn brauchte.
Ronah ging es schlecht, und Faith versicherte sich selbst noch einmal, dass der
Mörder dafür bezahlen musste, und wenn es das Letzte wäre, was sie tun würde.
"Und als es das vierte Siegel auftat, hörte ich die Stimme der vierten
Gestalt sagen: Komm! Und ich sah, und siehe, ein fahles Pferd. Und der darauf
saß, dessen Name war: Der Tod, und die Hölle folgte ihm nach. Und ihnen wurde
Macht gegeben über den vierten Teil der Erde, zu töten mit Schwert und Hunger
und Pest und durch die wilden Tiere auf Erden..."
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Cleveland, Friedhof
etwas später
Gesenkte Köpfe, vorsichtige Schritte, dumpfes Beileidsgemurmel. Starre
Mienen. Herabrieselnde Erde.
Das leise Prasseln des Hagels auf den geöffneten Schirmen.
"Wir sollten zu Hause sofort damit weitermachen, herauszufinden, was
in dieser Lagerhalle wirklich passiert ist," sagte Lily leise, während
sich die Trauergemeinde langsam auflöste.
Giles nickte mit leerem Gesichtsausdruck. "Sicher. Arbeit ist immer
das Beste, um sich abzulenken,” murmelte er.
"Du denkst doch, dass etwas nicht mit rechten Dingen zuging..."
"Ich weiß nicht, was ich denken soll. Aber ich glaube Faith,” sagte
Giles ohne Spur von Arbeitseifer. "Aber im Moment sind andere Dinge wichtiger."
"Nun, ich denke, es wird in den nächsten Wochen bestimmt nicht
leicht,” seufzte Lily mitfühlend und sah zu Faith, Robin und Ronah hinüber,
als ihr bewusst wurde, dass sie auf Giles gefühllos wirken musste, hier von
der Arbeit zu sprechen. "Sollen wir?" Lily berührte auffordernd
Giles Arm und nickte zu der kleinen Gruppe.
"Gehen wir." Giles ging an Lily vorbei auf Robin zu. Es war
nicht leicht, jemandem sein Beileid auszudrücken, wenn man selbst vom Tod
der Person betroffen war. Aber Giles hatte darin in den letzten Jahren genug
unerfreuliche Übung gehabt. Als er gerade aufmunternd Ronah die Schulter tätschelte,
fiel ein Schatten über das Gesicht des Mädchens, und Giles blickte eher uninteressiert
zur Seite, um zu sehen, wer dort stand. Sein Interesse war jedoch schlagartig
geweckt, als er den Mann erkannte. Es war jener junge diensteifrige Polizist,
der ihnen schon wegen dem Tod der Wahrsagerin Sina, das Leben zur Hölle gemacht
hatte.
"Entschuldigen Sie bitte,” er zog seine Dienstmarke hervor. "Detective
Delaney. Es tut mir leid, Sie ausgerechnet hier stören zu müssen, aber es
ist dringend.” Er sah ein wenig unsicher zwischen den drei älteren Personen
hin und her und vermied es, Ronah und Faith anzusehen. In Faith' Gesicht war
eine Leere getreten, die Giles ein wenig beunruhigte.
Ronah seufzte schwer und sah von Giles zu dem Beamten auf. "Ich denke,
Sie wollen zu mir?”
"Richtig, Ms., falls Ihr Name Ronah lautet?” Er sah kurz auf seinen
Notizzettel und dann wieder zurück. Er hatte ihren Namen mit einem Fragezeichen
ausgesprochen, als erwarte er, dass Ronah ihren Nachnahmen ergänzte. Doch
Ronah wollte sich das für das Protokoll aufheben und nickte deswegen nur.
"Wir haben den Tatort gründlich durchsucht, aber nichts gefunden, das
uns weiterbringt. Darum brauchen wir dringend ihre schriftliche Aussage.”
"Was würde Ihnen das schon helfen. Sie können doch sowieso nichts
tun,” fuhr Faith plötzlich wütend auf und funkelte Delaney an.
Der Beamte sah Faith stirnrunzelnd an. "Wie meinen Sie dass, Ms...”
"Bitte... nehmen Sie doch Rücksicht darauf, dass wir trauern,” fiel
Giles Delaney ins Wort und Robin trat ebenfalls einen Schritt vor, ganz als
würde er Faith hinter sich schützen wollen.
"Ich komme mit, Detective. Ich denke nicht, dass es im Moment gut
wäre, Ronah alleine zu lassen."
"Wie Sie meinen,” Delaney sah Faith noch einmal durchdringend an, gab
sich aber aus Anstand damit zufrieden und verließ in Begleitung der beiden den
Friedhof.
"Und wir werden jetzt wohl zurückfahren und mit den Recherchen
weitermachen?” schlug Lily vor, nur um überhaupt etwas zu sagen.
"Mr. Giles, Ms. Usher? Mein Name ist Nadine
Flagg, ich bin eine Freundin von Vivian. Mr.O'Bailey hat Sie sicher darüber informiert,
dass ich komme."
Eine schmale junge Frau in einem eleganten schwarzen Kostüm war auf die
beiden Wächter zugetreten, und mit förmlicher Geste streckte sie zunächst Lily,
dann Giles die Hand hin. Giles war nicht überrascht, als er ein Lächeln über
Lily's Gesicht huschen sah, dieses korrekt gekleidete Mädchen mit dem
ordentlichen Haarknoten im Nacken war ihr sicher sofort sympathisch.
"Rupert Giles," stellte er sich vor, "und dies ist Lily
Usher. Ja, allerdings, Keiran hat mich von Ihrer Ankunft informiert, und wir
haben in unserer Ratszentrale ein Gästebett für Sie vorbereitet. Ich wünschte,
die Umstände wären glücklicher."
Nadine nickte, und ein Schatten fiel über ihr Gesicht, doch im nächsten
Moment hatte sie sich wieder gefangen.
"Wir waren gerade dabei aufzubrechen..." Giles deutete zum
Ausgang. "Aber falls Sie noch einen Moment brauchen, werden wir gerne
warten."
"Das ist sehr aufmerksam von Ihnen," entgegnete Nadine, und
bemühte sich, die Trauer in ihrer Stimme zu unterdrücken. "Aber es geht
schon."
Giles nickte. "Wir sehen uns später, Faith.” Doch Faith nahm sie gar nicht
richtig wahr, als die drei sich in Richtung Ausgang wandten.
"Wollen wir nicht mitfahren?" Behutsam legte Kennedy eine
Hand auf Willow's Arm, um die Aufmerksamkeit ihrer Liebsten zu bekommen.
Willow zuckte zusammen, als würde die Berührung Schmerz in ihr auslösen.
Als sie sich Kennedy zuwandte, konnte die Jägerin sehen, dass in ihren Augen
Tränen schwammen. "Ich möchte bitte noch etwas warten," flüsterte
sie, und ihr Blick wandte sich wieder in die Ferne.
Kennedy spürte, dass Willow ganz woanders war, und einen Moment lang fühlte
sie sich zurückgewiesen, doch nur für einen Moment. Sie verstand inzwischen,
dass ihre Liebe nicht immer bei ihr sein konnte, und dass es weder an ihr lag,
noch an ihrer Beziehung. Willow musste an so vielen Orten gleichzeitig sein.
Faith hatte sich nicht gerührt, mit keinem Blick, keiner Bewegung hatte sie
gezeigt, dass sie Robin’s und Ronah’s Weggang in irgend einer Weise berührt,
oder doch zumindest bemerkt hatte. Düster und ohne zu blinzeln starrte sie
hinunter in das offene Grab, den halb von Blumen, halb von Erde bedeckten Sarg.
Ein nachtschwarzer Glanz war in ihre reglosen Augen getreten.
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Cleveland, Friedhof
etwas später
"Buffy?” Dumpf drang die Stimme ihrer kleinen Schwester in Buffy's
Ohren.
"Dawn, ja, was ist?”
"Ich wollte dich nur fragen, ob es in Ordnung geht, wenn ich jetzt zu Mara
gehe und heute auch bei ihr schlafe?”
"Uhm, du willst schon weg? Was sagen denn ihre Eltern?”
Buffy konnte ihre Tränen kaum zurückhalten. Wieso wollte Dawn denn schon
wieder weg. Genau wie bei der Beerdigung ihrer Mutter. Was machte sie denn
falsch?
"Ja klar, das haben wir alles schon geregelt.” Dawn schien es sehr eilig
zu haben, von Buffy wegzukommen.
"Und du möchtest wirklich nicht mit nach Hause kommen?” Buffy versuchte es
noch einmal. Sie brauchte Dawn, wollte mit Ihrer Schwester reden. Dawn
verkraftete diese Sache sicherlich nicht so leicht. Buffy wollte doch nur ihren
Schmerz lindern, ihn teilen. Geteiltes Leid war doch halbes Leid oder nicht?
"Ich geh' jetzt besser. Ciao!” Dawn drehte sich um und ging davon.
In dem Moment fühlte Buffy sich, als ob sie doppeltes Leid tragen würde.
Ihre Schwester ließ sie immer noch nicht an sich ran. Sie blockte ab. Warum
nur? Gerade in solchen Momenten wollte Dawn immer weg. In Momenten in denen man
doch normalerweise zueinander fand. Gerade in Situationen in denen man einen
Menschen verlor, besann man sich doch auf die Menschen die einem am Herzen
lagen.
Vielleicht lag sie ihrer Schwester nicht am Herzen. Vielleicht war doch zuviel
vorgefallen, das sie getrennt hatte. Oder zuwenig was sie zusammen gebracht
hätte. Vielleicht hatte sie ja auch den richtigen Moment verpasst um zu heilen,
was einmal verletzt wurde.
Mit verzweifelten Gesichtsausdruck sah Buffy ihrer kleinen Schwester nach. Ihre
Arme hoben sich leicht, wie um sie zu umarmen, doch da war niemand, der umarmt
werden wollte. Schwer wie Steine sanken Buffy's Arme wieder herab.
Traurig schaute sie zu Boden.
Plötzlich trat ein Schatten vor ihr Gesicht. Sie schaute auf, und blickte
in Xander's Augen, sie sah Verständnis in seinem Gesicht, und Fürsprache. Wie
von selbst lagen sich beide plötzlich in den Armen. Xander sagte nichts und hielt
seine beste Freundin nur fest. Er hatte ihren verzweifelten Gesichtsausdruck
bemerkt.
Buffy schloss die Augen und schmiegte sich in Xander's Arme in diesem
Moment wollte sie nicht mehr denken. Sie wollte nur dass jemand da war, der sie
umarmte und festhielt.
Dawn wollte Buffy nicht zur Last fallen. Ihre Schwester fühlte sich sicher
furchtbar, schon wieder war eine Jägerin gestorben und sie hatte es nicht
verhindern können. Sie wollte Buffy Zeit geben, um damit klar zu kommen.
Dawn dachte, dass Buffy jetzt sicherlich Zeit zum Alleinsein brauchte. Da
war es sicher besser, wenn sie zu Mara ging und ihrer Schwester die Möglichkeit
gab, sich zu fassen und ihre Gedanken in Ordnung zu bekommen. Obwohl es um ihre
eigenen auch nicht besser bestellt war. ..
'Tief durchatmen’ kam ihr die Stimme von Shin ins Gedächtnis. 'Wenn du nicht
weiter weißt, und sich die Gedanken in deinem Kopf überschlagen, musst du dich
auf einen Fokus konzentrieren. Fang einfach von vorne an. Atme ein und aus.’
Shin! Wie sehr wünschte sie sich jetzt, dass er hier wäre. Dass er sie in den
Arm nehmen würde. Wenn sie bei ihm war, hatte sie keine Angst. In seinen Armen
fühlte sie sich geborgen und beschützt. Obwohl sie so stark war, durch ihre
Jägerinnenkräfte.
Wahrscheinlich war das auch der Grund, warum sie sich so schlecht fühlte.
Früher war sie nur ein Teenager gewesen. O.K., ein Teenager, der mal ein
Energie-Schlüssel war. Aber trotzdem normal. Jetzt war sie das nicht mehr. Sie
war auch eine Jägerin, Vi’s Tod betraf sie so, weil es auch sie hätte treffen
können und sie spürte wie in ihr eine kleine Flamme der Furcht erwachte. Furcht
um sich selbst, Furcht um Ihre Mitmenschen, die schützen ja nun auch ihre
Aufgabe war, Furcht zu versagen und selbst die Schuld am Tod eines Menschen zu
tragen.
Wie eine schwere Bürde legte sich diese Furcht auf Dawn. Sie hatte sich noch
nie so klein gefühlt. Sie sehnte sich nach Shin und konnte gar nicht abwarten,
ihn endlich bei Mara zu sehen....
"Du solltest Buffy endlich die Wahrheit sagen." Leise riss
Andrew's Stimme Dawn aus ihren Gedanken.
Die Wahrheit worüber? Dawn runzelte die Stirn. Über Shin? Nun, sie hatte
ihn Buffy und den anderen vorgestellt, auf der Geburtstagsparty. Aber als
Freund und Arbeitskollegen, nicht als ihren festen Freund mit dem sie zusammen
war. Wenn Buffy aufmerksam gewesen wäre, wär ihr vielleicht was aufgefallen,
und sie hätte nachgehakt, aber so...vielleicht interessierte es sie gar nicht.
"Es ist so verdammt schwierig," murmelte Dawn. "Ich weiß
nicht, wo ich anfangen soll."
Oder meinte Andrew etwa ihre Kräfte? Darüber wollte sie jetzt noch weniger
reden. Nicht jetzt, wo ihr Leben einigermaßen normal verlief. Nicht jetzt, wo
sie für Buffy endlich Dawn war, einfach nur Dawn. Kein Schlüssel, den man
beschützen musste, und keine Nervensäge, der man aus dem Weg ging. Da wollte
sie jetzt nicht plötzlich die Jägerin werden. Und sie konnte den Gedanken nicht
ertragen, Buffy's verletzten Gesichtsausdruck zu sehen, wenn ihre Schwester
erfuhr, dass sie sie monatelang belogen hatte.
Andrew zuckte die Achseln, sein Blick traurig und resigniert. "Manchmal
machen die Leute es einem nicht einfach," murmelte er. "Manchmal
weiß man genau, dass es nicht ohne Ärger abgeht, und wer will schon Ärger?
Da schiebt man es lieber auf die lange Bank. Ist vielleicht feige, aber..."
"...es ist nicht nur feige, sondern unehrlich." Dawn ballte die
Fäuste und starrte zu Boden. "Aber manchmal ist es einfach zuviel, weißt
du? Man schiebt's vor sich her, wie so eine Art Felsbrocken, und eh man sich's
versieht..."
"...ist es ein ganzes Gebirge," murmelte Andrew hilflos.
Dawn holte tief Luft. "Schließen wir einen Pakt," schlug sie vor,
und nahm ihren ganzen Mut zusammen. "Morgen rede ich mit Buffy, und du mit
Xander, okay?"
"Morgen?" Andrew starrte sie erschrocken an. "Glaubst du
wirklich, das ist der richtige Zeitpunkt? Ich meine, es ist gerade eine Jägerin
gestorben, wenn Buffy da erfährt, dass du auch eine bist, da dreht sie doch
total durch...nein, du solltest noch warten, vielleicht...vielleicht bis
nächste Woche, oder so..."
"Sagen wir lieber bis übernächste Woche." Dawn konnte förmlich
spüren, wie der Mut sie wieder verließ. "Nicht, dass ich solche Angst
vor dem Gespräch hätte, aber du solltest dich gründlich darauf vorbereiten.
Xander wird dir nämlich die Hölle heiß machen! Du hättest ihn damals hören
sollen, wie er Buffy wegen Angel fertig gemacht hat. Und als er erst das mit
Spike rausgekriegt hat...ich dachte echt, das gibt die nächsten hundert Jahre
Krieg...."
Sie sahen sich an, und als ihnen plötzlich bewusst wurde, dass sie gerade
dabei waren, sich gegenseitig verrückt zu machen, schwiegen sie. Ihre Blicke
wanderten aneinander vorbei, hinüber zu Buffy und Xander, die sich immer noch
stumm in den Armen hielten.
”Es ist alles okay.” Sanft, aber bestimmt löste sich Buffy von ihrem besten
Freund. ”Nicht wirklich okay, aber es geht schon wieder. Ich muss jetzt einfach
die Nerven behalten. Die anderen erwarten von mir, dass ich das tue.”
”Lass mich dich nach Hause bringen,” bot er ihr an. ”Alleinsein ist nicht immer
die beste Strategie für dich, um die Nerven zu behalten. Dawn mag das
vielleicht glauben, aber sie irrt sich damit.”
”Dawn? Wieso Dawn?” Buffy war bemüht, die Hilflosigkeit ihrer Stimme möglichst
klein zu halten.
”Sie denkt immer noch, sie könnte eine Last für dich sein," versuchte
Xander zu erklären. "Zumindest manchmal, wenn's euch beiden nicht gut
geht. Dann zieht sie sich zurück, um dir Freiraum zu geben...Buffy, du hast
doch nicht etwa geglaubt, sie würde..."
Doch Buffy's verzweifelter Gesichtsausdruck verriet ihm, dass sie wohl
genau das geglaubt hatte.
"Komm, ich bring dich heim," sagte er ein weiteres Mal, und ein
Lächeln huschte über sein Gesicht, als er ihren Arm nahm. "Keine
Widerrede," fügte er halb ernst, halb scherzhaft hinzu, noch bevor sie
überhaupt den Mund geöffnet hatte, um zu protestieren.
Buffy seufzte resigniert. Er kannte sie einfach zu gut....
Arm in Arm gingen sie in Richtung seines Wagens davon, während die übrigen
Beerdigungsgäste sich langsam zerstreuten.
"Uhm...Willow? Du hast doch auch B5 geschaut, oder? Ein bisschen
zumindest..."
Andrew hatte plötzlich kehrt gemacht, und war auf die Hüterin zugetreten,
welche immer noch scheinbar gedankenverloren am Grab stand. Seine Stimme
zitterte leicht, doch er wirkte äußerst entschlossen. "Kannst du
dich an die Sache mit Captain Sheridan und seiner Frau Anna erinnern? Er hat
zwei Jahre lang geglaubt, sie wär’ bei einem Unfall gestorben, und hatte
eigentlich schon mit der Sache abgeschlossen. Bis er dann erfahren hat, dass es
in Wirklichkeit viel schwieriger und komplizierter war, und dann kam alles
wieder hoch..."
"Halt' um Himmels willen deine Klappe!" fuhr Kennedy dazwischen.
"Hast du überhaupt kein Herz? Sind dir alle menschlichen Gefühle so fremd,
dass du in so einem Moment an Filme denken kannst?"
”Was interessieren dich meine Gefühle?” fauchte Andrew zurück. Bisher hatte
er es noch jedes Mal ignoriert, wenn Kennedy ihn anschnauzte, weil er sich
nicht mit ihr streiten wollte, und das auch überhaupt nichts brachte, aber
jetzt war es ihm einfach zu viel. ”Für dich ist doch nur wichtig, was du selber
fühlst, alle anderen sind dir egal! Jedes Mal wenn du dich mit Willow zoffst,
darf ich das ausbaden, obwohl ich gar nichts dafür kann!...”
”Wenn das jetzt wieder irgend so ein kindisches Theater wegen einem blöden
Star Wars Anhänger ist....” fing Kennedy wütend an, doch Andrew unterbrach sie.
”Kindisches Theater? Ich möcht‘ dich mal erleben, wenn dir jemand was wegnimmt,
was Willow dir geschenkt hat, und es einfach so wegschmeißt! Am besten auch
noch dann, wenn du glaubst, dass du sie nie wieder siehst, und sie dir nie
wieder was schenken wird. Und weil wir schon beim Thema sind, wie würdest du
dich fühlen, wenn jemand versucht, Willow umzubringen, und du kannst nur
hilflos daneben stehen, und dabei zusehen?”
”Alles schon passiert!” schrie Kennedy zurück. ”Was in aller Welt
hat das mit dir zu tun? Du hast ja doch nur deine Filme im Kopf! Du weißt
gar nicht, was es heißt, jemanden zu lieben!”
”Natürlich nicht, du bist ja die Einzige auf der ganzen Welt, die das
weiß...”
”Bitte...” unterbrach Willow den aufflammenden Streit, und schloss für
einem Moment erschöpft die Augen. ”Jetzt ist nicht der richtige Moment dafür,
ihr verletzt euch nur gegenseitig.”
Andrew und Kennedy schwiegen, und starrten düster vor sich hin. Als die
dunkelhaarige Jägerin den Blick hob, fiel ihr ein weiteres Mal auf, wie bleich
und erschöpft ihre Freundin aussah. Willow erwiderte ihren Blick, liebevoll
ließ sie ihre Augen auf ihrer Freundin ruhen, und wandte sich anschließend an
Andrew. ”Ich möchte jetzt nicht darüber sprechen, okay? Irgendwann bald, aber
nicht jetzt, es ist mir im Moment einfach zuviel...”
Nur Sekundenbruchteile mochten vergangen sein, als Faith jäh aus ihrer
Erstarrung erwachte, wie ein dunkler geschmeidiger Blitz an Jägerin und Hüterin
vorbei preschte, und Andrew mit der Gewalt eines Schraubstocks am Kragen packte.
”Was weißt du?” schrie sie ihn an. ”Was weißt du, das wir nicht wissen? Wenn du
irgendwas vor uns verbirgst, irgendwas über Vi’s Tod, dann werd ich...”
”Faith, lass ihn los,” befahl Willow. Sie hatte nicht laut gesprochen, und
dennoch erschien es Faith, als ob ihre Stimme in ihrem Inneren widerhallte.
Oder lag es nur daran, dass plötzlich alles um sie herum verstummt war? Selbst
die Vögel schienen zu schweigen, und der Wind verharrte reglos in den
Baumkronen, als habe er seine Reise unterbrochen, um den Worten der Hüterin zu
lauschen.
Faith gehorchte, und starrte Willow halb erschrocken, halb misstrauisch an.
Dass sie nicht mehr die kleine Willow von damals war, verstand sie, aber
trotzdem...irgendwie hatte sie sie immer noch als schüchternes Computermädchen
vor Augen. Jetzt war sie etwas vollkommen anderes, sie strahlte Macht, und
gleichzeitig Ruhe aus, weniger wie ein Mensch, sondern eher... wie ein Berg
oder ein alter Baum.
Was für unsinnige Gedanken! Mit all ihren ach-so-tollen Hüterinnenkräften hatte
sie Vi nicht helfen können! Keinem war das gelungen! Keinem! Und am
allerwenigsten ihr selbst!
Faith drehte sich auf dem Absatz herum, und stürmte davon. Willow’s Blick
folgte ihr, ihre Augen von Sorge gezeichnet.
+++
AKT 2
Man sollte doch meinen, das Leid und die Tränen würden uns enger
zusammenschmieden, damit wir uns gegenseitig unterstützen, und einander Halt
geben. Aber dem ist nicht so. Nirgendwo fühlt man sich so alleingelassen, wie
hier. Alle laufen mit Scheuklappen durch die Gegend, und leben in
immerwährender Einsamkeit. Keiner kümmert sich um den anderen, jeder ist selbst
in seinem Schmerz gefangen
Ich will die Einsamkeit vergessen. Ich will alles um mich herum vergessen,
die Einsamkeit, und den Schmerz, und die Tränen. Lass mich vergessen! Gib mir
Vergessen...
Gib' mir mehr davon, noch mehr...
Friedhof, Cleveland
etwas später
"Er hat nicht von Vi geredet.” Willow's Stimme hallte
zu Faith, die einige Meter weit weg stand, und verzweifelt versuchte, sich
wieder zu beruhigen, doch anscheinend funktionierte es nicht.
Faith hatte das Weite gesucht, um endlich einen klaren Gedanken zu fassen.
Warum war es immer wieder so verdammt schwer zu begreifen, dass ein Leben
so schnell zuende sein konnte. Wenn sie all die Grabsteine ansah, fragte sie
sich, welche Jahreszahl auf ihrem stehen würde.
"Der Bastard muss etwas wissen... ich hätte ihn nicht grundlos angegriffen!”,
antwortete Faith mit erhobener Stimme, als Willow ein paar Schritte näher
trat, und sich beide in die Augen sahen. Ein modriger Geruch kroch in ihre
Nasen, und durch einen kalten Windhauch bildete sich Gänsehaut auf Faith'
Körper.
Faith’ Augen spiegelten dieselbe furchtbare Verzweiflung wider, die sie selbst
einmal gefühlt hatte. Auch wenn sie nicht ihre Farbe verändert hatten.
Auch wenn Faith schon so oft auf Friedhöfen gewesen war, wurde ihr die Bedeutung
dieses Ortes erst wirklich bewusst, als sie zurück zu Vi’s Grab sah, auf das
gerade Erde geschüttet wurde.
"Ich werde es wohl am besten wissen, wenn jemand von Tara redet,"
entgegnete die Hexe entschlossen. "Doch
ich hatte in diesem Moment genug Gründe, nicht auf Andrew einzugehen, und
über ihren Tod zu reden.”
"Weißt du, wie egal mir gerade Tara's Tod ist?” Faith sah Willow
durchdringend an, und ihre Stimme klang äußerst aggressiv.
"Ist dennoch kein Grund, mich so anzufahren,” antwortete Willow ruhig,
aber bestimmt. "Genauso wenig, wie zu versuchen, Andrew das Genick zu
brechen.”
"Es zu versuchen? Ich glaub' ein kleiner Klaps auf den Hinterkopf reicht
aus, damit der Knirps einen Kopf kürzer wird,” antwortete die Jägerin sarkastisch.
"Versteh' einfach, dass es der falsche Weg ist!”, Willow wurde etwas
lauter. Sie wusste, dass Faith sich im Augenblick in einer ähnlichen Situation
befand, wie sie vor ein paar Jahren, als Tara's Blut an ihren Händen klebte.
"Ich weiß dass du dich rächen willst. Und falls du es nicht mitbekommen
hast, habe ich auch nicht anders reagiert, als du!"
"Und was ist dann der richtige Weg?” Faith' Gefühlswelt spielte verrückt.
Schmerz, Trauer und Verzweiflung waren einfach nur vermischt mit Zorn und
diesem unglaublichen Rachewunsch. Am liebsten würde sie dem Schuldigen schon
jetzt einen Platz auf dem Friedhof aussuchen.
"Ich weiß nur, dass ich den falschen gegangen bin. Aber wenn du willst,
bringe ich dir gerne bei, wie man es in ein paar Stunden schafft, die Welt
in Angst und Schrecken zu versetzen.” Willow fühlte sich mulmig. Es war einfach
soviel Erinnerung an ihren eigenen Schmerz. Zu viel davon. Sie hatte nun eine
neue Freundin, ein neues Leben, und sie musste einfach damit fertig werden.
Und falls es jemand anderem ähnlich erging, musste sie es schaffen, dass nicht
auch diese Person ihrem Schmerz auf dieselbe Weise Ausdruck verlieh.
Faith sah starr auf den Boden vor ihr. Sie sah immer noch Vi’s Gesicht vor
ihren Augen, und erinnerte sich an die mit ihr bestrittenen Kämpfe.
"Natürlich glaubst du, du bist allein auf der Welt, und niemand empfindet,
so wie du. Doch das ist arrogant! Werde dir einfach klar darüber, dass wir
beide, und viele andere Menschen dasselbe mitgemacht haben. Auch wenn du erst
am Anfang bist, das Ganze zu akzeptieren.”
"Akzeptieren? Was gibt es da zu akzeptieren?" fauchte Faith zurück.
"Ich bin mir sicher, dass Magie im Spiel war. Das kannst du mir glauben!
Auch wenn Andrew nichts davon weiß. Angeblich.” fügte sie hinzu.
"Ich hab' die Lagerhalle doch schon überprüft. Mehrere Male. Und ich
versichere dir, in den letzten Wochen ist dort nichts Magisches abgelaufen,
ich hätte das sonst gespürt!” Willow war sich vollkommen darüber klar, dass
es schwer genug war, den Tod eines nahe stehenden Menschen zu akzeptieren.
Und wenn es dann noch ein so sinnloser Tod war, griff man natürlich nach jedem
Strohhälmchen.
"Mein Gott, ich weiß doch, was ich gesehen habe, Willow. Selbst du
bist nicht perfekt!” antwortete Faith wütend.
"Ich weiß, dass ich das nicht bin." Willow gab sich Mühe das Zittern
ihrer Stimme zu unterdrücken, doch es wollte nicht gelingen. "Glaubst du
etwa, ich hätte eine lupenreine Vergangenheit? Wenn dich jemand verstehen kann,
dann bin ich das. Mir ist genauso das Herz herausgerissen worden, es hat mich
unzählige Tränen gekostet, und dann bin ich auf die falsche Bahn geraten. Auch
wenn ich heute eine meiner Taten noch immer nicht so bereue, wie ich es sollte,
so weiß ich doch, dass es einfach falsch war.”
Auch wenn es verdammt schwer war, sie musste alles geben, um Faith klar zu
machen, dass sie Recht hatte. Es durfte nicht wieder alles zerstört werden, was
Faith sich in den letzten Monaten aufgebaut hatte.
"Wenn du darauf bestehst, überprüfe ich das Ganze noch hundertmal!
Falls es auch nur einen geringe Chance gibt, dass das ganze auf übernatürlichen
Wegen abgelaufen ist...”
Willow hatte in einer gewissen Weise recht. Wenn es jemand verstehen konnte,
dann sie. Auch wenn es beängstigend war, wusste die Jägerin, dass sie einiges
gemeinsam hatten. Nicht nur, weil sie denselben Schmerz erlebten, sondern vor
allen Dingen, weil dieser Schmerz sie schon an sehr dunkle Orte geführt hatte. Orte,
die Buffy niemals betreten hatte.
"Ich hoffe, dass etwas dabei herauskommt...das muss es einfach!” Auch
wenn es nicht leicht zu erklären war, fühlte sich Faith nun ein bisschen
sicherer als vorher. Sie waren sicher nicht die besten Freundinnen, aber
dennoch konnte sie Willow vertrauen.
"Wird es!”, entgegnete Willow, und drehte sich in die Richtung, aus der
sie gekommen war.
"Vi’s Tod war einfach so sinnlos.” Faith kickte einen Stein zur Seite, als
sie ihr folgte. "Genauso wie der von Tara,” fügte sie leiser hinzu.
+++
Sunnydale, Dezember 2001
Versteck des Trios
"Nein,
nicht da, das ist zu nah an der Enterprise! Du kannst doch keine Millenium
Falcon neben eine Enterprise hängen," ereiferte sich Andrew. "Das
ist die reinste Blasphemie!"
"Whoa, bleib' auf Impulsgeschwindigkeit!" Abwehrend hob Warren
die Hände. "Dann hängen wir das Ding halt einfach ins andere Eck!"
"Aber dann hängt sie neben der White Star!" Andrew verzog das
Gesicht, als würde ihm der Gedanke geradezu körperliche Schmerzen bereiten.
"Jetzt sag doch auch mal was!" Nach Unterstützung heischend, wandte
sich der blonde Junge zu Jonathan, der reglos vor einem der Computer hockte,
und auf den Bildschirm starrte. "Ach, lass' mich doch mit dem Kram in
Ruhe," grummelte er.
"Na schön." entgegnete Andrew kühl. Er verstand nicht, warum
Jonathan die ganze Zeit so komisch war. Das ging jetzt schon einige Wochen so,
seit dieser Sache. Vielleicht machte er sich Sorgen, dass sie doch noch
geschnappt werden konnten. Aber die Polizei hatte in ihrem Bericht geschrieben,
dass es ein Selbstmord war. Also konnte ihnen auch nichts mehr passieren.
"Hier!" Warren deutete auf ein Stück Decke neben dem Regal mit
den DVDs. "Das ist der perfekte Platz! Los, bohr' ein Loch in die Decke!"
Er kramte unter einem Haufen ausrangierter Computerteile einen Bohrer hervor,
und drückte ihn Andrew in die Hand.
"Aber ich weiß nicht mehr, wo wir die..." Das 'Trittleiter
gelassen haben' ging in einem lauten Protestquieker unter, als Andrew sich plötzlich
gepackt, und in die Höhe gehoben fühlte. "Besser so?"
"Lass mich runter!" kreischte Andrew und strampelte mit den
Beinen. "Aua! Du tust mir weh! Und überhaupt!"
"Jetzt zick' hier nicht rum, und bohr' endlich das Loch!" gab
Warren gelangweilt zurück.
"Lass mich...runter!" Keuchend schnappte Andrew nach Luft.
"Bitte..." fügte er mit einem hilflosem Wimmern hinzu.
"Du hast ihn gehört, Warren!" Plötzlich war Jonathan von seinem
Platz aufgestanden, und baute sich drohend vor Warren auf, ungeachtet seiner
geringen Größe. "Lass' ihn endlich los!"
"Mit dir hab' ich gar nicht geredet," fauchte Andrew und sah
Jonathan feindselig an. "Na schön," antwortete dieser kühl, und
drehte sich auf dem Absatz herum. "Kümmer' dich in Zukunft doch um deinen
eigenen Kram!"
Er stürmte die Kellertreppe hinauf. "Ich bin oben im Van!"
Warren würdigte ihn keines Blickes. "Willst du wissen, was noch in der
Packung von der Millenium Falcon war?" fragte er verheißungsvoll. Er hatte
Andrew jetzt wieder auf die Füße gestellt, ihn aber noch nicht losgelassen.
"Hm...weiß nicht." Andrew machte ein paar halbherzige Versuche,
sich aus seinem Griff zu befreien.
"Die vom Rival Kingdom haben uns was mitgeschickt, weil wir über 100
Dollar bestellt haben. Schau mal!" Er ließ den anderen Jungen endlich los,
und kramte etwas aus seiner Hosentasche hervor. "Hier! Einer für dich,
einer für mich!"
"Cool!" Fasziniert starrte Andrew die beiden Schlüsselanhänger
an. "Imperiale Star Destroyer!"
"Imperiale Star Destroyer für imperiale Oberfinsterlinge!"
bekräftigte Warren und legte einen der beiden Anhänger in Andrew's Hand.
"Aber...aber..." Andrew's Stimme zitterte, und er versuchte,
seine Hand zurückzuziehen. "Uhm..."
"Es
gehört mir, und ich schenke es, wem ich will." Warren schloss Andrew's
Finger um den Anhänger.
"Wie mein Herz," murmelte Andrew kaum hörbar. Er versuchte
verzweifelt, dem Blick des schwarzhaarigen Jungen auszuweichen, doch dieser
lächelte ihn so offen und vertrauensvoll an, dass er gar keine andere Wahl
hatte, als das Lächeln zu erwidern.
Warren's Sean Connery Lächeln....
"Was würdest du davon halten, wenn wir von hier verschwinden?"
fragte Warren plötzlich. "Nur du und ich, und mehr Kohle als in Scrooge McDuck's
Geldspeicher? Und dann kaufen wir uns ein paar Villen, und Kinopaläste, und
flacken uns an irgendeinen Strand in Südamerika. Oder
Saint-Tropez."
Er lehnte sich nach vorne und hauchte Andrew ins Ohr: "Nur wir beide,
kleiner Ewok. Und kein nerviger Jonathan, der den ganzen Tag nur rum
motzt!"
"Aber...aber...wir
können Jonathan doch nicht einfach hier lassen," stammelte Andrew verwirrt.
"Und soviel Geld haben wir auch gar nicht. Und überhaupt..." Sein
Protestgestotter verstummte, als Warren einen Finger auf seine Lippen legte.
"Shhht!"
Ein eigener Kinopalast! Mit Imax, und 3D und MAD, und...Popcorn! Wow...echt
Wahnsinn! Sie würden sich auch neue Sonnenbrillen kaufen müssen...noch
coolere...und am besten eine Insel.
"Hmm...wollmir jetz' daschhiff aufhängen?" fragte Andrew
hoffnungsvoll, und blickte mit seinem unschuldigsten Augenaufschlag zu Warren
hoch.
"Klar. Ich geh' nur eben die Trittleiter holen!"
Warren's Lächeln war jetzt nicht mehr Sean Connery. Eher Jack Nicholson.
+++
Cleveland, Gegenwart
Mara's Zimmer, früher Abend
"Puh.”
Erschöpft schmiss sich Dawn auf Mara's Bett. "Ich bin KO. Ich will heute
echt niemanden mehr sehen.”
"Kein Problem!” riefen Mara und Josh wie aus einem Mund. "Wir
sind im Schlafzimmer meiner Eltern," fügte Mara hinzu. "Falls was
ist: Essen ist im Kühlschrank und zu trinken auch. Falls du dann doch noch
jemanden sehen willst. Klopf bitte an!!!”
Mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht rannte Mara aus ihrem Zimmer, gerade
noch rechtzeitig um dem fliegenden Kissen von Dawn auszuweichen.
Das Lächeln, welches sich ein wenig auf Dawns Gesicht ausgebreitet hatte,
verschwand sofort, als die Zimmertür geschlossen wurde. Mit einem schweren
Seufzer drehte sie sich um und schloss die Augen. Sie merkte kaum wie sie
einschlief.
Bilder rasten an ihrem inneren Auge vorbei. Bruchstückhafte Erinnerungen?
Blitzbilder. Farben die um sie herumwirbelten. Sie tanzten. Wunderschöne
Farben. Es war so friedlich. Sie kommunizierten mit ihr. Hüllten sie ein. Alles
war in Ordnung. Wärme ging von ihnen aus. Das Universum breitete sich vor ihr
aus. Viele Universen zeigten ihre Schönheit.
Dawn fühlte sich wunderbar. Es war alles schön. Sie fühlte sich richtig. Um
sie herum Licht. Und wieder Farben, so viele, so schöne, so unterschiedliche,
Farben die sie noch nie gesehen hatte. Farben, die sie nicht kannte und die
doch vertraut waren. Es ging nichts Böses von ihnen aus. Sie existierten nur
und waren da.
Auf dem Gesicht des schlafenden Mädchens erschien ein kleines Lächeln.
Eine
sanfte Berührung weckte Dawn. Sie machte ihre Augen auf und blickte in das
sanfte Gesicht ihres Freundes. "Shin, endlich bist du da. Wie spät ist
es?”
"Hallo mein Engel, es ist gleich 7 Uhr. Wie geht’s dir? Du hast gelächelt
und so friedlich ausgesehen.”
Plötzlich fiel Dawn alles wieder ein, Vi’s Tod, die Beerdigung. "Na
ja, es könnte besser sein.” Tränen stiegen wieder in ihre Augen. Sie war hier
mit Shin und Vi lag tot in der kalten Erde. Sie lehnte sich an ihren Freund und
sprudelte ihre Gedanken heraus.
"Nein, wenn ich ehrlich bin, geht's mir gar nicht gut. Ich hab' Angst und
die Beerdigung war echt schlimm. Vi’s Tod nimmt mich echt mit. Schau mal, sie
hatte noch so viel vor und jetzt ist sie tot. Und ich bin hier und freue mich,
dich zu sehen. Wenn ich dich sehe, vergesse ich fast was passiert ist. Das ist
doch nicht fair Vi gegenüber. Sie war noch so jung. Es kam so überraschend.”
"Dawn der Tod kommt immer überraschend, wir Menschen sind darauf nie
vorbereitet. Du darfst wegen uns kein schlechtes Gewissen haben, das würde Vi
sicherlich nicht wollen. Nach allem was du mir so erzählt hast, war sie ein
lieber Mensch.” Shin nahm sie vorsichtig in den Arm, als hätte er Angst sie zu
zerbrechen.
"Aber ich fühle mich so ausgelaugt und es tut so weh. Ich verstehe das
nicht. Warum gibt es den Tod?”
"Schau mal, für uns Buddhisten ist der Tod nur eine weitere Stufe in
unserem Dasein. Der menschliche Körper ist nur eine Hülle und im Grunde
genommen bedeutungslos. Wir glauben daran, dass wir wiedergeboren werden. Viele
Male.”
"Immer als Mensch?” Dawn war erstaunt. Mit dieser Religion hatte sie sich
noch nie beschäftigt.
"Nein, nicht immer als Mensch. Auch als Tier oder Pflanze. Und wenn
wir dann wieder sterben, geht unsere Seele weiter zum nächsten Körper. So
können wir unzählige Leben verbringen.”
"Aha, glaubst du wirklich daran?” Dawn schien skeptisch.
"Ja, Dawn, dies ist der Grundsatz unserer Religion. Pass auf. Ich erzähle
dir die Geschichte von Buddha.”
"OK, alles was mich ablenkt ist gut.” Dawn kuschelte sich noch näher
an Shin heran und die beiden machten es sich auf dem Bett gemütlich.
"Also, vor vielen Generationen lebte ein Königspaar in
Indien...........”
Von der ruhigen Stimme ihres Freundes umfangen, gingen Dawn's Gedanken ihre
eigenen Wege. Sie erinnerte sich plötzlich an ihren Traum. War das wirklich ein
Traum gewesen. Diese Gefühle, die er in ihr ausgelöst hatte. Es hatte sich
alles so gut angefühlt. So normal und doch völlig anders. Sie hatte sich völlig
anders gefühlt. Wenn man das so beschreiben konnte. Eigentlich konnte sie es
nicht beschreiben. Es war einfach nur richtig gewesen. Überall diese Schönheit,
Wärme und Güte.
Shin hatte gesagt, sie hätte so friedlich ausgesehen. Was hatte es mit diesen
Bildern auf sich? Waren das Erinnerungen aus ihrem früheren Dasein? Wenn ja,
wieso konnte sie sich plötzlich erinnern? War es der Schmerz von Vi’s Tod
gewesen? Hatte die Vision von den Reitern, die sie gehabt hatte, irgendwas in
ihr bewirkt? Damals hatte sie ja das Gefühl gehabt, das irgendwas anders mit
ihr war. Vielleicht kam es ja auch von den Jägerinnenkräften. Hatte sie dadurch
vielleicht Einblick in ihr früheres Selbst bekommen? Irgendwie erschien ihr
dies logisch.
Sie war nicht nur ein "Ball" gewesen, sie hatte ein Leben geführt,
als Energieform. Sie war 'da’ gewesen. Sie hatte existiert. Und nicht nur sie,
auch andere Wesen, ähnlich wie sie, hatten existiert. Ob das die Seele war, von
der Shin auch sprach? Was würde er sagen, wenn er wüsste, dass sie sich an
diese Existenz erinnern konnte?
Er würde es verstehen. Wenn er tatsächlich an Wiedergeburt glaubte, dann
verstünde er es. Sie würde es ihm erzählen, aber nicht heute. Irgendwann, in
einem besonderem Moment. Das hatte er verdient. Er war etwas besonderes, also
hatte er auch so einen besonderen Moment verdient.
Aber was wäre, wenn sie ihn verlieren würde? Wenn er auch getötet würde?
Shin war oft mit ihr zusammen. Die Sache zu Hallowe'en war gerade noch mal gut
gegangen. Was wenn das wieder passieren würde? Sie musste etwas tun. Aber was?
Was wäre das Richtige?
Sie wollte ihm etwas schenken, etwas von dem sie beide würden zehren
können, wenn doch das Unvorhergesehen passieren würde.
"Shin?” Dawn kniete sich vor ihren erstaunten Freund. Er war gerade
mitten in seiner Erzählung gewesen, als er merkte, dass Dawn's Gedanken
abgeschweift waren. Er hatte einfach weitergeredet. Ihm gefiel diese Geschichte
so gut, das es ihm nichts ausgemacht hatte, als Dawn nicht zuhörte. Was konnte
sie nun wollen?
"Shin, ich hab' nachgedacht. Vi’s Tod hat mir so einiges klargemacht. Das
Leben ist kurz, auch wenn ich mal wiedergeboren werde. Trotzdem hätte ich dich
dann verloren. Und du mich. Ich möchte dir etwas schenken, dass uns beide für
immer an diesen Tag erinnern wird. Shin ich ...ich ..möchte mit dir schlafen”
"Was?” Shin war baff, das hatte er nun wirklich nicht erwartet. Er
liebte Dawn, aber ihre Offenheit erschreckte ihn ein wenig.
”Dawn, ich bin überrascht.”
"Was ist, freust du dich nicht?” Dawn wurde rot, war sie zu schnell
gewesen? Aber das Leben war doch so kurz, das hatte sie heute gelernt.
"Doch natürlich freue ich mich, aber ich bin mir sicher das ich dein
Geschenk ablehnen muss."”
"Was? Warum?" Dawn war enttäuscht.
"Versteh mich bitte nicht falsch. Ich liebe dich und würde sehr gern mit
dir diesen Schritt tun, aber ich bin mir sicher das DU diesen Schritt heute aus
den falschen Gründen tun willst.”
"Was meinst du damit?"
"Sieh mal..." Shin küsste Dawn zärtlich, "Du bist heute mit dem
Tod konfrontiert worden, du glaubst, dass das Leben zu kurz ist, du willst noch
etwas tun, bevor du stirbst. Aber so schnell stirbt es sich nicht. Glaub mir,
mein Engel, wenn es nach mir geht, werden wir zusammen alt und grau.” Dawn
musste lächeln.
"Aber kuscheln können wir doch, oder?" fragte sie mit einem
verschmitzten Ausdruck im Gesicht.
Shin musste lachen. "Klar können wir kuscheln.” Und mit einem innigen
Kuss bewies er es ihr.
"Ich hab noch was für dich.” Dawn löste sich aus seinen Armen und
sprang vom Bett auf. "Weißt du, vor kurzem war ja Valentinstag und ich bin
zwar keine Japanerin, aber ein bisschen was weiß ich doch.” Ganz stolz reichte
sie ihm eine große Metalldose, die mit einer roten Schleife umwickelt war.
"Danke, was ist da drin?” Shin küsste seine Freundin und löste die
Schleife. "Oh, man, du hast selber Kekse gebacken? Ich bin beeindruckt.”
Dawn wurde rot vor Stolz, hatte ihre Klassenkameradin doch nicht recht
gehabt. Sie war ebenfalls Japanerin und hatte Dawn erzählt, das die Mädchen in
Japan den Jungen selbstgebackene Kekse zum Valentinstag schenkten.
"Oh, jetzt habe ich aber gar nichts für dich!” Verlegen kreuzte Shin die
Arme hinter seinem Rücken.
"Das macht doch nichts," rief Dawn und umarmte ihn.
"Na ja, vielleicht gefällt dir ja das?” Aus der Hosentasche zog Shin eine
Kette hervor.
"Oh mein Gott, sie ist wunderschön," hauchte Dawn. Der Anhänger
hatte die Form eines Herzens und eine Gravur befand sich darauf. Es waren die
Buchstaben S und D, perfekt ineinander verschlungen, so das man nicht sagen
konnte, wo sie aufhörten, aber doch jeden Buchstaben für sich erkennen konnte.
Einige Zeit später, als der Mond durch das Fenster schien, konnte man einen
Jungen und ein Mädchen ausmachen, die eng aneinandergekuschelt auf einem Bett
lagen und schliefen. Beide sahen glücklich aus und ein Lächeln war in jedem
Gesicht zu sehen.
+++
Buffy's Wohnung
selbe Zeit
"Geht es dir wirklich gut?” Es mochte bereits das dritte Mal an
diesem Abend sein, dass Xander diese Frage stellte.
Sie hockten auf der Couch in Buffy's Wohnzimmer. Xander trug noch seinen
Anzug von der Beerdigung, aber die Jägerin hatte es sich in einem
Trainingsanzug gemütlich gemacht. Sie hatten zusammen gegessen, und etwas
ferngesehen, aber die letzte halbe Stunde, war der Fernseher nur mehr im
Hintergrund gelaufen, während die beiden Freunde ihren Gedanken nachhingen.
Buffy versuchte ein Lächeln auf ihr Gesicht zu zaubern, doch der Versuch ging
daneben und die Mundwinkel verzogen sich automatisch nach unten. "Hat es
Zweck zu lügen?” fragte sie hoffnungsvoll, erntete aber nur ein Kopfschütteln
ihres alten Schulfreundes.
"Komm schon Buffy, erzähl dem guten alten Xander was mit dir los ist. Ist
es die Beerdigung gewesen? Jeder von uns hasst solche Situationen und doch
haben wir schon genug erlebt um…”
"Nein," unterbrach sie ihn "Oder doch…auch… Alles verändert
sich… Wir verändern uns. Freunde sterben oder gehen weg… Ich hatte geglaubt
alles würde sich bessern nachdem wir in Sunnydale gesiegt hatten, aber es
ändert sich gar nichts. Es gibt nur noch mehr Freunde die man verliert, neue
unbekannte Feinde, einen neuen Höllenschlund und dann dieses Gefühl, dass ich
immer die verliere die ich liebe … Angel, meine Mum, ...”
Sie seufzte, sah zu Xander hinüber, der nur schweigend zuhörte und
flüsterte dann weiter. ”…Spike.” Tränen füllten ihre grünblauen Augen.
"Und nun habe ich den Eindruck alle entfernen sich von mir.”
"Hey." Vorsichtig nahm Xander seine Freundin in den Arm und drückte
sie an sich. Er konnte sie zu gut verstehen, er selber kämpfte ja mit den
gleichen Zweifeln. "Ich bin da.” Tröstend klang seine Stimme in ihren
Ohren. "Es ist doch nur logisch, dass wir uns verändern, das bedeutet
nicht das wir uns voneinander entfernen. Wir sind alle zusammen geblieben, ist
das nichts? Was meinst du warum? Es ist nicht nur der ewige Kampf gegen das
Böse, es ist auch die Freundschaft die uns zusammenhält.”
Fast hatte er das Gefühl, er hätte diese Worte nicht für sie, sondern für
sich selbst gesprochen. Noch vor kurzer Zeit hatte er über die Entfremdung zu
seinen Freunden nachgegrübelt, doch er hatte Unrecht behalten. Sie hatten
vielleicht weniger Zeit miteinander verbracht, aber an ihrer inneren
Verbundenheit hatte sich nichts geändert.
Er spürte, wie ihr Schluchzen langsam versiegte und legte sein Kinn auf ihren
Scheitel, während er Buffy einfach weiter festhielt. "Du hast jetzt eine
Arbeit, trägst die Verantwortung des Jägerinnendaseins nicht mehr allein. Dawn
wird erwachsen…”
Vorsichtig blickte sie zu Xander hoch und strich ihm leicht lächelnd eine
Strähne aus dem Gesicht. "Wann bist du denn erwachsen geworden?” fragte
sie leise und ihr Lächeln verbreiterte sich. "Oder hab' ich das nur wieder
mal vergessen?"
Er hatte Recht und irgendwie wurde ihr ein wenig leichter ums
Herz. Sie war nicht allein, im Gegenteil… Sie erinnerte sich an ihre Gespräche
mit Willow und Giles. Natürlich hatten sich alle verändert, aber sie waren
und blieben Freunde. Sozusagen eine Familie.
Sie hatten sich hingesetzt und Xander hielt immer noch seinen Arm um sie
geschlungen, schweigend und doch verbunden wie schon lange nicht mehr.
Wie egoistisch sie doch gewesen war. In letzter Zeit hatte sie nur an sich und
ihre Probleme gedacht, und mit einmal wurde ihr bewusst, dass es den anderen
doch genauso gehen musste. Sie alle hatten mit Verlusten zu kämpfen, mit
Veränderungen in ihrem Leben und sie war nicht allein damit …
Irgendwann fühlte Xander das Buffy's Atemzüge ruhiger geworden waren und ihre
Hand lag schlaff auf seinem Knie. Vorsichtig um sie nicht zu wecken, legte er
sie auf das Sofa, zog die Decke, welche auf der Rückenlehne lag über sie und
sah zu, wie sich ihre Lippen im Schlaf zu einem Lächeln verzogen. Behutsam
drückte er seine Lippen auf ihre Stirn und sah noch eine Weile ihrem Schlaf zu,
bis er sich leise davon machte, um auch für sich selbst einen Schlafplatz zu
finden.
+++
Wohnung von Giles und Lily
selbe Zeit
"Denkst du, Faith wird es verkraften?” Lily reichte Giles eine
Tasse Tee über die Küchentheke hinweg und wandte sich dann ihrer Tasse zu,
um den Beutel zu überbrühen.
"Den Tod oder den Verlust?” fragte Giles etwas mürrisch und rührte den
Zucker um.
Lily sah kurz anklagend über ihre Schulter und fuhr dann mit der Teezubereitung
fort. "Ich meine, wir kennen Faith.. sie ist nicht gerade der Typ Mensch,
der seine Gefühle besonders gut unter Kontrolle hat..."
"Faith hat sich seit damals verändert.” Giles ging zu der Sitzecke und
nahm auf dem Sofa Platz. "Sie ist nicht mehr ganz der Hitzkopf, der sofort
zu Rachefeldzügen aufruft. Die Monate über mit Robin und den beiden jungen
Jägerinnen scheinen einen guten Einfluss auf sie gehabt zu haben. Ich schätze,
Vi's Tod wird daran nichts ändern, aber es wird nicht leicht für sie sein.
Das ist es nie.”
Bedrückt schob er die Tasse auf den Couchtisch und starrte in den kalten Kamin.
Er hatte so viele Menschen beerdigt...und es war nie leichter geworden. Jeder
Abschied war anders und auf seine spezielle Weise schmerzhaft. Selbst der
von Vi, die sie kaum gekannt hatten.
"Ich weiß, dass du aus Erfahrung sprichst...” Lily kam an seine Seite
und ließ sich neben ihn sinken.
"Für dich war es sicher auch nicht das erste Mal?" Giles sah sie
fragend an.
"Doch. Auf diese Weise schon. Ich habe Großeltern verloren, meine Mutter...
Personen eben, von denen man sich verabschieden muss, wenn die Zeit gekommen
ist. Und von meinem Vater gab es leider nicht mehr sehr viel, von dem man
sich hätte verabschieden können...” eine dunkle Wolke zog über ihr Gesicht,
als sie an die Explosion im Ratsgebäude dachte, und an ihren Vater, der schon
lange im Ruhestand gewesen war, aber es sich trotzdem nicht hatte nehmen lassen,
täglich in der Zentrale vorbeizuschauen. "Ich habe noch nie jemanden
beerdigt, der ermordet wurde. Egal ob übernatürlich oder nicht. Der leere
Sarg meines Vaters zählt nicht wirklich..."
Wenn Giles das nur auch von sich behaupten könnte... sein Blick nahm etwas
Trauriges an, als er von Lily wegsah.
"Ich glaube, ich war etwas taktlos?" Lilys Stimme klang betreten,
als ihr bewusst wurde, dass Giles durch sie unangenehm an die Vergangenheit
erinnert wurde.
"Nein.... nein nicht wirklich,” lächelte Giles betont
beruhigend. "Es sind nur diese alten Erinnerungen, die man glaubt, längst
verdrängt zu haben und die plötzlich wieder ohne Vorwarnung auftauchen.”
"Oh ja, das kenne ich,” Lily streichelte beruhigend über seinen Arm und
kuschelte sich etwas näher an ihn heran. "Aber was wären wir ohne unsere
Erinnerungen?”
"Das Gleiche, wie ohne unsere Leidenschaft - ein Nichts.. leer und einsam,"
sagte Giles melancholisch und legte einen Arm um Lily, froh darüber jemanden
wieder zu haben, mit dem er alte Erinnerungen teilte und auch die Leidenschaft.
"Glaubst du, Faith hat recht?”
"Mit was genau? Das dieser Pfeil verhext war?"
"Ja, damit," Lily klang weniger überzeugt. "Ich bin mir selbst
nicht sicher... aber das klingt doch ziemlich weit hergeholt. Nicht, dass
ich damit Vi's Tod verharmlosen möchte.. dafür fühle ich mich viel zu sehr....betroffen...
Aber selbst wenn der Pfeil verhext war.. wieso sollte er Faith 'umgehen’,
um dann Vi zu treffen? Die Jägerinnen waren doch aus purem Zufall in dieser
Lagerhalle.”
"Natürlich waren sie das, aber wir wissen doch gar nicht, auf welche
Weise dieser Pfeil verhext war. Es gibt unendlich viele Möglichkeiten. Eine
davon schien auf Vi gepasst zu haben.”
"Du glaubst wirklich, Faith hat recht,” Lily klang ein wenig überrascht.
"Also, ich denke, Faith ist von der Situation überfordert und bildet
sich Dinge ein, um eine Erklärung für den Tod von Vi zu finden. Aber dabei
übersehen wir etwas Wesentliches - ihr Phantombild ist doch eindeutig ein
Dämon! Sicher gehört er zu einer dieser Dämonensekten, die heimlich irgendwo
ihre Messen abhalten. Die Kutte spricht doch ziemlich dafür.”
Giles' ernster Gesichtsausdruck veränderte sich zu einem breiten, amüsierten
Lächeln. Er hatte zwar zu erst auffahren wollen, um Faith in Schutz zu nehmen
oder um Lily zu unterbrechen, ehe sie ihre eigene Theorie weiterverfolgen
konnte...doch dann hatte er eingesehen, dass Lily, nur wie sie alle versuchte,
die wahrscheinlichste Theorie über Vi's sinnlosen Tod herauszufinden. Jeder
trauerte auf seine Weise und davor hatte Giles Respekt. Er wollte jetzt nicht
mit einem Streit anfangen. "Ich denke deine Theorie klingt nicht weniger
abenteuerlich als die von Faith...."
Lily seufzte einsichtig. "Da hast du natürlich recht...
aber ich finde sie klingt noch eher wahrscheinlicher als ein verhexter Pfeil.”
"Am besten versuchen wir in beide Richtungen zu recherchieren, damit
wir nichts übersehen.”
Lily überlegte kurz, ob sie Giles weiter widersprechen sollte, doch sie wusste,
dass er einmal auf eine Fährte gebracht, nicht so schnell wieder abzulenken
war. Und es war einfach im Moment so gemütlich neben ihm, dass sie es nicht
durch einen Streit ruinieren wollte.
+++
Sunnydale, Dezember 2001,
nachts, auf einer Straße
"Tut
mir echt leid, Baby, ich hab's nicht eher geschafft!" Warren knipste
sein Entschuldigungs-Lächeln an, doch er konnte sehen, dass Catherine nicht
besonders beeindruckt war. Ihr Blick fuhr nervös hin- und her, und alle paar
Minuten lief ein Zittern durch ihren Körper. "Wo warst du so lange? Ich
hab' auf dich gewartet!"
"Ich hatte noch zu tun," antwortete er ausweichend. Das 'zu tun'
hatte darin bestanden, darauf zu warten, dass Andrew endlich einschlief, und
darauf zu hoffen, dass Jonathan nicht aufwachte. Er hatte kein Interesse daran,
dass die zwei Trottel etwas von seinem nächtlichen Ausflug mitbekamen, das
würde nur Ärger geben.
"Ich hab' dich so vermisst, Baby!" Mit der Hand fuhr er durch ihr
schulterlanges, dunkelblondes Haar, und blickte ihr tief in die Augen.
Catherine war ihm vor einigen Wochen buchstäblich aus dem Nichts
erschienen. Nun gut, ein Mädchen, das sich aus der leeren Luft heraus
materialisierte, gehörte selbst in Sunnydale noch zu den verrückteren Dingen,
aber die Begegnung hatte sich als durchaus positiv erwiesen.
Catherine war eine Hexe. Und wenn sie auch die meiste Zeit ziemlich high
von ihrem Magiezeugs war, und eine Menge Unsinn laberte, so hatte sie doch
einiges mehr drauf als Jonathan, und das konnte sich vielleicht noch als
nützlich erweisen.
"Und was gibt's Neues in Dimension X?" Warren hatte entschieden,
dass er seinen Soll an Nettigkeiten nun erfüllt hatte, und es an der Zeit fürs
Geschäft war. "Vergiss nicht," fügte er mit samtweicher Stimme hinzu,
"je eher wir diese Kugeln haben, desto schneller sind wir reich, und
kommen aus diesem Kaff raus. Villen. Autos, schicke Klamotten, Parties! Nur du
und ich, Baby... nur du und ich..."
"Sie sind hier," murmelte Catherine, "...hier in dieser
Dimension...aber um sie zu orten, braucht man einen mächtigen Zauber, und jede
Menge Utensilien. Ich muss noch einmal in die Nezzla' Dimension zurück, um es
herauszufinden...."
"Aber klar doch." Zwar hatte Warren keine Ahnung, wieso man Geld
brauchte, um in irgendeine Dimension reisen zu können, aber er kannte dieses
Stichwort schon. Er kramte ein paar Hundertdollarscheine aus der Hosentasche
seiner Jeans, und steckte sie Catherine in den Ausschnitt. "Hier, Baby.
Schreib' mir 'ne Ansichtskarte."
Das Mädchen fuhr mit den Händen zur Brust, und umklammerte die Scheine.
Nervös flog ihr Blick hin- und her. "Ich...ich muss jetzt geh'n."
Ohne ein weiteres Wort drehte sie sich um, und hastete die Straße entlang. Es
war eine Sackgasse, die in einen Hinterhof mündete.
Doch sie kam niemals dort an. Kurz davor löste sie sich plötzlich in Luft
auf, als habe jemand sie weggebeamt. Kopfschüttelnd wandte Warren sich ab, und
machte sich auf den Heimweg.
+++
Autopsy Report
Sunnydale Department of Health
Case File: F202- 864
Name: Tara Maclay
Todesursache: Herzstillstand in Folge einer Schussverletzung
Todesart: Fahrlässige Tötung
Bericht: Das 9mm große Geschoss trat mit großer Wucht in den Herzbeutel ein, und
zerstörte diesen fast vollständig. Eintrittswunde befindet sich neben dem
linken Schulterblatt. Austrittswunde an der linken Brustseite, direkt über dem
Herzen. (Notiz: Geschoss hätte nach dem Austritt normalerweise die
zweite, dem Opfer gegenüberstehende Person treffen müssen, Kugel war aber am
Tatort nicht auffindbar. Für dieses seltsame Vorkommnis wurde bisher keinerlei
Erklärung gefunden.)..........
...............
........
Abschlussbericht der Anatomie und Spurensicherung
Cleveland Police Department
Zuständiger Beamter: Detective Patrick Delaney
Pathologe: Dr. Beverly Franklin
Name des Opfers: Vivian Claimore Alter:17
Rasse: weiß
Todesursache: Herzstillstand in Folge einer Schussverletzung
Todesart: unbestimmt, fahrlässige Tötung oder Mord
Bericht: Opfer wurde mit einer Armbrust getötet, der Pfeil drang durch die linke
Brustseite ins Herz ein. (seltsamerweise keinerlei Austrittswunden)....
...............
....
Cleveland, Gegenwart,
Appartment von Xander und Andrew,
selbe Nacht
Der
flimmernde Computerbildschirm tauchte Xander Harris' Wohnzimmer in ein kaltes
geisterhaftes Leuchten. Die einzigen Geräusche, welche die nächtliche Stille
durchdrangen, waren das Surren des Ventilators, Andrew's friedliche Atemgeräusche,
und das Klackern der Tastatur.
Andrew war, wie nicht anders zu erwarten, beim fünften Star Trek Film
eingeschlafen. Zusammengerollt, wie ein Kätzchen lag er auf der Couch, das
Gesicht zwischen Kissen, und Stoffpinguin vergraben, so dass nur noch sein
wuscheliger Haarschopf sichtbar war. Wär’ da unter der Decke nicht noch der
Rest von ihm gewesen, man hätte ihn glatt für einen Tribble halten können.
Oder einen zu groß geratenen Ewok.
Warren wandte sich wieder dem Bildschirm zu. Es war ein Klacks gewesen,
sich einen Zugriff zu den Polizeicomputern zu verschaffen, man konnte meinen,
diese Leute legten keinen Wert auf Sicherheit. Aber wahrscheinlich kamen sie
gegen ein Hackergenie wie ihn einfach nicht an. Er verzog die Lippen zu einem
grimmigen Lächeln, und scrollte das Bild weiter runter.
Andrew rollte sich im Schlaf herum, und gab ein leises, undefinierbares
Maunzgeräusch von sich. Sicherheitshalber klickte Warren die Seiten weg, vom
Sofa aus konnte man den Bildschirm sehen, und es bestand durchaus die
Möglichkeit, dass die kleine Nervensäge wach war.
"Was guckst du so?" Verschlafene Blauaugen öffneten sich, und ein
Gesicht bahnte sich seinen Weg unter der Decke hervor. Wie so oft hatte er das
Gefühl, dass diese Augen zum ersten Mal in diese Welt blickten. Andrew war ein
Wesen von jenseits der Galaxis, das nur zufällig hier gestrandet war, und keine
Ahnung hatte, wo es sich befand, und was es überhaupt hier sollte.
Manchmal fragte er sich, wie ein Planet aussehen konnte, auf dem solch
seltsame Geschöpfe lebten, und meistens kamen ihm Einhörner, und rosa
Zuckerwattewolken in den Sinn.
"Ich hab' nur grad überlegt, ob es sich lohnen würde, dich auf eBay zu
versteigern." Abschätzend sah er seinen Freund an, welcher sofort das
Gesicht verzog, und eine furchtbar beleidigte Miene aufsetzte. "Aber da
müsste ich wahrscheinlich noch ein paar gute DVDs dazulegen, damit ich dich
überhaupt loswerde!"
"Verkauf dich doch selber!" Andrew warf nacheinander ein Kissen,
eine herumliegende Jeans, und den Stoffpinguin nach Warren, und krabbelte unter
die Decke zurück. "Und setz' in die Beschreibung rein, dass man dich auf
dem Sondermüll entsorgen muss!"
Warren stieß sich am Computertisch ab, um mit dem Stuhl in Richtung Couch
zu rollen, und riss Andrew mit einem Ruck die Decke weg. Dieser kreischte auf,
und versuchte nach Warren zu treten, erwischte aber nur den Pinguin, den der
andere Junge wie einen Schild vor sich hielt. "Soll das jetzt 'n Anschlag
auf Tux werden?" grinste Warren, und packte Andrew's bloßen Fuß mit seiner
freien Hand. "Was bezahlt Bill dir dafür?"
"Kill Bill!" Andrew machte einen halbherzigen Versuch, seinen Fuß
zu befreien, und ließ sich dann mit einem tiefen Seufzer auf die Couch zurücksinken.
"Lass uns den Southpark Movie angucken!"
"Ich bin hier aber beschäftigt," sagte Warren betont kühl, ließ
Andrew los, und deutete mit einem Kopfnicken zum PC.
"Du hast das blöde Ding viel lieber als mich!"
"Ich hab' einen Rosamunde Pilcher Film lieber als dich!"
"Na,
fein." Andrew setzte seine beleidigtste Miene auf. "Ich kann
meine Filme auch alleine angucken. Dich brauch' ich dazu bestimmt nicht. Du
bist ein Trampel, und eine Nervensäge, und hast keine Ahnung von gar nichts,
und außerdem kommen Leute aus deinem Hintern! Das heißt, ich bin schon dabei,
dich aus meinen Gedächtnis zu löschen..."
Er brabbelte solange weiter, bis Warren sich schließlich genervt umdrehte.
"Weißt du, ich hab' da grad so 'ne Vision von einer schönen großen
knallrot gezeichneten Stange Dynamit, die ich anzünde, und dir damit das Maul
stopfe!"
"Zu deiner Information, ich bin einer von den Guten, und hier gibt es
kein Dynamit!" Andrew zog die Decke bis übers Kinn hoch, und warf Warren
über den Rand einen bösen Blick zu.
Dieser verzog das Gesicht zu einem hinterhältigen Lächeln. "Du
scheinst vergessen zu haben, dass ich ein Bösewicht bin. Ich hab' immer 'ne
Dynamitstange dabei, das liegt in meiner Natur!"
Es klickte leise, als er den Bildschirm ausschaltete, und das Zimmer in
völlige Dunkelheit tauchte.
+++
Cleveland, Hafengegend
Lagerhalle, früher Morgen)
"Uhm...Willow?”
"Was ist?” wisperte sie.
"Du sitzt hier schon seit 5 Minuten, und mehr als einen Lufthauch hat
das Ganze anscheinend doch nicht gebracht.” Faith hockte vor Willow, und beobachtete
sie.
"Immerhin sind die Kerzen ausgegangen,” antwortete Willow, und sah Faith
mit einem wirren Blick an. Die ersten Sonnenstrahlen warfen Licht durch die
dreckigen Fenster, und das Zwitschern der Vögel, hauchte dem doch so leblosen
Ort ein bisschen Helligkeit ein.
"Hast du damit wenigstens irgendetwas herausgefunden?” fragte Faith schon
fast verzweifelt. Die Hüterin hatte es schon mit jeglichen Zaubern versucht.
Mit Kerzen, ohne Kerzen und mit Pulver, ohne Pulver, Amuletten und mit Räucherstäbchen,
so jedenfalls kam es Faith vor. Auch die ganze restliche Palette an Zauberutensilien,
die sie sowieso nicht verstand, half nichts.
"Tut mir leid, aber anscheinend gibt, oder gab es hier nicht einen Funken
Magie. Soweit ich es überprüft habe, wäre nicht einmal ein Kartentrick ungeschert
davon gekommen.”
"Was soll das? Es kann einfach nicht möglich sein!” Faith richtete sich
auf, und drehte sich einmal im Kreis. Die beiden hatten jeden Winkel durchsucht,
und jedes Staubkorn zwei mal umgedreht. "Haben uns wieder eine ganze
Nacht umsonst um die Ohren geschlagen? Gibt es noch irgendeine andere Möglichkeit?”
"Manche Zauber findet man nur, wenn man genau weiß, wonach gesucht wird.
Und das wissen wir leider nicht. Ich will dich wirklich nicht enttäuschen...
aber ich wollte es auch lange nicht begreifen, dass Tara’s Tod ebenso sinnlos
war, und auch keinen übernatürlichen Grund hatte.”
"Schon mal darüber nachgedacht, wenn es doch so ist, auch wenn du jede
Möglichkeit ausgeschlossen hast? Wir wissen es nicht, und ich habe keinen
Geist gesehen, glaub mir.”
"Ich denke, wenn es mir ein Höheres Wesen sagt, wird es wohl so sein.”
Eigentlich meinte Willow Tara, und das war Faith auch bewusst.
"Ich bin einfach am Ende,” antwortete Faith nachdem sie ein paar Sekunden
verstreichen ließ. "Was für einen Sinn sollte das Ganze haben? Wieso
hat es nicht einfach mich getroffen? Ich habe schon viel mehr verbrochen,
als Vi.”
"Vielleicht sollten wir einfach eine Pause machen...”
"Eine Pause? Wann willst du weitermachen? Wenn Gras über ihr Grab gewachsen
ist?"
"Wenn du dich nicht mehr so fertig machst,” entgegnete Willow ruhig.
Sie hätte sich selbst jemanden gewünscht, der ihr in so einer Situation den
nötigen Halt gab. Auch wenn sie Faith wohl auch nicht die richtige Unterstützung
entgegen bringen konnte. Sie kannten sich einfach zu wenig.
Willow packte die Reste ihrer Mitbringsel in ihre Tasche, und winkte Faith,
ihr zu folgen.
Diese ging widerwillig hinter der Rothaarigen her. Die Lagerhalle musste doch
nur so von Magie strahlen, wenn hier ein Mord geschehen war.
Ein paar Meter lang sagten beide gar nichts, und nun gingen die zwei durch
eine schmale Gasse, die ihnen zuvor nicht aufgefallen war. Einfach ein kürzerer
Weg, zur Hauptstraße zu gelangen.
"Noch einen letzten Zauber,” entgegnete Faith, als Willow bereits
in die nächste Straße einbiegen wollte. Trotz der Verzweiflung doch keinen
Anhaltspunkt zu finden, wollte Faith einfach nicht locker lassen. "Wir
haben die Umgebung nicht genug durchsucht. Eigentlich gar nicht. Und ich weiß,
in welche Richtung der Täter gerannt sein muss. Vielleicht gibt es hier noch
eine Spur, in dieser Gasse...”aus der Jägerin sprudelte es nur so.
Wortlos hielt Willow, und lächelte Faith zu. Es gab noch eine Möglichkeit,
und das war wohl die einzige, noch mögliche Alternative zu einer Spur zu kommen.
Anscheinend kam man wohl immer zum Schluss auf die vielleicht rettende Idee.
Willow murmelte eine lateinische Formel, für ein paar Minuten die selbe. Zuerst
schien es nicht ganz zu funktionieren. Faith verlor schon fast die Geduld.
"Gut Ding will Weile haben,” entgegnete Willow, als Faith sie erwartungsvoll
ansah.
Die Hexe spürte es, wenn auch nur wenig davon. Sie lehnte sich seitlich
an die Mauer, um nicht an Gleichgewicht zu verlieren, und der Spur zu folgen.
Ihr Körper zitterte leicht, und ihr Atem kristallisierte. Langsam wurde mehr
daraus, und Faith's Blick folgte dem weißen Nebel, der langsam an Größe zunahm,
und sich aufteilte. Eine weiße kalte Spur zeichnete sich durch die Gasse,
in eine nächste und nächste.
Willow ging einen Schritt, gefolgt von Faith. Es dauerte nicht lang, bis die
beiden merkten dass sie im Kreis gelaufen waren. Vor ihnen prangte der Eingang
der Lagerhalle, mit seinem großen Tor, von dem schon langsam Farbe abblätterte.
"Auf ein Neues,” sagte Faith gespielt enthusiastisch, und drückte die
Klinge herunter.
Sie folgten dem eisigen Nebel weiter, und standen nun vor einer grauen Tür,
die sich nicht allzu sehr vom Farbton der Wand abhob. Schwer zu erkennen,
aber doch hatte Faith schon vor Tagen festgestellt, das sich nichts Aufregendes
im Raum dahinter befand. Ein paar alte Kehrbesen, Regale, eine kaputte Fensterscheibe,
nichts was erwähnenswert wäre.
"In diesem Raum herrscht ein ganz schönes Durcheinander!” Willow trat
hinter Faith ein.
"Die nächste Tür führt ins Leere. Einfach ein Hinterausgang." Faith
lehnte sich enttäuscht an die braune Holztür, am anderen Ende der Abstellkammer.
"Wahrscheinlich ist der Täter hier durch gekommen, um seine bösen Machenschaften
zu verrichten. Anscheinend kommen wir mit diesem Raum auch nicht viel weiter!”
Faith war kurz davor ein Loch in die Mauer zu schlagen, als keine Spur und
kein weiterer Weg in Aussicht war.
"Doch!" Willow hob die Hand, und deutete auf die Holzdecke, durch
die ein kleiner Spalt zu erkennen war.
"Wieso ist uns das nicht aufgefallen?” Faith überprüfte die Festigkeit
der rostigen Regale, und zog sich hoch. Nachdem sie Halt gefunden hatte, überprüfte
sie die Decke des Raumes.
"Jedenfalls ist das hier sicher nicht magisch. Das wäre mir schon früher
aufgefallen. Auch wenn ich nicht weiß, wieso uns die Spur nun hier her geführt
haben soll."
"Vielleicht deswegen," entgegnete Faith, als sie die Holzbretter
aufschlug, und ihr Blick auf einen schwarzen Stoff, und eine Maske fiel, auf
welcher eigenartige exotische Zeichen eingeritzt waren.
AKT 3
Einmal, nur einmal hab' ich einen Menschen getroffen, von dem ich geglaubt
habe, dass er mich versteht. Dieser Mensch warst du. Ich hab' mich dir
verbunden gefühlt, mein Geheimnis mit dir geteilt. Du und ich - wir waren zwei
Seiten derselben Medaille.
Aber du hast dich von mir abgewendet, und inzwischen ist mir klar, dass ich
dir nie etwas bedeutet habe. Ich war gut genug, um deine Einsamkeit zu lindern,
als du alleine warst, aber du hast mich in meiner zurückgelassen. Meine
Dunkelheit hat dich magisch angezogen, doch in deiner Welt des Lichts war kein
Platz mehr für mich.
Doch du trägst die Dunkelheit in dir, du kannst sie nicht verleugnen. Ich
kann sie sehen, weil ich mich in dir spiegle.
Du gehörst nicht in diese lichte Welt.
Du gehörst in die Dunkelheit.
Zu mir.
Ratszentrale,
etwas später
.'...und wieder die alte Leier, dachte Faith, als sie mit den anderen
im Wächterhaus saß und über unzähligen okkulten Büchern brütete.
Wieder saß man einfach rum und wälzte irgendwelche Schwarten, die sowieso kaum
jemand lesen konnte, anstatt raus zu gehen und direkt vor Ort nachzuforschen.
Zwar hatten ihre Versuche, in der Halle etwas herauszufinden, zu nichts
geführt, aber das wollte sie nicht gelten lassen. Irgendetwas musste es
geben...war diese Maske wirklich die Antwort auf ihre Fragen? Zumindest würde
sie sie vielleicht zu dem Schuldigen führen, und dieser hatte vielleicht noch
ein paar Antworten, bevor sie ihn zu Mus verarbeitete.
Robin spürte Faith' Unruhe und wollte näher in ihre Richtung rücken, aber
ihr Blick sprach Bände. Im Augenblick Band Nummer 25: "Ich kann keine
Beruhigungsversuche gebrauchen". Robin seufzte und blieb an Ort und
Stelle.
"Haben Sie schon was?" richtete in diesem Moment Nadine eine Frage an
Giles. Vi's Freundin hatte in Giles' Arbeitszimmer übernachtet, war aber schon
früh am Morgen aus dem Schlaf gerissen worden, als Faith mit Umhang und Maske
auf den Armen die Wohnung gestürmt hatte. Jetzt beteiligte sie sich natürlich
an den Recherchearbeiten.
Trotz der frühen Stunde war sie perfekt frisiert und zurechtgemacht, saß
kerzengrade auf ihrem Stuhl, und lauschte mit größter Aufmerksamkeit den Worten
des Wächters.
Dieser blickte kurz auf und schüttelte leicht den Kopf. " Bis jetzt
nicht," erwiderte er missmutig. Ihm ging die ganze Sache auch ziemlich an
die Nieren, so sehr er sich auch bemühte, so gefasst und ruhig zu wirken wie
immer.
"Aber die Maske ist doch nicht vom Himmel gefallen," murmelte
Kennedy, "es muss da irgendwas geben...."
"Gibt es auch," kam plötzlich Lily's Stimme hinter einem der
dickeren Bücher hervor. Sie stand auf und versuchte, das Buch auf dem völlig
überladenen Tisch auszubreiten, was natürlich mit einigen Schwierigkeiten
verbunden war und dazu führte, dass sich mehrere Bücher in Richtung Fußboden
verabschiedeten.
Giles runzelte die Stirn und schenkte Lily einen leicht verärgerten Blick.
Sie hätte doch jemanden fragen können, der die Bücher dann weggelegt hätte.
Lily schenkte ihm ein entschuldigendes Lächeln, wurde aber sofort wieder
ernst und deutete auf eine Abbildung. "Ist das nicht unsere Maske?"
fragte sie in die Runde. Ihre Frage wurde mit einem zustimmenden Nicken seitens
der anderen Anwesenden beantwortet.
"Und wer trägt so was?" fragte Kennedy.
"Thug'sahas. Eine Dämonenart die ursprünglich aus Indien stammt. Sie
verehren die Todesgöttin Kali und bringen ihr regelmäßig Opfer dar, die sie
zuerst fangen und dann rituell ermorden, damit ihre Göttin sich von dem Fleisch
der Toten ernähren kann. Ihre Riten und Glaubenssätze wurden später während der
Kolonialzeit von einer Gruppe Rebellen übernommen, die sich die Thugs nannten.
Zwar verwenden sie keine Masken mehr, aber essentiell war es der gleiche
Kult."
Robin hob eine Augenbraue, denn der Text war komplett in....nun, irgendeiner
Sprache geschrieben, die er nicht kannte.
"Sie sind ja ziemlich schnell beim Übersetzen", murmelte er,
woraufhin Lily einfach nur den Kopf schüttelte und einen zerknitterten Zettel
hochhielt. "Anscheinend fand Rupert den Text irgendwann vor Jahren mal
wichtig und hat eine Übersetzung angefertigt und die gleich hier eingeheftet.
Ordnung ist nun mal eine Tugend."
Andrew, der bis zu diesem Zeitpunkt stumm in der Ecke gesessen hatte -
möglichst weit von Faith entfernt - hatte während Lily's Bericht die Stirn
gerunzelt und offenbar angestrengt überlegt. Nun stand er auf.
"Ich muß gleich zur Arbeit, aber wenn ich was fragen darf.... Thugs? Dann
sind das also die gleichen wie bei Indiana Jones? Da hat er doch auch gegen
diese ganzen Typen gekämpft, die irgendwas von Kali gebrabbelt haben.....ach
ja, wenn Indy hier wäre, wär’ das alles ganz schnell erledigt...."
Giles räusperte sich, bevor er sagte: "Na ja, nicht ganz...die echten Thugs
haben niemanden in Minen arbeiten lassen, nur damit man nachher eine rasante
Fahrtsequenz einbauen kann."
Völlig perplex sah Andrew ihn an, dann aber leuchteten seine Augen
auf. "Sie haben den Film gesehen? Die Fahrt war doch ganz in Ordnung....eklig
fand ich das nur mit den ganzen Insekten und...."
"Andrew....geh zur Arbeit", schnitt ihm Giles das Wort ab. Dafür war
im Augenblick keine Zeit...einmal davon abgesehen, dass sein Ruf als
gebildeter, vernünftiger Mann gerade dabei war, Schaden zu nehmen.....er
erinnerte sich noch an damals, als Xander das Fernsehgerät entdeckt hatte.....
Andrew war erstaunlicherweise nicht beleidigt, zuckte nur mit den Achseln
und trollte sich.
"Gut, zurück zum Thema....wie sehen die Dämonen denn aus? Und vor allem, wie
macht man sie fertig?" kam jetzt die Frage von Buffy. Auch sie war froh,
dass man jetzt irgendetwas unternehmen konnte.
"Sie besitzen meist vier bis sechs Arme und sind um die zwei Meter
groß," begann Giles seine Ausführungen. "Ihre Haut reicht von dunklen
Grün- bis zu hellen Gelbtönen. Da sie das Sonnenlicht nur bedingt vertragen,
halten sie sich meistens in dunklen Höhlensystemen auf. Sie verfügen über
beachtliche Körperkräfte und große Wendigkeit. Thug'sahas sterben, wenn ihnen
massive Verletzungen zugefügt werden. Diese können durch jede Art von Waffe
herbeigeführt werden."
"Giles, Sie sollten sich als Moderator bei Animal Planet
bewerben," kommentierte Buffy schließlich seinen echt schulmeisterlichen
Vortrag.
"Gut," sagte sie dann, "da wir ja jetzt wissen, womit wir es zu
tun haben, schlage ich vor, wir greifen uns ein paar Waffen und suchen unser
städtisches Höhlensystem auf." Sie wollte schon mit gutem Beispiel voran
gehen und schritt zur Waffentruhe, als Faith sich zu Wort meldete.
"Moment. Es ist ja ganz okay, dass wir jetzt schon mal was haben, aber das
kommt nicht ganz hin. Giles, haben diese Thugs irgendwelche magischen
Kräfte?"
Giles schüttelte den Kopf. "Nicht von Natur aus. Natürlich könnten
sie Magie erlernen wie jeder Mensch auch, aber....."
"Da hören wir’s doch. Das ist noch kein Beweis dafür, dass ausgerechnet
diese Kerle damit etwas zu tun haben."
"Faith", kam es jetzt aus dem Hintergrund von Willow, " wir
haben aber keine anderen Spuren...."
Faith wirbelte herum und starrte Willow an. "Das ging schnell. Kaum
spricht euer Oberguru, da schwenkt alles um." Giles wollte etwas
einwerfen, begnügte sich dann aber mit einem wütenden Blick in Faith's
Richtung.
"Faith, das hat damit nichts zu tun. Wir haben keine anderen Anhaltspunkte.
Ich habe nichts gefunden. Zumindest nichts Magisches. Dieser Hinweis ist besser
als keiner. Wir sollten der Sache nachgehen. Wenn wir falsch liegen, schadet es
doch keinem, wenn wir nachgesehen haben."
Es war Willow anzusehen, daß sie sich überhaupt nicht wohl fühlte. Es bahnte
sich ein Streit an, mit einer Faith, die im Augenblick eine kürzere Lunte als
sonst hatte.
"Doch. Der echte Täter kann dann abhauen."
"Faith das ist Unsinn. Er könnte auch verschwinden, wenn wir
untätig rumsitzen. Du wolltest doch was tun, oder nicht?" kam es von
Buffy.
Faith wollte schon auffahren, als Willow ihr ins Wort fiel. " Faith,
bitte....."
Faith blieb für einen Augenblick stehen, die Fäuste geballt, doch sie sagte
kein Wort....bis schließlich ihre Wut nachließ und die erschöpfte Frau darunter
zum Vorschein kam. "Okay, meinetwegen", murmelte sie schließlich.
"Dann ist soweit ja alles geklärt," sagte Robin, der aufgestanden
war und in Faith's Nähe stand, ohne ihr jedoch zu nahe zu kommen.
"Ich würde sagen...wir gehen runter," ergriff Kennedy die Initiative
und klappte die Waffentruhe auf.
"Ich geh' mir was anderes anziehen." Nadine blickte an sich
hinunter, ein Kostüm war wohl nicht das Richtige für einen Ausflug in die
Kanalisation.
"Na toll," murrte Kennedy, als sie den Raum verlassen hatte.
"Jetzt dürfen wir auch noch Sandra Dee babysitten..."
"Keiran hat mir versichert, dass Nadine eine fähige Kämpferin
ist," erklärte Giles. "Sie wird bestimmt keine Last für euch
sein."
"Wir können jede Hilfe gebrauchen," entschied Buffy die
Angelegenheit. Widerstrebend nickte Kennedy.
"Rupert und ich werden uns um weitere Recherchen kümmern...", kam
es von Lily, "Ich werde mal nachsehen, ob ich einen meiner Bekannten
erreichen kann. Dr. Head ist eine Koryphäe, was asiatischen Okkultismus angeht.
Vielleicht rückt er noch mit Informationen raus. Bin aber bald wieder
zurück."
Giles nickte. "Gute Idee. Ich werde in der Zwischenzeit noch mal meine
Bücher bemühen. Vielleicht finde ich auch noch was."
"Viel Spaß damit," entgegnete Kennedy und zog ein blitzendes Schwert
aus der Kiste...
Kanalisation von Cleveland,
nachmittags
"Spaß? Na, da hab ich mir was Besseres drunter vorgestellt," murmelte Robin, während er sich an der feuchten
Tunnelwand entlang drückte, um nicht in den mit allerlei Unrat gefüllten Kanal
zu treten, der die Mitte des Tunnels für sich beanspruchte.
Er rümpfte die Nase. Der Gestank war grauenhaft. Ein leichter Schauer durchfuhr
ihn, als er daran dachte, dass die Dämonen, die sie suchten, tatsächlich in
solchen Umgebungen lebten. Vielleicht hatten sie keinen Geruchssinn...oder sich
daran gewöhnt, was er allerdings für unwahrscheinlich hielt. An so etwas konnte
man sich nicht gewöhnen.
Er zuckte zusammen, als er hinter sich ein lautes Platschen und einen
unterdrückten Fluch hörte. Schnell drehte er den Kopf und sah, wie Kennedy das
stinkende Wasser von ihrem rechten Fuß schüttelte. Ihrem Gesichtsausdruck nach,
ging ihr das gleiche durch den Kopf wie ihm....sie sollten hier keine Minute
länger als nötig bleiben.
Er packte den Griff seiner Axt fester und machte sich dann vorsichtig daran,
weiterzugehen.
Etwas hinter ihm schritt Buffy. Sie trug wie Kennedy ein Schwert, allerdings
war sie sich nicht sicher, ob sie es hier sinnvoll benutzen könne. Es war
ziemlich eng und selbst jetzt behinderte die Waffe die Jägerin arg genug, um
lästig zu werden. Immerhin war sie den charakteristischen Geruch von
Abwasserkanälen aus ihrer Zeit in Sunnydale gewohnt, so dass zumindest ihr so
schnell nicht übel wurde.
Was man von Ronah nicht sagen konnte. Das Gesicht der jungen Jägerin war grau
verfärbt. Sie fühlte sich ganz und gar nicht wohl. Es war zwar ein harter Job,
Jägerin zu sein, das wusste sie ja mittlerweile, aber das hier war schlimmer
als der schlimmste Dämon, dem sie bisher begegnet war.
Wie viel Erfahrung Nadine schon mit solchen Dingen hatte, wussten sie
nicht, doch sie hielt sich zumindest tapfer. Bis auf eine leicht gerümpfte Nase
zeigte ihr Gesicht zeigte kaum Gefühlsregung. Sie hatte ihre übliche Kleidung
gegen Jeans und Turnschuhe getauscht, und trug ihre eigene Waffe bei sich,
einen orientalischen Scimitar. Anscheinend war sie immer auf alles vorbereitet,
das gehörte wohl zu ihrem Versuch, eine perfekte Jägerin zu sein.
Faith, die vorausging, schien von alledem nichts mitzubekommen. Vermutlich war
sie zu wütend dazu, meinte Buffy im Stillen.
Die ganze Geschichte war Faith immerhin noch mehr aufs Gemüt geschlagen als
ihr. Die dunkelhaarige Jägerin schien hin- und her gerissen zwischen ihrem
Wunsch, die Geschehnisse aufzuklären und ihrer felsenfesten Meinung, der
Hinweis den sie hatten, sei nicht genug.
Das war keine gute Kombination.
Plötzlich versteifte sich Faith und Buffy drehte das Schwert in ihrer Hand, um
schneller angreifen zu können. Sie waren an einer Kreuzung angelangt und Faith
hob die linke Hand, bedeutete den anderen, stehen zu bleiben.
'Immerhin,' dachte Buffy, 'scheint ihre Gefühlslage ihre taktischen
Fähigkeiten nicht mehr so stark zu beeinträchtigen und...oh mein Gott, ich
denke schon fast wie Giles.....das muss ich mir dringend abgewöhnen.' Leicht
den Kopf schüttelnd schlich sie näher an Faith heran. " Was gibt’s?"
Die andere Jägerin nickte nach rechts. "Irgendwas kommt da....."
Buffy nickte und gab einige Handzeichen nach hinten, bedeutete den anderen,
sich auf einen Kampf vorzubereiten.
Und nun hörte sie es auch. Unzählige leise Platschlaute, die aus dem rechten
Gang kamen.
Das klang nicht gut.....
Und das Geräusch kam immer näher. Buffy atmete tief durch und ging im Kopf
alle Angriffs- und Verteidigungsmöglichkeiten durch. Im tatsächlichen Kampf
würde es ihr zwar überhaupt nichts bringen, da ließ sie sich von ihren
Instinkten leiten, aber es war besser als einfach nur abzuwarten, bis sie angegriffen
wurden.
Doch als das Plätschern näher kam und sich das Trippeln unzähliger kleiner
Füßchen dazugesellte, atmete Buffy auf.
"Ratten," flüsterte sie.....und tatsächlich: Nur Sekunden später kam
die Schar der kleinen Nager in ihr Gesichtsfeld.
Es waren ziemlich viele, ein Teppich aus braunem Fell, der sich träge über
den Boden wälzte, obwohl jede Ratte für sich ziemlich schnell laufen musste.
Immerhin kümmerten sie sich nicht um die Eindringlinge in ihre Welt, sondern
rannten stur nach links weiter.
Fast zeitgleich rümpften alle Anwesenden die Nase. " Wieso läuft einem
eigentlich immer irgendwelches Ungeziefer über den Weg?" fragte sich Ronah
leise. "Haben die keine eigenen Gänge und Höhlen?"
"Wie weit seit ihr? Irgendetwas gefunden?", kam plötzlich eine Stimme
aus dem Funkgerät an Buffy’s Gürtel.
Diese zuckte zusammen. Willow hatte sie ganz vergessen. Die Hexe hatte ihr
das Funkgerät in die Hand gedrückt, bevor sie losgezogen waren, um notfalls
helfen zu können, wenn etwas schief ging.
Obwohl Willow sie nicht sehen konnte, schüttelte Buffy den Kopf, als sie
entgegnete: "Nur ein paar Ratten, die uns über den Weg gelaufen sind.
Ziemlich viele eigentlich. Das sah fast aus, als wären sie auf der
Flucht...."
Plötzlich erstarrte Faith für einen Sekundenbruchteil, bevor sie ihre Klinge
hochriss und damit nach vorn schlug. Etwas prallte mit einem metallischen
Klingen gegen ihr Schwert und fiel vor Buffy auf die Füße. Es war ein gebogener
Dolch, dessen Heft eine detaillierte Verzierung aufwies. Inmitten von
verschlungenen Linien befand sich die Darstellung eines achtarmigen weiblichen
Wesens. Laut Giles hatte diese Todesgöttin Kali acht Arme.....
"Ich glaub, wir wissen jetzt auch, vor wem....Bleib dran, Will."
sagte sie, bevor sie das Funkgerät ausschaltete und es mit einer schnellen
Bewegung zurücksteckte, bevor sie vorsprang. Aus dem Dunkel trat eine annähernd
humanoide Gestalt. Das Gesicht war hinter einer Holzmaske verborgen, die ein
Frauengesicht zeigte, das in einem Ausdruck von Wut und Hass erstarrt war.
Ein schwarzer Mantel verbarg den Rest der Gestalt...bis auf die vier grünen
Arme, von denen drei noch immer Dolche in der Hand hielten.
Die Kreatur sah Buffy's Schwert auf sich zusausen, nutzte einen ihrer Dolche,
um den Hieb wie beiläufig abzuschmettern, und wirbelte dann zu Faith herum.
Die sah den Hieb fast zu spät und nur ihre Jägerinnenreflexe verhinderten, dass
sie von zwei Dolchen zugleich getroffen wurde. Sie warf sich zur Seite und
wirbelte in der Luft herum, kam sofort wieder auf die Beine und griff nun
ihrerseits an. Aber auch ihr Schwerthieb wurde beinahe problemlos abgewehrt,
ebenso der von Kennedy.
Nadine tauchte grazil unter einem Arm weg und brachte dem Wesen einen
tiefen Schnitt in Bauchgegend bei, was mit einem wütenden Grunzen von Seiten
des Dämons quittiert wurde. Bevor sie allerdings erneut zuschlagen konnte,
musste sie einen harten Tritt von ihrem Gegner hinnehmen und prallte gegen die
Wand.
Robin
hob die Axt und trat nach vorn, wich einem Hieb der dolchlosen Klauenhand
aus und...sprang einen Schritt zurück, wobei er schnell den Griff um seine
Waffe änderte...und die Axt nun in einem weiten Bogen nach unten schwingen
ließ. Der Dämon bemerkte die Finte zu spät. Eine seiner Hände wurde von der
Axt sauber abgetrennt und flog ins dreckige Wasser. Hinter der Maske ertönte
ein wütender Schrei und die übrigen drei Arme schwangen in tödlichem Muster
auf Robin zu. Er hätte nicht mehr ausweichen können, der Dämon war einfach
zu schnell.
Die erste Klinge traf ihn schmerzhaft an der Schulter, hinterließ aber nicht
mehr als eine breite Schramme, während die anderen beiden bereits auf sein
Gesicht zurasten. Es war zu spät und Robin bereitete sich schon auf den
letzten, tödlichen Treffer vor...aber der kam nicht.
Stattdessen ertönte hinter der Maske ein schmerzerfülltes Heulen und der Dämon
taumelte zurück. Einer seiner eigenen Dolche steckte in der Maske.
Robin blickte zurück.
Ronah nickte ihm aufmunternd zu, deutete dann aber hektisch nach vorn. Ihr
Treffer hatte den Dämon nicht getötet, die Kreatur hatte sich bereits wieder
gefangen und griff erneut an.
Genau wie seine Jäger.....
abends
"Komm
rein, Xander, wir haben schon sehnsüchtig auf dich gewartet," grinste
Dawn. Mit einer Hand hatte sie dem jungen Mann die Tür geöffnet, mit der anderen
drückte sie ihm ein Buch in die Hand. "Wie war dein Tag, Liebling?"
"Hätte nicht besser sein können, danke!" Ein müdes Lächeln
huschte Xander übers Gesicht, und er stieß einen Seufzer aus. "Eve war
heute mal wieder...na ja, lassen wir das, machen wir uns an die
Arbeit." Er folgte Buffy's kleiner Schwester in den Konferenzraum, wo ihn
Giles, und jede Menge weiterer Bücher erwarteten.
"Hallo Xander!" Giles blickte kurz auf, und wandte sich dann an
Dawn. "Das war eben Willow am Telephon, sie hat den Lokalisierungszauber
durchgeführt. Allerdings hat sie nichts Eindeutiges gefunden, es gibt einfach
zu viel an dämonischer Aktivität in der Kanalisation. Könntest du schnell an
den PC gehen, sie schickt uns die Ergebnisse!"
"Willow hat versucht, das Hauptquartier dieser Thug-Dämonensekte zu
finden," erklärte Dawn. "Sie steht per Funk mit Buffy und den anderen
in Kontakt. Wir versuchen es hier mit den Büchern, angeblich müssen die
irgendwo einen Tempel haben, und da gibt es ganz genaue Regeln, wie der
aufgebaut ist. Hat Lily zumindest behauptet, sie hat vorhin auch angerufen, von
diesem Expertenfritzen aus."
Xander nickte. "Haben wir einen Plan von der Kanalisation?"
wandte er sich an Giles.
"Sogar mehrere," bestätigte der Wächter. "Willow hat
sie besorgt. Aber leider sind es lauter verschiedene, daher wissen wir nicht,
inwieweit man sich auf sie verlassen kann. Und ein Tempel ist dort sicher
nicht eingezeichnet. Aber wir werden versuchen anhand der Informationen von
Willow und Lily herauszufinden, wo er sich befindet, und dann wird Willow
den anderen die ungefähre Position durchgeben."
"Okay." Xander setzte sich an den Tisch, und schlug das Buch auf,
das Dawn ihm in die Hand gedrückt hatte. "Wo ist eigentlich Andrew? Wollte
er nach der Arbeit nicht auch hierher kommen?"
"Uhm...er sagte, er will ins Kino..." Angestrengt starrte Dawn
auf die Tischplatte.
"Ins Kino?" fragte Xander ungläubig. "Buffy und die anderen
setzen ihr Leben aufs Spiel, wir recherchieren, bis uns die Köpfe rauchen, und
er geht ins Kino? Hat er komplett den Verstand verloren?"
+++
Straßen von Sunnydale
7. Mai 2001, nachts
Diese Schlampe! Diese gottverfluchte Schlampe! Tausend Jahre reichten nicht
aus, um sich auszumalen, was er alles mit ihr machen würde, obwohl Pinhead's
Folterhöllen sich schon mal gut anhörten. Oder diese netten kleinen Würmer, die
einen Stück für Stück auffraßen, und mit den Zehen anfingen.
Es kostete ihn die allergrößte Selbstbeherrschung, nicht mit beiden Fäusten
gegen die metallene Oberfläche des Vans zu schlagen. Mit der Macht der Kugeln
hätte er den Wagen mal eben hochheben, und ins nächste Eck schleudern können.
Aber die Kugeln waren fort. Zerstört von diesem verdammten Miststück, das ihm
immer wieder und wieder in die Quere kam.
Wo, zum Teufel noch mal blieb Andrew! Hatte der Idiot sich verflogen, oder
was?
Seit diese verdammte Jägerin in sein Leben getreten war, war alles, aber
auch alles schief gelaufen. Jeden seiner brillanten Pläne hatte sie eiskalt
zunichte gemacht. Sie hatte sein Leben zerstört, jawohl sein Leben. Noch vor
einem Jahr hatte alles gepasst, das College, seine Kumpel, Katrina...
Verdammt, brauchte der Kerl 'ne Extraeinladung? War er zu blöd, um zu
kapieren, was 'Treffpunkt' hieß? Er hätte ihm einfach nur hinterher fliegen
brauchen, das konnte doch nicht so schwer sein!
Und dann war dieses blonde Gift plötzlich vor seiner Tür gestanden, und
hatte alles Stück für Stück auseinander gekommen. Wenn sie nicht gewesen wäre,
würde Katrina heute noch leben, und glücklich mit ihm zusammensein. Ja, alles
hatte an dem Tag angefangen, als sie vor seiner Tür stand. "Mein Name ist
Buffy Summers. Weißt du, wer ich bin?" Eine blöde Barbiepuppe, die nur zum
Poppen gut war, das und nichts anderes war sie.
Das war'n sie doch alle! Alle Frauen...alle Menschen auf dieser Welt waren
Arschlöcher, und er brauchte keinen von ihnen. Niemanden! Und schon gar nicht
Andrew, der ihn hier stundenlang hocken ließ, weil er es nicht für nötig
befand, aufzutauchen. Wenn er erst wieder Oberwasser hatte, dann würde die
kleine Nervensäge schon angekrochen kommen. Und ihn auf Knien anbetteln, wieder
in die Gang aufgenommen zu werden. Und er würde ihn eiskalt abblitzen lassen...
Dann würden sie alle angekrochen kommen, aber er brauchte sie nicht. Wenn
er erst wieder die Macht besaß, die ihm zustand, dann würde er es ihnen allen
zeigen! Er war ein Bösewicht, ein Crime Lord, ein kriminelles Genie! Einer, der
sich die Welt untertan machte!
"Du bist ein viel besserer Bösewicht, als Lex Luthor, Warren, du
würdest Superman besiegen!..."
Aber statt Superman war Superzicke gekommen, und hatte ihn zu Brei
geschlagen. Dieses verdammte Miststück - sie hatte ihn fertiggemacht, und
Andrew hatte alles mitangesehen. Wie konnte er ihn noch bewundern, und zu ihm
aufschauen, nachdem er das gesehen hatte? Wie konnte er ihn noch...
Wut und Verzweiflung zerquetschten sein Herz, wie in einer Metallpresse.
Andrew würde nicht mehr zu ihm kommen. Warum auch? Er war kein Oberfinsterling
mehr, kein Lex Luthor, er war einfach nur noch Warren, und Warren war für
niemanden gut genug, auch nicht für Andrew. Warren war der Typ, den Frank und
seine Kumpels nach dem Sport in der Umkleide zusammenschlugen. Warren war der
Typ, über den sich die Mädels lustig machten. Warren war der Typ, der immer von
allen fertiggemacht, und gedemütigt wurde...
Ein
Hass, der stärker war, als alles andere stieg in ihm auf. Nicht mehr! Er würde
es ihnen heimzahlen und mit Buffy würde er anfangen! Erneut traten Tränen
der Wut und Scham in seine Augen, doch er wischte sie beiseite, er würde ihnen
jetzt nicht nachgeben, nie wieder! Nie wieder! Er würde dieses verdammte Miststück
vom Erdboden tilgen, das ihm sein Leben zerstört hatte...
Ein Geräusch ließ ihn herumfahren. Andrew? War Andrew
hier?
Doch es war nur Catherine. Er hatte keine Ahnung, wie sie ihn hier gefunden
hatte, und er konnte sie jetzt auch überhaupt nicht gebrauchen.
"Ich kann dir helfen," sagte sie anstatt einer Begrüßung, oder
Erklärung.
Er stieß ein kurzes spöttisches Lachen aus. "Helfen
wobei?"
"Sie zu töten."
Cleveland, Gegenwart
Xander's und Andrew's Apartment, abends
"Wir
müssen miteinander reden," sagte Andrew und stellte seine Saftflasche
auf der Anrichte ab. "Das wird dir nicht gefallen, aber wir müssen miteinander
reden!"
"Wenn du über den Film von letzter Woche reden willst, dann
werd' ich dir bestimmt nicht zuhören." Warren hatte sich von ihm
abgewandt, er durchsuchte den Kühlschrank nach etwas Essbarem. "Der war so
grottenschlecht, dass..."
"Du hast dich in Polizeiakten gehackt," unterbrach ihn Andrew.
"Gestern Nacht. Auf meinem Computer."
"Na und? Ihr macht das doch die ganze Zeit, bei eurer Hilfsorga für
Bekloppte!"
"Es heißt 'Scooby Gang'," verbesserte Andrew ihn stirnrunzelnd.
"Aber darum geht es jetzt nicht. Du hast dir die Akten von Tara, und von
Vi angesehen. Warum?"
"Geht dich das was an?"
"Ja, allerdings! Ich will wissen, wie du's geschafft hast, eine Kugel
ums Eck zu schießen! Normalerweise fliegen die nämlich geradeaus!"
"Ich
will aber nicht drüber reden." Damit war die Sache für Warren beendet.
"Wieso habt ihr keine Pizza mehr da?"
"Was verschweigst du mir?" fragte Andrew. "Was ist wirklich
passiert?"
"Mach mich nicht sauer, Andrew!" Mit einem Knall schlug Warren
die Kühlschranktür zu, und wandte sich um, seine schwarzen Augen funkelten den
anderen Jungen wütend an. Früher hätte es genügt, damit Andrew sich trollte.
Jetzt nicht mehr.
"Ich hab' keine Angst vor dir," sagte Andrew ruhig, er kannte die
Einschüchterungsmaneuver zur Genüge.
"Solltest du aber!" schrie Warren zurück, und trat drohend einen
Schritt auf ihn zu. "Ich kann sehr unangenehm werden, wenn ich sauer bin!
Und ich hab' keinen Bock auf deine Dr. Laura Spielchen, und den ganzen
Psycho-Mist! Mach' das mit deiner 'Scooby Gang', aber nicht mit mir!"
"Du willst einfach so weitermachen, ja?" fragte Andrew zurück.
"Alles vergessen, was war, und was du getan hast? Bitte sehr! Aber letzte
Woche ist 'ne Freundin von mir gestorben, und andere Freunde von mir sind in
Gefahr! Und du weißt was darüber, und das will ich jetzt wissen. Also mach'
endlich den Mund auf!"
"Lass mich in Ruhe!" schrie Warren. "Es war nicht meine
Schuld, verdammt noch mal, was kann ich dafür, wenn die blöde Kuh am Fenster
stehen muss! Es war nicht meine Schuld!"
"Es war deine Schuld!"
Im nächsten Moment krachte Warren's Faust in Andrew's Gesicht, und der
blonde Junge stolperte zurück gegen die Anrichte. Schmerz fuhr durch seinen
Körper, als seine Lippe aufplatzte, und ein Blutrinnsal lief ihm das Kinn hinunter.
Benommen rappelte er sich hoch, und sah seinen Freund mit purer Verzweiflung in
den Augen an.
Entsetzen zeichnete sich auf Warren's Gesicht ab, Entsetzen über das, was
er soeben getan hatte, doch nur für einen Moment. Schon hatte sein üblicher Verdrängungsmotor
wieder zu laufen begonnen, und die Stimme in seinem Hinterkopf flüsterte:
"Hätte er dich halt nicht so provoziert!"
Die Stimme konnte nicht zu Ende flüstern, denn Warren flog rückwärts gegen
den Kühlschrank, Andrew hatte ihn zurückgestoßen. "Willst du dich prügeln,
ja? Glaubst du, dann musst du nicht mit mir reden?"
Anstelle einer Antwort griff Warren nach Andrew, und versuchte ihn zu Boden
zu reißen. Eine gnadenlose Wut war in seine Augen getreten, er schien jegliche
Kontrolle über sich verloren zu haben. Doch monatelange Kämpfe mit Dämonen und
Vampiren hatten bei Andrew ihre Spuren hinterlassen, seine Reflexe waren
geschult genug, um dem Angriff ausweichen zu können. Warren griff ins Leere,
und Andrew sprang einen Schritt zurück. Die Küche war allerdings zu klein, um
wirklich ausweichen zu können, und er prallte gegen den Herd. Autsch, das würde
ordentlich blaue Flecken geben.
"Du schaffst es immer, alles kaputt zu machen!" Ein trockenes
Schluchzen stieg in seiner Kehle hoch, er kämpfte mit den Tränen, als er den
nächsten Schlag abwehrte, und schlug mit voller Wucht zurück. Oh, wie gut er
diesen Ausdruck in Warren's Gesicht kannte, er hatte ihn schon zu oft gesehen!
Würden sie sich jetzt prügeln, bis einer von ihnen nicht mehr aufstand? "Verdammt
noch mal, red' mit mir!" schrie er.
"Du blöder Idiot!" Warren's Stimme war
eine Mischung aus einem Schrei und einem Schluchzen. "Du hast doch
überhaupt keine Ahnung!" Er taumelte zurück, griff nach der Saftflasche
auf der Anrichte, und riss sie hoch über seinen Kopf.
"Willst du mich damit schlagen?" schrie Andrew. "Willst du
mich damit totschlagen, genau so, wie du's mit deiner Ex gemacht hast?"
Warren erstarrte mitten in der Bewegung. Er blickte die Flasche an, er
blickte Andrew an, dann schlug er mit der Faust samt Flasche gegen den
Kühlschrank. Andrew stieß einen entsetzten Schrei aus, als das Glas klirrend
zerbrach, und sich die Scherben in Warren's Hand gruben.
Blut quoll aus den Wunden, tropfte zu Boden, und lief als dünnes Rinnsaal
am Kühlschrank hinunter. "Warum musste sie ausgerechnet am Fenster
stehen?" fragte Warren mit tonloser Stimme, dann sackte er in sich
zusammen, und sank zu Boden, die Arme um die Knie geschlungen.
Andrew machte einen Schritt auf ihn zu, und Warren rutschte weiter in die
Ecke. "Fass mich nicht an," fauchte er, "bleib bloß weg von
mir!"
Er senkte den Kopf und starrte seine blutigen Hände an. "Du hast
wirklich keine Ahnung. Wie denn auch? Du warst immer so ein kleines
Unschuldslamm, selbst damals, als du noch nicht diesen Heldenfimmel hattest. Du
weißt nicht, was es heißt, etwas zu tun, das nie wieder in Ordnung kommt. Warum
man nicht drüber reden will...und einfach so tun will, als sei es nie passiert.
Hast wohl geglaubt, ich komm zurück, und alles ist Sonnenschein, oder?"
Er lachte bitter auf, und schüttelte den Kopf. "Da hab' ich
Neuigkeiten für dich, ich bin immer noch derselbe. Vielleicht gibt's Dinge, die
Menschen ändern können, aber du kannst mir eins glauben, gefoltert, und bei
lebendigem Leibe gehäutet zu werden, gehört nicht dazu. Ich bin immer noch
Warren. Und es ist besser, nicht in Warren's Nähe zu sein, denn er tötet die
Menschen, die ihm nahe stehen. Warren ist ein Mörder."
"Gib' mir deine Hand," Andrew ließ sich neben ihm in die Knie
sinken, vorsichtig darauf bedacht, ihm nicht zu nahe zu kommen, um ihn nicht
noch weiter in die Enge zu treiben. "Wir müssen die Scherben raus
machen."
Wortlos, und ohne ihn anzublicken, streckte Warren ihm die Hand hin. Andrew
nahm sie behutsam in seine eigene, und spürte, wie das warme Blut über seine
Finger rann.
"Nein, du bist kein Mörder," flüsterte Andrew. "Du bist 'ne
ganze Menge, aber das nicht. Du bist egoistisch, und du bist gewalttätig, und
Verantwortung kennst du nur aus dem Lexikon. Du hast ein echtes Talent für
falsche Entscheidungen, und du hast zwei Menschenleben auf dem Gewissen. Aber
jemanden ermorden, das ist was anderes...."
Er starrte auf ihre beiden blutverschmierten Hände. "Es gibt etwas,
das ich dir noch nicht erzählt hab'. Etwas über Jonathan...."
+++
Willow's Collegezimmer
einige Zeit später
"Das
nächste Zentrum dämonischer Aktivität müsste genau unter euch sein."
Angestrengt starrte Willow auf den Bildschirm ihres Laptops, und versuchte
den Plan der Kanalisation mit der Karte aus Lichtpunkten zu vergleichen, die
über ihrem Kopf schwebte.
"Das haben wir schon ausgecheckt," klang Buffy's Stimme aus dem
Funkgerät. "Da unten ist irgendeine Brutstätte, wir haben Eier gefunden,
aber die gehören zu irgendwelchen Reptilienviechern, von denen ich den Namen
vergessen hab'. Sind jedenfalls harmlos, also haben wir sie in Ruhe
gelassen."
"Gut, dann haltet euch erstmal weiter nach Süden," schlug Willow
vor. "Ich werd' noch mal bei Giles anrufen, und fragen, was die anderen
inzwischen herausgefunden haben. Er sagte etwas von rituellen Waschungen in
einem Fluss, womöglich befindet sich der Tempel in der Nähe von einem der
unterirdischen Zuströme zum See...."
Ein heftiges Hämmern an der Tür ließ sie innehalten. "Bleib' dran,
Buffy!" Sie legte das Funkgerät beiseite, und trat vorsichtig an den
Eingang heran. "Hallo?"
"Willow, lass mich rein, bitte!" schrie Andrew's Stimme von
draußen. "Bitte lass mich sofort rein!"
"Was ist passiert?" Erschrocken entriegelte die Hexe ihre Tür,
und stieß einen leisen Schrei aus, als sie in Andrew's malträtiertes Gesicht
blickte. "Hat dich jemand angegriffen?"
"Wir haben uns geprügelt, aber das ist jetzt nicht wichtig!"
Andrew rang nach Atem. "Willow, ich muss mit dir reden, jetzt gleich, und
nicht über Star Trek..."
"Jetzt ist leider eine ganz ganz schlechte Zeit." Bedauernd sah
die Hüterin ihn an. "Hör zu, ich weiß, worüber du reden willst, und es ist
auch wichtig, dass wir das tun, aber Buffy und die anderen brauchen jetzt meine
Hilfe..."
"Ja, ich weiß," schrie Andrew, "darum geht es ja!"
"Ich dachte, du wolltest mit mir über Tara reden?" fragte Willow
verwundert.
"Ja, das auch, es ist kompliziert. Sehr kompliziert..." er suchte
nach den richtigen Worten. "Ich versteh' auch gar nicht genau, worum's geht,
und wie das alles zusammenpasst, aber..."
"Ja?" fragte Willow.
"Vi und Tara...sie wurden vielleicht beide von derselben Person
getötet..."
+++
Ratszentrale
etwas später
"Auf
diesem Plan sind aber gar keine Flüsse verzeichnet." Verwirrt betrachtete
Dawn die Karte der Kanalisation auf dem Computerbildschirm, und versuchte,
sich einen Reim darauf zu machen. "Sie sind sicher, dass es ein Fluss
ist?"
"Ja, unsere Information ist jetzt endlich genau," bestätigte
Giles. "Natürlich waren die Angaben verschlüsselt, es war von heiliger
Reinigung die Rede, und allerhand mystischen Ritualen, aber Lily hat es in
ihrer Übertragung auf den Punkt gebracht. Die Knochen stellen eine Kreuzung
dar, und die Reinigung muss in fließendem Wasser stattfinden, also..."
"Also bleiben nur noch eine Handvoll Orte übrig, und Buffy und die
anderen hätten sich die Hälfte der Suche sparen können," ergänzte Xander
den Satz.
"Wenn wir unsere Informationen mit denen von Willow vergleichen,
bleiben sogar nur..." Dawn öffnete einen weiteren Plan in einer neuen
Datei..."drei Orte übrig. Den hier unten haben sie schon überprüft, und
der hier liegt zu weit oben, als dass da ein riesiges, unterirdisches Gebäude
hineinpasst..."
"Dann hätten wir's ja!" Xander zog sein Handy hervor. "Dann
geb' ich gleich Willow Bescheid, damit sie Buffy Bescheid gibt, und...na ihr
wisst schon..." Er wählte Willow's Nummer.
"Was ist los?" fragte Dawn nach einer Weile.
"Sie meldet sich nicht," wunderte sich Xander.
"Seltsam...." Giles zog die Stirn in Falten. "Wir sind
mitten in der Arbeit, sie würde doch nicht einfach..."
+++
Kanalisation von Cleveland
selbe Zeit
Buffy's
Anspannung war in jeder Bewegung zu sehen, als sie langsam auf die Metalltür
zu schlich, welche den Gang an dieser Stelle beendete. Auf der Tür befand
sich das gleiche Relief wie auf den Dolchen des Dämonen, den sie vorhin erledigt
hatten. Sie mussten hier richtig sein....
Während sie die anderen mit einem Handzeichen zurückhielt, drückte sie ihr Ohr
an die Tür und lauschte.
Nichts. Entweder die Dämonen beteten stumm oder es war niemand zu Hause.
Und bei diesem Kult schien letzteres wahrscheinlicher.
"Wie sieht’s aus, B?" kam Faith’ Stimme von hinten. Die dunkelhaarige
Jägerin war mindestens genauso angespannt wie Buffy.
"Nichts..." flüsterte Buffy zurück.
Faith nickte, bevor sie sagte: " Rein? Oder wollen wir hier draußen
Wurzeln schlagen?"
Buffy überlegte kurz. "Rein...aber vorsichtig", sagte sie
schließlich, bevor sie die Hand langsam gegen die Tür drückte.
Es war nicht abgeschlossen. Die Tür schwang langsam und erstaunlich geräuschlos
auf und gab den Blick in den Raum dahinter frei.
Und der Anblick war durchaus beeindruckend.
Der
Raum war kreisrund und etwas über zwanzig Fuß hoch. In etwa fünfzehn Fuß Höhe
befand sich eine Art Balustrade, die in Schatten getaucht war. An den Wänden
des Raumes hingen Fackeln, deren flackerndes Licht gespenstisch auf einer
zwölf Fuß hohen Steinfigur tanzte, welche den hinteren Bereich des Raumes
dominierte. Die Figur hatte acht Arme, welche die verschiedensten Waffen in
den Händen hielten. Sie war offenbar weiblich - was ziemlich klar zu erkennen
war, da sie bis auf einen Lendenschurz und eine Halskette aus Menschenschädeln
unbekleidet war -, ihr Gesicht hatte allerdings eher etwas Monströses. Sogar
die Augen schienen hasserfüllt auf die Neuankömmlinge herabzublicken.
Aber das war natürlich Blödsinn. Immerhin war das eine Figur aus Stein.
Direkt vor ihr befand sich ein kreisrundes Mosaik auf dem Boden, das die Göttin
Kali zeigte, wie sie einen Menschen verschlang.
"Da hat sich jemand Mühe gegeben", murmelte Robin anerkennend.
"Schon, aber ich würd' hier nicht leben wollen....." entgegnete
Kennedy.
"Sollst du ja auch nicht. Hier zu sterben wird mir genügen!"
Die knarzende Stimme schreckte alle gleichermaßen auf. Aus dem Schatten trat
eine maskierte Gestalt in einer schwarzen Robe. Sechs rote Arme ragten unter
dem schwarzen Stoff hervor. Die Maske war fast identisch mit der ihres letzten
Gegners, mit dem Unterschied, daß in die Stirn dieser ein roter Edelstein
eingelassen war.
"Es ist wirklich praktisch. Normalerweise müssen wir uns die Opfergaben
selbst suchen. Und ihr kommt freiwillig...."
"Ja, fass dich kurz. So was hör ich andauernd," fuhr ihm Faith dazwischen.
"Ts ts ts, ziemlich unhöflich, meine liebe Sterbliche. Eigentlich würd'
ich gern noch Beleidigungen austauschen, aber.....nein, das ist zu
klischeehaft...in Wahrheit langweilen mich endlose Rededuelle. Bringen wir’s
schnell hinter uns."
"Gut....dann kommen Sie her und wir machen Sie fertig", erwiderte
Ronah.
Robin sah den Dämon kurz an und schüttelte den Kopf. " Das ist der
Hohepriester, die kämpfen nie selbst."
Der Dämon lachte. "Stimmt. Tun wir nicht. Habe ich auch gar nicht
nötig, das wird meine Göttin für mich übernehmen. Kali! Steh mir bei! Verleih
deinem Abbild deine Kraft und nähre dich von unseren Feinden...."
"Das glaub' ich jetzt nicht", keuchte Nadine, als die graue Statue
sich mit einem lauten Knacken anfing, zu bewegen. Waffenbewehrte Klauenhände
zuckten und der Götze tat einen schwerfälligen Schritt in ihre Richtung. Ein
leises Fauchen entrang sich der steinernen Kehle.
"Und das noch weniger," fügte Faith hinzu, als plötzlich zwölf
weitere Thug'saha von der Balustrade sprangen und begannen, sie einzukreisen.
"Zumindest dürfte das interessant werden," sagte Robin, während
er den Griff seiner Axt fester packte.....
+++
Ratszentrale
etwas später
"Hoffentlich
ist sie das!" Das plötzliche Klingeln des Handys hatte die drei hoch
geschreckt. "Willow?" fragte Xander, und im nächsten Moment verhärtete
sich sein Gesicht. "Andrew! Du hast vielleicht Nerven. Was? Ach so! Warum
denn? Okay."
"Was ist los?" fragte Dawn.
"Ich versteh's selber noch nicht ganz, aber es ist folgendermaßen,"
begann Xander mit seinem Versuch die Situation zusammenzufassen. "Willow
ist beschäftigt, und Andrew hat jetzt das Funkgerät, und versucht mit Buffy
Kontakt aufzunehmen. Er ist vor dem College Gebäude in die Kanalisation
geklettert, und will jetzt von uns die Anweisung, wie er zu dem Tempel
hinkommt, bevor sein Netz weg ist...."
"Grundgütiger, was will denn Andrew beim Tempel?" Giles war mehr,
als nur verwirrt. "Bei diesen Dämonen kommt er keine drei Schritte
weit."
"Ja?" Xander hielt sich das Telephon wieder ans Ohr.
Er wurde leichenblass. "Er sagt, es sei eine Falle," flüsterte er
tonlos. "Die ganze Sektengeschichte. Buffy und die anderen sind in
Lebensgefahr!"
AKT 4
Wenn es jemanden trifft, den du liebst, kannst du den Kopf nicht mehr in
den Sand stecken. Die Dunkelheit, in dir nicht länger verleugnen. Nie mehr. Du
hast geglaubt, dass dir alles in den Schoß fällt, wahre Freundschaft, die große
Liebe, deine magischen Kräfte. Du hast vergessen, dass das Böse allgegenwärtig
ist, und dass man hier für alles einen Preis zahlen muss.
Welche von deinen Freunden wird es treffen? Buffy, die Jägerin, die mich
aus eurem Haus geworfen hat, als mich mir ein paar Zauberutensilien ausborge
wollte? Ja, sie ganz bestimmt, aber das ist noch nicht genug. Du hast das
Geheimnis der siebten Kugel vergessen. Man lernt sehr viel über solche Dinge,
wenn man durch die magischen Dimensionen reist.
Vielleicht Xander, dein treuer Freund, der versucht hat, mich mit meiner
Magie zu erpressen? Vielleicht deine Geliebte, dieser wandelnde Engel auf
Erden, die dich erst verlassen musste, damit du auf die Idee kamst, mich aus
meinem Käfig zu befreien? Vielleicht auch die kleine Dawn, die du beinahe umgebracht
hättest, als du sie völlig high in ein Auto gezerrt hast?
Vielleicht trifft es auch dich selbst, aber das wünsche ich dir nicht, das
wäre viel zu gut für dich, und außerdem zu schnell vorbei.
Die siebte Kugel ist nicht für dich bestimmt. Sie ist für einen Menschen,
den du liebst.
Irgendwann
Die
Kerzen standen in einem Kreis auf einem Felsblock, der etwas weniger als einen
halben Meter aus der Erde heraus ragte, und in ihrer Mitte hatte Drusilla
mit ihren Fingern rote und weiße Schriftzeichen auf den harten Untergrund
gemalt. Sie reichte Max, aus der Holzkiste heraus, die sie nur wenige Meter
entfernt ausgegraben hatte, ein Glas bis zum Anschlag gefüllt mit Salz.
Die Kerzen waren das einzige, was die Wolfsschlucht, die im Verruf stand,
den Teufel selbst zu beherbergen, in Licht tauchte, abgesehen von dem Mond
und den Sternen, die sich irgendwo hinter dem undurchdringlichen Nebel befinden
mussten.
Max streute das Salz in einem weiteren Kreis um die Kerzen herum, er fühlte
sich nicht wohl bei der Sache, doch seine Angst Agathe für immer an einen
anderen zu verlieren überwog seine Zweifel. Er konnte spüren wie die toten
Augen der Dämonin, oder was auch immer Drusilla für eine Ausgeburt der Hölle
war, ihn mit Befriedigung beobachteten, wie er seine Seele dem Satan verkaufte.
Er beendete den Kreis.
Er drehte sich wieder zu Drusilla um: "Was muss ich nun tun?"
Während sie geheimnisvoll lächelte zog
sie einen Zettel aus ihrem Ausschnitt hervor, darauf war ein Vers in einer
unordentlichen Handschrift notiert worden und er war mit Blut befleckt.
Auffordernd reichte sie ihm den Fetzen Papier: "Lies das laut und deutlich
vor, und schon bald wird sie wieder in deinen Armen liegen, dieses Mal für
immer!"
Max erhob seine Stimme, doch sie klang immer noch sehr unsicher:
Schützin, die im Dunkeln wacht,
---
Samielle, Samielle, hab acht!
"Wie
soll ich das lesen, wenn ich noch nicht mal die Sprache verstehe?" Frustriert
starrte Warren auf den Zettel. "Ich hab' doch keine Ahnung, wie man das
ausspricht."
Es war eine Schnapsidee gewesen, hierher zu kommen, das war ihm
mittlerweile klar geworden, aber jetzt war es zu spät, noch auszusteigen. Was
sollte dieser alberne Hokus Pokus bringen? Er hatte noch nie viel von Magie
gehalten, damit sollten sich Leute wie Jonathan rumschlagen.
Und diese Catherine. Im fahlen Licht der Kerzen fiel ihm zum ersten Mal
auf, wie blass sie war, wie tief die Ringe unter ihren Augen. Die Schminke
konnte es nicht verbergen. Mit einem Mal wurde ihm klar, wie wenig er über dieses
Mädchen wusste, er hatte keine Ahnung, wer sie überhaupt war, und es hatte ihn
auch nie interessiert. Er wusste ja nicht einmal, ob Catherine überhaupt ihr
richtiger Name war.
Wenigstens war ihm jetzt klar, dass sie sich nicht in Luft auflösen konnte.
Sie kam hierher, an diesen Ort, der von außen nicht sichtbar war, doch wenn man
hinein trat, stand man plötzlich in einer Art Hütte, oder Bunker, oder was
immer das war. Jedenfalls nichts Natürliches. Der Ort verpasste ihm eine
ordentliche Gänsehaut, und er wollte so schnell wie möglich wieder weg von
hier.
Nur der gewaltige Hass auf Buffy ließ ihn weitermachen. Er wollte diese
Sache durchziehen, um sie endgültig zu erledigen. Dieses Mal würde sie keine
Chance haben, seiner furchtbaren Rache zu entkommen.
"Ich les' es dir vor, und du sprichst es einfach nach!" Catherine
hob den Zettel, und ihre Hand zitterte dabei. Man konnte echt meinen, sie hätte
irgendwelche Entzugserscheinungen. "Also hör gut zu:"
Steh mir bei in dieser Nacht,
---
Bis der Zauber ist vollbracht!
Der Raum war in Dunkelheit gehüllt. Von jener fast samtartigen Finsternis,
die überall vorzudringen wagte und jede Ritze ausfüllte. Das jemand sich im
Raum befand, war nur durch das sanfte Rascheln von Stoff, dem leisen Räuspern
und einem unterdrückten Husten zu bemerken.
Auf einmal erfüllte das recht einfache Geräusch eines Schwefelkopfes gegen
eine Streichholzschachtel die Stille. Ein Flämmchen blitzte auf und erhellte
einen kleinen Umkreis. Dunkler Stoff bewegte sich hinter dem schwachen Licht,
als das Flämmchen fortgetragen wurde. Eine Kerze wurde entzündet. Ihr folgten
weitere, bis ein Kreis brannte. In seiner Mitte wurden fremdartige
Schriftzeichen in roter und weißer Farbe sichtbar, die ein scheinbar wirres
Muster bildeten.
Die Gestalt außerhalb des Kreises griff nach einem Gefäß und schüttete
daraus etwas weiß Glitzerndes um die Kerzen herum. Salz, wie im Licht langsam
sichtbar wurde. Danach stieg die Person in die Mitte des Kreises. Der dunkle
Stoff wurde als schwarzer Umhang enthüllt und eine Kapuze über dem Kopf
verhüllte das Haar. Eine hölzerne Maske, eine geschnitzte Fratze, verbarg das
Gesicht.
Die Gestalt hob die Hände, mit den Handflächen nach oben und drehte ihren
Kopf nach links. Etwas, jemand, trat aus der Dunkelheit dahinter hervor und kam
an den Kreis getreten. Das flackernde Licht der Kerzen enthüllte Weatherby, der
etwas in ein Tuch eingeschlagenes in seinen Händen hielt. Er schlug den Stoff
zurück und enthüllte den Purificatio-Talisman. Er nahm ihn vorsichtig in seine
Hand und legte sie der Gestalt in die rechte Handfläche. Ein Nicken deutete ihm
ein Danke an und er zog sich zurück.
Die Hand des Maskenträgers schloss sich um den Talisman und er trug ihn an
eine bestimmte Stelle des Kreises, legte ihn ab und richtete sich wieder auf.
Die Gestalt hob erneut die Hände zur Decke, ging in die Knie, weiter in den
Schneidersitz hinunter und begann vor und zurück zu wippen. Eine durch das Holz
vor dem Gesicht leicht verzerrte, hohl klingende Stimme begann den Ritualspruch
auf deutsch mit englischem Akzent aufzusagen:
Salbe mir so Kraut als Blei,
---
Segn'es sieben, neun und drei,
Die Berge schienen ihm zu antworten, ein unheimliches Flüstern verbreitete
sich in der Schlucht. Die Lichter der Kerzen tanzten und warfen grausame
Schattenbilder an die Felsenwände, die sich gegenseitig zu verschlingen
drohten.
Plötzlich, mit einem einsamen Windstoß erloschen die Kerzen und für einen
Moment schien es Max als würde nichts weiter geschehen. Dann gab es einen ohrenbetäubenden
Knall, viel lauter als jeder Schuss es je sein könnte, der noch weit entfernt
im Dorf zu hören gewesen sein musste. Aus der Mitte des Kreises stieg ein Meer
aus blauen Lichtern auf, aus deren Mitte schließlich ein Schatten heraus glitt,
der Schrei einer Krähe war zu vernehmen, dann verschwanden die Lichter.
Die Gestalt einer wunderschönen Frau richtete sich vor ihnen auf, doch über den
Armen gingen von ihren Schultern zwei Flügel mit tiefschwarzen Federn aus, die
ihren Körper wie ein Umhang einhüllten.
Unsicher drehte sich Max zu Drusilla um, die mit der mysteriösen Krähenfrau
vertraute Blicke wechselte, so als ob sie sich schon länger kannten und das was
hier geschah, nach einem Plan verlief, den die zwei zusammen geschmiedet
hatten. Kälte breitete sich in seinem Herzen aus, ein entsetzliches Grauen, als
er begriff, dass er nur ein Teil ihres Spiels war, doch nun konnte er wohl
nicht mehr aussteigen, er musste mitspielen und dem Teufel das geben, wonach er
verlangte.
Drusilla reichte ihm das schmutzige Silbertablett, auf dem sie die sieben
Gewehrkugeln für den morgigen Wettbewerb vorbereitet hatte. Ohne, dass es einem
weiteren Wort zu ihrem Auftrag bedurfte trat die Krähenfrau an ihn heran und
schloss ihre Augen, um sich zu konzentrieren, ihre Hände glitten über den
Kugeln durch die Luft.
”EINS!”
"eins!"
Ihre kräftige Stimme hallte durch die Luft, zeitgleich ertönte ein Donner
über ihnen, der die Bruchbude schüttelte. Erschrocken hielt sich Warren die
Arme über den Kopf.
"Zwei!"
"zwei!"
Ein Windstoß wehte die Türe der Halle auf, und der Wind fuhr durch sie
hindurch. Weatherby zuckte zusammen
"Drei!"
"drei!"
Der Nebel zog sich enger zusammen um die drei Figuren in der Wolfsschlucht,
die unterschiedlicher nicht mehr hätten sein können.
"vier!"
An den Wänden der Baracke splitterte das Holz.
"fünf!"
Ein gewaltiger Blitz schlug in die
Halle neben ihnen ein.
”SECHS!”
"Sechs!"
"sechs!"
Eine tote weiße Taube, deren Gefieder nicht mit einem einzigen Tropfen von
Blut verunstaltet war, fiel aus dem Nichts heraus, direkt vor Max' Füße.
"Die
letzte Kugel .....
---
.....erfordert einen Preis!"
Samielle griff nach Warren's Arm, während Catherine den Ärmel seines Hemdes
zurückzog.
"Was...?", setzte Warren an, doch das Gesicht der Krähenfrau verzog
sich zu einer grausamen Fratze, aus deren Mitte ein Schnabel hervortrat. Mit
einer schnellen Bewegung hackte sie in sein weiches Fleisch hinein, und während
noch sein Schmerzensschrei in der Barracke widerhallte, segnete sie mit seinem
Blut die letzte Kugel: "Sieben!"
Es war vollbracht.
+++
Cleveland, Gegenwart
vor dem College Gebäude
Wie
mechanisch führten ihre Hände das Ritual aus. Die Kerzen, das Salz, die Symbole
in roter und weißer Farbe. Jahre des Zauberns hatten sie gelehrt, ihren Körper
ganz auf die notwendigen Handlungen zu konzentrieren, damit ihr Geist frei
blieb, und für die Magie bereit war.
Alles andere kam später. Jetzt durfte ihr kein Fehler unterlaufen, das
durfte sie nicht riskieren. Jetzt war nicht die Zeit für Schmerz, Verzweiflung
und Rachegedanken. Das alles war....
"Und du glaubst immer noch, Magie sei dazu da, große Dinge zu bewegen,
und das ist ein Irrtum. Sie bewegt kleine Dinge, ganz kleine Dinge. Winzig. Und
doch so tödlich!"
Oh große Göttin, er hatte es gewusst! D'Hoffryn hatte es gewusst....
Warum hatte sie sich nie die Mühe gemacht, genauer nachzuforschen? Warum
war sie nie auch nur auf die Idee gekommen, dass etwas nicht gestimmt hatte?
Die Flugbahn der Kugel war vollkommen unmöglich gewesen. Schon allein, dass
sich das Einschussloch in ihrem Fenster genau auf Tara's Brusthöhe befand, wie
sollte das bei einer Kugel funktionieren, die von schräg unten aus dem Garten
kam? Die Kugel hätte die Zimmerdecke treffen müssen, aber niemals Tara!
Aber wer berechnet schon Flugbahnen, wenn er gerade die Liebe seines Lebens
verloren hat? Für sie waren nur drei Dinge wichtig gewesen. Ihre Liebste war
tot. Getötet von einer Kugel. Von der Kugel aus Warren's Pistole.....
Nein, jetzt ging es nicht um Tara. Auch nicht um Vi. Ihnen konnte sie nicht
mehr helfen. Jetzt ging es ausschließlich darum, dass Buffy und den anderen
nichts zustieß. Sie musste die Schützin hierher beschwören, damit ihre
entsetzliche Macht nicht zur Gefahr für ihre Freunde wurde.
Vi war von einem Pfeil getötet worden. Also konnte man im schlimmsten Fall
davon ausgehen, dass noch sechs weitere von diesen Pfeilen existierten, jeder
dieser Pfeile absolut tödlich. Diese Pfeile befanden sich in der Hand dieses
geheimnisvollen Maskenträgers von der dämonischen Thug Sekte, und er würde
bestimmt nicht zögern, sie einzusetzen, wenn ihre Freunde seinen Tempel
angriffen.
Und diese Magie war so mächtig, dass sie sie nicht hatte orten können.
Nicht bei Vi. Und auch nicht damals bei Tara. Solange sie nicht gewusst hatte,
wonach sie suchte, hatte sie auch nichts herausgefunden. Erst jetzt, erst
jetzt, nachdem sie den Namen des Dämons kannte, hatte sie herausfinden können,
wie man ihn beschwor.
Daß die Kugel tüchtig sei!
Samielle, Samielle, herbei!”
Ein Flügelrauschen, der Schrei einer Krähe, und Willow stand der Frau
gegenüber, deren dämonische Mächte Tara's und Vi's Leben ausgelöscht hatten.
+++
Kanalisation von Cleveland
unterirdischer Tempel, selbe Zeit
"Wenn
die Pfeile verbraucht sind, haben wir dann überhaupt noch Verwendung für die
Schützin?" fragte Weatherby und warf seinem Auftraggeber einen hoffnungsvollen
Blick zu. Je eher diese dämonische Kreatur aus seinem Leben verschwand, desto
besser.
"Das könnte ich mir durchaus vorstellen," entgegnete die
maskierte Gestalt.
Die beiden standen auf der Balustrade des Kali Tempels und sahen dem
Kampftreiben unter sich zu. Fünf Jägerinnen und ein Wächter schlugen sich mit
einem Haufen Thug'sahas und einer zum Leben erwachten Göttinnenstatue herum.
Sechs Gegner, sechs Pfeile. Eigentlich eine einfache Rechnung, wenn man
dafür sorgen wollte, dass es bei dieser Expedition keine Überlebenden gab, fand
Weatherby. Doch sein Auftraggeber wollte noch warten, vielleicht würde ihnen
durch die Dämonen ja die eine oder andere Unannehmlichkeit erspart werden. Dann
musste er nicht alle Pfeile auf einmal verwenden. Es gab schließlich noch mehr
Menschen, die eventuell Schwierigkeiten machen konnten. Große Ziele erforderten
auch große Opfer.
Der ehemalige Wächter konnte nicht begreifen, wie sein Boss in einer
solchen Situation so ruhig bleiben konnte. Hier war eine Horde mörderischer
Dämonen, und falls diese den falschen Priester in ihrem Gotteshaus entdeckten,
würden sie nicht gerade zimperlich mit ihm umgehen.
"Es wird Zeit!" Der Maskenträger griff nach der Armbrust, und
spannte den ersten Pfeil ein. Wo sollte er beginnen? An sich war es gleich,
denn sterben würden sie alle, und da die Pfeile unfehlbar waren, musste er sich
auch keine Gedanken über ein freies Schussfeld machen.
Es wäre interessant gewesen, einmal herauszufinden, wie unfehlbar sie
wirklich waren. Konnten sie Stahl durchschlagen? Ein Ziel auf einem anderen
Kontinent treffen?
Er würde es nie herausfinden, denn jeder Mensch konnte nur ein einziges Mal
im Leben von dieser Macht Gebrauch machen. Aber eigentlich war es auch ohne
Bedeutung.
Seine Entscheidung war gefallen. Er hob die Armbrust über die Balustrade,
und feuerte seinen zweiten Pfeil ab...
+++
Vor dem College Gebäude
selbe Zeit
"Du benötigst sieben
geweihte Geschosse?"
Willow blickte in die blitzenden Augen der anmutigen jungen Frau, die man
für einen Menschen hätte halten können, wären da nicht die nachtschwarzen
Schwingen gewesen.
Ihr Herz klopfte schnell, doch sie wusste nicht ob es die Nervosität war,
oder einfach purer Hass. Dank dieses Dämons war ihre große Liebe gestorben. Sie
hatte schuld daran, dass Warren von ihr getötet wurde, und die Schützin hatte
es genauso zu verantworten, dass ihre Welt damit eingestürzt war. Genauso gut
hätte es die ganze Erde treffen können, wenn Xander nicht rechtzeitig
dazwischen gegangen wäre.
Es war wieder kalt geworden, und die laue Brise der letzen Tage war zu Eis
erstarrt. Kein Mensch weit und breit, anscheinend hatten alle irgendetwas
anderes zu tun, anstatt den Mörder ihrer Seelenverwandten anzutreffen.
Nur, dass ihr immer noch nicht völlig klar war, wie das Ganze passiert war. Die
Schützin konnte Kugeln verzaubern, oder meinetwegen auch Pfeile. Aber Warren's
unfehlbare Kugeln hatten Buffy nicht getötet. Eine Kugel hatte sie schwer
verletzt, doch sie hatte nicht das Herz getroffen. Nicht so, wie bei Vi.
Stattdessen war Tara getroffen worden. Wieso? Warren hatte nicht auf sie
gezielt, er hatte ja nicht einmal gewusst, dass sie überhaupt da war.
"Nein, von dir brauch' ich überhaupt nichts!" entgegnete Willow,
in der in diesem Moment wieder alle Gefühle von Taras Tod hochkamen. Sie konnte
es nicht beschreiben, aber es ähnelte dem dunklen Schmerz, den sie gespürt
hatte, bevor sie sich dem Bösen verschrieb. Das vorhin waren nur harmlose
Gedanken gewesen.
"Oh, jetzt verstehe ich!" Ein Grinsen der Schützin verunsicherte
Willow. Sollte sie selbst den gleichen Gesichtsausdruck haben, um gegen sie
anzukommen? Mit den gleichen Mitteln kämpfen?
"Wieso hast du es getan?” Willow riss sich zusammen, versuchte ihre
Emotionen zu kontrollieren.
"Es ist meine Aufgabe." entgegnete die Schützin schlich. "Die
Menschen rufen mich an, wenn sie meine Hilfe brauchen. Sie sind es doch, die
töten wollen. Meine Magie ist nur ihr Werkzeug..."
"Das ist eine Lüge! Warum ausgerechnet sie?”, schrie ihr Willow
entgegen. Sie wollte nicht, dass Tränen ihre Wangen herunterliefen, sie musste
stark sein, um dem Wesen das ihren Hass widerspiegelte entgegenzutreten. Doch
die Tränen kamen ohnehin. Natürlich hatte die Hexe jetzt ein neues Leben, eine
neue Liebe zu Kennedy, aber darüber konnte sie gerade nicht weiter nachdenken.
Diese Kreatur hatte ihr einfach alles genommen, jeden Funken Hoffnung zerstört.
Wortlos verfolgte Samielle den Lauf von Willow’s Gesichtszügen, und
erfreute sich daran.
Ein Zittern lief durch Willow's Körper. "Du hast sie getötet, weil du es
so wolltest."
"Oops!" Ein ertapptes Lächeln huschte über Samielle's Lippen.
"Erwischt!"
"Warum sie?" fragte Willow ein weiteres Mal. Ihre Stimme klang
dunkel, ihre Haare hatten zu flattern begonnen." Weißt du, was du mir
damit angetan hast?”
"Wie mir scheint, kennst du mein Geheimnis nicht!" Das Gesicht
der Schützin spiegelte pure Amüsanz wieder. "Sechs Geschosse treffen jedes
Ziel, welches der Schütze sich wählt, er braucht nur daran zu denken. Die
siebte Kugel aber, die Letzte gehört mir allein. Nur ich allein bestimme,
welches Herz sie durchbohrt...wobei...so schön die Zahl sieben auch sein mag,
ich bin durchaus in der Lage, ein wenig zu improvisieren!
Sie begann, gespielt zu überlegen. "Hm...warum sie? Oh, ich weiß gar
nicht mehr - vielleicht weil sie so unschuldig war. Mir wurde ganz schlecht,
bei so viel Unschuld und Güte. Vielleicht aber auch, weil ich deine Macht
spürte, und sehen wollte, was du damit anrichten kannst, wenn du nicht länger
an die Leine gelegt wirst?"
Ein teuflisches Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. "Nein, ich
fürchte, ich hatte gar keinen wirklichen Grund. Es war einfach nur 'Ene Mene Mu
und raus bist du!'
+++
Kanalisation von Cleveland
selbe Zeit
Geisterhaft hallten seine Schritte an den Wänden wider, als er weiter und
immer weiter rannte. Manchmal platschte er durch schmutziges Wasser, aber es
war ihm egal. Manchmal wuselten niedliche kleine Ratten zu seinen Füßen herum,
aber er konnte noch nicht einmal einen zweiten Blick riskieren. Jede Sekunde
war kostbar.
Wenn Andrew doch einmal Atem schöpfen musste, dann versuchte er Buffy über
das Funkgerät zu erreichen. Warum verdammt, ging sie nicht ran? War es etwa
schon zu spät? Sein Herz krampfte sich vor Angst zusammen. Warum hatte er nicht
früher mit Warren geredet? Seit Wochen kämpften sie jetzt gegen diese
Krähendämonin, und Warren hätte ihm die ganze Zeit sagen können, wer sie war,
wenn er nur einmal das Thema angeschnitten hätte.
Doch sie hatten jedes Thema gemieden, das zu
einem Konflikt hätte führen können. Weder hatten sie über die Vergangenheit
gesprochen, noch über Andrew's Freundschaft zu Buffy, und die damit verbundenen
Kämpfe gegen Dämonen und Vampire. Er hatte keine Angst mehr vor Warren, schon
längst nicht mehr, aber er hatte auch nicht mit ihm streiten wollen, nicht mehr
als unbedingt nötig, jetzt wo er ihn endlich wiederhatte.
Auch das würde sich ändern....wahrscheinlich würden sie sich in nächster
Zeit sehr viel streiten...hoffentlich endete das nicht jedes Mal in einer
Prügelei.
Ob es Willow gelungen war, die Schützin zu beschwören. Er hatte ihr nicht
allzuviel über das Ritual sagen können, nur
die Dinge, an die Warren sich erinnerte. Doch Willow hatte eine Menge
Möglichkeiten, sie konnte Zaubersprüche aus dem Nichts auftauchen lassen, und
mit mächtigen Wesen reden, und so weiter. Sie würde es schon schaffen.
Kampfeslärm erreichte seine Ohren, hallte von den Wänden wider, Krachen,
Poltern, Geschrei. Er war nah dran. Jetzt musste er in diesen Schacht
runterklettern, es war alles genauso, wie Xander es am Telephon erklärt hatte.
Gleich würde er den Tempel erreicht haben.
Aber wenn Willow gegen die Schützin kämpfte, hieß das dann, dass die Pfeile
nicht mehr gefährlich waren? Oder musste sie sie dazu erst besiegen? Oder wäre
der Zauber selbst nach ihrem Tod noch wirksam?
+++
Kanalisation von Cleveland
unterirdischer Tempel, selbe Zeit
"Aufs Handgelenk!" schrie Buffy. Nadine reagierte blitzschnell,
und ihr Scimitar sauste nach oben. Zwar war die Verletzung nicht tief, doch sie
bewirkte, dass der Dämon eins seiner Schwerter fallen ließ. Buffy wich dem
Dolchstoß eines weiteren Armes aus, und ihr eigenes Schwert durchbohrte die
Schulter der Kreatur.
"Pass auf, er ist..."
Was der Dämon war, sollte Buffy niemals erfahren, denn in diesem Moment
zischte ein Pfeil an ihr vorbei, und bohrte sich der jungen Frau in die Brust.
Mit leeren Augen sank Nadine zu Boden, sie war tot, bevor sie dort aufschlug.
Entsetzt fuhr Buffy herum, der Pfeil war von oben gekommen. Standen dort
weitere Dämonen auf der Balustrade?
Ob die Gestalt ein Dämon war, wusste sie nicht. Im Halbdunkel war sie nur
als Schatten zu erkennen, ein unheimlicher Schatten, der kein Gesicht zu haben
schien, sondern eine verzerrte Fratze. Noch bedrohlicher aber war die erhobene
Armbrust, auch wenn in dieser im Moment kein Pfeil mehr war. Die Gestalt
brauchte nur nachzuladen, und...
War dies der Mörder von Vi? Vielleicht einen Art Oberpriester der Sekte?
"Buffy!" hörte sie in diesem Moment eine Stimme schreien.
"Du musst ihn aufhalten. Jetzt sofort!"
"Andrew?" Sie hätte nicht überraschter sein können. "Was
tust du hier?"
"Keine Zeit." Der blonde junge Mann ließ sich zu Boden fallen, um
dem Schwerthieb eines Dämons auszuweichen. "Halt ihn auf, sind noch fünf!
Er darf nur auf dich schießen, nur auf..."
Den Rest hörte sie nicht mehr, sie war bereits losgerannt. Mit gewaltigen
Sätzen jagte sie auf die Treppe zu.
"Das ist er!" schrie Faith. Sie war plötzlich aus dem Nichts
aufgetaucht, hinter dem Dämon, der nach Andrew geschlagen hatte. Dahinter
kämpften Ronah und Kennedy jetzt allein gegen die gewaltige Götzenstatue,
welche nicht die Schnelligkeit und Gewandtheit ihrer Diener besaß, dafür aber
das Dreifache an Kraft. Ihre vier linken Arme wirbelten um Kennedy herum, eine
unaufhaltsame Todesmaschinerie.
Faith allerdings hatte jeden Blick für ihre Umgebung verloren. Dort oben
stand er, sie war sich sicher. Dies war Vi's Mörder, und sie würde jetzt Rache
nehmen, alles andere war nebensächlich. Sie setzte zum Sprung an -
- und schlug der Länge nach hin, Andrew hatte ihr ein Bein gestellt. Sie
stieß einen Schrei aus, nicht vor Schmerz, sondern vor Wut, eine geballte Wut,
und für den Moment entlud sich diese Wut auf Andrew, den sie am Kragen packte,
und mit sich hochriss, als sie auf die Füße sprang. "Das ist mein Kampf,
verdammt noch mal," brüllte sie. "Nicht Buffy's!"
"Du hattest recht!" Andrew versuchte die Worte so schnell wie
möglich rauszubekommen, bevor Faith ihn in ihrem Zorn K.O. schlug, oder dem
Maskenträger nachjagte. "Es war Magie! Vi wurde mit Magie getötet!"
"Du wusstest es die ganze Zeit!" schrie Faith.
Er schüttelte den Kopf und spürte, wie sich der Druck auf seinen Hals
verstärkte. "Nein, wusste ich nicht, aber jetzt weiß ich es! Ein Dämon
steckt hinter allem - die schwarze Schützin!"
+++
Vor dem College Gebäude
selbe Zeit
Willow hatte genug gehört. Ihr ganzer Hass, ihre ganze Wut entlud sich in
einem wilden Schrei, und einem gewaltigen Energiestoß, der normalerweise jeden
Gegner von den Füßen geholt hätte.
Nicht so die Schützin. Noch während der mächtige Blitz auf sie zujagte,
veränderte sich ihr Gesicht. Federn sprossen aus der menschlichen Haut, und ein
riesiger Krähenschnabel bahnte sich seinen Weg aus ihrem Gesicht. Nur das Kinn
und der menschliche Unterkiefer blieb darunter bestehen, und Willow hatte auch
jetzt noch das Gefühl, dass die Kreatur teuflisch lächelte.
"Ich bin froh dass ich dir das angetan habe." Ihre Stimme war ein
unmenschliches Krächzen, als sie den Schnabel öffnete, und damit den
Energieblitz einsog, ihn wie eine Beute hinunterschlang. "Sonst könnte ich
dich jetzt nicht leiden sehen..."
"Wenn du glaubst, dass du meine Konzentration stören kannst, muss ich
dich leider enttäuschen.” Willow war längst nicht so ruhig, wie sie sich gab,
sie musste sich gehörig zusammenreißen. Aber sie wusste, dass sie genug Kräfte
hatte, um diese Fratze von ihrem Grinsen zu befreien, und das musste sie auch
zeigen.
Sie murmelte die Worte, und bereitete sich auf einen weiteren Zauber vor.
In ihrem Herzen spürte sie, wie ihre Wut sich weiter aufbaute, die dunklen
Kräfte in ihr wuchsen. D'Hoffryn hatte recht gehabt, sie waren noch immer in
ihr. Aber niemals wieder würde sie mit ihnen ein Menschenleben auslöschen, oder
sich gegen ihre Freunde richten.
Dies jedoch war ein Dämon. Und wenn dieser Dämon nicht gewesen wäre, dann
hätte die letzte Kugel Tara niemals treffen können.
Also musste sie sich nicht zurückhalten. Sie hob ihre Arme, ein grünlich
schimmernder Nebel floß aus ihren Fingerspitzen auf die Schützin zu. Er legte
sich um ihren Körper, formte eine feste Masse.
"Und falls du glaubst, du kannst mir Angst machen, kleine Hexe, dann
wird es mir eine Freude sein, deine Asche im Meer zu verstreuen.” Wie naiv
war dieses Mädchen eigentlich, sich mit ihr anzulegen? Sie riss ihren Krähenschnabel
auf, und saugte den Nebel ein, wie zuvor den Blitz.
"Ich werde Tara's und Vi's Tod rächen, egal was es kostet.” Willow konzentrierte
sich. Samielle konnte sie töten, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Es
wäre eine Befreiung für die Menschheit. Diese Energiewellen, die Willow jetzt
gegen die Schützin warf, erinnerten sie so an den Kampf gegen Giles. Ihr ganzer
Zorn war mobilisiert, ihre ganze Kraft die sie sich so lange aufgespart hatte.
Nun kannte sie den Grund, warum sie immer noch keine Befriedigung nach Warren's
Tod erhalten hatte.
Willow war sich so sicher, diesmal etwas bewirkt zu haben, dieser Zauber war
einer ihrer Stärksten. Doch sie fehlte. Die Blitze der Energiekugeln prallten
an Samielle ab, sie sog auch sie langsam in sich auf. Das Gesicht der Schützin
strahlte nun vor Triumph. "Habe ich dir nicht gesagt, dass du nichts
gegen mich ausrichten kannst?”
Die Erinnerung an die Auseinandersetzung mit dem Wächter waren nicht gefehlt
gewesen. Doch nun musste sie es anders versuchen. Sie musste die Dämonin mit
etwas angreifen, das nicht nur reine Energie war. Etwas, das sie nicht aufsaugen
konnte.
+++
Kanalisation von Cleveland
unterirdischer Tempel, selbe Zeit
Sie hörte das Surren des Pfeils, noch bevor sie die Treppe erreichte. Kein
Zweifel möglich, dieser Pfeil war für sie bestimmt. Oder etwa nicht? Er sauste
an ihr vorbei, und blieb zwischen den steinernen Ornamenten stecken, welche das
Treppengeländer schmückten.
Noch vier Pfeile, wenn sie Andrew's Worte richtig interpretiert hatte.
Irgend etwas stimmte nicht mit diesen Pfeilen, hatte Faith nach Vi's Tod
behauptet, aber jetzt war keine Zeit, um darüber nachzudenken. Der dritte Pfeil
hatte gefehlt. Man konnte ihnen ausweichen. Es musste möglich sein, dass sie...
Wie in Zeitlupe sah sie das nächste Geschoss auf sich zukommen. Der
Maskierte stand jetzt nicht mehr an der Balustrade, er war nach vorne gerannt,
zur Treppe. Er hatte seine sichere Position im Schatten verlassen, er war kein
geheimnisvoller überlegener Unbekannter mehr, er war jetzt nur noch ein Gegner,
den sie bekämpfen konnte, und noch dazu einer, der aus der Ruhe gebracht worden
war.
Das sagten ihr ihre Instinkte. Was immer es mit diesen Pfeilen auf sich
hatte, ihr Feind hatte nicht damit gerechnet, dass sie diesem Angriff entkommen
würde.
Sie jagte die Treppe hinauf, zwei, drei Stufen auf einmal. Beinahe wäre sie
gestürzt, als sie sich zur Seite warf, doch im letzten Augenblick schlug ihre
Hand auf dem Boden auf, sie konnte sich abstützen. Wieder ein Pfeil weniger!
Jetzt musste sie nur noch...
Ein kräftiger Stoß warf sie die Stufen hinunter, und im nächsten Moment
spürte Buffy einen rasenden Schmerz in der linken Schulter. Sie suchte nach
Halt, irgendetwas, um zu verhindern, dass sie bis ans Ende der Treppe
geschleudert wurde, oder womöglich noch weiter, mitten ins Kampfgetümmel. Ihre
Finger bekamen einen der steinernen Totenköpfe zu fassen, welche das
Treppengeländer zierten, doch der Schmerz in ihrem Arm war so heftig, dass sie
ums Haar wieder losgelassen hätte.
Mühsam stemmte sie sich mit dem rechten Arm hoch. Sie durfte jetzt nicht
aufgeben, ihre Freunde dort unten hatten keine Ahnung von der furchtbaren
Gefahr. Sie musste weiterhin die Aufmerksamkeit des Maskenträgers auf sich
lenken.
Zwei Pfeile! Es waren nur noch zwei Stück, und einen davon hielt die
Gestalt bereits in der Hand. Jetzt hatte sie nur noch Augenblicke Zeit, bis zum
nächsten Schuss, doch es war genug, um die Distanz zwischen sich, und dem
Maskenträger um mehrere Yards zu verringern. Ihr Feind kam weiterhin auf sie
zu, er war im Vorteil, da er höher stand als sie, doch er hatte nicht ihre
Reflexe. Das erkannte sie an der Geschwindigkeit, mit der er den Pfeil in die
Armbrust spannte.
Sie hörte das Surren des Schwertes buchstäblich im letzten Augenblick,
bevor es ihre Hüfte getroffen hätte. Einer der Dämonen war ihr gefolgt, und
wollte sich auf sie stürzen. Sie stieß sich mit beiden Beinen vom Boden ab, und
sprang hoch in die Luft, um dem Schlag auszuweichen.
Dem Schlag konnte sie damit auch ausweichen, nicht aber dem Pfeil, er
bohrte sich in ihren Oberschenkel. Ihr war klar, dass sie stürzen würde, wenn
sie wieder auf der Erde aufkam, sie musste zumindest außerhalb der Reichweite
des Dämons landen, dessen Arme sich drohend nach ihr ausstreckten.
Hart schlug sie auf dem obersten Treppenabsatz auf, nur wenige Stufen
unterhalb der Balustrade. Aus dem Augenwinkel konnte sie sehen, wie der Dämon
herumwirbelte, er wurde von Robin angegriffen, und konnte ihr zumindest im
Moment nicht folgen.
Aber der Maskenträger war noch da. Ohne Eile trat er auf sie zu, und
spannte den letzten Pfeil in die Armbrust ein.
Er beugte sich über sie, und zielte mitten auf ihre Brust.
+++
Vor dem College Gebäude
selbe Zeit
Willow hob die Hände, und riss einen Schwung Pflastersteine aus dem Weg,
der zum College Gebäude führte. Der alte Messertrick, den sie schon gegen Glory
angewendet hatte, nur dass es diesmal keine Messer waren. Egal, man musste eben
improvisieren. Sie wollte mal sehen, wie dieses Vieh Steine fraß, dachte sie
grimmig, als die schweren Brocken mit rasender Geschwindigkeit auf die Schützin
zuschossen.
Samielle öffnete ihren Schnabel, und stieß
einen krächzenden Schrei aus. Doch es war kein Angstschrei, wie Willow zuerst
geglaubt hatte, aus ihrem Rachen floss der grüne Nebel, mit dem Willow sie vorhin
hatte einfangen wollen. Der Nebel verfestigte sich vor ihren Körper, wurde zu
einer breiernen Masse, in welcher die Steine steckenblieben.
Einen schrecklichen Augenblick lang dauerte es, bis Willow klar wurde, dass
diese Dämonin nicht nur in der Lage war, ihre Magie zu absorbieren, sondern sie
auch wieder abzugeben. Sie begann einen Abwehrzauber zu murmeln, doch es war
schon zu spät, der Energieblitz, den sie als erstes abgefeuert hatte, riss sie
von den Fußen, und sie schlug hart auf dem steinernen Boden auf.
Benommen hob sie die Arme. Sie konnte nicht aufstehen, aber sie musste
einen Schutzzauber durchführen, irgendwas, nur damit sie ihrer Feindin nicht
hilflos ausgeliefert war.
"Protege!" Ein schwaches Flimmern spannte sich wie ein dünne Haut
zwischen ihren Fingerspitzen, breitete sich aus, wurde zu einer schimmernden
Hülle, um sie herum.
Der ersten Energiewelle hielt der Schutz noch stand, aber dann zerbarst er
in Tausende von Einzelteilen. Mit Genuss schleuderte Samielle die nächsten
Wellen auf Willow, welche im gleißenden Licht nichts mehr erkennen konnte. Es
tat so unglaublich weh, ließ ihren Körper wie Feuer brennen. Doch im Vergleich
zu dem seelischen Schmerz, den die Schützin ihr, und so vielen auch anderen
Menschen angetan hatte, war das absolut gar nichts. Die Hexe wollte schreien,
doch aus ihrem Mund kam kein einziger Ton.
Samielle erfreute sich an Willow's Verzweiflung, war sich sicher schon
gewonnen zu haben. "So einfach gebe ich nicht auf...”, murmelte Willow.
Natürlich pumpte ihr Herz wie wahnsinnig, und ihre Lunge schnürte sich langsam
zu, aber es war der einzige Augenblick, in dem sie die Rache bekam, die sie
schon so lange wollte.
Mit letzter Kraft versuchte sie sich aufzurichten, doch hilflos fiel sie
wieder auf den Boden zurück, ihr ganzer Körper ein einziger Schmerz. Für einen
Moment wünschte sie sich ihre Visionen zurück, die noch angenehm im Vergleich
zu diesen Schmerzen waren.
Die Schützin hatte sie mit ihren eigenen Waffen geschlagen.
"Freust du dich nicht?" erklang die krächzende Stimme dicht an
ihrem Ohr. "Jetzt kannst du endlich deine Liebste wieder sehen..."
Samielle hatte sich über sie gebeugt, ihre mächtigen dunklen Schwingen
verbargen den Nachthimmel über ihr. Nur einen einzigen Stern konnte Willow noch
zwischen den samtschwarzen Federn erkennen, als der gewaltige Schnabel auf sie
zukam.
+++
Kanalisation von Cleveland
unterirdischer Tempel, selbe Zeit
Würde das ihr Ende sein? Würde sie auf diese Weise sterben? Ein heftiger
Stoß gegen die Brust, dann ein stechender Schmerz, und
schließlich...Dunkelheit?
Aber der Stoß blieb aus. Stattdessen ein ohrenbetäubendes Krachen, das
myriadenfach von den Wänden widerhallte, ein gewaltiges Beben, welches Wände,
und Boden erschütterte. Schreie und das Trappeln vieler Füße vermischten sich
darin.
Unter ihr war die wandelnde, und kämpfende Kali Statue in tausend Stücke
zerbrochen.
Über ihr erzitterte die Armbrust, sie hörte ganz deutlich das Surren der
Sehne, als diese zurückschnallte. Kein Stoß, kein Schmerz. Nur ein Schrei. Der
Schrei eines Menschen, der ganz plötzlich abriss.
Und ein Schatten, als eine Gestalt über die Balustrade stürzte.
Buffy warf sich zur Seite, und kickte mit ihrem unverletzten Bein nach dem
maskierten Angreifer, um diesen von den Füßen zu reißen. Der Maskenträger
strauchelte, und ließ die Armbrust fallen, als er sich mit beiden Händen am
Treppengeländer festhielt, um seine Balance zu halten.
Mit einem Satz sprang die Jägerin auf die Füße, doch sie hatte ihr
verletztes Bein unterschätzt. Es gab unter ihr nach, und im nächsten Moment
rollte sie polternd die Stufen zur Tempelhalle hinunter. Verzweifelt versuchten
ihre Hände sich irgendwo festzuhalten, irgendwo...sie spürte, wie der Pfeil in
ihrem Bein abbrach, und der zweite, der in ihrer Schulter steckte, noch tiefer
hineingetrieben wurde.
Schmerz zuckte durch ihren Körper, als zwei Hände sie packten, und ihren
Sturz abfingen. "Alles okay, ich hab' dich!" Es war Robin's Stimme,
er legte die Jägerin vorsichtig auf den Boden, und begann ihre Verletzungen zu
untersuchen.
Buffy hob den Kopf und sah um sich. Der ganze Boden war mit dämonischen
Leichen, und steinernen Bruchstücken übersäht, überall war Blut. Und die Leiche
eines Mädchens - Nadine.
"Beiß die Zähne zusammen!" Robin begann damit, die Pfeile zu
entfernen, während Kennedy an ihr vorbei die Treppe nach oben stürmte,
offensichtlich auf der Suche nach der maskierten Gestalt. Ronah lehnte schwer
atmend an einer Säule, sie blutete aus mehreren Schnitten, und Aufschürfungen,
zum Glück schienen die Wunden aber nicht gefährlich zu sein. Auch Andrew schien
noch einiges abbekommen zu haben, doch dann - er hatte schon ziemlich fertig
ausgesehen, als er hier aufgetaucht war.
Sie musste wohl für einen Augenblick das Bewusstsein verloren haben, denn
im nächsten Moment brannte ihre Schulter wie Feuer, und Kennedy kam wieder nach
unten gerannt, in der Hand eine Armbrust. "Nichts," erklärte sie
knapp. "Wer immer da oben noch war, ist längst über alle Berge!"
"Nadine ist tot." Ronah's Stimme zitterte. "Und hier ist
noch ein toter Mann!"
Buffy's Augen verengten sich, als sie die Leiche betrachtete. Sie kannte
diesen Mann! Sie hatte ihn irgendwo schon mal gesehen, aber wo war das gewesen?
Der Tote hatte eine Wunde in der Brust, aber es war kein Pfeil zu sehen.
Als ob sich dieser in Nichts aufgelöst hätte. Mehr noch, wieso war dieser Mann
überhaupt getroffen worden? Der Maskierte hatte doch ganz deutlich auf Buffy
gezielt, und seine Armbrust war nur ein paar Zoll von ihrer Brust entfernt
gewesen. Buffy runzelte die Stirn. Das ergab alles keinen Sinn...
Suchend blickte Ronah sich um "Wo ist Faith?"
+++
Vor dem College Gebäude
selbe Zeit
Ein lauter Schlag durchbrach die nächtliche Stille, und der Schnabel sauste
an ihrem Hals vorbei, in die Erde. Instinktiv rollte Willow sich zur Seite, weg
von ihrer Feindin, die einen lauten Schmerzenslaut ausstieß, und dabei
versuchte ihren Schnabel zu befreien, der im Boden feststeckte.
Faith holte zu einem weiteren Schlag mit dem Kanaldeckel aus....
Etwas im Körper der Krähenfrau knirschte unheilvoll und ein großes Zucken
ging durch ihren Körper, ehe sie reglos liegen blieb. Doch damit gab sich Faith
nicht zufrieden. Sie bückte sich nach dem Schwert, das sie beim Herausklettern
aus dem Schacht hatte zur Seite legen müssen, und durchbohrte den Rücken der
Krähenfrau.
Willow stemmte sich in die Höhe und erstarrte auf halbem Weg, während ihre
Augen fasziniert an den blutverklebten Flügeln und dem leicht zitternden
Schwert fest hingen. So einfach war das gewesen? Alle Magie war nutzlos?
"Alles in Ordnung?" Faith stand nun neben Willow und half ihr
auf, während die Energie die sie gegen den Boden gedrückt hatte, nicht mehr
wirkte.
"Nein!" Ein leises Zittern in Willow's Stimme verriet Faith, dass
hier ein harter Kampf getobt hatte. Jeder Teil von Willow's Körpers schmerzte,
und doch war ihre Wut stärker. Auch noch jetzt, wo die Krähendämonin besiegt zu
sein schien. "Faith - sie hat Tara
auf dem Gewissen. Und Vi! Und so viele Menschen!"
”Ich weiß!" Faith Augen sprühten Blitze, als sie sich ihrer reglosen
Gegnerin zuwandte. "Ich hab' noch 'ne Rechnung mit dir offen!”, murmelte
Faith. “Zu schade das du schon ins Gras gebissen hast.”
“Wo.. wo sind die anderen?”, fragte Willow besorgt. "Geht es ihnen
gut?"
“Als ich weggerannt bin, sah's jedenfalls noch so aus. Was ist los?” Faith
sah besorgt in Willows Gesicht, das auf einmal reglos erschien, die Augen starr
auf etwas hinter Faith Rücken gerichtet. Faith wirbelte herum....
”Eine Hexe und eine Jägerin. Ich glaube nicht, dass ich da Angst bekomme!”
spöttelte Samielle arroganterweise und faltete ihre Flügel auseinander, um zu
testen, wie stark sie verletzt wurden. Ein kurzes schmerzhaftes Zucken ging
durch ihr Gesicht. Dann griff die Schützin nach hinten und zog das Schwert von
Faith mit einem kurzen Krächzen aus ihrem Rücken heraus. Achtlos warf sie es
zur Seite.
”Denkst du wir etwa vor dir?”, antwortete Faith, die auf die Schützin zu
rannte, ungeachtete der Tatsache, dass dieses Wesen tot sein sollte. Faith
drückte sich vom Boden ab, federte in die Höhe und rammte beide Beine mit einem
Sprung nach vorne in den Bauch der Dämonin. Faith verlor unter dem eigenen
Schwung das Gleichgewicht, sah aber zufrieden, wie Samielle ebenfalls
schwankte. Die dunkelhaarige Jägerin kam unsanft auf der Seite auf, sprang
sofort in die Höhe, federte in die Knie und nutzte das gestörte Gleichgewicht
der Schützin dazu aus, ihr mit einem schnellen, harten Fußfeger, die Beine
unter dem Leib wegzureißen.
”Willow steh nicht wie angewurzelt da. Hast du vergessen was sie uns angetan
hat?” Faith behielt die Dämonin scharf im Auge, die dank der Jägerin hart mit
dem Rücken auf den Boden prallte. Sie bückte sich nach dem Schwert....
Faith hatte Recht. Wieso verunsicherte sie diese menschliche Krähe so?
Nun... vielleicht weil sie gerade eben noch tot zu sein schien? Durchzuckte es
Willow mit leiser, sarkastischer Stimme.
Die Hexe fing sich wieder, sah Tara plötzlich vor sich, wie sie sie zuerst
nur lächelnd ansah, aber dann verdunkelte sich das Funkeln in ihren Augen.
”Dafür wirst du büßen,” flüsterte Willow.
Sie war eine mächtige Hexe, und Samielle war nur ein einfacher Bösewicht,
der doch nicht so schwer zu besiegen sein konnte? Willow's Haare funkelten
plötzlich weiß auf, ihre Haut bekam einen samtigen Glanz und um sie herum
erschien eine strahlende Aura, die ihre Kräfte nur erahnen ließen.
Willow's Blick richtete sich starr auf die Schützin, die gerade mit Mühe
auf die Beine kam. Faith' erster Angriff schien doch nicht so spurlos an ihr
vorüber gegangen zu sein wie sie tat - Blut glänzte im Gras.
Doch Samielle's Blick konzentrierte sich auf die Jägerin. Sie glaubte wohl
immer noch, dass die Hexe gelähmt war, schockiert von ihrer nutzlosen Magie
gegen sie. Doch die Jägerin war noch voller Tatendrang. Sie musste dafür
sorgen, dass sie als Gegnerin nicht mehr ernst zu nehmen war. Samielle breitete
ihren linken Flügel aus, um die Jägerin abzulenken.....
Faith holte mit dem Schwert aus, um den ausgebreiteten Flügel mit grimmigen
Gesicht zu stutzen.....
In diesem Moment hatte Willow ihre Magiekraft gebündelt und eine weitere -
diesmal stärkere - Energiewelle auf die Schützin los gelassen. Samielle blieb
diesmal keine Zeit, sich ihr zuzuwenden, und die Magie mit dem Schnabel
aufzusaugen, da sie immer noch Faith' Schwert ausweichen musste.
Trotzdem wurde die Schützin nicht mit voller Kraft getroffen, sondern nur
leicht gestreift. Denn im selben Augenblick, als die Energiewelle sie fast
erreicht hatte, drehte sich Samielle von der anrasenden Faith weg, um ihren
linken Flügel wieder einzufalten, während sie mit ihrem rechten zu einem
kraftvollen Schlag ausholte. Dabei trat sie aus der Zielrichtung. Die
Energiewelle entwurzelte Bäume und Büsche hinter der Schützin, die
durcheinander gewirbelt auf parkende Autos krachten, die Strasse blockierten
und eine Straßenlaterne mit sich rissen.
Faith wurde nach vorne, von den Füssen gerissen und flog ungebremst gegen
einen Baumstamm. Das Schwert flog ihr aus der Hand und mit einem alles andere
als Gutes verheißendem Geräusch, prallte sie vom Baum ab und flog zu Boden.
Benommen blinzelte sie zum Himmel hinauf.
”Jetzt bist du dran.”, entgegnete Samielle mit aller Wut in Willow's Richtung
und funkelte sie entschlossen an. ”Ich verstehe eure Gefühle und Anliegen
nicht. Ich kann nicht ändern, was ich getan habe, ich kann nicht ändern, was
die Natur mir mitgeben hat. Ich bin wie ich bin. Auch wenn dir das
offensichtlich nicht schmeckt... das hier ist völlig sinnlos. Ihr habt sowieso
keine Chance!” Sie sah zur reglos daliegenden Faith. “Halt... ich korrigiere
mich. DU hast sowieso keine Chance.”
Willow hatte nun genug. Wieso musste die Schützin alles noch schlimmer machen,
als es eigentlich war?
“Sei einfach still,” zischte Willow hasserfüllt. Die Luft um sie herum,
knisterte und schien zu brennen, wartete nur darauf weitere Blitze gegen den
Gegner schleudern zu dürfen.
Die Hüterin blickte Samielle aus tief schwarzen Augen an, während der Wind
in ihren weißen Haaren spielte - plötzlich machte Willow eine Handbewegung, als
würde sie zu einem Schlag ausholen, doch half die Bewegung nur dabei, ihre
ganze Magie zu bündeln. Sie war sich sicher, wenn das erneut schief ging, würde
ihre ganze Kraft gegen sie selbst verwendet werden, und das könnte sie das
Leben kosten.
”Hast du noch immer nicht aus deinen Fehlern gelernt?”, entgegnete Samielle
höhnisch, und erfreute sich schon an der nächsten Ladung Magie, die Willow
ungeachtet der Worte auf Samielle los ließ und welche die Dämonin wieder
stärker machen würde. Sie sperrte den Schnabel auf, als die Kraft zu fließen
begann.
”Anscheinend hast du das nicht!” ertönte überraschend hinter der Schützin
Faith’ Stimme. Die Dämonin konnte sich nicht zur Jägerin herumdrehen, da sie
mit dem Aufsaugen der Magie beschäftigt war. Willow sah besorgt das Blut, das
Faith’ aus einer Platzwunde auf der Stirn ins Gesicht lief, aber sie wusste,
dass sie die Jägerin kaum abhalten konnte, die Schützin anzugreifen. Sie waren
jetzt beide auf einander angewiesen.
Faith hatte wieder den Kanaldeckel in der Hand, weil sie ihr Schwert nicht mehr
fand und holte zu einem kraftvollen Schlag gegen den Kopf aus. Samielle's Kopf
schien für eine Sekunde schneller nach vorne zu fliegen, als der Rest ihres
Körpers nachstolpern konnte. Sie ging zu Boden, stürzte mitten in Willow's
Energiestrahl hinein, wobei auch Willow selbst von den Füssen gerissen wurde.
Die Hüterin ging keuchend in die Knie, hörte aber nicht auf, ihre Kraft auf den
Dämon loszulassen....
Faith war sofort an der Seite von Samielle, um ihr mit dem Fuß ins Genick zu
treten. Doch die Hand der Schützin schoss vor, umklammerte ihr Fußgelenk und
zog sie hart zu Boden, als die Schützin den Halt dazu nutzte, um mit Schwung sich
auf den Rücken zu drehen.
”Glaubst du wirklich, dass ich so schwach bin?” lachte Samielle siegesbewusst.
Faith gelang es, den Sturz mit ihren Händen abzufangen und trotzdem taten ihre
Knie höllisch weh, als sie aufprallte. Im Vierfüßlerstand versuchte Faith nach
der Schützin zu treten, um den eisernen Griff um ihren Knöchel zu brechen,
während sie kurz das Risiko einging nach Willow zu sehen. Die Hüterin kam
gerade wieder in die Höhe und Energiefunken spielten zwischen ihren Fingern.
Die Hexe sah Faith ungeduldig an und die Jägerin begriff, dass sie ihr in der
Schusslinie stand... allerdings schien auch Willow zu verstehen, dass sie den
Dämon abzulenken versuchte. Vielleicht gelang es ihnen so, der Krähenfrau
erheblichen Schaden zu zufügen.
”Ich werde dich gleich eines Besseren belehren,” Samielle stand auf, ihre Augen
auf Faith gerichtet, während sich zwischen ihren beiden Handflächen ein kleiner
Feuerball formte, den sie auf Faith’ Körper schleudern wollte, doch dazu kam
sie nicht. Das letzte was sie mitbekam war das Grinsen der Jägerin, und
Willow's Funkeln in den Augen, das Genugtuung mit sich führte, als Samielle
einen hastigen Blick über ihr Schulter auf die Hexe richtete....
.... der Feuerstrahl traf ihren
Rücken, setzte ihre Federn sofort in Brand und ließ die Dämonin unmenschliche
hohe Schreie ausstoßen.
Willow und Faith sahen beide mit hartem Gesichtsausdruck der lebenden
Fackel dabei zu, wie sie sich unter dem Schmerz wand, und alle Versuche das
Feuer zu löschen, fehlschlugen.
'Für Tara!' flüsterte eine leise Stimme in Willow’s Kopf, die sehr
zufrieden klang.
'Für Vi!!' hallte eine grimmige Stimme in Faith Gedanken nach.
Mit einem letzten, anhaltenden Schrei verstummte Samielle plötzlich, und
schwarze angebrannte Federn wehten durch die Luft. Willow's Atem wurde
langsamer, und die Hexe ließ sich fallen, kniete auf dem Boden und versuchte
wieder die Kontrolle über sich zu gewinnen.
”Endlich ist es vorbei,” flüsterte sie, als Faith näher kam.
”Aber leider nicht mit den Gedanken an Vi und Tara,” antwortete Faith, die sich
mit dem Ärmel das Blut von Stirn und Gesicht wischte.
”Das Ganze ist nun leichter zu ertragen, jetzt wo ich weiß, was wirklich
passiert ist," murmelte Willow. "Aber hätte ich damals gleich
versucht, die Wahrheit zu finden, wäre vielleicht ein Menschenleben verschont
geblieben. Vielleicht..." Aber wenn sie ehrlich zu sich selbst war,
glaubte sie nicht daran.
”Warren hat genauso schuld...” entgegnete Faith.
”Ja, aber ohne sie wäre das alles nicht passiert. Und ich frage mich, ob ich
diese Federn nicht in mein Familienalbum kleben soll,” antwortete Willow, als
sie Faith mit einem Grinsen ansah, und langsam aufstand.
"Willow?" fragte Faith plötzlich, und ihre Stimme klang seltsam
hilflos. "Diese ganze Sache mit den magischen Kugeln, und dieser
Dämonin...das heißt doch, dass Tara und Vi an einer mystischen Ursache
gestorben sind. Genau wie Buffy. Oder Warren. Ich meine..."
"Denk diesen Gedanken bitte nicht zu Ende!" Willow's Stimme klang
immer noch sanft, aber äußerst bestimmt und entschlossen.
Tara' s Tod war das Schlimmste, was sie je erlebt hatte, aber wenn sie
genauer darüber nachdachte, hatte sie schon lange mit diesem Kapitel
abgeschlossen, und ein neues Leben angefangen. Leider stand Faith aber erst bei
der Überschrift...
+++
Cleveland, Friedhof
einige Tage später
Gras und frische Blumen bedeckten nun die letzte Ruhestätte der jungen
Jägerin, die für viele eine Freundin und Mitkämpferin, und für einige eine Schwester
gewesen war. Was ihre Freundin Nadine anging, so war ihr Körper nach Clearfield
überführt worden, wo auch sie nun - hoffentlich - ihre Ruhe finden würde.
Nachdem die Schützin vernichtet worden war.
Doch so viele quälende Fragen hatten noch immer kein Ende genommen.
"Wir müssen so schnell wie möglich alles über Weatherby
herausfinden." Nachdenklich blickte Giles Lily an. "Für wen er
gearbeitet hat, nachdem das Urböse damals den Rat zerstört hat...was er mit
dieser Dämonensekte zu tun haben könnte..."
Buffy war nicht wirklich überrascht gewesen, schließlich hatte sie
Weatherby bereits vor einigen Jahren von seiner schlimmsten Seite kennen
gelernt, damals als sie in Faith' Körper steckte. Es war wohl Ironie des
Schicksals, dass die Dämonen, mit denen der ehemalige Handlanger des Rates
zusammengearbeitet hatte, sich gegen ihn gewendet hatten.
Die Schützin selbst hatte ihn mit ihrem letzten Pfeil getötet....
Doch Weatherby war nicht derjenige gewesen, der die Schützin beschworen,
und die Pfeile abgeschossen hatte, oder etwa doch?
Buffy ging ein paar Schritte weiter, zu Andrew, welcher Hand in Hand mit
Dawn neben dem Grab stand, und sich leise mit ihr unterhielt. Ihr verletztes
Bein behinderte sie noch ein wenig beim Laufen, doch die Wunden waren bereits
am Verheilen.
Als sie näher kam, verstummte das Gespräch zwischen den beiden.
"Buffy..." murmelte Dawn, "wir müssen über etwas reden, wenn wir
zu Hause sind, okay?" Mit diesen Worten zog sie sich schnell, und ein
wenig ängstlich zurück.
Andrew wollte ihr folgen, doch Buffy hielt ihn am Arm fest. Er schluckte
heftig, und wandte sich ihr zu. “Nein, ich hab’s nicht gewusst,“ murmelte er,
noch bevor sie etwas sagen konnte. “Ich hab’s vermutet, weil Warren’s Kugeln
dich damals ja auch nicht getroffen haben, aber wissen konnte ich es nicht. Es
tut mir leid, ich....ich hab’ keinen anderen Weg gesehen.“
’Wovon redest du eigentlich?’ wollte Buffy fragen, doch im selben Moment
wurde ihr klar, was er meinte, und sie unterbrach ihn. “Wenn du mich nicht da
hoch geschickt hättest, dann wären jetzt alle von uns tot. Du musstest eine
Entscheidung treffen, und du hast sie getroffen.“
“Aber du hättest sterben können...“ er wandte sich ab, und starrte zu
Boden. “Und es wäre meine Schuld gewesen...und ich hab’ das gewusst, und hab’
dich trotzdem...und du hast mir vertraut, und bist hoch gerannt...“ Eine
einzelne Träne tropfte von seinem Gesicht zu Boden.
“Aber es hat funktioniert,“ erwiderte sie. “Es hat funktioniert, und wenn
es funktioniert, bringt es nichts, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, was
geschehen wäre, wenn es nicht funktioniert hätte. Ob man möglicherweise ein
Menschenleben ausgelöscht hätte, und sich für den Rest seiner Tage schuldig
gefühlt hätte. Oder ob man gezögert hätte, und stattdessen vielleicht hunderte
anderer Menschenleben ausgelöscht hätte...“
Andrew nickte stumm.
Mit innerer Unruhe sah Buffy zu, wie sich alle langsam zum Gehen
anschickten, nur Faith und Willow blieben immer noch am Grab stehen. Auch sie
selbst zog sich zurück, sie konnte deutlich spüren, dass eine Verbundenheit
zwischen den beiden Frauen herrschte, die vor einigen Tagen noch nicht da
gewesen war. Und sie wollte keinesfalls ein Eindringling sein.
"Buffy? Bist du in Eile, oder darf ich dich um ein Gespräch bitten?"
Was wollte Lily von ihr? Jetzt und hier am Grab eines weiteren Opfers, das
hätte vielleicht verhindert werden können? Buffy wusste, dass diese Gedanken
sie nicht weit bringen würden. Sie hatte schon bei der Beerdigung wieder damit
begonnen, zu akzeptieren, dass der Kampf gegen das Böse nun einmal Opfer mit
sich brachte. So schwer das natürlich war, so wenig konnte sie etwas daran
ändern.
Mit einem Seufzen riss sie sich zusammen und folgte Lily, die vom Grab weg
ging.
“Ich weiß, dass das hier nicht der richtige Ort ist,” fing Lily plötzlich
an, als hätte sie ihre Gedanken lesen können. “Aber es ist vielleicht der
richtige Augenblick, oder einfach nur die richtige Stimmung für das, was ich
dir sagen möchte.”
“Und das wäre?” Buffy ging neben Lily zwischen den Gräbern hindurch. Die
innere Unruhe wich einer gesunden Portion Neugier.
“Wir haben zwei junge Jägerinnen verloren,
und obwohl ich schon so viele Jahre Wächterin bin, und wir immer wieder
Verluste hatten, fühle ich mich auf eine seltsame Art und Weise sehr betroffen.
Ich denke, das liegt daran, dass ich dieses Mal direkt dabei war. Nicht so
direkt wie ihr natürlich, aber doch beteiligt. Ich kannte Vi kaum, noch weniger
diese Nadine. Aber es ist etwas anderes, wenn man hinter einem Schreibtisch in
London sitzt und aus einem Bericht eines Wächters erfährt, welche Jägerin den
Kampf verloren hat. Ich war dabei, ich habe versucht mit Hilfe eines Freundes
Informationen zu finden, um euch rechtzeitig den Weg zu weisen. Ich wollte
verhindern, dass jemanden von euch dasselbe Schicksal wie Vi ereilt...”
Lily machte eine Pause. Es war so schwer, die
richtigen Worte für das zu finden, was sie Buffy zu sagen hatte. Und mit einem
raschen Blick zur Seite begriff Lily, dass Buffy nicht so recht verstand,
worauf sie hinaus wollte.
“Nun, das was ich dir zu sagen versuche ist... nun ja, du bedeutest Rupert
sehr viel. Ihr alle tut das. Ich verstehe nun etwas besser, wieso er dich sehr
oft mit ganz anderen Augen sieht, als es für einen Wächter gut wäre. Ich habe
begriffen, wie wichtig es für einen Wächter im Einsatz ist, für seine Jägerin
da zu sein, sie durch die Kämpfe zu leiten, ihr Überleben zu sichern. Und ich
weiß auch inzwischen, dass Rupert für dich viel mehr ist, als nur der Wächter,
der alles fest im Griff zu haben scheint. Ich möchte nicht, dass du das Gefühl
hast, ich würde zwischen euch stehen und versuchen, einen Keil zwischen euch zu
drängen. Das war nie meine Absicht. Ich bin nur hier, um Rupert in diesem Kampf
zu unterstützen und für Willow Antworten auf das, was sie zu sein scheint, zu
finden. Ich hätte mir nie erträumt, dass er und ich.. das wir an etwas
anknüpfen würden, wo wir vor über dreißig Jahren verzweifelt endeten.”
“Oh..” war alles, was über Buffy's Lippen kam. Erstaunt über Lily's
Offenheit wartete sie voller Spannung auf die nächsten Worte.
Doch Lily sah sie an, als erwarte sie mehr von ihr. “Oh... " murmelte
sie noch mal, "ich.. .uhm... ich denke, das ist etwas zwischen Ihnen und
Giles. Das geht mich nichts an,” wehrte sie verlegen ab. “Und hat wohl nichts
mit Ihnen und mir zu tun.”
“Vielleicht,” lächelte Lily warm. “Aber da ihr euch beide mehr braucht, als
ihr euch eingesteht und ich seit meiner Ankunft das Gefühl hatte, unerwünscht
zu sein, dachte ich mir, es wäre ganz gut, wenn ich dir ein paar Dinge über
ihn, mich und euch erzähle.”
“Sie sind nicht.. unerwünscht,” brachte Buffy halbherzig hervor. Innerlich
stöhnte sie jedoch über Lily's Arroganz. Gerade eben hätte sie sie fast
noch für ihren Mut und ihre Offenheit
bewundert. Doch das Letzte, was Buffy jetzt in Trauer und Wut über ihre
Hilflosigkeit im Kampf gegen das Böse gebrauchte, war eine Belehrung im Umgang
mit Giles. “Allerdings weiß ich nicht, wieso Sie ausgerechnet jetzt auf die
Idee kommen mit mir über all diese Dinge zu reden...”
“Der Tod der beiden Jägerinnen hat mir vor Augen geführt, wie schnell so
etwas passiert... und was für gute Arbeit Rupert und du die letzten Jahre über
geleistet habt. Es war nicht fair, dass der Rat euch dafür kritisierte und auf
seine Art und Weise bestrafte. Auch wenn vieles vor dem Umschwung vielleicht
besser strukturiert war als jetzt, verstehe ich durchaus dein Misstrauen
gegenüber allem, was den alten Rat vertritt - also mir gegenüber. Das ist keine
Entschuldigung von mir im Namen all meiner toten Kollegen oder jenen, die noch
unter uns sind.. aber vielleicht wäre es ein Anfang? Eine Art...
Waffenstillstand?”
Buffy lächelte unsicher. Sie hätte nie gedacht, dass solch ein Gespräch
zwischen ihnen möglich gewesen wäre, und schon gar nicht hier an diesem Ort.
Aber Lily klang vernünftig und ehrlich. Für ihre britische Arroganz schien sie
nichts zu können... so etwas wurde ihnen wohl in die Wiege gelegt. “Klingt in
Ordnung für mich,” nickte Buffy. “Ich möchte nicht... ich meine es ist schön,
Giles wieder glücklich zu sehen und ich möchte auf keinen Fall dazwischen
stehen.”
“Das weiß ich zu schätzen,” sagte Lily erleichtert. Sie streckte Buffy die
Hand entgegen. “Auf gute Zusammenarbeit?”
“Auf den Waffenstillstand,” grinste Buffy und fühlte sich seltsamerweise
sehr erleichtert. Sie hatte sich vom ersten Treffen an, dermaßen in ihre
Anti-Lily-Stimmung hineingesteigert, dass es ihr am Ende einfach zu schwer
gefallen war, den ersten Schritt auf die Wächterin zuzumachen. Egal wie wichtig
es vielleicht für ihre Zusammenarbeit war, oder für Giles Stimmung. Natürlich
hatte auch vieles zu Buffy's Verhalten beigetragen, wie etwa Lily's Haltung im
Kampf gegen den Dämonen-Virus, oder die Reifeprüfung Sache.
Aber möglicherweise hatte sie alles nur von einer Seite aus gesehen...sie
hatte Lily nie eine Chance gegeben.
Die beiden Frauen lösten ihre Hände und sahen
sich am Tor stehen. Sie waren völlig unbewusst Richtung Ausgang gegangen.
“Ich geh zurück zu Giles, nach Dawn sehen,”
sagte Buffy unschlüssig.
“Ich muss noch einmal zurück...” sie wies zum Grab, das jetzt verlassen
war, und Buffy nickte, wenn sie auch nicht verstand, was Lily dort noch wollte.
Lily sah Buffy hinterher, bis sie um die nächste Straßenecke gebogen war.
Erst dann öffnete sie ihre Handtasche und zog den Purificatio Talisman heraus.
Sie warf dem nutzlos gewordenen Talisman einen letzten Blick zu, ehe sie ihn
mit einem raschen Wurf in den Gully zu ihren Füssen beförderte.
---
“Vivian .... “
Der Name auf dem Grabstein würde Lily wohl
eine Weile in ihre Träume hinein verfolgen. Sie war das erste Opfer, das so
nicht geplant gewesen war.
Doch Opfer gehörten dazu. Dessen war sich
Lily von Anfang an bewusst gewesen. Aber sie war keine kaltblütige Mörderin.. -
nein das war sie nicht - und doch hatte sie auf Vi geschossen, weil das Mädchen
sie hinter der verrutschten Maske erkannt hatte... hätte Weatherby nur nie
diese Waffe an diesem Tag mit in die Lagerhalle gebracht.... und hätte Samielle
bloß ihre Arbeit erledigt, wie geplant.
Sie
hatte Samielle herbeigerufen, um jemanden zu haben, der für sie die Drecksarbeit
erledigte. Doch die Schützin war immer wieder gescheitert. Und weder diese
Wrukolas Vampire, noch dieser seltsame HtoGrom Dämonenclan hatten etwas ausrichten
können. Buffy und die anderen Jägerinnen waren einfach zu stark.
Die Pfeile waren nur ihre Reserve gewesen.
Der Trumpf im Ärmel. Nie hätte sie sich erträumt, damit auf die Menschen zu
zielen, die sie in den letzten Monaten als Freunde bezeichnete, deren Vertrauen
sie gewonnen...sich erschlichen hatte...
Lily schloss die Augen.... was würde Rupert
sagen, wenn er davon je erfuhr? Er durfte es einfach nicht herausfinden. Egal
was geschah.. sie musste ihre Spuren weiterhin verwischen. Auch wenn sie ab
sofort ihre eigene Hände nicht mehr in Unschuld waschen konnte, und selbst
ihren Plan ausführen musste.
Aber nicht nur den Zorn von Rupert fürchtete
sie in diesem Augenblick, sondern auch den Gedanken an Buffy und an all die
Dinge, die die Jägerin vielleicht mit ihr anstellen würde, wenn sie den
Drahtzieher hinter all den Anschlägen und den Morden entlarven würde - da half
nicht einmal der Gedanke daran, warum sie all dies tat. Wieso sie sich zur
Mörderin machte, Freunde verkaufte und verriet...
Mörderin.... dieser Gedanke ließ sie
erschaudern. Sie hatte das nicht gewollt. Sie hatte auch nicht Vi’s Freundin
töten wollen, auch wenn sie sie als erste für den zweiten Pfeil ausgesucht
hatte.... Opfer... Opfer waren notwendig, sagte sie sich erneut, doch dieses
Mal war es keine Beruhigung für sie, kein Trost. Nicht wenn sie an all die
vergeudeten Pfeile dachte, die sie auf Buffy abgefeuert hatte ... immer wieder... und keiner hatte getroffen.
Sie wusste nicht wieso.
Es war unerklärlich und frustrierend zu
gleich. Der letzte Schuss.. auch er hätte Buffy treffen müssen - wieso war
Weatherby durch ihn gestorben?
Keine Antworten.. sie würde keine finden.
Buffy und Giles durften auch keine finden.
Sie würde vorsichtiger sein müssen.
Ihre Sache war das wert und letztendlich tat
sie es doch für sie alle.
“Es tut mir leid,” flüsterte Lily leise und
erschrocken über ihre laut ausgesprochene Worte sah sich Lily schnell um, aber
sie war alleine. “Du bist auf keinen Fall so sinnlos gestorben wie Faith und
die anderen glauben. Es war für eine gute Sache. Alles hat seinen Grund und das
war erst der Anfang. Als Jägerin war dir der Tod sowieso vorher bestimmt. Und
es war nicht meine Entscheidung, dich zu einer Jägerin zu machen... eine von so
vielen...”
Die Worte kamen ihr leicht von den Lippen,
sie machten Lily wieder stark und selbstsicher. “Aber man wird sich eines Tages
an dich erinnern, als die erste von vielen...”
GrrrrrARG