Episode 8.22
Same
Von Stefan & Mel
Co-Autoren: Yamato, Cthulhu
Bebilderung: HotWitch
Folgenbilder: Stefan
Credits: Projekt 8 ist ein
Projekt von www.slayerfanfic.de mit spezieller
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Disclaimer: Die virtuelle,
achte Staffel baut auf das von Joss Whedon erschaffene Buffy-Universum
auf. Sie wurde von Fans für Fans geschaffen, ohne dem Ziel damit Geld zu
verdienen. Das Universum und seine Charaktere sind das alleinige Gedankengut
von Joss Whedon, Mutant Enemy, FOX, WB und Paramount
Giles (V.O.): Was bisher geschah…
Überblende: Die Schlacht
zwischen Jägerinnen und Dämonen in Malkuth beginnt. Die Scoobies
versuchen die Lage zu schlichten, werden aber im Kampfgetümmel getrennt. – 8.20
Mo (V.O.): „In jeder
Generation werden Hunderte von Jägerinnen geboren. Hunderte von Mädchen, um
sich den Dämonen, dem Bösen und den Mächten der Finsternis
entgegenzustellen...” – 8.18
Überblende: Giles und Willow
befinden sich im neuen Ratsgebäude bei einer Konferenz. Giles stellt den
anderen die Wächterin Lily Usher, eine gute Bekannte aus seiner Vergangenheit,
vor. – 8.01
Lily (V.O.): „Die Welt ist
voller Jägerinnen. Das Gleichgewicht hat sich verschoben." – 8.01
Überblende: Giles und Lily halten einander eng umschlungen,
und küssen sich leidenschaftlich. Giles' Jackett fliegt über den Küchentisch,
seine Hände beginnen, ihre Bluse zu öffnen. – 8.07
Lily (V.O.): „Und hat es etwas gebracht? Sind Vampire bereits ausgerottet?
Dämonen vor dem Aussterben bedroht? Nicht dass ich wüsste. Oh, Rupert und seine
fantastischen Ideen... sein Reformationswahn... alles verrückte Ideen, die uns
nicht weiterführen.“ – 8.15
Überblende: In einer dunklen
Lagerhalle trifft sich das ehemalige Ratsmitglied Weatherby
mit einer geheimnisvollen, maskierten Person. – 8.02
Lily (V.O.): „Sie bringen uns weg vom alten Kurs, von Dingen, die unsere
Vorfahren mühsam aufgebaut haben. Ich kann und werde es nicht zulassen, dass
unser Erbe so in den Schmutz gezogen wird...“ – 8.15
Der Bildschirm wird
schwarz. Im Hintergrund hören wir das allmählich stärker werdende Prasseln von
Feuer.
Das Orakel (V.O.): „Sie ist der
Schlüssel.“ – 8.17
Überblende: Dawn pfählt
einen Vampir in einer dunklen Gasse in London. – 8.01
Dawn (V.O.): „Ich bin wohl
irgendwie eine Jägerin... und ich habe keine Ahnung, wie ich es Buffy sagen
oder wie ich mich verhalten soll.“ – 8.06
Überblende: Lily hält Dawn in einer magischen Energiekugel gefangen und
will sie als Schlüssel benutzen, um die alten Regeln
wieder herzustellen. – 8.15
Lily (V.O.): „Nennen wir es... die
Wiederherstellung der alten Gesetze. Eine Jägerin in der Hand und unter der
Kontrolle von vielen Wächtern.“– 8.15
Überblende: Lily beschwört die
Reiter des Todes. Kurz bevor sie das Ritual beenden kann, wird sie von den Scoobies gestört und muss abbrechen. – 8.15
Das Orakel (V.O.): „Ihr habt eine
alte Macht entfesselt, statt Neues gegen das Alte zu vertauschen.“ – 8.17
Überblende: Buffy, Faith, Kennedy
und Dawn haben Visionen von den vier Reitern, die durch die Macht über die
Naturgewalten Chaos und Zerstörung herbeiführen. – 8.15
Akira (V.O.): „Einer kam…“ –
8.01
Magier (V.O.): „… über sie…“ –
8.03
D’Hoffryn (V.O.): „… und alles was zurück blieb…“ – 8.09
Kapitän Raynolds (V.O.): „… war reine Erde.“ – 8.11
Überblende: Drei der vier Reiter brechen
aus ihren Kontinenten hervor und hinterlassen auf ihrem Weg nach Cleveland eine
Spur der Verwüstung. – 8.15
Das Orakel (V.O.): „Mächtige Wesen
wurden befreit, die für immer verborgen hätten bleiben sollen und nun Unheil
über diese Welt bringen werden. Eine Katastrophe nach der anderen wütet,
während drei Reiter den einen suchen, der ihnen die Macht gibt, alles zu
bereinigen.“ – 8.17
Überblende: Lily befragt
das Orakel. – 8.17
Lily (V.O.): „Und mein
Problem mit der Jägerin? Ich spreche von Buffy. Die Jägerin, die mir im Weg
steht…“ – 8.17
Der Bildschirm wird
erneut dunkel. Zu hören ist nur das immer unruhiger werdende Rauschen von
Wasser.
Das Orakel (V.O.): „Sie wird der
Schlüssel sein. Lasst sie gegen die Reiter kämpfen und seht, was passieren
wird.“ – 8.17
Überblende: Lily reißt die
Macht im Rat an sich und beginnt damit, Jägerinnen für ihre dunklen Pläne zu
manipulieren, indem sie sie durch Drogen zu willenlosen Kampfmaschinen macht. – 8.17
Lily (V.O.): „Hunderte von
Jägerinnen aus aller Herren Länder, und jede von ihnen steht unter dem Kommando
des Wächterrats – meines Rats. Innerhalb von vierzehn Tagen kann ich etwa
zweihundert von ihnen mobil machen. Das sollte wirklich genügen, um jede
Dämonenstadt in den Staub zu stampfen!“ –
8.18
Überblende: Der Kampf in
Malkuth geht weiter und fordert viele Opfer. Buffy wird dabei überwältigt und
anschließend von Lily dazu benutzt, den vierten Reiter zu beschwören. – 8.20
Lily (V.O.): „Die Reiter werden die Welt
nicht vernichten. Sie werden sie reinigen. Alles Unreine wird vergehen. Wenn
sie ihren Ritt vollendet haben, wird eine schöne neue Welt entstehen, eine
strahlende, reine Erde. Auf der wieder die alten Gesetze gelten.“ – 8.20
Überblende: Der vierte Reiter
bricht aus dem Höllenschlund hervor und vereinigt sich über dem Erie-See mit seinen Kameraden. Zusammen richten sie eine
Welle der Vernichtung in Cleveland an und unterscheiden dabei nicht zwischen
Dämonen und Menschen. – 8.21
Lily (V.O.): „Wenn wir dabei
Opfer bringen müssen, dann müssen wir es eben! Es ist unvermeidlich, wie es
unvermeidlich ist, dass jeder Mensch irgendwann einmal sterben muss!“ – 8.10
Überblende: Lily
tötet Vi mit einem von Samielles
geweihten Pfeilen. – 8.13
Silent
Hill Eve (V.O.): „Du wirst sie nicht retten können!” – 8.03
Überblende: Faith und Evil-Eve kämpfen in Silent Hill
gegeneinander. – 8.03
Silent Hill Eve (V.O.): „Du wirst nie gewinnen, Faith!“ – 8.03
Überblende:
Faith,
Ronah und Robin sehen sich Kimberly und einer Gruppe Jägerinnen gegenüber.
Während Faith Ronah das Leben rettet, wird Robin von einem von Kims Pfeilen
getötet. – 8.20
Silent Hill Eve (V.O.): „Ganz egal was du machst… du bist schuld am Tod deiner Freunde.“ –
8.03
Überblende: Faith bricht im
Wohnwagen zusammen und hat erneut eine Vision von Evil-Eve.
– 8.21
Faith (V.O.): „Ich hab’ damals in Silent
Hill eine Eve getroffen, die haargenau aussah wie Xanders kleine Schlampe, aber
sie war ein Dämon, und hat uns beinahe alle umgebracht.“ – 8.15
Überblende: Xander lernt in
seinem Büro seine attraktive Kollegin Eve Cronenberg kennen. Zwischen den
beiden entwickelt sich eine Beziehung. –
8.08
Magier (V.O.): „Sie ist menschlich.“
– 8.15
Überblende: Eve wird in ihrer Wohnung von dem
Magier überfallen und nach Malkuth entführt, wo ihr ein uralter Dämon
eingepflanzt wird. – 8.20
Zaddik Babette (V.O.): „Es ist nicht mehr deine Gefährtin, mit der wir es zu tun haben…“ – 8.21
Überblende: Der Eve-Dämon
stürmt das Verletztenlager von Malkuth, doch Xander schafft es, ihre
Aufmerksamkeit auf sich zurichten und sie in eine Falle zu locken. Mit Hilfe
der Dämonin Babette gelingt es ihm, seine Freundin
von dem Alten zu befreien. – 8.21
Lily (V.O.): „Wir haben es nie
darauf angelegt einzelne Menschen zu retten, seit Anbeginn des Rates nicht.“ – 8.10
Überblende: Willow hat eine
Vision von einer Jägerin in Not, die sich auch auf ihren Körper auswirkt. – 8.03
D’Hoffryn (V.O.): „Die Verbindung zu den Jägerinnen ist Teil der Aufgabe einer
Hüterin. Nur, wenn sie die Gefühle der Jägerin versteht, kann sie diese zu
einem reifen, verantwortungsbewussten Menschen erziehen.“ – 8.19
Überblende: Willow vollführt in
Malkuth einen Zauber, der sie mit allen Jägerinnen verbinden soll, um diese aus
Lilys Einfluss zu befreien. Nach vollendeter Tat bricht sie unter Schmerzen
zusammen. – 8.20
D’Hoffryn (V.O.): „Es war nie vorgesehen, dass eine einzige Hüterin für so viele
Jägerinnen verantwortlich ist. Diese Aufgabe ist nicht zu bewältigen. Sie wird
dich das Leben kosten.“ – 8.19
Überblende: In einer seltsamen
Zwischenwelt trifft Willow auf die letzte Hüterin der alten Generation und
diese erklärt ihr, was es mit ihrer Existenz auf sich hat. – 8.21
Hüterin (V.O.): „Es gab eine
Prophezeiung, in der von der „Erweckung“ gesprochen wurde. Sie besagte, dass,
nachdem die letzte Hüterin ihre Augen für immer geschlossen haben wird, eine
neue, mächtigere Generation von Hüterinnen erwacht, geleitet von einer, die die
Regeln für immer ändern wird.“ – 8.21
Überblende: Der Kampf in Malkuth
wird angesichts der einströmenden Wassermassen des Erie-Sees
gestoppt und die Jägerinnen suchen das Weite. Lilys Plan ist fehlgeschlagen und
sie muss fliehen. – 8.21
Lenhardt (V.O.): „Wir können es
uns nicht leisten unser Gesicht zu verlieren, gerade jetzt nicht. Ich habe
vorgeschlagen Ms. Usher aus all ihren Ämtern zu entheben.“ – 8.21
Zum dritten Mal wird der
Bildschirm schwarz. Ein intensiver werdendes zischendes Geräusch wie von
eisiger Luft erfüllt die Stille.
Das Orakel (V.O.): „Sie wollte nur
hören, was sie hören wollte.“ – 8.21
Überblende: In der
Zwischenwelt trifft Willow auf Tara und ist angesichts dieser Begegnung
sichtlich verwirrt. – 8.21
Willow (V.O.): „Tara, bitte,
du musst mir einfach antworten. Wo bin ich hier? Bin ich gestorben?“ – 8.21
Überblende: Willow und Tara
gehen am Strand spazieren. Tara steckt Willow liebevoll eine Rose ins Haar. – 8.21
Tara (V.O.): „Du bist nicht
tot.“ – 8.21
Überblende: Warren findet die
bewusstlose Willow und bringt sie trotz seines großen Hasses auf sie zu ihren
Freunden in Gewahrsam. – 8.21
Andrew (V.O.): „Ich lebe in der
Realität. Ich bin real, Warren ist real. Und dass wir zusammen sind, unsere
Filme gucken und auf Cons gehen... das ist einfach
unser Leben, und es hat nichts mit Unreife oder Abhängigkeit zu tun.“ – 8.14
Überblende: Andrew findet heraus,
dass Warren Malkuth verraten hat und setzt ihn danach mit Gift außer Gefecht. –
8.20
Xander (V.O.): „Dann stimmt es
also, dass du hinter unserem Rücken gemeinsame Sache mit diesem... diesem
psychopathischen Frauenmörder machst?“ –
8.14
Überblende: Warren beobachtet
passiv das Geschehen in Malkuth, ehe er unbemerkt in der Dunkelheit verschwindet.
– 8.21
Hüterin (V.O.): „Dort wo es gute
Menschen gibt, gibt es auch immer schlechte. Wo Treue und Ehre eine Rolle
spielen, fruchtet Verrat und Egoismus…“ –
8.21
Überblende: Lily ist auf dem Weg
sich abzusetzen, als die vier Reiter die Mauer ihres Appartements durchbrechen,
um sich den Purificatio-Talisman zu besorgen. – 8.21
Reiter (V.O.): „Wo ist der
Talisman?“ – 8.21
Überblende: Lily lässt den
Talisman in den Gully fallen, nachdem er für sie wertlos geworden ist. –
8.13
Tara (V.O.): „Die Reiter haben ihre
Aufgabe vor vielen tausend Jahren schon einmal wahrgenommen. Doch diese
Reinigung bedeutet nicht zwangsfrei, dass die Welt für die Menschen wieder
lebenswerter wird. Im Gegenteil... viele überlebende, reine Kreaturen könnten
wieder mächtiger werden und erneut die Vorherrschaft übernehmen – sofern
überhaupt auch nur ein Mensch überlebt." – 8.21
Überblende: Buffy besucht
auf Giles’ Anraten hin das Orakel. –
8.21
Das Orakel (V.O.): „Dadurch, dass
du ihr dein Blut gegeben hast, um sie zu erschaffen, hast du es erst möglich
gemacht, den Schlüssel zum Sieg in den Händen zu halten.“ – 8.21
Überblende: Buffy und der Unsterbliche stellen in Rom gemeinsame
Nachforschungen über ein womöglich wichtiges Amulett an. Dabei kommen sie sich
näher. – 8.19
Buffy (V.O.): „Welchen Sieg
meinst du?“ – 8.21
Überblende: Im Wächterhaus zeigt Buffy den
anderen eine leere Papierrolle, welches in dem Amulett des Unsterblichen
verborgen war. Als Dawn sie in die Hände nimmt, glüht sie auf und eine selbst
für Giles unbekannte Schrift wird sichtbar. – 8.20
Das Orakel (V.O.): „Den Sieg über
die vier Alten.“ – 8.21
Überblende: Dawn trifft auf Akira,
der ihr erklärt, dass ihre Schlüssel-Kräfte im kommenden Kampf von
entscheidender Wichtigkeit sind und ihr zeigen will, wie sie sie nutzen kann. – 8.21
Akira (V.O.): „Es wird Zeit
zu lernen, Dawn.“ – 8.21
Der Bildschirm wird ein letztes Mal dunkel. Wir
vernehmen lediglich das immer lauter werdende Rumpeln der Erde.
Das Orakel (V.O.): „Lernt den
Schlüssel zu benutzen.“ – 8.21
TEASER
Cleveland, Friedhof
Noch immer dieselbe Nacht
Ein starker Wind ließ die
alten Bäume auf dem Friedhof ächzen und stöhnen. Das Gebüsch an den Wegen
duckte sich unter dem Wind und vereinzelt rissen sich Blätter los, die in die
Höhe getragen wurden. Inhalte von Mülleimern wurden spielend leicht vom Wind
ergriffen und über den leeren, dunklen Friedhof getrieben, bis sie sich im
Gestrüpp verfingen. Die Gräber wirkten unbeeindruckt vom Sturm, nur das eine
oder andere Totenlicht wurde gelöscht.
Eine
alte, vergilbte Zeitung wurde vom Wind über die Gräber gejagt, vorbei an
kürzlich verstorbenen Ehemännern, Großvätern, Müttern,
Kindern, weiter über einen alten Teil des Friedhofes, wo längst
vergessene Pioniere Clevelands beerdigt lagen, verfing sich kurz an einem alten
Grabstein auf einem Veteranengrab und wurde vom Wind schließlich weiter gezerrt, bis sie erneut auf einem Grabstein hängen blieb, wo sie
den größten Teil der Inschrift verdeckte. Nur ein schlichtes Vivian war zu erkennen…
Ehe
der Wind die Zeitung erneut aufgriff begann der Regen. Kleine Wasserbäche
zwischen dem Kies auf den Wegen entstanden, Erde auf den Gräbern schwamm davon
und die Sicht über das Gebiet wurde verschleiert von einem dichten Vorhang aus
kalten Regentropfen.
Das
Eisentor am Eingang des Friedhofes schlug im Wind auf und zu, quietschte dabei
unerträglich und ließ die vier Pferde, gewaltige Streitrosse, unruhig mit ihren
Hufen scharren. Das Wetter gefiel selbst diesen höllischen Reittieren nicht,
die weitaus Schlimmeres gewöhnt waren. Doch
der Boden zu ihren Hufen war bereits vom Regen durchweicht und kleine Rinnsaale
flossen über den hier betonierten Weg nach draußen auf
den Gehsteig, wo sich das Wasser über den Rand in einen offenen Kanalschacht
ergoss...
Flashback
nach der Beerdigung der Jägerin Nadine
Lily streckt Buffy die
Hand entgegen. „Auf gute Zusammenarbeit?“
„Auf den
Waffenstillstand.“
Die beiden Frauen
lösen ihre Hände und sind völlig unbewusst Richtung Ausgang gegangen.
„Ich geh zurück zu
Giles, nach Dawn sehen“, sagt Buffy unschlüssig.
„Ich muss noch einmal zurück...“
Lily weißt zum Grab, das jetzt verlassen ist, und Buffy nickt.
Lily sieht Buffy
hinterher, bis sie um die nächste Straßenecke gebogen ist. Erst dann öffnet sie
ihre Handtasche und zieht den Purificatio-Talisman heraus. Sie wirft den nutzlos gewordenen Talisman einen letzten Blick zu, ehe
sie ihn mit einem raschen Wurf in den Gully zu ihren Füssen befördert.
Ende
Flashback
...
Lily, sichtlich erschöpft, rutschte mehr die
Eisenleiter des Kanalschachtes hinunter, als dass sie sicher einen Fuß vor den
anderen hätte setzten können. Über ihr stiegen zwei der Reiter nach und
unter ihr sprangen die beiden anderen bereits in das übel riechende,
schmutzige Abwasser von Cleveland.
Sie
konnte nicht fassen, wie sie sich in diese Situation hatte bringen können. Aber
hatte sie eine Wahl gehabt? Die Reiter verlangten nach dem Talisman – jenem
magischen Objekt, von dem sie annahm, er diente nur zur Bindung einer mächtigen
Dämonin und den sie nach getanem Werk achtlos in den Gully
hatte fallen lassen. Natürlich hatte sie das den Vieren
nicht genau so erzählt. Im Gegenteil. Sie hatte ihnen
weismachen können, dass sie ohne sie den Talisman hier unten nie finden
würden. Aber was würde erst mir ihr geschehen, wenn die Reiter dahinter kamen,
dass sie sie nur an der Nase herumgeführt hatte?
Als
Lily das Ende der Leiter erreichte, zögerte sie mit dem Sprung in die dunkle
Brühe, aber da der heutige Tage sowieso alles andere als erfolgreich verlaufen
war, kam es auf eine ruinierte Hose in der Nacht auch nicht mehr an. Und
vielleicht blieb ihr gar nicht mehr all zu viel Zeit, um sich darüber wirklich Sorgen machen zu können. Also sprang sie.
Angewidert verzog Lily das Gesicht, als Wasser hoch spritzte und ihr Gesicht
benetzte. Mit missmutigem Blick zu den beiden Dämonen vor sich, strich sie sich
eine zerzauste Haarsträhne hinter das Ohr.
Es
gab möglicherweise noch eine Chance für sie, aber da die Reiter bisher nicht
viel mit ihr gesprochen hatten, baute sie nicht all zu sehr darauf. Aber ein
Versuch war es wert:
„Darf ich die ehrenwerten
Dämonen daran erinnern, dass sie ihr Hiersein nur mir verdanken?“ Die beiden Dämonen
wandten ihren Kopf zu Lily. Als ihr nur kalte Augen
entgegen starrten, packte sie die Wut und ließ sie ihre vorsichtige Wortwahl vergessen. „Wäre ich nicht gewesen, würdet
ihr noch immer in euren Dreckslöchern feststecken und auf den ersehnten Tag der
Befreiung warten. Und wäre ich nicht gewesen, hättet ihr euren Vierten im Bunde niemals zu euch holen können. Es
ist allein mir zu verdanken. Ein wenig Entgegenkommen von euch wäre da nur
recht und billig.“
Inzwischen
waren auch die beiden anderen Dämonen ins Wasser gesprungen und ohne auf ihre
Worte zu achten, stieß ihr der asiatische Dämon die behandschuhte Hand in den
Rücken, so dass sie ein paar Schritte nach vorne taumelte. Es war also sinnlos
mit den Dämonen zu verhandeln. Frustriert knipste Lily ihre Taschenlampe an und
zeigte mit dem Lichtstrahl in den Gang. Eine aufgescheuchte Ratte huschte aus
dem Lichtkegel und Lily schüttelte es erneut.
„Wir
müssen da lang. Der Talisman ist sicher vom Wasser mitgerissen worden...“
„Ihr
solltet daran denken, dass wir kurzen Prozess machen werden, wenn es sich hier
nur um eine Hinhaltetaktik handelt“, unterbrach sie überraschend der
indianische Dämon mit einer tiefen, bedrohlichen Stimme, die Lily erschaudern
ließ.
„Oder
um ein Spiel“, fügte der afrikanische Reiter mit sonderbar knarrender Stimme
hinzu.
„Wir
sind die wahren Herrscher dieser Welt und haben es nicht nötig mit Kreaturen
wie Ihr es seid zu verhandeln“, sagte der europäische Dämon mit dröhnender
Stimme.
„Ihr
bleibt nur so lange am Leben, bis wir uns überzeugt haben, dass Ihr uns nicht
an der Nase herumführt“, schloss der Asiate den
Kreis.
Lily
blieb nichts anderes übrig, als laut und frustriert die Luft auszustoßen, ehe
sie ergeben und geschlagen in der Mitte der vier Dämonen durch das Wasser zu
waten begann. Vielleicht wurde es Zeit für Plan B.
Cleveland
Selbe Nacht
Etwas lag in der Luft.
Große
Ereignisse warfen ihre Schatten voraus.
Das
hätte er auch ohne die offensichtlichen Anzeichen wie zerstörte Straßenzüge,
leere Häuser, fliehende Menschen und Dämonen bemerkt. Schließlich wurde man
nicht so alt wie er, wenn man nicht ein gewisses Gespür für derartige
Entwicklungen hatte.
Der
Unsterbliche machte sich allerdings um sein Überleben keine Sorgen. Bisher
hatte er schließlich alles überstanden.
Allerdings
sorgte er sich durchaus um die Welt. Eine Apokalypse wäre das Letzte, was er
gebrauchen konnte, schließlich gefiel ihm die Welt so, wie sie war.
Insbesondere, weil er nicht daran dachte, Einfluss oder Macht, wie subtil sie
auch sein mochte, an die Alten abzugeben.
Und
natürlich gab es da noch einen anderen Faktor... eine gewisse blonde Frau, die
es ihm durchaus angetan hatte. Auf jeden Fall war ihre Gesellschaft
interessant, gerade ihre Uneinigkeit mit sich selbst machte sie zu einer
faszinierenden Person.
Von
Liebe würde er nicht sprechen – er hatte genug Erfahrung in diesen Dingen, um
so gut wie nie davon zu sprechen – aber eine gewisse Anziehungskraft war schon
vorhanden.
Allerdings
war dies nur ein eher unwesentlicher Grund, weshalb er nach Cleveland gekommen
war. Vielmehr ging es ihm darum, die Truppe um die Jägerin mit neuen
Informationen zu beliefern, um die Apokalypse rechtzeitig aufhalten zu können.
Wie
gesagt, der Gedanke an den bevorstehenden Umsturz gefiel ihm nicht. Und selbst
kämpfen?
Nein,
danke, an diesen Kreaturen würde er sich sicher nicht die Finger schmutzig
machen.
Das
war schon lange nicht mehr sein Stil.
Plötzlich hörte er hinter
sich ein leises Fauchen und das Geräusch von mehreren Schuhen, die auf das
nasse Pflaster trafen.
Vier
Vampire. Dem Lärm nach Neulinge.
Der
Unsterbliche seufzte. Leider war seine Fahrgelegenheit dem allgemeinen Chaos
zum Opfer gefallen, weshalb er nun zu Fuß gehen musste. Was die
Wahrscheinlichkeit solcher Begegnungen erhöhte.
„Denkt
darüber nach“, sagte er sanft, ohne sich umzudrehen. Langsam schritt er weiter
die Straße entlang.
Ein
Vampir knurrte verärgert auf und stürzte sich auf ihn.
Der
Unsterbliche schien sich überhaupt nicht zu bewegen, dennoch verfehlte ihn der
Sprung, woraufhin der Angreifer lautstark gegen einen
Zaun krachte.
Der Unsterbliche musterte den Vampir. Es war ein Jugendlicher, kaum
älter als 16 Jahre, gekleidet in eine abgerissene Jeans und eine Lederjacke.
Gerade richtete er sich fluchend wieder auf und starrte sein erwähltes Opfer
an.
Dieser lächelte noch immer, obwohl der Vampir sein dämonisches Konterfeit zeigte und ihm den
Furcht erregendsten Blick zuwarf, dessen er fähig
war.
Neulinge.
Er hatte richtig geraten.
Betont
langsam drehte er sich um und musterte die anderen drei Vampire. Zwei Männer,
eine Frau. Sie wirkte in ihren Bewegungen selbstsicherer, sich ihrer
dämonischen Kraft bewusst. Sie hatte im Gegensatz zu ihren ebenfalls sehr
jungen Begleitern – der ältere der beiden war vielleicht gerade 21 geworden –
auf ihre vampirische Maske verzichtet. Außerdem war sie darauf bedacht,
unauffällig zu wirken, während die beiden anderen
Kleidung gewählt hatten, die aus ihrer Sicht wohl „cool“ wirkte. Der rechte
trug einen langen Ledermantel, während der andere sich für eine ähnliche
Lederjacke wie sein unglücklich gestürzter Begleiter entschieden hatte.
Poseure.
Er
sah sich kurz um – es wäre jetzt äußerst unpassend gewesen, wenn eine Jägerin
aufgetaucht wäre, egal, zu welchem Lager sie gehörte. Heute wollte er ungern
Blut vergießen, dazu war seine Stimmung zu gut. Außerdem würde es seinen Anzug
ruinieren.
Dann
lächelte er erneut und wandte sich direkt an die offensichtliche Anführerin.
„Mylady, würde es Euch etwas ausmachen, Eure... Lakaien...
zurückzupfeifen? Ich bin nicht in der Stimmung für einen Kampf.“
„Was
hab ich davon?“, gab sie zurück. Ihr Tonfall war eiskalt. Gut. Ruhig und
beherrscht. Eine Eigenschaft, die für Wesen wie sie überlebenswichtig war.
„Ihr
und Eure Lakaien überlebt diese Nacht.“
„So weit kommt’s noch“,
zischte sie und spuckte aus.
Der
Unsterbliche seufzte. Hatte er sie doch überschätzt. Er sah manchmal einfach zu
viel in den Leuten – lebende und tote...
Der
Kerl mit der Lederjacke griff ihn mit einem unbeherrschten Faustschlag an. Ehe
der Vampir wusste, wie ihm geschah, hörte er ein scharfes Knirschen und ein
furchtbarer Schmerz fuhr durch seinen Arm, der nun in einem unnatürlichen
Winkel vom Körper abstand.
Aufstöhnend
ging er in die Knie.
Die
Vampirin starrte den Unsterblichen verwirrt an. Er
schien sich überhaupt nicht bewegt zu haben.
Fast
zeitgleich griffen ihn die beiden anderen an. Der Vampir, der ihm in den Rücken
fallen wollte, sah sich plötzlich auf dem Boden vor dem Unsterblichen liegend,
während der andere zurückgeschleudert wurde und krachend auf dem Asphalt
landete.
„Ich
bluffe nicht. Wenn ich etwas sage, meine ich es auch so. Ich habe Euch nichts
getan. Ihr solltet einfach Eurer Wege ziehen.“
Er
trat auf sie zu und veränderte sich. Die Vampirin
wurde blass und wich entsetzt zurück.
Es
war keine körperliche Verwandlung, wie sie bei manchen Vampiren oder Dämonen
üblich war. Auch an seiner Körperhaltung oder dem sanften, freundlichen Lächeln
in seinem Gesicht änderte sich nichts.
Aber
auf einer unterbewussten, verborgenen Ebene ließ er eine Maske fallen. Der
Anblick war weitaus schrecklicher als der vieler Dämonen. Seine Augen... sie
waren das Zentrum dieses schleichenden Grauens, welches von ihm ausging. Auch
hier gab es keine körperliche Veränderung, aber nun konnte man durch sie
hindurch sehen... auf eine lichtlose Öde, eine vollkommene Finsternis jenseits
von Gut und Böse, jenseits von jeglichen Grenzen, jenseits von allem.
Zwei
der männlichen Vampire verschwanden schreiend in der Nacht, doch die Anführerin
blieb stehen, wenn sie auch zitterte wie Espenlaub. Der letzte ihrer Begleiter
kauerte sich entsetzt zu ihren Füßen.
Nun
war er doch wieder beeindruckt.
„B-bist du wie w-wir? Ein G-G-geschöpf der Finsternis?“, stammelte sie, woraufhin der
Unsterbliche den Kopf schüttelte.
„Ihr
seid jung. Über wahre Finsternis müsst Ihr noch viel lernen. Nehmt dies als
Eure erste Lektion.“
Der
Vampir am Boden riss entsetzt die Augen auf, als
schattenhafte Wolken tiefster Finsternis aus dem Boden quollen, und ihn schnell
einhüllten.
Schnell war er in der Dunkelheit verschwunden.
Für
einige Sekunden war es totenstill. Dann zerriss ein lauter, schmerzerfüllter
Schrei die Luft. In der Wolke aus tiefster Dunkelheit bewegte sich etwas und
ein lautes Reißen und Knirschen war zu hören.
Der
Vampir schrie und schrie... und dann war er still.
Die
Dunkelheit verschwand so schnell, wie sie gekommen war. Zurück blieb nur ein Häufchen Staub und ein großer Blutfleck.
Die Vampirin
starrte den Unsterblichen fassungslos an. Dieser wiederum lächelte immer noch
sein hintergründiges Lächeln, als er sich ihr näherte und sie ein zweites Mal
musterte.
Sie
war hübsch. Stark. Und sie hatte zwar Angst, ließ sich davon aber nicht
beherrschen.
„Ihr
habt großes Potential, Mylady. Wie ist Euer Name?“
„L-Lucy“, hauchte die Vampirin
verwirrt.
„Nun...
Lucy... wenn Ihr die nächsten... 20 Jahre überleben solltet, kommt nach Rom.
Ich könnte Euch beibringen, Euer Potential besser zu nutzen... Mehr zu werden
als ein bloßes Raubtier der Nacht.“
Als
er ihren verwirrten Gesichtsausdruck sah, beeilte er sich schnell hinzuzufügen:
„Ihr müsst Euch jetzt noch nicht entscheiden, aber Ihr solltet das Angebot in
Erwägung ziehen. Ich warte auf Euch.“
Mit
diesen Worten wurde er wieder vollends normal und drehte sich ohne ein weiteres
Wort um, einer im Augenblick wichtigeren Verabredung entgegen.
AKT 1
Am nächsten, sehr frühen Morgen
(Morgengrauen)
Bürogebäude
„Okay, hier ist es.“ Dawn,
die die kleine Gruppe Jägerinnen anführte, blieb an einer Straßenecke stehen
und zeigte im Morgengrauen auf ein großes Gebäude vor ihnen, das offensichtlich
leer stand. Im unteren Stock klebten große Immobilien-Aufkleber, die den Verkauf ankündigten. Wenn es hier einmal eine Verschwörung
gegeben hatte und Lily mit den Jägerinnen einen finsteren Plan ausgeheckt hatte,
würden ihre Chancen hier etwas zu finden sicherlich ziemlich gering sein.
Buffy trat neben ihre Schwester und blickte an dem Gebäude hinauf.
„Sieht verlassen aus.“
„Das war es auch, als Shin und ich hier
waren. Die Aufkleber sind allerdings neu. Lily scheint keine Zeit verschwendet
zu haben“, meinte Dawn.
„Sie hat genug Dreck am Stecken, den sie verbergen muss“, schnauzte
Faith etwas aggressiv hinter Buffy’s Schwester, die
ihren Kopf zurück wandte und Faith, Ronah und Kennedy kurz musterte.
„Das
ist allerdings wahr. Also, können wir?“
Die
drei nickten entschlossen und ließen sich dann von Dawn, gefolgt von Buffy,
über die Straße auf die Rückseite des Gebäudes führen. Der Verkehr war noch
ziemlich ruhig und sie waren auf ihrem Weg hierher nur wenigen Passanten
begegnet, die ihren Zug oder die Straßenbahn frühzeitig erwischen wollten. Es
gab keinen Grund, sich über Augenzeugen Sorgen machen zu müssen.
Sie
selbst hatten nach dem gestrigen Tag und der Nacht eigentlich Schlaf nötig
gehabt, aber Spuren und Beweise für Lilys schändliches Spiel zu finden war viel
wichtiger als der eigene Erholungsschlaf.
„Shin und ich sind über das Dach in das Gebäude eingedrungen“,
erklärte Dawn den anderen, während sie um das Gebäude schlichen.
„Auch
’ne Möglichkeit“, meinte Ronah. „Aber die Tür sieht auch gut aus, oder?“ Sie
zeigte dabei auf eine Eisentür vor ihnen.
Sie
sah robust aus und Buffy zog zweifelnd ihre Stirn kraus. „Ich schätze, die
sieht nicht nur unüberwindbar aus, sondern ist es auch“, dabei zog sie probehalber
am Türknauf. Die Tür bewegte sich nicht.
„Verdammt“,
fluchte Faith enttäuscht und sah am Gebäude hinauf. Das Dach schien immer mehr zur Alternative zu werden.
„Kein Grund zur Panik.“ Kennedy legte Dawn eine Hand auf die
Schulter und zog sie zur Seite. „Dann suchen wir eben einen anderen Weg in das Gebäude.“
„Wieso
machen wir es so umständlich? Ein gezielter Tritt und wir sind drinnen.“ Faith
machte Anstalten auszuholen, wurde aber rasch von Buffy zurückgerissen.
„Und
wenn sie da drinnen einen Sicherheitsdienst haben, der nach dem Rechten sieht,
bis sie das Gebäude verkauft haben?“ Buffy schüttelte den Kopf. „Es muss einen
anderen Weg geben.“
„Ja,
wie wäre es damit?“ Ronah hatte sich inzwischen etwas auf der Rückseite
umgesehen und eine Kellerklappe gefunden. „Ist auch unverschlossen“, grinste
die dunkelhäutige Jägerin und machte für die anderen eine einladende
Handbewegung.
Faith starrte einen Moment lang noch Buffy an, die nicht recht
wusste, ob sie die dunkelhaarige Jägerin verärgert hatte oder es einfach an ihrer
Stimmung lag. Sie wollte sie deswegen nicht verurteilen – sie wusste ja selbst
nur zu gut, wie es sich anfühlte den Menschen zu verlieren, den man liebte.
Daher ließ sie Faith rasch los, setzte ein liebenswürdiges Lächeln auf und
meinte heiter: „Na, auf was warten wir noch?“
Im
Keller des Gebäudes war es dunkel und trocken. Der Geruch von alten Akten hing
in den Räumen und die fünf Jägerinnen tasteten sich langsam voran, bis sie auf
eine Treppe stießen, die sie nach oben ins Erdgeschoss führte. Buffys Befürchtung über Sicherheitspersonal schien
unbegründet – niemand war zu sehen, kein Geräusch zu hören. Der Empfangsbereich
war unbesetzt. Etwas mutiger verließen die fünf das Treppenhaus und steuerten
auf den Fahrstuhl zu.
„Ich
hoffe der funktioniert heute auch noch und sie haben nicht den Strom abgestellt“,
murmelte Dawn. „Ich lauf keine 20 Stockwerke nach
oben.“
Das
Glück blieb weiterhin auf ihrer Seite – die Türen öffneten sich und die
Elektronik setzte den Fahrstuhl in Bewegung, nachdem Ronah das Stockwerk
gedrückt hatte. Schweigend standen sie im Kreis, nicht sicher, was sie dort oben finden würden, aber wild entschlossen
alles in Einzelteile zu zerlegen, um Beweise zu finden.
Als
kurz darauf der Fahrstuhl im 20. Stock hielt und die Türen auf glitten, zogen
die Jägerinnen ihre Waffen unter ihren Jacken und Mänteln
hervor und traten langsam um sich blickend auf den Flur hinaus. Für
einen Moment hielten sie alle die Luft an und lauschten in die Stille. Sie
hörten keine Stimmen, keine verdächtigen Geräusche.
„Okay,
Dawn“, flüsterte Buffy. „Bring uns zu dem Raum, wo du Lily gehört hast.“
Dawn nickte und ging
vorsichtig den Flur entlang. Sie erkannte die Tür wieder, hinter der sie mit Shin gewartete hatte und beschloss, dass der Raum links davon
hinter der nächsten Tür liegen musste. Langsam drehte sie den Türknauf und
öffnete ebenso vorsichtig die Tür. Dahinter lag ein Konferenzraum – leer und
verlassen.
Dawn
stieß erleichtert die Luft aus, öffnete die Tür ganz und trat gefolgt von den
anderen ein.
„Der
Vogel scheint ausgeflogen zu sein“, knurrte Faith aufgebracht. Ihr hätte es
größtes Vergnügen bereitet Lily persönlich zu begegnen. Es gab eine offene
Rechnung... und nichts auf der Welt würde sie je davon abhalten, es Lily
zurückzuzahlen. Nur über die Art der Rückzahlung war sie sich nicht wirklich
sicher. Doch wäre ihr jetzt Lily über den Weg
gelaufen, hätte sie mit Sicherheit dafür gesorgt, dass die Wächterin
schmerzhafte Bekanntschaft mit den Kräften einer Jägerin gemacht hätte.
Unbemerkt von den anderen zog eine dunkle Wolke über Faith’s
Gesicht und ihre freie Hand ballte sich zu einer verkrampften Faust.
„Noch
haben wir die anderen Räume“, meinte Ronah aufmunternd, während Kennedy und
Buffy sich suchend im Raum umblickten. Alles was sie fanden war eine halb
gerauchte Zigarre, die kalt und einsam unter dem Tisch lag.
„Gehen
wir weiter“, schlug Dawn vor. Sie verließen den Konferenzraum wieder und
teilten sich auf dem Flur auf. Dawn, Kennedy und Buffy wandten sich nach links
und überließen Ronah und Faith den rechten Bereich.
Während
sie über den staubigen Fußboden gingen und Tür für Tür aufstießen, mussten sie
erkennen, dass hier tatsächlich eine größere Gruppe Menschen für eine
befristete Zeit gelebt haben musste – sie fanden Matratzenlager, zerknüllte
Einkaufstüten, leere Verpackungen von einigen Fast-Food-Ketten, leere
Wasserflaschen und, um ihre Befürchtungen bestätigt zu finden, fand Faith in
einer Ecke ein zerrissenes Top und Dawn ein Schwert, das vergessen unter einer
Matratze lag.
Sie
trafen sich schließlich mit ihren Funden in der Mitte des Stockwerkes wieder
und blickten sich besorgt an.
„Das
wäre zumindest der Beweis dafür, dass die Jägerinnen hier waren. Aber keiner,
der Lily überführen könnte“, seufzte Buffy frustriert.
„Aber
irgendetwas muss es doch geben.“ Verzweifelt blickte sich Ronah um. Aber der
leere Flur blieb was er war – staubig und leer.
„Wir
haben noch diese eine Tür hier.“ Buffy deutete auf eine Tür, die sie bisher
noch nicht überprüft hatten. „Vielleicht haben wir etwas mehr Glück.“
Entschlossen trat Buffy vor und öffnete die Tür mit Milchglas-Einsatz. Die
anderen drängten neugierig nach.
Ein
großer Schreibtisch vor einem alten, eingestürzten Kamin, leere Regale, ein recht schmutziges Fenster nach draußen und ein grüner
Teppichboden begrüßten sie.
„Wenn
hier jemand war, hat er gut aufgeräumt“, murmelte Dawn.
„So
einfach geben wir nicht auf.“ Buffy riss bereits die Schubladen des
Schreibtisches auf, aber sie waren alle leer. „Verdammt... nichts.“
„Und
was ist damit?“ Kennedy ging vor dem alten Kamin in die Hocke und fasste in
einen Berg Asche.
„Wer
weiß wie alt die Asche ist.“ Faith klang nicht begeistert.
„Sie
liegt ordentlich auf einem Häufchen. Kann also noch nicht lange her sein“,
meinte Kennedy entschlossen darüber, ihren Fund nicht
gleich als Misserfolg abzutun. „Oh... Moment mal.“ sie beugte sich etwas
weiter in den Kamin und ihre Finger suchten flink und eilig in der Asche, bis
sie triumphierend einen Papierfetzen hoch hielt. Er war nicht groß und von der
Asche schwarz verschmiert und selbst angekohlt. „Na wer sagt’s
denn. Jetzt haben wir den Beweis, dass Lily hier war. Da steht ihre Name
drauf.“ Kennedy wischte vorsichtig die Asche ab und reichte Buffy den Zettel.
„Es
ist nur ein Stück eines Briefumschlages“, meinte die blonde Jägerin. „Und auch
nur ein Teil ihres Namens. Nichts, was wir vor dem Rat verwenden könnten.“
„Aber
es ist ein Anfang und wir wissen jetzt, dass wir keinem Phantom nachjagen“,
verteidigte Kennedy ihren Fund.
„Hey...
gilt mein Wort nichts mehr“, protestierte Dawn. „Ich hab’ sie schließlich
gehört.“
„Aber
das würden die Wächter erst recht nicht als Beweis anerkennen“, brummte Ronah
und gab einem alten Stuhl vor sich einen frustrierten Tritt.
„Es
spielt keine Rolle was der Rat denkt. Wir wissen nun für uns, dass Lily samt ihren
Jägerinnen hier waren und alle bereits fluchtartig ausgeflogen sind.“ Buffy
machte bereits wieder kehrt und ging zur Tür. „Es existieren keine wichtigen
Beweise mehr und wir können zurück zu Giles gehen, um bei den Recherchen zu
helfen. Es nützt nichts hier herumzustehen und darüber zu jammern, dass wir zu
spät gekommen sind. Lily ist uns bereits wieder einen Schritt voraus.“
Ein
lautes Krachen ließ vier der Jägerinnen erschrocken zusammenfahren, als Faith einen Stuhl attackierte, ihn dabei jedoch mit
einem einzigen Tritt gegen die Wand in Einzelteile zerlegte. Vor Wut
etwas außer Atem starrte Faith die anderen an. „Es kann doch nicht angehen,
dass wir nichts tun können und eine Mörderin einfach so davon kommt? Verdammt
noch mal – mich hat man auch eingesperrt. Da hat es kein Schwein interessiert,
wie die Umstände waren. Und hier wird eine mehrfache Mörderin vom gesamten Rat
gedeckt?“ Faith Stimme war lauter geworden und ihre Wut und Frustration stand
ihr deutlich im Gesicht.
Ronah machte einen Schritt auf die Jägerin zu, um sie zu
beruhigen, doch Faith hob abwehrend ihre Hand und die dunkelhäutige Jägerin
blieb wo sie war. Die anderen sahen sie noch immer an, fassungslos, aber auch
mitfühlend, unfähig etwas zu erwidern. Schließlich hatte sie ja recht.
Als Faith
erkannte, dass es keine Antworten gab, die ihr den
Schmerz über Robins Tod leichter machen würden, oder Lily als Mörderin
überführen konnten, sackten ihre Schultern herunter und sie starrte auf den
Boden.
Da
es nichts gab, was die anderen für sie tun konnten, drehten sie sich schweigend
zur Tür und verließen niedergeschlagen das
Büro. Faith holte tief Luft und wollte den anderen folgen, noch immer
aufgebracht, aber zumindest etwas gefasster, als sie hinter sich ein Geräusch
hörte. Als sie sich gerade danach umdrehen wollte, hörte sie eine vertraute
Stimme „Faith“ hinter sich im Zimmer
rufen. Eine Stimme, die ihr inzwischen zwar eine Gänsehaut bereitete, ihr aber
nicht mehr wirklich Angst einjagen konnte.
Langsam
wandte Faith ihren Kopf zurück und erblickte, was sie erwartet hatte: Eve. Die
verrückte Eve, wie sie vor dem Kamin saß und sie dabei aus ihren irren, kalten
Augen anstarrte. Faith rührte sich nicht. Sie wollte nicht zu erkennen geben,
dass ihr der Anblick der Irren unangenehm war. Also
beobachtete sie stumm, was weiter geschah. Eve verzog inzwischen ihre Lippen
leicht zu etwas, das sie sicher als Lächeln bezeichnet hätte, aber für Faith
wie eine aufgesetzte Fratze wirkte, ehe sie in die Asche langte. Langsam zog die
blonde Frau ihre Hand zurück, auf der ein Häufchen Asche lag. Genauso langsam
hob sie diese dann zum Mund und blies die Asche mit einem lauten, hässlichen
Lachen Faith kräftig ins Gesicht.
Für einen Moment war sie fast soweit sich auf das Phantom zu
stürzen, aber dann straffte sie ihre Schultern, behielt eine unbewegliche Miene
auf und drehte sich einfach um, um den anderen zu folgen. Dieses Mal hatte sie
nicht vor, sich wieder verunsichern zu lassen.
Ungeduldig blickten die vier
anderen Jägerinnen Faith entgegen, die nach ihnen aus dem Büro kam und die Tür
schloss. Sie warteten bereits am Fahrstuhl auf sie und die dunkelhaarige
Jägerin beeilte sich zu ihnen zu kommen.
„Entschuldigt“, murmelte sie und betrat mit den
anderen den Fahrstuhl. „Was machen wir jetzt? Außer zu Giles zurückzukehren,
meine ich?“
„Was sollten wir schon groß machen? Lily ist weg“,
seufzte Kennedy.
„Eben. Gehen wir einfach zu Giles und hören uns
an, was er in den letzten Stunden seit wir vom Orakel zurück sind
herausgefunden hat. Schließlich hat er jetzt ’ne Menge Material“, stöhnte
Buffy. „Er ist sicher ganz in seinem Element.“
„Ganz bestimmt“, grinste Dawn. „Ich hab
allerdings was Wichtiges vor. Ich kann nicht mit euch kommen.“ Dabei blickte
Dawn auf ihre Uhr und runzelte die Stirn.
„Oh, ja sicher. Schule“, nickte Buffy. „Auch wenn der
Weltuntergang ansteht. Schule ist wichtig und...“
„Ich weiß, Buffy, ich weiß“, grinste Dawn und war in ihren
Gedanken bei Akira im Teehaus, der sie dort erwarten würde. Da sie selbst noch
immer nicht so recht wusste, was sie von dem allem halten sollte, wollte sie
Buffy vorerst in dem Glauben lassen, sie ginge brav in die Schule und hätte so
viel Nerven, den Rest alleine über den Weltuntergang Ratssitzung halten zu
lassen.
„Wegen Morgen“, Ronah sah vorsichtig zu Faith. „Sollen wir
Xander und Andrew Bescheid geben? Wegen Robins
Beerdigung?“
Faith nickte langsam und Buffy runzelte die Stirn. „Wenn wir
sie finden... Malkuth ist groß.“
Malkuth
Zur selben Zeit
Langsam
schlich Eve durch die große Halle, die mit behelfsmäßigen Krankenbetten voll gestopft
war. Die Szenerie wurde von Kreaturen bevölkert, die sie sich in ihren kühnsten
Träumen nicht hätte vorstellen können. Sie war sich ziemlich sicher, in einer
dunkleren Ecke eine riesige Eidechse gesehen zu haben, und würde sogar die Hand
dafür ins Feuer legen, dass sie vor einigen Minuten eine kleine Familie erspäht
hatte, in der jedes Mitglied rote Haut und teufelsähnliche Hörner trug.
Es lief ihr kalt über den Rücken, als sie daran
dachte, dass sie angeblich selbst in der Gestalt eines Dämons hier
herumgelaufen sein sollte; ihre Erinnerungen daran waren allerdings mehr als
vage.
„Entschuldigung, Ma’am,
hätten sie vielleicht eine Sekunde Zeit?“, wurde Eve unsanft aus ihren Gedanken
gerissen. Als sie aufsah, wurde sie von den strahlenden Augen einer
blauhäutigen, blonden Krankenschwester angelächelt, die ihr im nächsten
Augenblick ein Baby in die Arme drückte. Zumindest ging sie davon aus, dass es
sich bei dem haarigen Ding um ein Baby handelte.
Sie schreckte hoch, als sich das Etwas heftig bewegte,
und musste lächeln, als sie aus den Unmengen von Haaren drei strahlend gelbe
Augen anstarrten.
„Danke sehr, Ma’am!“ Die
Schwester nahm ihr das Pelzding wieder ab und überreichte es der Mutter, doch
bevor sie sich noch einmal an Eve wenden konnte, war diese schon wieder
weitergegangen.
Als die blonde Frau schließlich um die nächste Ecke
bog, lief sie beinahe mit voller Wucht direkt in Xander. Dieser stoppte noch
rechtzeitig, und sah sie fragend und besorgt an.
„Endlich hab ich dich gefunden...“
Er beugte sich zu ihr nieder und küsste sie zärtlich. „Ich habe dich schon
überall gesucht. Wie geht’s dir?“
Eve strich sich ihre blonden Haare aus dem Gesicht und
sah Xander unsicher an. „Hm, ich weiß nicht genau. Es ist komisch. Ich fühle
mich... als... ich weiß, das hört sich jetzt total
bescheuert an, aber ich fühle mich, als hätte jemand heute Nacht meine
Eingangstür mit voller Wucht eingeschlagen, meine komplette Einrichtung
zerstört und wäre dann mit voller Wucht aus mir herausgerissen worden...“ Eve
machte eine Pause. Sie kam sich ziemlich dumm vor. Ihre Erklärung war doch ein
Witz. Sie war doch kein Wohnhaus, in das man einfach einbrechen konnte. Sie war
ein Mensch. Ein normaler Mensch. So etwas durfte gar nicht geschehen. Das war
doch unmöglich.
„Schatz?“
Xanders besorgter Gesichtsausdruck verstärkte sich, während er einen Schritt
auf sie zutrat und sie schlussendlich umarmte.
Er drückte sie fest an sich, und zuerst wollte sie
sich wehren, ihn nicht an sich heranlassen; sie wollte niemanden mehr an sich
heranlassen, doch dann brach die Mauer auch schon wieder zusammen, und sie gab
sich der Liebkosung hin.
„Es tut mir alles so Leid. Wenn ich nur wüsste, wie
ich dir helfen kann...“, flüsterte er ihr ins Ohr, und
strich ihr daraufhin zärtlich durchs Haar.
„Ich wüsste da etwas…“, antwortete Eve, löste sich aus
der Umarmung und sah ihm tief in die Augen. „… bring mich hier raus. Ich will
weg von hier. Weg von diesen Monstern. Weg von all dem Leid. Bring mich in ein
normales Spital, indem sie meine Wunden normal behandeln können.“
Xander starrte sie zuerst verwirrt an, dann wurde ihm
jedoch langsam klar, warum Eve die ganze Zeit so verstört wirkte. Ihre
komplette Welt wurde auf den Kopf gestellt. Vor einigen Tagen existierte für
sie nur die „normale“ Welt. Die Welt ohne Dämonen und Monster.
Jetzt stand sie jedoch mitten in einer Stadt voller
Wesen, die es laut ihrem Weltbild gar nicht geben konnte. Natürlich war das ein
Schlag für sie. Und dann noch die schrecklichen Ereignisse mit dem Alten. Es
war kein Wunder, dass sie hier weg wollte. Und es war auch nicht wirklich ein
Problem.
„Okay, komm mit, ich bring dich hier raus!“, sagte
Xander und nahm sie am Arm.
An einem anderen Ort...
Zu einer anderen Zeit...
Langsam ließ Tara ihren
Blick über den Horizont schweifen, der sich in unerreichbare Weiten erstreckte,
und dabei eine Schönheit bot, die ihr ein Lächeln auf das Gesicht zauberte. Sie
schluchzte kurz, strich sich eine einsame Träne aus dem Gesicht und schloss
daraufhin kurz die Augen. Es schien sie viel Kraft zu kosten, endlich die
Fassung wieder zu finden, die Augen wieder zu öffnen, um sich schließlich
wieder umzudrehen. Sie strich sich ihr Haar, welches vom Wind durch die Luft
getragen wurde, aus dem Gesicht, und lächelte sanft, als sie Willow entdeckte,
die in einigen Metern Entfernung unter einem Baum saß und sich rege mit der
alten Hüterin unterhielt.
Langsam
begann sie sich den beiden zu nähern. Die Zeit wurde knapp, und obwohl die
Unterhaltung der Hüterinnen wahrscheinlich noch ewig andauern könnte, musste
sie bald ein Ende finden. Sonst war alles verloren.
„…
und alle haben sie uns gejagt. Der gesamte Rat. Es gab keine Ausnahmen, und es
gab kein Erbarmen. Sie sahen uns als Bedrohung ihrer Macht an. Sie hatten Angst,
dass wir ihre Weltanschauung und somit ihre Gesetzte aus dem Gleichgewicht
bringen würden. Und am meisten fürchteten sie sich davor, dass wir ihnen die
Macht über die Auserwählte nehmen würden.“ Die alte Frau machte kurz Pause und
schien nachzudenken. Willow erkannte in ihren Augen, dass sie die Furcht und
den Schmerz dieser Zeit gerade noch einmal durchlebte.
Die
Hüterin sah Willow plötzlich wieder tief in
die Augen und fuhr fort. „Du musst nämlich wissen, dass unsere größte Macht
darin bestand, zu wissen welches Mädchen die nächste Auserwählte sein würde.
Wir sind es, die den Wächtern helfen können, die neue Auserwählte zu finden,
wenn die letzte nicht mehr ist. Wir sind, oder waren, wie ein Orakel für den
Rat. Es gab aber so viele Gründe, warum sie uns gefürchtet haben. In einer
dunklen Zeit, die von Männern beherrscht wurde, war aber sicher unser
Geschlecht einer der Gründe. Welche Schande, sich einem Kreis von Frauen
unterzuordnen. Das kam für sie gar nicht in Frage“, die Hüterin musste
schmunzeln, „… und das, obwohl wir ihnen nie ihre wichtige Rolle streitig
machen wollten. Wir haben uns immer passiv verhalten, den aktiven Teil
überließen wir gerne dem Rat. Und es kam schließlich auch eine Zeit, in dem
auch ein großer Teil der Wächter diese Tatsache verstand…“
„Also
hörte die Verfolgung endlich auf?“, fragte Willow, deren Augen sich vor
Entsetzen mit Tränen gefüllt hatten. Das Leid, die Furcht und die Verzweiflung,
die diese Frauen für ihre Berufung durchstehen mussten, waren schrecklich, und
doch schien keine der Hüterinnen je aufgegeben zu haben.
„Nein,
mein Kind, leider nicht. Wie überall gab es auch damals im Rat einige Menschen,
die zu dumm, zu stur, oder zu machtbesessen waren, um sich dem Urteil der
Mehrheit zu beugen. Ohne das Wissen des Großteils der Wächter schloss ein
kleiner Teil, bestehend aus den Wächtern, die sich als Elite des Rates sahen,
einen Pakt und bildete eine geheime Organisation, die sich selbst als der Innere Kreis bezeichnete. Wir ziehen es
vor ihn den dunklen Rat zu nennen. Dunkel und finster waren seine Pläne. Ihr
Ziel war es, dafür zu sorgen, dass man die Hüterinnen loswurde, ohne dass dabei
Verdacht auf den offiziellen Rat der Wächter fallen würde. Die Inquisition kam
ihnen wie gerufen, und so nutzten sie die Hexenverbrennung, um die Hüterinnen
zu beseitigen.“ Besorgt sah sie auf, blickte kurz zu Tara, und wandte sich dann
aber wieder Willow zu.
„Dieser
Innere Kreis wurde nie zerstört, Willow. Er existiert noch immer, tief
verstrickt in den verstrickten Netzen des Rates. Wenn der Innere Kreis erst
einmal erfährt, dass eine neue Generation von Hüterinnen dabei ist zu erwachen,
wird er wieder aktiv werden. Und er wird seine Wege finden, um auch diese
loszuwerden, wenn ihr nicht schnell handelt.“
Geschockt
blickte Willow zuerst zu ihrem Gegenüber, und dann Hilfe suchend zu Tara, die
ihr aber nicht helfen konnte.
Tara
trat stattdessen noch einen Schritt näher und nickte der älteren Hüterin
besorgt zu.
„Die
Zeit neigt sich dem Ende entgegen. Ich denke, Sie sollten Willow nun zeigen,
was es genau bedeutet, eine Hüterin zu sein…“
„Wartet
noch einen Moment“, bat Willow. „Ich muss vorher noch etwas wissen... diese
Prophezeiung, von der Sie gesprochen haben, über das Erwachen der zweiten
Generation von Hüterinnen… gibt es sie… wurde sie nur mündlich überliefert,
oder existiert davon eine schriftliche Aufzeichnung?“, fragte Willow besorgt.
Die
weißhaarige Frau ließ ihren Kopf betrübt hängen, sah dann jedoch wieder auf,
und nickte resignierend.
„Ja,
die Prophezeiung wurde auf einer alten Pergamentschriftrolle gefunden. Ich weiß
leider nicht, wo sie ist, aber ich weiß, dass sie noch existiert.“
London, Sitz des Inneren Kreises
Nachmittag, europäische Zeit
Umgeben von knisternder,
blauer Energie lag eine alte Schriftrolle auf einem dunkelroten Samtkissen inmitten
von Dunkelheit. Hin und wieder entlud sich etwas der magischen Energie und ließ
die Rolle hell erstrahlen, die zusammengerollt und von einem blauen Samtband
zusammengehalten hier seit Jahren fast unberührt lag.
Eine
Tür wurde im hinteren Teil des Raumes geöffnet und ließ Licht in die Dunkelheit
fallen, das augenblicklich den Zauber des Raumes
durchbrach. Es war ein schlichter Lagerraum, der zwar erstaunlich groß war,
aber nichts Geheimnisvolles mehr hatte, als das Licht staubige Regale
offenbarte, die eine Menge kostbarer Artefakte beherbergten – Masken, Waffen,
Statuen, kleine Holzfiguren, Kisten und an den Wänden alte Karten hinter
Bilderrahmen, sowie Pulte unter denen andere, wertvolle Schriftstücke lagen...
Zwei
menschliche Umrisse hoben sich gegen das Licht vom Flur ab, ehe eine der Personen einen Lichtschalter bediente und ihre Identität
offen legte: George und Lenhardt betraten den Raum und zogen die Tür
hinter sich fest ins Schloss. Ihr Interesse galt dem Samtkissen, das geschützt
vor Dieben mit magischer Energie weiter hinten im Raum ruhte.
Gemeinsam
traten sie an das Pult heran und Lenhardt holte ein feines, weißes Pulver in
einem Plastikbeutel aus seiner Hosentasche. Er öffnete ihn, nahm eine Prise heraus
und streute den feinen Staub über die schützende Energiehülle. Mit einem
nervösen Zucken und lautem Knistern fiel der
Schutzzauber über der Schriftrolle in sich zusammen. George griff sofort danach
und ließ die Rolle in seiner mitgebrachten Aktentasche verschwinden, die er
umgehend mit dem Zahlenschloss verriegelte.
„Das
hätten wir erledigt“, sagte Lenhardt etwas steif und drehte sich bereits dem
Ausgang wieder zu. Doch George verharrte auf seiner Stelle und starrte den
leeren Platz auf dem Samtkissen an. Nur langsam riss er sich von dem
ungewohnten Anblick los.
„Diese
Schriftrolle liegt hier schon seit Generationen... ich verstehe einfach nicht
wieso wir ausgerechnet...“
„Weil
es besser ist, wenn wir ALLE Beweise für eine gewisse Zeit zur Seite schaffen.
Es ist besser, wenn man hier bei einer genaueren Untersuchung
nichts Verdächtiges findet, sofern wir nicht vorher von hier
verschwunden sind. Das hier ist doch alles... nur Tant.“
Lenhardt ließ dabei seine Hand weit über die Regale schweifen. „Das hier ist
brisant.“ Dabei klopfte er gegen Georges Aktentasche. „Warten wir bis Gras über
die Sache gewachsen ist und sich die anderen Wächter ein wenig beruhigt haben,
was Ms. Usher angeht. Dann können wir so weitermachen wie bisher und unsere
Ziele weiter verfolgen.“
„Und
wieso sagt mir eine leise Stimme im Ohr, dass Sie dabei Lily nicht mit
einschließen.“ George sah Lenhardt aus zusammengekniffenen Augen an.
„Nun,
wo sollte ich da anfangen? Ich dachte mein Standpunkt sei seit dem Anruf der
Jägerinnen klar? Ich betrachte es als höchst gefährlich weiter so zu tun, als
wäre Lily ein aufrichtiges Ratsmitglied. Man könnte sie durchschauen, falls sie
hier auftaucht und aussagt. Die Abstimmung gegen Mr. Giles war wegen einer
Stimme sehr knapp. Daran muss ich Sie, George, wohl nicht erinnern? Die
Stimmung ist nicht die beste seit dieser Wahl im Rat. Wir würden nur Öl in ein
kleines Feuer gießen, das zu lodern beginnt. Es gibt sicher mehr als nur den
einen oder anderen Wächter, der einen Grund sucht, um klarzustellen, dass Mr.
Giles nur im Sinne des Rates gearbeitet hat und Ms. Usher das schwarze Schaf
ist. Wir können uns im Moment keinen Fehler erlauben. Nicht jetzt wo unsere
Experten die Schriftrolle fast entziffert haben. Und jedenfalls nicht, bis wir
wissen, was die Jägerinnen vorzutragen haben und in wie weit sie sich an etwas
erinnern, was nicht korrekt war.“
George
hatte geduldig zugehört. Nichts verriet Lenhardt wie angespannt der alte Mann
war, wie sehr es in ihm brodelte. Doch jetzt hier und alleine mit Lenhardt an
einem Ort, wo sie niemand störte, der seine Worte nicht hören sollte, platzte
dem geduldigen Vertrauten von Lily der Kragen. Seine Augen verengten sich noch
eine Spur mehr, seine Lippen waren stark aufeinander gepresst, so dass sie wie
zwei dünne Striche wirkten und eine Ader an seiner Schläfe begann zu pochen.
Als er sprach, kamen die Worte mühsam zurückgehalten über seinen Mund wie
herausgepresst.
„Ich
glaube, Mr. Lenhardt, es ist an der Zeit Sie daran zu erinnern, wer in diesen
Gemäuern das Sagen hat. Die Familie Usher hat unsere geheime Organisation zu
dem gemacht, was sie heute ist. Über Generationen hinweg wurden Geheimnisse in
ihr weitergegeben und ein Anführer aus ihrem Kreis gewählt. Sie sind es
alleine, die uns zusammengehalten haben, die dafür gesorgt haben, dass unsere
Ziele und Pläne umgesetzt und erreicht wurden. Lily hat bei allem, was sie
getan hat, nur im Sinn des Inneren Kreises gehandelt. Und das wissen Sie sehr
gut. Es ist mir unverständlich wie schnell Sie Ihr Fähnchen in den Wind drehen.
Mr. Giles’ Absetzung konnte Ihnen nicht schnell genug gehen und Ihre Meinung
war schnell der von Lily angepasst.“ George nahm sich eine Sekunde Zeit um Luft
zu holen, ehe er mit seinem Angriff fort fuhr.
„Ich
habe keine Kenntnisse darüber, was Sie persönlich gegen Mr. Giles haben, dass
Sie so bereitwillig Lilys Worten Glauben schenkten und alles
Mögliche taten, um Lily an die Spitze des Rates zu bekommen. Treue und
Loyalität dem Inneren Kreis gegenüber waren es
offensichtlich nicht. Vielleicht wird es langsam Zeit, Mr. Lenhardt, dass Sie
sich für eine Seite Ihres Doppellebens entscheiden und dieser Seite treu
ergeben dienen, bevor Sie Ihre Wankelmütigkeit noch zum Fall bringt. Oh... und
ehe ich es vergesse“, George hatte bereits einen Schritt zum Ausgang gemacht.
„Lily ist hier uneingeschränkt Wortführerin. Sie wird sicher nicht von Ihnen
allein für etwas abgesetzt, das sie im Auftrag des Inneren Kreises getan hat.
Das ist weder mein Wunsch, noch der der anderen Mitglieder. Und Sie täten gut
daran, meinen Rat zu beherzigen, wenn Sie es nicht eines Tages bereuen
wollen...“
Mit
diesen Worten ließ George Lenhardt alleine zurück im Raum und verschwand im
Lichtschein des Flurs. Lenhardt blieb zurück, völlig unwissend darüber, ob er
Georges Worte als Drohung auffassen sollte...
Cleveland, Teehaus
Später am Morgen, amerikanische Zeit
Vogelgezwitscher drang durch
eines der aufgeschobenen Fenster in das eine von vielen kleineren Teezimmern,
das Dawn in der nächsten Zeit als Trainingsort dienen
würde. Und während sie leise Stimmen und Schritte von Gästen hörte, stieg ihr
der Duft von frisch gebrühtem Tee in die Nase.
Der
Sommer hielt vor dem Teehaus Einzug, aber Dawn schenkte ihre Aufmerksamkeit
ihrer Konzentration – mit geschlossenen Augen saß sie auf einer Bastmatte,
während ihr Akira gegenüber saß und mit leiser, eindringlicher Stimme versuchte
ihre Konzentration zu stimulieren.
Der
Japaner wirkte entspannt und trotzdem beobachteten seine Augen Dawn
nachdenklich und mit einer Spur Sorge. Doch seine Stimme verriet davon nichts,
als er erneut versuchte Dawn für das vorzubereiten, was ihr Schicksal einmal
mehr vorherbestimmt hatte.
„Du
musst versuchen los zu lassen.“ – „Entspann dich vollkommen – tief durchatmen –
entspannen.“ – „Versuche all deine Gedanken auszuschließen, und dann stell dir
vor du würdest wie eine Wolke am Himmel treiben.“
All
diese Anweisungen versuchte Dawn seit letzter Nacht und ihrer ersten
Übungsstunde umzusetzen, aber es war schwieriger als sie es sich vorgestellt
hatte. Gedanken ließen sich nicht einfach abstellen, auch wenn Akira genau das
zu erwarten schien.
Als
Dawn das Gefühl hatte langsam über ihre erfolglose Meditation die Geduld zu
verlieren, öffnete sie ihre Augen mit einem schweren Seufzer: „Ich bekomme es
einfach nicht hin.“
Akira
schüttelte langsam den Kopf: „Doch, das wirst du, Dawn. Du wirst und du musst.
Vergiss nicht, dass du alleine die Macht darüber besitzt zu entscheiden, ob
diese unsere Welt dieselbe sein wird oder ob sie dem Untergang geweiht ist.
Deine Schwester und deine Freunde können in diesem Kampf nicht gewinnen. Sie
können nur kämpfen, um dir den Weg zu ebnen.“
Dawn
sah hilflos bei Akiras Worten zum Fenster
hinaus und versuchte mit der Situation klar zu kommen. Gestern war sie noch ein
normales Mädchen gewesen, sah man von ihren Jägerinnenfähigkeiten und der
schlummernden Energie des Schlüssels einmal ab. Aber sie hatte sich wie alle für
die neusten Musik-Clips interessiert, shoppen gehörte
zur ersten Pflicht und eine gemütliche Stunde Schultratsch in der Kantine mit
ihren Freunden war etwas, das sie nicht so schnell missen wollte... gestern
hatte es ihr auch genügt zusammen mit Shin die Welt
von einem Dämonenboss zu befreien. Und heute ging es schon darum die Welt zu
retten.
Zum
ersten Mal in ihrem Leben begriff Dawn wirklich welche Last Buffy die Jahre als
die einzige Jägerin auf der Welt auf ihren Schultern getragen hatte. Das
brachte sie in diesem Moment ihrer Schwester noch näher, auch wenn ihr nicht
wirklich bewusst war.
Erneut
seufzte Dawn schwer, doch dieses Mal sah sie Akira wieder direkt an. „Ich
versteh’ das Ganze noch immer nicht
wirklich...“
„Du
bist der Schlüssel. Du hast die vier Alten schon einmal weggesperrt, auch wenn
du daran im Moment keine Erinnerung mehr hast.“
„Damit
würde ich sie aber nicht zerstören.“
„Wir
wissen nicht, was deine Gestalt als reine Energie anrichten kann. Worin ihre
Wirkung liegen wird. Ob du damit die Alten zerstörst oder sie in die Verbannung
schickst...“
„Das
würde aber bedeuten, man würde mich erneut jagen, immer wieder, um mich zu
finden und als Schlüssel zu missbrauchen... um die vier Reiter wieder zu
befreien.“
„Die
einzige Alternative ist der Weltuntergang.“ Akira war ruhig geblieben und auch
diese Worte kamen ohne eine Bewertung von
Dawns Einstellung über seine Lippen. Trotzdem hatten diese Worte in ihrer Schlichtheit eine aufweckende Kraft für die
Jägerin. Sie machten ihr bewusst, wie wenig Spielraum sie für andere
Entscheidungen hatte.
Aber
Dawn war gerne in dieser Welt, sie liebte endlich einen Jungen, der der
richtige zu sein schien, ihre Schwester und sie hatten alte Wunden geheilt und
waren endlich zu etwas zusammengeschweißt worden, das keine
zarten Bände mehr zwischen sich hatte, sie mochte ihre neue Schule, ihre
Freunde, selbst Cleveland mit seinem Höllenschlund... aber wenn sie tat, um was
man sie bat – sich zu entscheiden als Schlüssel zu dienen, würde sie alles
aufgeben. Denn sie erinnerte sich nur all zu gut an die Worte des Lichtgottes –
dass sie sich eines Tages für eine Existenz entscheiden musste – Mensch oder
Schlüssel. Doch nie hätte Dawn gedacht, dass dieser Tag der Entscheidung so
schnell kommen würde. Sie hatte Angst, aber sie wusste auch, welche
Verantwortung sie hatte.
Daher
nickte sie stumm zu Akiras Worten und schloss
wieder ihre Augen. „Machen wir weiter“, murmelte sie und versuchte sich fallen
zu lassen.
Cleveland, Wächterhaus
Mittag
Giles stand am oberen Ende des
Tisches im Konferenzraum und blickte über die Köpfe der Anwesenden hinweg. Sie
waren alle da, bis auf Andrew, der noch immer in Malkuth weilte, um zu helfen,
wo er konnte. Leider hatte die Zeit nicht
ausgereicht, um ihn in den zerstörten Straßen von Malkuth zu suchen, um ihm von
diesem Treffen zu unterrichten. Aber sie wollten wenigstens versuchen ihm wegen
Robins Beerdigung Bescheid zu geben.
Automatisch wanderte Giles’ Blick zu Robins leerem Stuhl neben Faith und er
spürte einen leichten Stich – ihm wurde nicht zum ersten Mal bewusst, dass er
den jungen Mann als Wächter, Kollege und Freund weit mehr akzeptiert und geschätzt
hatte, als er wohl immer angenommen hatte.
„Ich
mach das mit Andrew“, meldete sich Xander plötzlich zu Wort und riss damit
Giles aus seinen traurigen Gedanken. „Ich find ihn sicher und sag ihm wegen der
Beerdigung Bescheid. Ich muss sowieso zurück
nach Malkuth. Nachdem ich gesehen habe, was da unten passiert... ich hätte
keine ruhige Minute, wenn ich wüsste, dass ich helfen könnte und stattdessen...“
„Wir
brauchen dich hier Xander“, fiel ihm Buffy entschieden ins Wort. „Wir haben
einen Weltuntergang zu verhindern. Willow fällt schon durch ihr Koma aus,
Andrew ist in der Dämonenstadt und Robin haben wir leider... verloren“, fügte
sie sanft hinzu und vermied den Blickkontakt mit Faith. „Wenn du jetzt auch
noch...“
„Buffy...
schau mal... bei diesem Kampf... wie sollte ich euch dabei helfen können? Giles
sagte vor fünf Minuten, dass nur die Kräfte der Jägerinnen etwas gegen die Vier ausrichten können. Jene Vier, die auch die Prophezeiungsträume hatten. Ich
kann mich auf jeden Fall an keinen Traum erinnern.“ Schwach lächelte Xander
seine Freundin an. „Ich stünde doch nur im Weg herum und würde hilflos mit
einem Schwert zwischen euren Füssen herumstolpern, anstatt etwas Sinnvolles zu Wege zu bringen. Meine Hände sind
Arbeit gewöhnt und daher in Malkuth viel besser
aufgehoben, dort können sie wirklich mehr Brauchbares verrichten. Ich
habe keine besondere Kampfstärke und Magie kann ich auch nicht vollbringen. Ich
wäre keine große Hilfe für euch. Und kein Ersatz für Willow.“
Buffy senkte ihren Blick und ließ Xanders Worte wirken, während
die anderen eher hilflos zu ihr blickten. Wohl erwarteten sie eine alleinige
Entscheidung von ihr. Doch sie glaubte nicht wirklich das Recht dazu zu haben,
für Xander zu entscheiden. Daher begnügte sie sich mit einem schweren Seufzer
und sah zurück zu ihrem Freund. „Du wärst nicht nur ein Ersatz, Xander. Das weißt du. Du
hast in den vielen Jahren so viel an Kampffähigkeit dazu gewonnen, dass du
nicht nur ein herumstehender Statist wärst. Du bist ein wertvoller Mitstreiter,
auf dessen Hilfe wir nicht einfach so verzichten wollen und können. Aber ich
verstehe, was du uns damit sagen willst und ich denke wir alle verstehen, dass
du tun musst, was du vorhast. Ich möchte dir nicht im Weg stehen und wenn Giles
denkt, wir können den Kampf auch alleine hinbekommen, dann ist das okay.“ Sie
grinste bei ihren letzten Worten und war froh, dass Xander es erwiderte. Er wiederum
wusste es zu schätzen, dass sie ihm seine Entscheidung ließ und es trotzdem
schaffte seinen Mut und Kampfwille so zu umschmeicheln, dass er sich nicht als der
Versager vorkam, den er eben beschrieben hatte.
„Es wird schon machbar sein“,
nickte Giles bedächtig, wobei sich sein linker Mundwinkel ganz leicht zu einem
Lächeln verzog, und setzte seine Brille auf, um etwas auf einem Stück Papier
nachzulesen. Es wurde Zeit, dass sie sich den wichtigeren Dingen widmeten.
„Nun, da wir das geklärt hätten, könnten wir uns auf die Reiter konzentrieren?“
Alle nickten, aufmerksame Blicke richteten sich auf den Wächter und er räusperte
sich leise. „Mir ist es gelungen etwas mit dem Hinweis des Unsterblichen
anzufangen. Die Schwestern von Sineya brachten mich
auf die Idee – es ist ein Zitat aus einer alten Schrift, die mir im ersten
Moment ... nun entfallen war“, gab er etwas verlegen zu. „Einer sehr alten
Schrift. Durch Querverweise bin ich auf das Urzitat in der Ursprache gestoßen.“
Giles blickte über den Rand seiner Brille hinweg. Ungeduldig verzog Buffy das
Gesicht, Xander rutschte auf seinem Stuhl herum, Dawn trippelte mit den Fingerspitzen
auf die Tischplatte, Faith schien mehr Interesse an der Zimmerdecke zu haben,
Ronah starrte ihn ebenfalls erwartungsvoll an und Kennedy
widmete ihm einen eher teilnahmslosen Blick. „Machen wir es kurz – es
ist dieselbe Schrift, die Dawn auf dem Zettel aus dem Amulett erschien.“ Wieder
machte er eine Pause, doch dieses Mal platzte Buffy vor Ungeduld.
„Machen
Sie es schon nicht so spannend. Die alten Bibliothekszeiten sind vorbei. Wir
wissen ja, was Sie auf dem Kasten haben.“ Sie grinste. „Also… was steht auf
diesem Zettel aus dem Amulett?“
„Die
Schwestern von Sineya waren zwei junge Frauen, die
durch ein altes Blutritual so eng miteinander verbunden waren, dass nur sie
alleine ein schreckliches Unheil von ihrem Volk ablenken konnten. Der Legende nach,
war die eine die Kraft, die andere die Wirkung“, holte Giles ungeachtet der
Ungeduld im Raum mit einer Erklärung aus. „Entsprechend liest sich die
Prophezeiung auf dem Stück Pergament. Es ist nicht viel, aber erklärt
vielleicht, wieso es nur Dawn gelang, die Schrift sichtbar zu machen. Sinngemäß
heißt es dort „Nur der Schlüssel zum Sieg
wird die Macht des Sehens und die Kraft der Abwendung des Unheils sein. Doch
die Kraft allein ist ohne die Wirkung ein Nichts“.“
„Okay,
Giles und das heißt für uns Normalsterbliche?“, grinste Xander.
Ehe
Giles antworten konnte, kam Dawn zuvor. „Ich glaube darauf kann ich euch eine
Antwort geben.“
Für
einen Moment herrschte Schweigen im Raum und fassungslose Augen starrten Dawn
an, die verlegen am Saum ihrer Bluse spielte, ehe sie den Mut fasste und
aufstand, um zu sagen, was sie sich den ganzen Vormittag über zurecht gelegt
hatte. „Ich... nun, es ist etwas kompliziert. Wie Giles ja schon sagte... ich bin
der Schlüssel. Und wie es scheint, bin ich in unserem Fall die Wirkung und
Buffy die Kraft.“ Dawn wusste, dass ihre Worte absolut keinen Sinn für die
anderen ergaben, aber irgendwo musste sie anfangen.
„Also
ich versteh’ kein Wort“, gab Kennedy laut zu und die anderen nickten. Nur Buffy
zog ihre Stirn zusammen und blickte Dawn mit wachsamen Augen an, die verrieten,
dass sie sehr wohl verstand, auf was ihre kleine Schwester hinaus wollte. Dawn
bemerkte diesen Blick, versuchte ihm daher auszuweichen und sah zu Kennedy.
„Shin hat einen Onkel. Er heißt Akira und ist ein Seher.
Akira ist dir, Buffy, schon begegnet.“ Jetzt sah sie doch zu ihrer Schwester,
die fragend aufblickte. „In China, in diesem Tempel und später in Australien...
Als Seher wusste er schon lange vor uns, dass der Tag der Abrechnung der Alten
kommen würde. Daher hat er dir die erste Vision der Reiter geschickt, um nach
Hilfe zu rufen. Jetzt ist er hier, um mich zu lehren meine Schlüsselenergie
selbst zu steuern.“
„Moment“,
Buffy unterbrach Dawn ungehalten und starrte von Giles zu ihr und wieder zurück
zum Wächter. „Wussten Sie etwas davon?“
„Ich
kenne Akira“, nickte Giles, dann schüttelte er den Kopf.
„Aber von dieser Geschichte höre ich das erste Mal.“ Er klang alarmiert und
etwas sagte ihm, dass Dawns Worte noch ganz anderes zu bedeuten hatten, als nur
neue Informationen.
Trotzdem
fühlte sich Buffy etwas beruhigter. Nicht schon wieder war der Fall
eingetreten, dass andere mehr von Dawn wussten, als sie selbst. Streng sah die
Jägerin ihre Schwester an. „Und wieso erzählst du uns erst heute davon?“
„Weil
ich selbst erst gestern Nacht davon erfahren habe. Akira war bei Shin und bat mich um sein Vertrauen. Ich weiß nicht wieso,
aber ich wusste, dass ich das Richtige tun würde, als ich ja sagte. Wir
arbeiten jetzt daran, dass ich, wann auch immer, meine Energie einsetzen kann.
Denn so wie es aussieht, bin ich die einzige, die die Reiter vernichten oder
verbannen kann.“
„Nein!“ Buffy
sprang plötzlich von ihrem Stuhl auf und ihr Tonfall ließ die anderen
erschrocken zusammenfahren. Für einen Moment sahen sich Dawn und Buffy an und
es existierte um sie herum nichts. Es war ein stummes Duell der Blicke, aber
schließlich schien Buffy es leid zu sein, ihren Gefühlen keinen Ausdruck mit
Worten verleihen zu können und sie blickte von Dawn in die Runde. Alle sahen gespannt zu ihnen, auch ein wenig hilflos und Buffy fühlte
sich ziemlich alleine gelassen mit dem, was ihre Schwester gerade bekannt
gegeben hatte.
„Ich...
ich kann das nicht zu lassen. Ich verbiete dir diese Experimente, bis wir Genaueres über... über alles Bescheid wissen. Ich weiß genau auf was das
hinausläuft. Du sollst dich für uns alle opfern, um vier dahergelaufene Dämonen
zu besiegen. Dafür bin ich nicht für dich in den Tod gegangen, dafür habe ich
mich nicht von Willow zurückholen gelassen, dafür habe ich nicht versucht ein
völlig verkorkstes Leben auf die Reihe zu bringen...“
„Buffy
bitte...“, versuchte Dawn ihre Schwester zu bremsen, aber Buffy schien bei
weitem besser zu verstehen, was Dawn tun musste als die anderen, die noch
schweigend und entsetzt den beiden Schwestern zuhörten.
„Hast
du mir nicht erzählt, dass der Lichtgott dir nur einmal die Bitte gewährte,
dich in einen Menschen zurück zu verwandeln? Dass du dich
beim nächsten Mal für eine Seite entscheiden musst? Mensch oder Schlüssel?“
Dawn
nickte stumm, schluckte und senkte den Blick. Das war ja leider der Haken an
der Geschichte, aber wohl kaum zu ändern. Sie war entschlossen ihrer Pflicht
nachzukommen, egal welche Konsequenzen das für sie hatte.
„Also
würdest du dich für deine Form als Schlüssel entscheiden, um die Welt zu
retten. Und damit würde ich dich verlieren. Ich und die anderen.“ Es war keine
Frage, nur eine traurige Vorstellung, die den anderen endlich bewusst machte,
was Dawn vorhatte. Im Raum herrschte für einen Moment bedrückendes Schweigen.
Giles wusste leider nur zu gut, was Buffy im Moment fühlen musste, allerdings
verstand er auch Dawn. Die beiden jungen Frauen waren erneut in eine Situation geraten, in der er ihnen nicht helfen konnte,
sondern alleine darauf vertrauen musste, dass sie das Richtige taten.
Xanders
Kopf wanderte zwischen Dawn und Buffy hin und her. Er hatte verstanden, was
Dawn vorhatte und wusste, was Buffy in diesem Moment wohl durchmachen musste.
Leider fehlten ihm hilfreiche Worte, um für beide da zu sein. Offensichtlich
waren die beiden gezwungen, mit der Lage alleine klar zu kommen. Er wünschte
sich Willow wäre hier. Mit ihrer ruhigen, besonnen Art, hätte sie sicher
gewusst, was zu sagen gewesen wäre.
Dawn
sah für einen Moment ihre Schwester an, als wollte sie sie um Entschuldigung
bitten, dann veränderte sich ihr Gesichtsausdruck und sie blickte Buffy wütend
an. „Ich weiß sehr gut, was meine Entscheidung bedeutet. Aber du hast nicht das
Recht mir etwas zu verbieten. Nicht in der Situation, in der wir uns befinden.
Wir können uns keinen Egoismus leisten. Du hast dich bereits vor drei Jahren
für mich geopfert, um die Welt zu retten, jetzt bin ich an der Reihe. Doch es
ist ja nicht so, dass ich dadurch freiwillig den Tod wähle. Ich gebe nur meine
Form hier als menschliches Wesen auf, um als ein anderes in einer anderen
Dimension zu leben.“ Dawn kamen die Worte überraschend leicht über die Lippen.
Sie wunderte sich selbst, dass sie so stark war und für ihre Entscheidung
eintreten konnte. Es zeigte der jungen Jägerin, dass sie sich inzwischen ganz
sicher über ihr Vorhaben war. Zweifel waren keine mehr da. „Ich habe keine
Angst vor dem, was mich erwartet. Ich hatte das Glück es bereits erlebt zu
haben. Es ist keine ungewisse Zukunft und kein ungewisser Schritt. Wenn wir
gemeinsam die Reiter nur bekämpfen, aber nicht besiegen können, ist mein
Entschluss notwendig.“
„Dawn...
um Himmelswillen, werde vernünftig“, flehte Buffy nicht mehr ganz so herrisch
wie gerade eben noch. „Wir wissen doch noch gar nicht, wie wir diese Reiter
besiegen können. Wäre es nicht erst einmal ratsam abzuwarten, was Giles
herausgefunden hat und noch herausfinden wird? Giles?“ Sie blickte voller
Hoffnung zu ihrem ehemaligen Wächter auf, dessen Gesichtsausdruck eine
unnatürliche Anspannung verriet, doch Buffy war das schon Antwort genug. Sie
sackte niedergeschlagen in sich zusammen.
„Ich
befürchte Dawn hat recht, Buffy“, sagte Giles leise. „Es gibt im Moment keine
Alternative, die ich bieten könnte. Im Gegenteil. Mit dem was uns Dawn gerade eben
mitgeteilt hat, kann ich die Worte des Orakels und die alte Schrift besser
deuten. Dawn als Schlüssel mit ihrer reinen Energie wird die einzige sein, die
den Alten gegenübertreten kann, ohne befürchten zu müssen sofort als unrein
erkannt und getötet zu werden. Du hast ihr mit deinem Blut viel deiner Kraft
gegeben, die es ihr ermöglicht so tapfer eine Entscheidung zu treffen, die
keiner von uns je hätte treffen können. Du bist die Kraft, aus der Dawn schöpft
und du wirst mit den anderen Jägerinnen die Kraft sein, die die vier Reiter im
Kampf ablenken werden, damit Dawn mit ihrer Energie die Wirkung erzielen kann.
Hm...“, Giles rieb sich über den Nasenrücken. „Einmal eine Prophezeiung
entschlüsselt und die Welt sieht wieder ganz einfach aus.“ Er musste müde
lächeln und half den anderen sich ebenfalls ein wenig zu entspannen, was aber
nicht die Schwere von Dawns Worten milderte.
„Das
heißt also unsere kleine Dawnie muss sich opfern?“,
fassungslos blickte Xander zu Dawn.
„Ich
schließe mich B. an. Es muss doch verdammt noch mal ’ne Alternative drinnen
sein? Magie? Ein altes Ritual. Irgend so was.“ Faith rutschte auf ihrem Stuhl
hin und her. „Ich meine… es reicht doch schon, was wir in den letzten Monaten
an sinnlosen Opfern zu beklagen hatten.“
„Meines
wäre nicht sinnlos, Faith.“ Dawn setzte sich wieder. „Ich würde dafür sorgen,
dass wir die Reiter loswerden, bevor sie die Welt reinigen.“
„Okay,
und wie genau würde der Plan aussehen?“, fragte Ronah nach, bevor sich Faith
auf eine unnötige Diskussion mit Dawn einlassen konnte.
„Nun,
daran arbeite ich noch“, erklärte Giles müde. „Ich weiß noch immer nicht, wie
und wann diese Reinigung beginnen wird. Aber ein Gefühl sagt mir, dass es bald
sein wird. Noch habe ich im Moment keinen Plan, wie wir vorgehen sollten.“
Buffy,
die in den letzten Minuten schweigsam das Gespräch verfolgt hatte, seufzte auf
einmal leise auf und lenkte die Aufmerksamkeit auf sich zurück. Es gab noch so
vieles zu tun, um die Welt zu retten, da konnte sie sich jetzt hier und heute
keine lange Diskussion mit Dawn leisten. Vielleicht sollte sie damit warten,
bis sie ein paar Minuten alleine für sich hatten und ungestört waren. Für den
Moment wollte Buffy jedoch Stärke und Vernunft zeigen, um die Sache zu beenden. „Okay, wenn Dawn sich ganz sicher ist, das sie tun muss, was getan werden muss, will ich mich
nicht ihr und uns in den Weg stellen. Es fällt mir natürlich nicht einfach, es
zu akzeptieren, aber es ist... okay.“
„Danke“,
flüsterte ihr Dawn erstaunt zu und lächelte dann ihre Schwester schwach an, die
es jedoch nicht erwiderte, sondern rasch zu Giles blickte. Dawn wusste, dass
Buffy noch sehr viel mehr zu dieser Sache zu sagen hatte, aber sie war für den
Augenblick mit diesen wenigen Worten zufrieden und wollte mit Buffy vielleicht
heute Abend alleine in Ruhe darüber sprechen.
„Und
Sie, Giles, kümmern sich um die letzten Informationen, die uns noch fehlen,
damit wir diese Reiter finden“, gab Buffy weitere Order. „Und endlich etwas
gegen sie unternehmen können.“
Malkuth, Straße der Sonne
Etwas später
„Wir müssen dem Wasser
sowohl hier als auch in der Straße des Sterns den Weg abschneiden“, erklärte Mo
und griff nach dem nächsten Sandsack. „Wenn meine Planungen stimmen, wird der
Strom dadurch in die Halle von Malkuth umgelenkt.“
„So
riesig wie sie ist, wird es eine Ewigkeit dauern, bis sie voll gelaufen ist.“
Andrew ächzte unter dem Gewicht der Säcke, die er soeben heranschleppte. Regil kam eifrig angerannt, und nahm ihm einige davon ab.
„Ganz
genau“, bestätigte Mo. „Vermutlich wird das restliche Wasser gar nicht mehr
ausreichen, sie zu füllen. Arjuna hat mir vorhin
berichtet, dass zumindest die meisten Einbruchsstellen inzwischen abgedichtet
sind. Jetzt geht es hauptsächlich darum, das Wasser in der Stadt dorthin zu
lenken, wo es den wenigsten Schaden anrichten kann. Es darf auf keinen Fall die
Verletztenlager in Tipharet und Jesod
erreichen. Wir könnten sie nicht schnell genug evakuieren.“
„Okay,
wir tun, was wir können.“ Regil und Dozer machten sich mit Mo’s Hilfe
daran, die Barriere aus Sandsäcken weiter zu erhöhen und zu verstärken, während
Andrew dem nächsten Sandsackträger entgegen lief. Es war ein bisschen wie der
Staffellauf früher in der Schule, nur dass es damals nicht ums Überleben ging.
„Dozer, übernimm du die nächste Ladung“, wies Mo den
Echsendämon an, und winkte Andrew zu sich herüber. „Hör zu, mir ist noch etwas
Wichtiges eingefallen. Wenn das Wasser in der Halle von Malkuth zu hoch steigt,
wird es den Zugang der Großen Unruhe überfluten. Es wird durch die Uhr in die
Außenwelt fließen, und damit auf unsere Stadt aufmerksam machen. Wie du weißt,
befindet sich der Ausgang direkt unter dem Kaufhaus, wo du arbeitest und mit
Sicherheit werden dort schon Hilfskräfte der Menschen tätig sein. Das Risiko
ist zu groß, dass wir entdeckt werden.“
„Aber
das ist doch kein Problem“, wunderte sich Andrew. „Es ist ein magischer Zugang.
Alles, was man tun muss, ist die Uhr anzuhalten, und der Weg ist dicht.
Wahrscheinlich wird das sowieso passieren, wenn das Wasser kommt, also müssen wir
uns gar keine Sorgen machen. Oder möchtest du, dass ich hingehe, und das
übernehme?“, wollte er wissen.
„Ja“,
bestätigte Mo, „falls du kein Problem damit hast, durch die Halle von Malkuth
zu schwimmen.“
„So
tief wird das Wasser dort noch nicht sein. Wenn ich jetzt gleich loslaufe...“
Mit Schwung warf Andrew den nächsten Sandsack auf die Barriere.
„Zu
gefährlich.“ Mo schüttelte den Kopf. „Erst muss dort der Strom abgestellt
werden und das können nur Regil und Dozer übernehmen. Ich werde jetzt den Dammbau in der Straße
des Sterns überprüfen, und dann ein paar Leute suchen, die hier bei euch
weiterbauen. Sobald sie hier sind, schickst du Regil
und Dozer in die Halle von Daath,
damit sie den Strom abschalten. Du bist nicht unter Zeitdruck, da es noch Stunden
dauert, bis das Wasser die kritische Höhe erreicht, aber es ist wichtig, dass
das erledigt wird. Wenn du es nicht tun kannst, dann beauftrage jemand anderen
damit, und sag’ ihm, dass die Anweisung von mir kommt.“
„Roger.“
Andrew salutierte wie in einem Militärfilm und wandte sich Regil
zu, während Mo durch den Gang davon eilte. „Du hast den Captain
gehört, Lieutenant. Strom abschalten, sobald die
Verstärkung hier ist!“
„So
einigermaßen kenn’ ich mich mit Warrens Programm aus“, überlegte Regil. „Sollte möglich sein, der Halle von Malkuth den Saft
abzudrehen, ohne dass die anderen Teile der Stadt davon betroffen sind. Die
Verletztenlager würden sich bedanken, wenn das Licht plötzlich weg wär’...“
„Ist
mir sowieso unbegreiflich, dass wir nicht schon längst einen kompletten
Stromausfall haben, bei dem Chaos, was in Daath los
war“, wunderte sich Dozer. „Warren muss ein echtes
Genie sein, dass er das so gut hingekriegt hat...“
„Ja,
das ist er.“ Düster starrte Andrew vor sich hin. „Das ist er.“
Kanalisation
Etwas später
Inzwischen völlig durchnässt
und mit Schlamm bedeckt, stolperte Lily noch immer zwischen den Reitern durch
die Gänge. Die Dämonen dahingegen wirkten weder erschöpft noch ungeduldig. Ihre
Ausdauer hatte Lily also schon einmal ziemlich unterschätzt.
Zudem
hatte Lily völlig das Gefühl für Zeit verloren. Vielleicht waren erst einige
Minuten vergangen, vielleicht stolperte sie auch schon Stunden hier herum. Und
vom Talisman war keine Spur zu finden. Egal wo er hingespült worden war – die Chance
ihn zu finden stand ziemlich schlecht. Eigentlich hatte sie damit gerechnet,
dass die Dämonen irgendeine Art von Magie anwenden würden, um ihn aufzuspüren,
aber auch darin hatte sie sich wohl getäuscht.
„Hört
mal... ich verstehe, dass euch der Talisman irgendwie wichtig ist, aber
vielleicht kann ich euch anders weiterhelfen? Ich habe Beziehungen und ich
kenne Leute, da würdet ihr staunen. Mit ein paar magischen Tricks finden wir
den Talisman leichter...“
Keiner
der Dämonen reagierte auf sie, keiner wendete auch nur für eine Sekunde seinen
Kopf zu ihr und Lily verstummte.
Kurz
darauf kamen sie an einer Kreuzung an. Der Gang vor ihnen endete an einer Wand
mit einer Leiter, die nach oben führte. Ihre Entführer lenkten sie daher nach
links und als sie ihre Taschenlampe in dem neuen Gang vor ihnen herumwandern
ließ, bemerkte sie einen Schatten, der viel zu groß für eine Ratte gewesen war.
Kurz darauf war ein recht lautes „Platsch“ zu hören, gefolgt von einem
unterdrückten Fluch. In Lily keimte Hoffnung auf. Vielleicht waren sie gar
nicht so alleine hier unten und sie konnte jemanden finden, der ihr half zu
fliehen. Andererseits sagte ihr die Vernunft, dass man den Dämonen nicht so
einfach entkommen konnte. Die Überlegung Richtung Plan B wurde stärker...
Neben
ihr löste sich einer der Reiter und wandte sich in die Richtung, aus der die
Geräusche gekommen waren. Soviel zu ihrem neuen „Fluchtplan“, dachte Lily
verbittert und blieb stehen, als die anderen drei anhielten.
Es
dauerte nur wenige Sekunden, in denen Lily kurze Kampfgeräusche vernahm, ehe
der Reiter in Begleitung wieder erschien: ein zappelndes Etwas hing in seiner
Faust, bekleidet mit ein paar zerrissenen, nassen Fetzen. Lily richtete die
Lampe auf das Ding und enthüllte grau-grüne und feuchte Haut, grüne froschähnliche
Glubschaugen, die sich sofort schlossen, als das Licht sie trafen und Hände und
Füße mit Schwimmflossen. Das Ding war eine abstoßende Dämonenart, die Lily
nicht kannte.
Der
Lichtstrahl wanderte kurz weiter in die Richtung, aus der der Reiter diesen
Dämon angeschleppt hatte und Lily entdeckte einen Einkaufswagen, der auf einem
der trockenen Simse stand. Der Wagen war randvoll
mit allem möglichen Müll voll gestopft und es fiel Lily nicht schwer zu
erraten, dass dieses Wesen eine Sammelleidenschaft für alles hatte, was hier
unten angespült wurde. Kurz schüttelte es sie bei dem Gedanken, was alles in
diesem Wagen sein konnte. Doch viel Zeit zum Nachdenken
bekam sie nicht, denn einer der Dämonen riss ihr die Lampe aus der Hand
und leuchtete dem Froschdämon ins Gesicht. Sofort schlossen sich seine Augen.
„Du
lebst hier unten?“
Der
Dämon nickte hastig und beeindruckt von der tiefen, gewaltigen Stimme des
chinesischen Reiters.
„Das
heißt, du kennst dich aus“, damit wanderte der
Lichtstrahl zu dem Einkaufswagen. „Ist dir zufällig mal etwas in die Hände
gefallen… etwas Wertvolleres? Ein Talisman?“
Der
grüne Dämon blickte zunächst verwirrt zwischen den Reitern hin und her, ehe er
eine zappelnde Bewegung im Griff des Reiters machte und dann den Kopf
schüttelte.
„Fragen
wir andersherum.“ Der chinesische Reiter nickte dem indianischen zu, der zum
Einkaufswagen ging und ihn kurzerhand ins Wasser stieß, so dass der gesamte Inhalt in das schmutzige Wasser kippte. Der
Froschdämon schrie frustriert und wütend auf. Doch das beeindruckte die Reiter
nicht sonderlich. „Also... hast du eine kleine, silberne Scheibe gefunden, auf
der ein Tor zusehen ist, das umgeben ist von stilisierten Kristalle?“
„Vielleicht
ja, vielleicht nein“, sagte der Dämon mürrisch und ließ zum ersten Mal seine
Stimme erklingen, die für Lily genauso feucht und schleimig klang, wie er
aussah.
„Dann
führ uns zu deinem ‚vielleicht ja’“, knurrte der Wikinger-Reiter und der
chinesische Reiter ließ den Dämon aus seiner Faust ins Wasser fallen. „Dann
wirst du vielleicht überleben.“ Der Wikinger lachte kurz tief und hohl, ehe er
dem Dämon einen Tritt verpasste, damit er sich in Bewegung setzte. Lily wartete
erst gar keine „höfliche“ Einladung ab,
sondern beeilte sich zu folgen.
AKT 2
Kanalisation
Eine Stunde später
Lily war müde, erschöpft und
sie fror. Zudem hatte sie Hunger und eigentlich, wenn sie es genau nahm, wäre
sie schon längst unterwegs nach London oder zumindest dabei Vorkehrungen zu
treffen. Und wenn nicht London, dann irgendein anderer, erholsamer Ort. Doch
noch immer stolperte sie durch das schmutzige Wasser, angetrieben von den
Reitern und wusste nicht so recht, was mit ihr geschehen würde, wenn sie den
Talisman fanden oder nicht fanden. Besser gesagt – sie konnte es sich lebhaft
gut vorstellen, wollte aber lieber nicht näher darüber nachdenken.
Es
war für sie kein besonderer Trost, dass sie diesen froschgesichtigen
Dämon gefunden hatten, der wohl etwas zu wissen schien, aber alles nur
noch verkomplizierte. Dieser Dämon hatte nämlich viel eher seinen Spaß daran
mit ihnen ein Spielchen zu spielen: Immer wieder bog er nach Lilys Meinung
willkürlich mal in den linken, dann wieder in den rechten Gang ab. Irgendwie hatte sie das Gefühl, im Kreis herumzuirren. Sie
fragte sich, wann es die Reiter wohl auch endlich begriffen. Was dann geschehen
würde, wollte sie sich erst gar nicht ausmalen. Der ganze Vorgang verzögerte
nur ihr eigenes Schicksal.
Als
sie wieder an einer Kreuzung ankamen und der kleine, glubschäugige Dämon nach
links abbiegen wollte, wurde er vom afrikanischen Reiter am Kragen gepackt und
zurück gerissen. Er wimmerte auf und hielt sich schützend die Hände über den
Kopf, was den Reiter jedoch nicht davon abhielt den Dämon ein wenig heftig hin
und her zu schütteln. „Du scheinst uns wohl für sehr dumm zu halten? Wir
wissen, dass du uns im Kreis herum führst. Es täte dir durchaus gut, wenn du
den direkten Weg wählen würdest.“
Der
Dämon schwieg und der Reiter schüttelte ihn wieder, dieses Mal nicht mehr ganz
so nachsichtig. Als das erneut nicht zu wirken schien, warf er ihn schließlich
unsanft gegen die Wand, von der der Dämon mit einem Schmerzesschrei abprallte
und im schmutzigen Wasser verschwand. Sofort griff der indianische Reiter, der
in seiner Nähe stand, nach ihm und riss ihn wieder in die Höhe.
Nach
Luft japsend und Wasser spuckend kämpfte der
Froschdämon gegen den Griff an, aber ohne Erfolg.
„Es
wäre gut, wenn du aufhören würdest Spielchen mit uns zu spielen. Wenn du nicht
mit uns kooperierst, sehen wir uns gezwungen, dir unvorstellbare Schmerzen zuzufügen.
Und du kannst uns glauben, wenn wir unvorstellbar sagen, meinen wir das auch
so.“
Der
kleine, hässliche Dämon wirkte nicht sonderlich beeindruckt von den Worten des
indianischen Reiters. Im Gegenteil, er lachte. Er lachte laut und gehässig auf.
„Ihr glaubt wohl, dass ich noch nicht von euch gehört hätte? Ich weiß wer ihr
seid, was ihr sucht und vorhabt. Egal ob ich euch den Talisman geben könnte
oder nicht – ihr würdet mich sowieso töten. Mich, alle Dämonen, diese Welt...
und was ich weniger bedauere auch die Menschen.“
„Nun,
auch wir brauchen Helfer und nicht jede Kreatur ist unrein. Es ist noch immer
Zeit, sich für die richtige Seite zu entscheiden. Für die reine Seite. Buße zu
tun. Es ist deine letzte Chance. Ansonsten...“ Der Wikinger drehte sich bei
seinen Worten zu Lily herum und zog sein Schwert. Lily, die zu spät begriff,
was die Reiter vorhatten, konnte nur noch abwehrend ihre Hände heben und einen
Schritt nach hinten stolpern.
Panik
leuchtete in ihren Augen auf. „Nein... bitte...“ Mehr
brachte Lily nicht mehr über ihre Lippen, denn der Wikinger hatte bereits das
Schwert auf sie gerichtet und ein eisig blauer Strahl entsprang der
Waffenspitze, der direkt auf sie zuraste. Der Strahl erreichte die Wächterin
und traf ihren Körper mit enormer Wucht, so dass sie von den Füssen gerissen
wurde und mit dem Rücken gegen die andere Wand prallte. Während das
eisige Licht ihre Gestalt vollkommen einhüllte, rutschte Lily langsam von der
Wand ab ins Wasser. Der indianische Reiter stand ihr am nächsten und packte sie
am Kragen, um sie auf den Füssen zu halten, damit der Froschdämon sehen konnte,
was mit der Frau geschah.
Lily
hatte den stechenden Schmerz im Rücken bereits nicht mehr gespürt, denn in
diesem Moment hatte eine eisige, schmerzhafte Kälte von ihren Organen, Muskeln
und Nerven Besitz ergriffen. Die Kälte stach
wie kleine, feine Nadeln in ihrem Körper und sie musste mit anfühlen, wie sie
von innen heraus zu Eis erstarrte und dabei zu erfrieren drohte. Aber die Kraft
zu schreien hatte sie nicht mehr. Sie war in ihrem schmerzenden Körper
gefangen, fühlte, hörte und sah alles um sich herum mehr als deutlich, nur
konnte sie sich in ihrer erstarrten Haltung nicht mehr mitteilen.
Kleine
Eiskristalle bildeten sich in Lilys Augenbrauen und Wimpern, ihre Lippen wurden
ganz blau, ihre Haut nahm einen weiß, bläulichen Schimmer an und die Wächterin
selbst glaubte in Panik, dass das Eis bald ihr Herz und ihre Lungen erreichen
würde...
...
dann kam die Erlösung. Wärme stieg plötzlich wieder auf, als der Dämon sein
Schwert senkte und es wegsteckte. Ihr ganzer Körper kribbelte schmerzhaft und
Lily schrie auf, ehe sie keuchend nach vorne auf die Knie in das schmutzige
Wasser stürzte.
Der
Froschdämon lachte nicht mehr, sein gehässiges Blitzen in den Augen erstarb und
er schien verstanden zu haben, während er der Wächterin dabei zusah, wie sie
unter kaum auszuhaltenden Schmerzen die Kontrolle über ihren Körper zurück
gewann. Offensichtlich konnte man langsam und schmerzhaft sterben und darauf
hatte er keine Lust.
„Schon
gut, schon gut“, murmelte er schließlich und deutete in die andere Richtung.
„Wir... wir müssen da lang.“
Der
indianische Reiter packte Lily grob unter die Arme und zog sie mit sich, als
ihm klar wurde, dass die Frau im Augenblick nicht von alleine gehen konnte.
Lily war zu benommen, um sich dagegen zu wehren und ließ sich ohne Widerstand
mitzerren.
Der
Froschdämon führte die Gruppe nun zielstrebiger durch die Gänge, wobei er sich
von Zeit zu Zeit ein wenig gehetzt nach den Reitern hinter sich umdrehte.
Schließlich endete der Marsch vor einem Loch in einer der Wände. Dahinter lag
ein Hohlraum, der bei einem Einsturz entstanden zu sein schien. Überall lagen Geröll und Mauerstücke herum, zwei
herabgestürzte Deckenstützen halbierten den Raum und kleinere Schutthaufen aus
Gestein lagen in den Ecken.
Der
restliche Platz in diesem Hohlraum war voll gepackt mit allem möglichen Müll,
mit dem sich der Dämon wohl so etwas wie ein Heim aufgebaut hatte. Alte
wacklige Stühle, eine löchrige Matratze, eine umgedrehte Öltonne als Tisch,
Schachteln, die voll gestopft waren und andere diverse Objekte, deren
Untersuchung sicher mehrere Tage gedauert hätte.
„Kann
etwas dauern“, brummte der Dämon und wurde los gelassen, damit er im Inneren
seines „Heims“ nach dem gewünschten Objekt suchen konnte. Er wühlte in allen
möglichen Schachteln herum, warf einige sogar um, um besser an den Inhalt zu
kommen und zog plötzlich mit einem triumphierenden Schrei den Talisman an einer
Kette in die Höhe. Das war sein Glückstag und die
Eintrittskarte für sein Leben an der Seite der Alten. Das war besser als von einem diesen vier getötet zu werden. Die Gerüchte in
der Stadt waren nämlich alles andere, nur nicht beruhigend.
Lily
stand im Hintergrund und fühlte sich wie einmal durch die Mangel gedreht. Ihre
Knie waren zittrig, ihr Kopf fühlte sich schwer an und jeder einzelne Muskel in
ihrem Körper schien zu schmerzen. Aber als sie sah, wie die vier Reiter sie
plötzlich kaum noch beachteten, weil der hässliche, kleine Dämon gefunden
hatte, was sie suchten, erschien ihr altes Lächeln auf ihren Lippen. Es gab nur
diese eine Chance, um zu entkommen und diese würde sie nicht ungenutzt
verstreichen lassen.
In
dem kleinen Hohlraum packte sich der Wikinger den Talisman und kaum hatten die
glitschigen Finger des Froschdämons die Kette losgelassen, ging er in Flammen
auf, als ihn die Augen des afrikanischen Dämons trafen, der sein
Elfenbeinschwert gezogen hatte.
Dem
kleinen Dämon blieb nicht einmal die Zeit zu begreifen, was gerade eben
passierte, noch die Luft, um zu schreien.
Als
nur noch ein Häufchen Asche übrig war, drehten sich
die vier Reiter zu Lily herum, die gerade die ersten zögernden Schritte
nach hinten gemacht hatte.
Lily
blieb stehen und seufzte theatralisch schwer auf, als sie den grimmigen,
entschlossenen Blick aller vier Reiter auf sich ruhen sah. „So viel zur letzten
Chance sich für die richtige Seite zu entscheiden.“
Der
Indianer lachte zynisch auf und deutete mit seiner Waffe auf die Wächterin. „Es
gibt niemanden auf dieser Welt der eine Chance verdient hätte, mit uns auf
einer Ebene zu stehen. Niemand kann so rein sein.“
Doch
dieses Mal war es Lily, die lachte, wenn auch eine Spur Verzweiflung darin lag.
„Wenn ihr euch da nur mal nicht täuscht...“, und bei diesen Worten berührte sie
einen kleinen Anhänger an einer Kette, den sie die ganze Zeit unter ihrer Bluse
versteckt getragen hatte – ihr Plan B. Bei der Berührung leuchtete er orange
auf. Das Licht wurde rasend schnell intensiver und hüllte Lily in wenigen
Sekunden vollständig ein.
Ehe
alle Reiter ihre Waffen gezogen hatten, war Lily in dem Licht verschwunden.
Überrascht
blickten sich die vier Reiter an. Mit einem Teleportationszauber
hatten sie nicht gerechnet.
Ein Tag später
Friedhof, Mittag
Heaven
A gateway to hope
Just like a feeling
I need, it's no joke
Mit
leerem Gesicht beobachtete Faith, wie der Priester hinter den Grabstein trat,
sein Buch öffnete, und begann, daraus vorzulesen. Sie hörte ihm nicht zu. Es
interessierte sie absolut nicht, was diese Person zu sagen hatte. Er kannte
Robin doch gar nicht. Niemand hier kannte Robin wirklich. Sie selbst eingeschlossen.
And though it hurts me
To see you this way
Betrayed by words
I'd never heard
To hard to say them
Up, down, turn around; please don't let me hit the ground
Tonight I think I walk alone to find my soul desire to go home
Oh it's the last time, it's the last time
Oh it's the last time, it's the last time
Sie
ließ ihren Blick über die Anwesenden gleiten. Giles, Buffy, Dawn und Xander
standen links neben ihr. Ronah stand gleich rechts an ihrer Seite, gefolgt von
Cliff, Andrew und Kennedy. Etwas abseits stand ein älterer Mann, von dem Giles
behauptet hatte, dass es sich dabei um den Wächter von Nikki Wood handelte, als
auch einige Personen, bei denen Faith nicht den Hauch einer Ahnung hatte, wer
sie überhaupt waren.
„Faith…“
Sie wurde aus den Gedanken gerissen, als Ronah ihr eine Hand auf die Schulter
legte, und Richtung Sarg nickte. Erst jetzt fiel ihr auf, dass alle Anwesenden
in ihre Richtung starrten. Faith verstand, strich sich mit der freien Hand noch
einmal ihre Haare aus dem Gesicht, und trat dann zum Grab vor, in das der Sarg
mittlerweile abgesenkt wurde.
Each way I turn
I know I'll always try
To break the circle
That has been placed round me
From time to time
I find our lost
Semeaning
That was urgent
To myself
I don't believe
Oh, up, down, turn around; please don't let me hit the ground
Tonight I think I walk alone to find my soul desire to go home
Als sie in das tiefe Loch
starrte, drehte es ihr beinahe den Magen um. Sie schluckte, schloss kurz die
Augen und versuchte die Fassung wieder zu finden. Sie spürte, wie ihre Augen
feucht wurden, und kurz darauf die ersten Tränen auf ihre Wangen liefen.
Langsam
hob sie ihre zitternde Hand, und betrachtete die Rose durchdringend. Wie kurz
doch das Leben sein konnte… Diese Rose wurde in ihrer besten Zeit
abgeschnitten. Verwelken wird sie trotzdem. Robins Leben wurde ebenfalls zu
früh beendet. Viel zu früh. Wieso nur hatte sie Kim gerettet? Warum hatte sie
diese blöde Göre nicht in Silent Hill verrecken
lassen? Diese…
„Faith?“
Sie schreckte zusammen, als erneut eine Hand sanft auf ihre Schultern gelegt
wurde. „Kommst du zurecht?”, fragte Buffy so leise, dass die anderen davon
nichts mitbekamen.
Faith
nickte, erinnerte sich wieder daran, warum sie eigentlich als erste vortreten
musste, und warf die Rose in das dunkle Grab. Dann drehte sie sich um und blieb
erst einige Meter abseits wieder stehen. Sie ließ sich auf ihre Knie nieder,
vergrub ihr Gesicht in ihren Händen und weinte.
Oh it's the last time, it's the last time
Oh it's the last time, it's the last time
And I have never met anyone quite like you before
And I've never met anyone quite like you before
„Denkst
du, sie kommt zurecht?”, fragte Xander Buffy leise, nachdem sie eine Schaufel
voll Erde in das Grab geworfen und somit Robin die letzte Ehre erwiesen hatte. Die
Zeremonie war mittlerweile zu Ende, und der Priester auch schon verschwunden.
„Es
ist Faith…“, antwortete Buffy, und sah dann Xander und Kennedy besorgt an. „Sie
lässt sich nicht helfen…“
„Aber
wir müssen doch irgendetwas für sie tun können!“, sagte Dawn, als sie zu der
Gruppe herangetreten war, und zuerst zu Faith und dann zu Ronah sah, die noch
immer beim Grab standen.
„Nein,
können wir nicht…“, antwortete Buffy wieder und blickte kurz zu Giles, der
einige Worte mit Bernard Crowley wechselte, sich dann
von ihm verabschiedete, und auch auf sie zutrat.
„Ich
denke, am besten wäre es, wenn wir ihnen die Zeit geben, die sie brauchen, um
damit fertig zu werden…“, sagte Buffy wieder, und blickte Giles fragend an, als
er die anderen erreicht hatte.
„Ich
habe mit Crowley gesprochen, und wie es aussieht,
wird er sich so schnell wie möglich wieder auf den Weg nach England machen. Es
gibt dort einige wichtige Dinge zu regeln. Genaues wusste er leider noch nicht.
Aber wie es scheint, hat es mit Lily und ihren Jägerinnen zu tun.“, informierte
er die Gruppe. „Ein Treffen mit allen Wächtern ist einberufen worden. Er wird
mich anrufen, sobald er mehr weiß.“
„Na
ja, falls wir die Reitern nicht rechtzeitig beseitigen
können, wird das nicht mehr notwendig sein“, merkte Andrew an.
And I've never met anyone quite like you before
Oh, up, down, turn around; please don't let me hit the ground
Tonight I think I walk alone, to find my soul desire to go home
And I never met anyone quite like you before
Up, down, turn around; please don't let me hit the ground
Tonight I think I walk alone, to find my soul desire to go home
„Ronah?” Faith trat langsam neben
ihre Freundin, die noch immer in das tiefe Grab starrte. Im Hintergrund löste
sich die Beerdigungsgesellschaft auf und die ersten verließen den Friedhof.
Ronah
drehte langsam ihren Kopf und starrte Faith mit verweinten Augen an. Sofort
wendete sie den Kopf wieder, sah kurz zu Boden, und dann wieder in Robins Grab.
Sanft fasste sie nach Faith’ Hand.
„Ich
kann noch immer nicht glauben, dass wir schon wieder jemanden verloren haben…“,
brachte Ronah mit krächzender Stimme leise hervor. Faith antwortete nichts. Was
gab es da auch zu antworten?
Wind
kam auf, und die Lichter der Kerzen schienen zu tanzen. Ronah schluchzte
erneut, drehte sich zu Faith, legte ihre Arme um sie und drückte sich fest an
sie. Langsam hob auch Faith ihre Arme, erwiderte die Umarmung der Jüngeren, und
begann, mit ihrer rechten Hand über ihren Kopf zu streichen.
Sie
blickte auf Vis Grab, das direkt daneben stand, und dann wieder in die dunkle
Grube, in der Robins Sarg nun lag. Tränen liefen Faith über das Gesicht, als
sie erkannte, dass Eve aus dem dunklen Schatten eines Baumes trat, langsam auf
sie zuging, und schlussendlich hinter Robins Grab stehen blieb.
„Es
ist schon erstaunlich. Du bist echt etwas Besonderes,
Faith.“ Eve lächelte, strich dabei über den Stein, näherte sich den zwei
Jägerinnen aber nicht weiter. Faith sah überrascht zu Ronah, die noch immer
weinend an ihr lehnte, doch sie schien Eve nicht gehört zu haben.
„Du
scheinst etwas an dir zu haben, das die Leute… in den Tod treibt!“ Eve lachte
erneut, warf dann eine schwarze Rose in Robins Grab, und verschwand wieder.
Faith
schloss wieder die Augen, drückte Ronah weiter an sich, und trauerte stumm
weiter.
Up, down, turn around; please don't let me hit the ground
Tonight I think I walk alone to find my soul desire to go home
Friedhof
Zur selben Zeit
Nachdem
Giles den anderen von Crowely berichtet hatte, war er
zurück ans Grab getreten. Jedoch zog er sich etwas in den Hintergrund zurück,
um Faith und Ronah nicht zu stören. Er brauchte dieses Mal selbst einen stillen
Moment, um mit dem erneuten Verlust in seinem Leben klar zu kommen und Abschied
von Robin zunehmen, der zu einem Freund und Vertrauten geworden war. Er kam aus
einer Vergangenheit, die nach Sunnydales Zusammenbruch
nicht mehr existierte. Die nur noch durch sie, die Überlebenden, vorhanden war.
Dabei war sich Giles
bewusst, dass er Robin nie wirklich richtig kennen
gelernt hatte, aber trotzdem verband sie das Erlebte in Sunnydale
auf eine gewisse Weise.
Sein
Blick wanderte auf das Grab neben Robin – Vi. Es war noch gar nicht so lange
her...
Giles
schloss die Augen und fragte sich, wann es je aufhören würde, dass er Menschen
beerdigen musste, die durch das, was er tat oder wusste starben.
Plötzlich
fühlte er sich an Sina erinnert. Die Wahrsagerin, die ebenfalls starb, weil sie
seinen Weg gekreuzt hatte. Sie hatte ihm eine Karte gezeigt – der Tod. Damals
war er aus dem Zelt gerannt und wollte nichts mehr davon hören. Er hatte Angst
gehabt und hätte am liebsten ihre Worte aus seinem Gedächtnis verbannt.
Trotzdem waren die Alpträume gekommen und mit ihnen ein Wesen, von dem er
geglaubt hatte, das es längst besiegt worden wäre. Damals hatte er Sinas Karten
zu deuten verstanden, bis auf die letzte. Der Mond... lange hatte er an Buffy
gedachte, doch wenn er jetzt Sinas Worte neu überdachte, ergab vieles einen
anderen Sinn. Jede Karte, die sie ihm gelegt hatte, hatte ihm einen Menschen
offenbart, der starb, weil er ihnen mit dem Eintritt in seine Welt auf die eine
oder andere Weise den Tod gebracht hatte. Die Alpträume damals hatten ihm
unbewusst die richtige Deutung jeder Karte, die ein passendes Bild der Person
zeigte, die gemeint war, vor Augen geführt. Heute glaubte er die passende
Interpretation selbst gefunden zu haben. Der Mond war demnach nicht für Buffy
bestimmt gewesen. Doch wenn nicht für sie, für wen
dann...
Sinas
V.O.: „Die Kaiserin. Eine Person in Ihrem Leben, voller Liebe und Hingabe, die
aber auch zerstörend auf ihr Leben einwirkte.“
Nicht ohne Wirkung und Einfluss war der
Tod seiner Mutter geblieben. Ein dunkles Wesen, vom Rat geheim gehalten, war
über sie hergefallen. Wie einfach hätte man sie davor bewahren können. Sie war
die erste gewesen, die ihm etwas bedeutet hatte und die er auf solch eine tragische
Weise verlieren musste. Ihr Tod beeinflusste sein Leben und ließ es in eine
Richtung laufen, die er nicht unbedingt freiwillig eingeschlagen hätte.
Schuldgefühle sorgten lange dafür, dass er nie vergaß, wie kurz ein Leben in
der Welt eines Wächters und einer Jägerin sein konnte. Und mit ihrem Tod waren
noch so viel andere gekommen, die er nicht hatte verhindern können...
Sinas
V.O.: „Der Bube der Stäbe. Jemand ist Ihnen begegnet, als Sie ausbrechen
wollten, etwas erleben wollten. Bereit waren für das Abenteuer. Risikofreude
spielte eine Rolle.“
Thomas... Grundgütiger, es war schon
wieder eine Weile her, dass er sich an damals erinnert hatte. Seit sie Ethan
aus Cleveland verjagt hatten – genau genommen. Auch Thomas war in seiner Welt
aus Dämonen, Hexen und Vampiren gestorben, hatte ihm erneut gezeigt, dass das
Leben noch ein paar Überraschungen für ihn parat hatte und sein eigenes erneut beeinflusste.
Sinas
V.O.: „Die Königin der Stäbe. Jemand mit sehr viel Selbstvertrauen, Stolz und
Unabhängigkeit kreuzte ihren Weg. Klug, aber nicht unbedingt bereit sich
unterzuordnen, nicht immer fähig Kritik anzunehmen. Lebendig und willensstark,
unternehmungslustig. Die Karte hat auch eine negative Seite... die Königin
steht auch für die Dramenkönigin, weil sie ein Talent zum Schauspielern hat...
Ihnen also etwas vorgaukelte.“
Der Gedanke an Thomas führte ohne Umwege
direkt zu seinen tief begrabenen Erinnerungen an Jenny. Es war lange her und
noch heute war in ihm ein tiefer Schmerz – aber er war mit den Jahren erträglicher
geworden. Inzwischen konnte er sich auch an die schönen Zeiten erinnern und
dabei kam nur noch Wehmut auf, und das Bedauern, nicht mehr Zeit mit Jenny
gehabt zu haben.
Sinas
V.O.: „Die vorletzte Karte. Wechsel und Wandel. Sie lebt in Ihrer Welt, und ist
doch nicht von dieser Welt.“
Nun war er in seinen Erinnerungen bei der
letzten Karte angelangt – der Mond. Wechsel und Wandel... wie hatte er dabei nur
an Buffy denken können? Nein, seine Jägerin war nicht damit gemeint. Sie hatte
ständig mit dem Tod zu tun, deswegen glaubte er nun nicht mehr, dass die
Wahrsagerin ihm deswegen die Karte gezeigt hatte. Doch wenn nicht Buffy....
„Meine Güte...“, hauchte Giles
erschrocken, als es ihm endlich wie Schuppen von den Augen fiel – Dawn. Es war
Dawn gemeint. Ihre Existenz als Schlüssel und Mensch – der Wandel und der Wechsel...
Die Erkenntnis traf ihn hart, gerade auch
jetzt, wo Dawn sich für ihr Opfer entschlossen hatte, und das Wissen, dass die
letzte Karte, die ihm Sina daraufhin gezeigt hatte, der Tod gewesen war, ließ
sein Gesicht blass und fahl werden. Vielleicht würde Dawn gar nicht in ihrer
Welt als Lichtwesen enden... aber daran wollte Giles jetzt wirklich nicht
denken...
Als er sich vom Grab abwandte, um zurück
zum Wagen zu gehen, schien er auf einmal müder und älter....
Friedhof
Zur selben Zeit
Ihr Blick schweifte über die
Gräber, und unwillkürlich musste Dawn daran denken, dass sie erst vor einigen
Wochen hier mit Ronah ein paar Vampire unschädlich gemacht hatte. Kein schwerer
Kampf, die Blutsauger waren frisch aus den Gräbern gekrabbelt, und
ausnahmsweise beherrschten sie keinen Kampfsport.
Ronah
und sie hatten herumgealbert, und Witze gerissen, und sie hatte sich innerlich
darüber gewundert, wie sehr ihr das Leben als Jägerin schon zur Routine
geworden war. Noch vor wenigen Monaten hatte sie noch gar nicht gewusst, wie
sie damit umgehen sollte, aber dann... sie hätte nie damit gerechnet, dass es
so schnell gehen würde...
Und
jetzt? Was würde jetzt sein? Würde sie sich auch an ein Leben ohne einen
menschlichen Körper gewöhnen können?
Es
war schließlich nicht das erste Mal...
„Du,
ich pack’s dann wieder“, sagte eine leise Stimme
neben ihr. Sie wandte sich Andrew zu, welcher mit gesenktem Kopf an ihrer Seite
stand. Offenbar behagte es ihm gar nicht, so zwischen den Fronten hin- und her
gerissen zu sein. „Ich wünschte, ich könnte dir und Buffy auch helfen, aber Mo
hat mir vorhin ’nen Auftrag gegeben, und...“
„Hey,
ist schon in Ordnung.“ Sie legte eine Hand auf seine Schulter. „Ist schließlich
nicht unsere erste Apokalypse.“
Sie
holte tief Luft und überlegte, ob sie ihm sagen sollte, dass sie sich
vielleicht nicht wiedersehen würden. Aber es
auszusprechen, das würde es so endgültig machen. Und außerdem – er würde es
vielleicht nicht verstehen, würde versuchen auf sie einzureden. Und sie konnte
nicht noch jemanden brauchen, der auf sie einredete. Das alles war schon schwer
genug.
„Was
ist los?“, fragte Andrew verwirrt und blickte sie aus besorgten Augen an. „Steht
es so schlecht um uns und unsere Welt?“
„Es
wird ein schwerer Kampf werden“, wich sie seiner Frage aus. „Vielleicht... vielleicht
werden wir nicht alle heil wieder rauskommen. Du musst wissen, dass ich...“
„Du
machst mir Angst“, murmelte er und sie konnte förmlich sehen, wie die Panik in
ihm hochstieg. Er schien etwas zu ahnen, irgendetwas am Tonfall ihrer Stimme
musste sie verraten haben. „Du hast mir doch versprochen, nicht zu sterben.
Weißt du nicht mehr?“
„Natürlich.“
Sie lächelte traurig. Wie hätte sie das auch vergessen können? In gewisser
Weise war es dieses Gespräch vor einem knappen Jahr gewesen, mit dem ihre
Freundschaft begonnen hatte. „Wir haben die Menschen um uns herum mit Sternen
verglichen, und du hast mich zu deinem Mond erklärt. Weißt du, den Mond sieht man
auch nicht immer, aber er ist trotzdem immer da.“
Sie
redete nicht weiter und er hütete sich, nachzufragen, was diese seltsamen Worte
bedeuten mochten. Stattdessen legte sie die Arme um ihn, drückte ihn einen
Moment lang an sich. Er schniefte leicht, während er ihre Umarmung erwiderte
und seine Stirn gegen ihre lehnte. „Bis dann“, murmelte er leise, als er sich
schließlich abwandte, um zu gehen.
„Andrew?“
„Ja?“
„Du
hast mir nie erzählt, wie die Geschichte von Batman und Robin ausgegangen ist.
Ist Robin wieder zu Batman zurückgekehrt?“
„Nein,
ist er nicht.“ Andrew schüttelte den Kopf. „Er lebte sein eigenes Leben als Nightwing und bekam auch seine eigene Serie. Erzähl’ ich
dir, wenn das alles hier vorbei ist, okay?“
„Okay.“
Einen Augenblick lang sah sie ihm hinterher, bevor auch sie sich abwandte, um
ihrem Weg zu folgen.
An einem anderen Ort…
Zu einer anderen Zeit...
Willow, Tara und die Hüterin
standen wieder auf dem wunderschönen Sandstrand, an dem sich Willow schon
einmal wiedergefunden hatte. Tara trat einige
Schritte beiseite und ließ damit den Hüterinnen den Raum, den sie brauchten, um
das zu tun, wozu sie hier waren.
Die
junge Hüterin fühlte sich wohl, aber irgendwie auch nicht. Sie wusste noch
immer nicht genau, wo sie hier eigentlich war. Es war einerseits so wunderschön
hier, doch andererseits wusste sie nicht, wie es ihren Freunden beim Kampf
ergangen war.
„Willow…
hör mir jetzt genau zu…“ Die Hüterin beugte sich nach vorn und strich ihr
langsam die Haare aus dem Gesicht. Danach fuhr sie ihr sanft über die Wange,
die Schulter, über ihren Oberarm und ergriff schlussendlich ihre rechte Hand.
„Ich
weiß, du hast viele Fragen. Darüber, wer du bist, was deine Aufgaben sind, und
wie genau du deine Fähigkeiten gezielt nutzen kannst. Ich werde dir heute nicht
alles erklären können, dafür reicht die Zeit leider nicht mehr aus. Aber ich
weiß auch, dass du eine ganz außergewöhnliche Frau bist, Willow Rosenberg.
Keine vor dir war so wie du. Du bist einzigartig, und du bist die Anführerin
einer neuen Generation. Lass mich dir zeigen, wie du mit deinen Problemen
fertig werden kannst…“
Die
Hüterin ließ Willows Hand mit einem Mal los, drehte sich um und trat langsam
einige Schritte in das Meer. Zögerlich folgte ihr Willow in das kalte Nass. Die
Gewänder der Frauen wurden nass, zogen sie leicht nach unten, doch sie stoppten
erst, als sie bis zur Hüfte im Wasser waren.
Plötzlich
hörte Willow wieder die tausenden von Stimmen, die Schreie, sie spürte die
Schmerzen, die Freude, den Hass, die Liebe. Sie riss die Arme nach oben, hielt
sich die Ohren zu, sie musste schreien, um dies zu ertragen. Warum tat ihr die
Hüterin das an? Warum musste sie das noch einmal durchleben?
Wie
aus weiter Ferne vernahm sie aber plötzlich durch das Stimmengewirr in ihrem
Kopf den wohlklingenden Klang ihrer Begleiterin.
„Willow,
sieh auf. Ich muss dir etwas zeigen. Konzentriere dich. Es ist nur am Anfang so
schlimm.“
Die
Hexe öffnete die Augen, richtete sich wieder auf, und erkannte zu ihrem
Erstaunen, dass das Wasser voller Jägerinnen waren: Mädchen, kaum älter als
sechs oder zehn, Teenager, junge Frauen, Frauen mittleren Alters, alte Frauen...
alle standen sie im Wasser und starrten sie an. Hunderte. Tausende.
Sie
dachte kurz, Buffy und Faith in der Menge ausmachen zu können, aber sie war
sich nicht wirklich sicher. Es waren einfach zu viele Mädchen, um spezielle
Gesichter heraus zu erkennen.
„Willow,
sieh mich an!“, kam wieder die sanfte Stimme der Hüterin.
Sie
schaffte es, den Blick von den vielen Jägerinnen zu lösen, und obwohl sie die
tausenden von Stimmen, die unzähligen Gefühle noch immer vernahm, schienen sie
zumindest im Moment dumpfer zu sein, als der Ton ihrer Mentorin.
„Willow,
du bist die Hüterin einer Unmenge von Jägerinnen. Du stehst mit allen in Kontakt.
Und das ist das Problem. Früher gab es viele Hüterinnen für eine Jägerin. Jetzt
ist es umgekehrt. Zumindest für den Anfang. Die Regeln wurden geändert. Von
dir. Daher bist auch du die Richtige. Die Einzige, die diese Aufgabe alleine
bestehen kann.“
„Wie
meinen Sie das? Sagten Sie nicht, es gibt noch andere?“, fragte Willow besorgt.
„Natürlich
gibt es noch andere Hüterinnen. Aber im Moment bist du alleine. Du bist vorerst
auf dich selbst gestellt!“
„Aber
wie?“ Verzweifelt sah Willow wieder in die Menge, und die Lautstärke der
Stimmen, die Intensität der Gefühle, die Schmerzen, verstärkten sich wieder.
Sofort drehte sie sich wieder weg und fokussierte ihre Gedanken auf die
Hüterin.
„Du
musst lernen, zu filtern. Du kannst dich nicht ständig um alle kümmern. Das
geht nicht. Das brauchst du auch nicht. Wichtig ist es, die zu sehen, die deine
Hilfe brauchen. Ich zeige es dir. Richte deinen Blick wieder auf die
Jägerinnen. Habe keine Angst vor ihnen. Sie können dir nichts anhaben. Du hast
die Kontrolle. Du hast die Kraft…“
Willow
richtete ihren Blick wieder Richtung Horizont. Tausende Frauen. Tausende
Stimmen. Tausende Gefühle.
„…
sortier’ die Jägerinnen aus, die keine Schmerzen haben…“
Die
rothaarige Hüterin konzentrierte sich, sie kniff die Augen zusammen. Nichts
geschah. Im Gegenteil, die Stimmen wurden noch lauter, die Gefühle intensiver,
die Schmerzen stärker. Willow stieß einen spitzen Schrei aus und brach beinahe
zusammen.
„Hört
auf!“, schrie sie, presste sich ihre Arme noch stärker gegen die Ohren und
versuchte mit aller Kraft, die Stimmen aus ihrem Kopf zu verbannen. Nichts. „Oh
mein Gott..!“, schrie Willow weiter, und Tränen liefen
ihr über die Wangen.
Auf
einmal spürte sie, wie die Hüterin ihre linke Hand ergriff, und die Stimmen verstummten.
Fürs erste. Willow hob ihren Blick, starrte zuerst geschockt in die Gesichter
der jungen und älteren Frauen, und dann wieder zur ihrer Lehrerin.
„Was
mache ich falsch?“, fragte sie zitternd. Diese Schmerzen waren unerträglich
gewesen.
„Du
darfst nicht gegen sie ankämpfen. Diese Jägerinnen sind nicht deine Gegner, die
gewaltsam in deinen Kopf, in dich, eindringen wollen. Versuch sie zu sondieren,
und dich dann auf die zu konzentrieren, die keine Schmerzen haben.“ Die Hüterin
ließ ihre Hand erneut los, und wieder schlug eine Welle von Stimmen, Gefühlen
und Schmerzen auf sie ein.
Doch
Willow hielt stand. Sie schloss die Augen und konzentrierte sich. Sie kämpfte
nicht. Sie gab sich den Stimmen hin. Sie sondierte. Sie filterte. Als sie dann
die Augen öffnete, lösten sich mehr als die Hälfte der Jägerinnen wie von Magie
einfach auf. Einfach so. Sie waren weg. Ihre Stimmen verstummt. Ihre Gefühle
verblasst.
„…
nun, nachdem der erste Schritt getan ist, versuche dich auf die zu
konzentrieren, die dich braucht, und hilf ihr!“
Willow
ließ ihren Blick über das Wasser gleiten. Einige Jägerinnen starrten sie
weiterhin nur stumm an. Sie nickte, und die Frauen und Mädchen verschwanden.
Einige weitere schienen mit Gegnern zu kämpfen, die sie aber nicht sehen
konnte, doch keine schien ernsthaft in Gefahr zu sein. Auch diese verschwanden.
Auf
einmal fiel es Willow wie Schuppen von den Augen. Ein greller Schrei. Wieso
hatte sie den nur vorhin nicht gehört?“ Sie drehte sich im Kreis, erkannte in
einigen Metern Entfernung ein Mädchen, dass gegen die Strömung kämpfte, schrie,
und schlussendlich unterging. Willow zögerte keine Sekunde, lief so schnell sie
konnte durch das Wasser und erfasste die Hand der Jägerin, bevor sie vollkommen
in den Fluten verschwand. Als sie das Mädchen hochziehen wollte, löste sich
plötzlich das ganze Szenario auf, und sie stand wieder neben der Hüterin am
Strand. Die Stimmen waren verstummt. Die Gefühle verblasst.
„Du
hast schnell verstanden…“, sagte die ältere Hüterin
erfreut und nickte Willow stolz zu. „Jetzt verstehe ich, warum gerade du dazu
auserwählt wurdest.“ Sie lächelte noch einmal, und bedeutete ihr dann zu
folgen.
Sie
blieben schlussendlich an der Klippe stehen, an der Willow vor einiger Zeit
schon mit Tara gestanden hatte, und setzten sich auf den überraschend bequemen
Boden.
Tara
war ihnen langsam gefolgt, und hielt sich nun wieder abseits auf. Sie blickte
Richtung Horizont, und sie schien abwesend. Ihre Augen wirkten für einen Moment
leer, als wäre sie nur körperlich anwesend.
Dann, wie von einem Blitz getroffen, fuhr wieder Leben in ihren Körper, und
besorgt blickte sie zu den Hüterinnen.
„Wir
haben nicht mehr viel Zeit! Beeilt euch bitte“, sagte die Führerin leise und
strich sich dabei ihre Haare mit der rechten Hand aus dem Gesicht. Ihr
besorgter Blick blieb auf Willow hängen.
„Da
sich unsere Zeit dem Ende zuneigt, möchte ich dir noch schnell das Wichtigste erklären, was die genauen Aufgaben
einer Hüterin sind…“ Die alte Frau schloss kurz die Augen, konzentrierte sich,
holte noch einmal tief Luft, und begann dann zu erzählen.
„Wir
Hüterinnen sind dazu auserwählt, dafür zu sorgen, dass die Jägerinnen nicht für
andere Zwecke genutzt werden außer zum Wohle der Menschheit. Unser primäres
Ziel ist es sicherzustellen, dass die Mädchen vom Rat der Wächter in keiner
Weise missbraucht oder gar misshandelt werden. Ich meine damit unter anderem,
dass wir dafür Sorge tragen müssen, dass der Rat nicht aus Eigennutz eine
Jägerin beseitigt, nur um eine loyalere Kämpferin zu bekommen. Wir sind dafür
verantwortlich, den Wächtern klar zu machen, dass es sich bei den Mädchen trotz
allem um Menschen handelt – sie sind keine Kampfmaschinen, kein Werkzeug, zu
denen sie der Rat aber immer so gerne heranzüchtet.“ Die Hüterin pausierte kurz,
um sich zu sammeln, und sprach dann weiter.
„Wie
ich dir vorhin schon zu verstehen gab, sind wir es, die wissen, welche Jägerin
als nächstes berufen wird. Jetzt, wo die Regeln geändert wurden, spielt das
sicher keine so große Rolle mehr für den Rat. Und trotzdem ist es noch immer
von Vorteil. Jede neugeborene Jägerin kannst du nun finden, damit ihr Leben
gesichert wird. Aber du musst verstehen, dass wir früher nicht ganz so mächtig
als Einzelne waren. Es war ein Kreis aus zwölf Hüterinnen notwendig, um vereint
die anderen Hüterinnen mental zu erfassen, um herauszufinden, wo die Jägerin
steckte. War der Kreis aus Zwölf zerschlagen, gab es für uns keine Möglichkeit,
die Jägerin aufzuspüren. Und was das bedeutet kannst du dir ja denken – der Rat
hatte in diesem Moment die alleinige Macht und konnte eine selbst aufgespürte,
unbrauchbare Jägerin einfach beseitigen, um abzuwarten, ob als nächstes eine
Wunschkandidatin nachrückte.“
„Das
heißt, ich muss elf weitere Hüterinnen finden?“, fragte Willow. „Um für den Rat
eine Art Spurensucherin zu werden?“
„So
würde ich das nicht unbedingt nennen“, lächelte die Hüterin. „Wir sind ihre Überwacher. Wir stehen über ihnen. Das ist Gesetz, und das
wissen sie auch. Nur hatten einige Wächter immer Probleme damit, es zu akzeptieren.
Du brauchst elf der Stärksten, damit ihr euch
gegenseitig die Last, so viele Jägerinnen zu spüren und zu bewachen,
erleichtern könnt. Und um die anderen Hüterinnen zu finden. Allein wirst du
früher oder später an der Aufgabe scheitern.“
„Okay,
das habe ich soweit verstanden… aber ich habe noch so viele Fragen. Wie zum
Beispiel finde ich neue Hüterinnen? Oder speziell die elf, die den Kreis bilden
sollen? Ich weiß, dass ich die Präsenz der neuen Jägerinnen spüren kann, aber
ich habe bisher noch nie etwas anderes... also... von einer Hüterin gespürt.“
Unsicher blickte Willow ihre Gegenüber an.
„Das
liegt daran, dass man als Hüterin nicht geboren wird, zumindest normalerweise
nicht, bei dir bin ich mir ehrlich gesagt gar nicht so sicher. Aber Hüterinnen
gibt es überall und sie werden durch das, was sie in ihrem Leben machen, zu
eben diesen. Wenn du eine siehst, wirst du verstehen, was ich meine.“
„Bedeutet
das, dass man durch seine Taten zu einer Hüterin wird?“ Verwundert blickte sie
die ältere Frau an. Diese nickte lächelnd, und sprach.
„Du
wirst verstehen, sobald du wieder in deiner Welt bist!“
In
diesem Moment trat Tara näher und die Hüterin nickte sofort. „Wie ich sehe, ist
unsere Zeit vorbei. Es tut mir wirklich leid, dass wir uns nicht länger
unterhalten konnten, doch die Zeit auf deiner Welt dreht sich weiter. Und deine
Freunde brauchen dich. Lebe wohl, Willow. Und habe Vertrauen. Wir alle wissen,
dass du die Aufgabe bewältigen wirst!“ Mit diesen Worten drehte sich die Hüterin um und ging auf das Zelt zu, welches
plötzlich wie aus dem Nichts aufgetaucht war. Davor hatten sich alle anderen Hüterinnen versammelt und winkten Willow
zum Abschied.
„Willow?“
Taras sanfte Stimme drang wie eine kalte Brise durch
ihren Körper, woraufhin sie sich sofort zu ihr umdrehte, und ihr noch einmal fassungslos
in die Augen sah.
„Heißt
das, dass wir uns nun verabschieden müssen?“, fragte Willow.
„Es
bedeutet, dass die Zeit gekommen ist und uns ein richtiger Abschied geschenkt
wurde.“ Tara trat näher an Willow heran und lächelte sie liebevoll an. Sie hob
ihre Hand, strich ihr das rote Haar aus dem Gesicht und fuhr dabei auch über
die Rose, die sie ihr vor einiger Zeit in eben dieses gesteckt hatte.
„Lebe
wohl, meine Hüterin.“
„Aber...
nein... ich...“ Willow hob ihre Hände und griff nach Taras.
Sie zog sie an sich heran, umarmte sie, und drückte sie fest an sich.
„Lebe
Wohl, Willow!“, wiederholte Tara, und die Welt rund um die rothaarige Hüterin
begann sich aufzulösen. Sie spürte, wie sie von weißem Licht umhüllt wurde und
plötzlich spürte sie einen sanften Kuss auf ihren Lippen. Dann war alles…
---
Kennedy
strich Willow sanft durchs Haar. Sie weinte.
„Willow?
Wenn du mich hören kannst... wir... wir brauchen dich.
Ich brauche dich!“, schluchzte sie, beugte sich nach vorn und gab ihr einen
sanften Kuss auf die Lippen.
Plötzlich
begannen die Geräte wie wild zu piepsen und ein Alarm ging neben ihr los.
Geschockt musste sie feststellen, dass Willow stark zu zittern begann – und in
der nächsten Sekunde wurde die Tür des Zimmers aufgestoßen und ein Arzt gefolgt
von drei Schwestern kam in den Raum gestürmt.
„Was…
was ist los?“, fragte Kennedy, wurde aber von niemandem
gehört.
Während
die Schwestern Willows zuckenden Körper auf das Bett drückten, füllte der Arzt
eine Spritze, und injizierte diese schließlich in eine Vene.
„Was
passiert mit ihr?“, schrie Kennedy nun lauter, woraufhin sich eine der
Schwestern umdrehte und an sie herantrat.
„Wir
haben gute Nachrichten, Ms. Rosenberg scheint aufzuwachen. Ich muss sie aber
bitten, draußen zu warten. Ich hole sie herein, sobald wir sie stabilisieren
konnten!“
Kennedy
wurde aus dem Raum geschoben, und daraufhin die hellblaue Tür geschlossen, auf
die sie danach einige Momente ungläubig starrte. Hatte sie gerade richtig
verstanden? Willow wachte auf? Willow… kam wieder in Ordnung? Oh Gott. Sie
musste die anderen anrufen.
Sie
machte kehrt und steuerte auf das Schwesternzimmer zu, wobei sie eine blonde,
ziemlich junge Krankenschwester aus dem Weg stieß, die dabei ein ruppiges „Was
soll das denn?“ von sich gab. Kennedy ging nicht darauf ein, griff nach dem
Telefon und wählte die Nummer der Wächterzentrale.
Durch
den Hörer konnte man gedämpft Giles hören, der sich meldete.
„Hier
ist Kennedy. Willow ist aufgewacht!“
Krankenhaus Cleveland
Abends
Mit starrem
Blick saß Eve in ihrem weißen, sterilen Krankenzimmer. Ihr Bett war frisch
überzogen worden, und an der Wand gegenüber hingen zwei Bilder, die
wahrscheinlich von Kindern aus der Kinderstation gemalt worden waren.
Endlich ging ein Ruck
durch Eve hindurch und sie begann, aus dem Regal neben dem Türrahmen,
Aktenordner, Bücher und Bilderrahmen zu ziehen und nach dem Monster zu werfen.
Ein paar Mal traf sie das Reittier, doch der letzte Wurf mit einer metallenen
Figur klatschte an den Schädel seines Reiters und mit einem zischenden Geräusch
drehte sich der Dämon kurz zu ihr um. Das war die Gelegenheit für Xander unter
den Greifzangen und dem schnappenden Maul des Reituntersatzes durchzutauchen
und wütend brüllend drehte sich das Monster herum, um ihn noch zu packen, was
ihm aber nicht gelang. Xander war bereits an dem Dämon vorbei und schwerfällig
wendete sich das Tier mitsamt Reiter um die Verfolgung aufzunehmen, da schob
ihm Xander geistesgegenwärtig einen der Drehstühle direkt für die knöchernen
Hufe, so dass es stolperte und quiekend zu Boden ging.
Zitternd fuhr Eve sich mit ihrer rechten Hand durch die Haare. Die
Monster in ihrem Bürogebäude… sie hatte sie... total verdrängt. „Mein Gott…“,
flüsterte sie.
„Eve?“, flüsterte Faith ungläubig. „Wie… was... ich versteh das nicht…
EVE?“ Faith konnte es nicht glauben, als sie die Frau erkannte. Da stand Eve
vor ihr. Eve aus Silent Hill. Eve aus ihrem Traum.
Eve der Dämon, der Racheengel. Eve, die angedroht hatte, alle ihre Freunde zu
töten.
Faith’ Blick verdunkelte sich, und ihr Hände wurden zu Fäusten, als sie
los lief, Eve ansprang und ihr mit der rechten Faust ins Gesicht schlug. Eve
schrie panisch auf, stolperte nach hinten, und schlug hart auf dem kalten Betonboden
auf. Zitternd fasste die blonde Frau nach ihrer blutenden Nase.
Prüfend fasste Eve nun wieder nach ihrer Nase. Herrje, diese Irre
hatte sie ihr damals ja beinahe gebrochen. Was war in letzter Zeit nur los?
Wieso passierte das alles? Vor kurzem hatte ihre Welt noch Regeln, nun musste
sie fürchten, dass hinter jeder Ecke ein Verrückter... nein... ein Monster
stand. Ihr Kopf begann zu Schmerzen. Immer mehr Bilder aus dem vergangenen Jahr
schossen ihr in den Kopf. Immer mehr verdrängte Erinnerungen.
Eve blieb mitten in
der Bewegung stehen. Das Licht ging an, sie hätte allerdings auch so gewusst,
wer hinter ihr stand. Ohne eine weitere Sekunde zu zögern, griff sie in ihre
Handtasche, zog eine Pistole heraus und drehte sich zu dem hellhäutigen Magier um,
der lächelnd hinter ihr stand.
Tränen liefen über
Eves Wangen, als sie spürte, wie der Magier den Reißverschluss ihres Kleides
aufmachte, sie konnte allerdings nicht dagegen tun. Ihre Gelenke waren
erstarrt, sie konnte nicht einmal schreien.
„Ich versteh ehrlich
nicht, was du an dem Kerl findest“, redete der Magier weiter, nachdem Eves
Kleid zu Boden gefallen war, und er nun ihren BH öffnete.
Eve schloss die Augen,
und versuchte, irgendetwas zu bewegen, es passierte jedoch nichts. Als der
Magier seine Hände um ihre Brüste schloss, wurde ihr schwarz vor den Augen und
sie verlor das Bewusstsein.
„OH NEIN…“ Schreiend sprang sie aus dem Bett. Tränen schossen ihr
aus den Augen. „Oh mein Gott… oh mein...“ Sie brach zusammen, kauerte auf dem
blassen Linoleumboden und begann zu weinen.
Sie flüsterte seinen Namen ein zweites Mal,
blickte an sich hinunter und betrachtete den Pfeil in ihrer Brust, als wäre er
ein mäßig interessantes Kunstobjekt. Dann blickte sie wieder auf, und ihre
Augen begannen zu glühen.
Ein leuchtend gelbes Licht ging von ihnen aus,
während Eve wuchs und wuchs, bis sie beinahe die Höhlendecke erreichte. Ihr
ganzer Körper verfärbte sich dunkel, ihre Haut wurde seltsam glitschig. Die
großen gelben Augen, die aus dem nun schwarzen Gesicht hervorstachen musterten
Xander genau.
„Nein... nein...
nein… hört auf!“ Eve schlug sich wie wild mit ihrer Hand gegen den Kopf. Die
Bilder wollten nicht aufhören. Diese schrecklichen Bilder. Wieso musste sie das
alles nur noch ein zweites Mal durchleben? Wieso? Verzweifelt versuchte sie
aufzustehen, schaffte es aber nicht.
„Schatz?“ Die
Tür öffnete sich langsam, und ein strahlend lächelnder Xander betrat mit einem
wunderschönen Strauß Blumen das Zimmer.
„Oh mein Gott,
Eve, was ist los?“ Er legte die Blumen sofort auf dem Bett ab und half ihr
hoch. Zitternd blickte sie ihn an, und ließ sich dann wieder auf das Bett
helfen. Verwirrt, fast apathisch, starrte sie zwischen ihm und der leeren
Zimmerdecke hin und her. Was war nur los mit ihr?
„Schatz? Eve?“
Xander strich ihr einige Haare aus dem Gesicht, und wollte schon fast einen
Arzt rufen, als sich plötzlich von einer Sekunde auf die andere Eves leerer
Blick wieder mit Leben füllte.
„Xander?“,
erschöpft setzte sie sich auf. „Was, was machst du denn hier?“
„Ich wollte nach
dir sehen. Wie geht es dir?“ Er beugte sich mit einem besorgten Blick nach vorn
und küsste sie sanft.
Eve blickte ihn
verzweifelt an. Die Erinnerungsschübe waren vorbei. Sie wusste wieder, was in
letzter Zeit passiert war. Sie wusste alles. Sie konnte sich sogar an die Zeit
erinnern, in der sie ihren Körper mit diesem abartigen Wesen teilen musste. Ein
kalter Schauer durchfuhr sie.
„Ich... es ist
schön, dich zu sehen!“, sie lächelte Xander an, stand auf, nahm die Blumen und
stellte sie in eine leere Vase, „Sie sind wunderschön, danke sehr!“
„Bitte…“ Xander
beobachtete sie ruhig, bis sie wieder auf dem Krankenhausbett Platz genommen
hatte.
„Wie geht’s
dir?“, fragte er erneut.
„Ich kann mich
an alles erinnern…“, platze sie heraus und sah ihn gefasst an. „Ich weiß, was
passiert ist… und... ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll. Es ist… so
viel passiert!“, sprach sie leise.
„Du kannst dich
wieder erinnern? Wer hat dir das angetan? Wie konnte dieser Dämon Besitz von
deinem Körper ergreifen?“ Xander stand auf, strich die dünne Decke beiseite und
setzte sich neben Eve auf das Bett.
„Mein
Ex-Mann...“, flüsterte Eve, und versuchte, Xanders Blick auszuweichen. Sie
wollte ihm dabei nicht in die Augen sehen müssen. Sie fühlte sich so schmutzig.
„Dein... wer?
Was? Ähm... was, was hat er getan?“ Xander war
überrascht. Er wusste gar nicht, dass Eve bereits verheiratet gewesen war. Aber
was konnte er nur getan haben?
„Er… nun ja…
nachdem seine Eltern in einem grässlichen Autounfall umkamen, als er und sein
Bruder 16 Jahre alt waren... kamen sie mit... Magie in Kontakt. Ich kannte Alex
damals schon, und wir gingen auch schon aus. Es war eine schwere Zeit, aber
irgendwie hatten wir sie überstanden. Dachte ich zumindest. Aber sein
Zwillingsbruder und er verfielen immer mehr der Magie. Zuerst benutzten sie sie
nur, um Kleinigkeiten zu regeln. Leute zu heilen. Sie machten gute Dinge. Aber
ungefähr fünf Jahre später wollten sie mehr Macht, als ihnen die weiße Magie
geben konnte. Also wechselten sie zu der dunklen. Das war vor fast sieben Jahren.
Das Komische daran war, dass wir noch weitere drei Jahre verheiratet waren. Ich
bemerkte es nicht, und als ich es dann endlich einmal sah, war es zu spät. Die
zwei sehen aus wie zwei… Fabelwesen. Alex’ Haut wurde komplett bleich, die
seines Bruders, glaube ich, vollkommen schwarz.“ Eve machte eine kurze Pause,
um sich die Tränen, die ihr über die Wangen liefen, aus dem Gesicht zu wischen.
Plötzlich wusste Xander,
von welchen Magiern Eve da sprach. Er kannte sie. Er hatte sie sogar schon
getroffen. Willow hatte Faith und ihn zu den Zweien geschickt. Oh Gott, Eves
Ex-Mann war für das kranke Spiel in Silent Hill verantwortlich. Jetzt wurde Xander alles klar.
Er hatte das Monster in seinem Spiel nach seiner Ex-Frau entworfen. ‚Wie passend…’,
dachte er, ‚einige Psychologen hätten mit ihm sicher ihren Spaß.’
„Als du mich dann zu Hause abgeliefert hast, hat er in meiner
Wohnung gewartet... und mich…“ Sie schluckte. Nein, sie konnte ihm das nicht
erzählen. Nicht jetzt. Vielleicht auch niemals. „Mich überwältigt, und in diese
Dämonenstadt gebracht. Dort hat er diesen Dämon in mich... eingepflanzt.“
„Schatz...“ Er umarmte sie, und drückte sie an sich heran. Es war
schrecklich, was sie durchmachen musste. Aber sie würden damit schon fertig
werden, irgendwie.
„Wie geht es Willow?“, fragte Eve, um von sich abzulenken. Von
sich und dem was sie Xander verschwieg. Von Willow hatte sie bereits in Malkuth
erfahren. Leider auch, dass Mr. Wood getötet wurde.
„Es geht ihr wieder einigermaßen gut. Sie ist aufgewacht! Ich
werde sie nachher noch besuchen!“
Langsam blickte Eve noch einmal zu dem Blumenstrauß, dann dachte
sie an Willow und an Robin, und an das, was ihr im letzten Jahr passiert war.
Sie schluckte, wischte sich die Tränen aus dem Gesicht, und fasste eine
Entscheidung.
„Xander, hör mir zu!“ Sie stand auf, löste sich aus seinem Griff
und ging zum Fenster. Langsam drehte sie sich wieder zu ihm um.
„Ich... ich muss eine Entscheidung treffen, weil es so nicht
weitergehen kann. Es... funktioniert so nicht. Nicht für dich, und nicht für
mich. Ich kann mit dem nicht umgehen. Vielleicht kommst du problemlos damit
klar, dieses gefährliche Leben zu leben, aber ICH kann das nicht.“
Das Gesagte traf Xander wie eine Bombe. Dieser Angriff kam aus dem
Nichts. Das hatte er absolut nicht erwartet. Er wollte etwas sagen, brachte
aber nichts über die Lippen.
„Ja, ich weiß schon. Versteh’ mich nicht falsch... ich liebe dich
noch immer…“ Eves Stimme begann zu zittern, und dann liefen auch schon die
nächsten Tränen über ihr schönes Gesicht.
„… aber ich kann damit nicht umgehen. Ich kann damit nicht leben,
täglich mit Dämonen, Vampiren oder Magiern konfrontiert werden. Ich bewundere
Menschen wie dich, Xander.“ Sie trat einen Schritt auf ihn zu.
„Ich bewundere es, dass du ohne irgendwelche speziellen Kräfte
diesen Kampf kämpfst. Ihr rettet täglich das Leben von unzähligen Menschen. Ihr
seid Helden…“ Sie sah noch einmal zu Boden, drehte sich um und blickte dann aus
dem Fenster.
„... aber ich bin das nicht. Ich muss mir einige Sachen durch den
Kopf gehen lassen. Ich brauche Zeit.“
„Aber...“, sprach Xander und wollte auf sie zugehen, doch er wurde
von ihr unterbrochen.
„Nein, bitte…“ Sie drehte sich wieder um und sah ihm tief in die
Augen. „… versuch nicht, mich zu überreden. Gib mir Zeit... ich muss mir über
einige Dinge klar werden. Aber bis dahin... bitte ich dich, mich in Ruhe zu
lassen. Ich melde mich bei dir, sobald ich bereit bin. Bitte geh jetzt!“ Sie
trat auf ihn zu, küsste ihn zum Abschied weinend, und wandte sich dann wieder
ab. Verwirrt verließ Xander das Krankenzimmer.
Malkuth, Straße des Glücks
Etwas später
‚Ich hätte einen anderen Weg
nehmen sollen’, schoss es Andrew durch den Kopf, als er an einem zerbrochenen
Brunnen vorbei rannte. Bloß nicht hinsehen. Bloß nicht auf die andere Seite
rüber sehen...
Und
er tat es doch.
Die
Tür zu ihrer Wohnung war aufgebrochen, so wie alle anderen Türen auch. Die
Möbel waren umgestoßen, oder zerschlagen, der Fußboden so übersäht mit
Trümmern, dass man ihn darunter nicht mehr sehen konnte. Zerknitterte Kleidung,
zerfetzte Comics, Bruchstücke von Computern und Raumschiffmodellen – alles das,
was vor kurzem noch sein Leben gewesen war, lag jetzt in Scherben vor ihm.
Aber
es war nicht das erste Mal und würde wohl auch nicht das letzte sein. Eine
wilde Entschlossenheit stieg in ihm hoch. Wieder und wieder war es ihm
gelungen, sein Leben aus dem Nichts heraus neu aufzubauen. Gegenstände waren
ersetzbar – kaputte Wohnungen konnte man neu einrichten, ja selbst
Sammlerstücke ließen sich wieder besorgen oder vielleicht sogar reparieren. Alles nur unbelebte Objekte. Sie waren nicht wirklich
wichtig, selbst dann nicht, wenn man an ihnen hing.
Direkt
vor seinen Füßen lag ein Stück des Todessterns, den Warren ihm zum
einundzwanzigsten Geburtstag geschenkt hatte. Mit dem neuen Design aus „Rückkehr
der Jedi Ritter“. Ganz genau, wie er es sich
gewünscht hatte.
Warum
hatten es eigentlich immer Raumschiffe und Figuren und Spielzeuge sein müssen?
Warum nicht mal Blumen oder Pralinen oder eines von diesen kitschigen
Lebkuchenherzen?
Andrew
bückte sich und spürte einen heftigen Stich, als er das Plastikstück berührte.
Dieser Teil seines Lebens würde sich nicht mehr reparieren lassen. Es war zu spät
dafür.
Ein
leises Geräusch ließ ihn hochfahren. Doch es war sicher nur etwas umgekippt,
oder in sich zusammengefallen. Er durfte jetzt nicht hier bleiben, er hatte
Wichtigeres zu tun. Er musste die Große Unruhe anhalten, ganz genau wie er es
Mo versprochen hatte.
Er
wandte sich ab.
Das
Geräusch kehrte zurück und diesmal wurde ihm bewusst, dass es Schritte waren.
Schritte in ihrer Wohnung. Jemand war dort drinnen und ging über das
Trümmerfeld.
Andrews
Augen weiteten sich entsetzt.
“Warren?“
Krankenhaus
Zur selben Zeit
Willow lag von einem Kissen
gestützt etwas aufrecht im Bett, so dass sie alle Anwesenden sehen konnte.
Kennedy saß wieder direkt neben ihr und hielt ihre Hand fest. Ein Blick in das
Gesicht ihrer Freundin sagte Willow, dass die Tränen darin Freudentränen waren.
Es erleichterte die Hüterin etwas, machte sie aber auch sehr betroffen.
Offensichtlich war es schlecht um sie gestellt gewesen.
Giles
lehnte mit überkreuzten Armen vor der Brust gegen den Fenstersims und blickte
mit einem erleichterten Lächeln zu ihr herüber, während sie ihre Erzählung über
die Welt der Hüterinnen abschloss. Buffy saß auf der anderen Seite ihres Bettes
auf dem einzigen Stuhl im Raum und hatte eine Hand beruhigend auf den Unterarm
der Freundin gelegt.
„Tja,
und dann bin ich wieder aufgewacht und musste feststellen in einem
Krankenzimmer zu liegen, statt in Malkuth.“ Sie runzelte kurz die Stirn, als
ihr etwas Beunruhigendes einfiel. „Warren. Ich
kann mich als letztes in Malkuth an Warrens Gesicht erinnern...“
„Er
hat dich gerettet“, erklärte Buffy.
„Er
hat mich... wieso?“, kam es perplex über Willows Lippen.
„Ich
schätze, das musst du ihn selbst fragen“, zuckte Buffy mit den Schultern.
„Sollte
ich ihm jemals wieder begegnen“, murmelte Willow. Lauter sagte sie dann jedoch:
„Wie ist es eigentlich ausgegangen? Habt ihr Lily und die Jägerinnen aufhalten
können?“
„Nicht
wirklich“, seufzte Kennedy. „Die Reiter haben für ein vorzeitiges Ende
gesorgt.“
„Wir
konnten ja auch kaum ein Massaker anrichten“, meinte Buffy leise. „Sie sind
Menschen – Jägerinnen. Dass sie in die Irre geführt worden, war ja nicht ihre
Schuld. Allerdings haben sie sehr großen Schaden in der Stadt angerichtet. Doch
bevor wir irgendetwas verhindern konnten, wurde ich von Lily gefangen genommen und
sie hat den vierten Reiter befreit.“ Bei Buffys
Worten riss Willow erschrocken die Augen auf. „Und er ist aus Malkuth mit
Gewalt ausgebrochen, so dass Wasser vom See in die
Stadt stürzte und noch mehr Vernichtung und Tod über die Dämonen brachte.
Wir sind knapp entkommen.“
„Ihr
seid entkommen – ja, ... und was ist mit
den anderen? Wo stecken Dawn und Xander? Faith... der Rest?“ Etwas besorgt
blickte Willow zwischen den dreien hin und her und ahnte auf einmal nichts
Gutes.
„Xander
geht’s gut. Er ist hier im Krankenhaus und besucht auf einer anderen Station
Eve. Wir erklären dir später, warum“, kam Buffy einer Frage von Willow zuvor.
„Er kommt nachher noch bei dir vorbei. Dann kann er es dir auch gleich selbst
erzählen. Ich sag nur…“, Buffy hob zum Abzählen ihren Daumen,
„Gottesanbeterin“, es folgte der Zeigefinger, „Mumie“, und dann der
Mittelfinger, „Rachdämonin...“
Willow
verdrehte die Augen und stöhnte. „Eve etwa auch?“
„Es
ist ein wenig komplizierter“, meldete sich Giles zu Wort. „Aber Xander kann dir
das besser erklären. Wir wissen selbst nicht richtig, was mit Eve passiert ist.
Wir hatten noch keine Zeit darüber zu reden.“
„Und
bei Andrew ist auch alles in Ordnung“, sagte Kennedy. „Er ist noch in Malkuth
und hilft beim Wiederaufbau. Dawn“, rasch warf Ken Buffy einen fragenden Blick
zu, den diese mit einem verneinenden Kopfschütteln beantwortete. „Also Dawn
musste was erledigen und war gar nicht zu erreichen, als ich die anderen vorhin
anrief.“ Buffys stumme Antwort war Kennedy gelegen
gekommen. Sie wusste nämlich selbst nicht, wie weit es Willow ungesund aufregen
könnte, wenn sie ihr die Wahrheit über Dawn erzählen würden. Daher begnügte sie
sich mit einer kleinen Ausrede, anstatt zu erwähnen, dass Dawn im Teehaus war,
um zu lernen wie man sich opferte.
Doch
Willow war der kurze Blick zwischen Kennedy und Buffy nicht entgangen, auch
wenn sie so tat, als hätte sie nichts bemerkt. Ihre Sorge wuchs langsam. Die
Situation im Raum war entspannt, das konnte
die Hüterin fühlen. Und trotzdem lag etwas in der Atmosphäre, das ihr deutlich
sagte, dass etwas nicht stimmte. Sie versuchte anzuwenden, was ihr die Hüterin
gelehrt hatte, aber entweder war sie noch zu erschöpft, oder aber noch zu
ungeübt. Jedenfalls konnte sie weder von Ken noch von Buffy wirklich ein Gefühl
empfangen, das ihre Sorge bestätigt hätte.
Buffys Griff an Willows Unterarm wurde auf einmal etwas fester und
Willow wendete ihren Blick der Freundin zu. „Es gab allerdings... Verluste“,
sagte Buffy leise. „Robin. Er wurde getötet. Faith und Ronah geht es jedoch
gut. Den Umständen entsprechend.“
Für
einen Moment waren nur das Ticken der Wanduhr und das leise Piepen von Willows
Geräten zu hören. Dann blinzelte Willow benommen und blickte zu Kennedy, die
jedoch nickte.
„Es
ist wahr, was Buffy sagt“, bestätigte Ken sanft.
„Mein
Gott.“ Mehr brachte Willow nicht über die Lippen, dann schloss sie ihre Augen.
„Das wird an Faith nicht spurlos vorbeigehen.“
Besorgt
sahen sich Giles und Buffy an. Sie wussten sehr gut, auf was Willow
hinauswollte, aber keiner von ihnen wollte so recht daran glauben, dass Faith
nach ihren Erfahrungen und den letzten Monaten in alte Verhaltensmuster
zurückfallen konnte. Allerdings... Willows Befürchtung sprach nur laut aus, was
sie sich beide sicherlich schon mehr als nur einmal seit Robins Tod gefragt
hatten: Würde Faith sich an Lily rächen und wenn, wie?
„Heute
war die Beerdigung“, sagte Kennedy, die nicht wirklich verstand was gerade
zwischen den dreien mit so wenigen Worten besprochen worden war.
„Heute
schon?“, Willow blickte anklagend ihre Freunde an. „Ich wäre gerne dabei
gewesen.“
„Natürlich.
Aber man hätte dich sicher nicht gehen gelassen, falls du bei Bewusstsein
gewesen wärst. Und da wir nicht wussten, wie lange dein Zustand andauern
würde... nun Faith wird das verstehen“, meldete sich Giles zu Wort. „Was jetzt
wichtig ist, ist dass du dich erholst und
wieder zu Kräften kommst. Und so lange könntest du uns die Details über diese
Visionen erzählen. Vielleicht hilft es uns weiter bei den Recherchen.“
„Hm...“
Willow runzelte die Stirn. „Ich bin mir nicht mal sicher ob das nur Visionen
waren oder ob es sich nicht doch um eine reale Reise handelte.“ Bei den letzten
Worten von Willow beugte sich Kennedy nach vorne und zog etwas aus den roten
Haaren ihrer Freundin. Die Hüterin blickte der Jägerin irritiert entgegen und
wirkte genauso wie die anderen verwirrt, als in Kennedys Hand eine Rose
auftauchte.
„Ich
würde sagen, wo auch immer diese Rose herkommt... dort warst auch du.“ Kennedy
drehte die Blume nachdenklich in ihren Händen. „So viel zu der Theorie bloßer
Visionen.“
Willow
beugte sich mühsam etwas nach vorne, um Kennedy die Rose aus der Hand zu
nehmen. Ihr Blick hatte dabei etwas Weiches angenommen, das Kennedy ein wenig
misstrauisch aufblicken ließ. Als ein verliebtes Lächeln auf den Lippen der
Hüterin erschien, war nicht nur Kennedy irritiert. Sie tauschte fragende Blicke
mit Giles und Buffy, die nur ratlos mit den Schultern zuckten.
Willow
war sich der fragenden Blicke ihrer Freunde bewusst, aber die Begegnung mit
Tara war etwas sehr Persönliches gewesen, über
das sie nicht reden wollte. Nicht jetzt und nicht hier in diesem kalten
Krankenzimmer. Vielleicht würde sie nach dem großen Kampf gegen die Reiter mit
Kennedy darüber reden. Nein – nicht vielleicht, sondern ganz bestimmt. Reden
war nämlich etwas, von dem Willow inzwischen gelernt hatte, das es half
Probleme zu beseitigen.
„Ich“,
setzte Willow schließlich noch etwas mit den Gedanken abgelenkt wieder an. „Ich
habe ziemlich viel gesehen und erlebt, während ich in dieser anderen Welt war.
Aber ich denke das Wichtigste, das man mir gezeigt hatte, ist dieser Talisman.“
Willow sah zu Giles. „Sie erinnern sich sicher noch an den
Purificatio-Talisman?“
Im
ersten Moment wollte Giles verneinend mit dem Kopf schütteln, doch dann hellte
sich sein Gesicht in Erstaunen auf. „Reden wir hier etwa von diesem kleinen
Talisman, den Buffy mir hätte von den Wrukola-Vampiren
mitbringen sollen?“
„Hey...
ich hab mein Bestes versucht. Ich konnte ja
nicht ahnen, dass noch jemand dahinter her war und ihn vor uns klaute“,
verteidigte sich die blonde Jägerin. „Denn ansonsten hätte ich den harten Kampf
auf dem Dach des Hochhauses wirklich gerne verschoben.“
Willow
musste bei Buffys neckenden Worte lächeln, nickt dann
aber nur schweigend Giles zu.
„Meine
Güte... und was hat dieser Talisman mit den Reitern zu tun?“ Giles löste sich
von seinem Stellplatz und trat näher an Willows Bett heran. „Abgesehen davon,
dass er für „Reinigung“ steht. Und außer den Tatsachen, dass die auf ihm abgebildeten Zeichen, Tor und Kristalle,
sowohl für Bannkreise als auch für den Übergang zwischen Welten dienen können,
hatten wir ja nicht viele Informationen über ihn. Deswegen wollte ich den
Talisman für weitere Recherchen haben. Ich meine... es ergibt natürlich langsam
einen Sinn... nur der Nutzen ist mir noch unklar.“
„Leider
wurde mir das nicht sehr deutlich gemacht“, seufzte Willow. „Die vier Reiter
umfassten gemeinsam den Talisman und danach wurde die Erde „gesäubert“. Er
scheint notwendig zu sein, um die Kräfte der Reiter zu einer gemeinsamen Kraft
zu vereinen. Allerdings wurde mir erklärt, was die Reiter vorhaben.“
Ungeduldige
Blicke richteten sich auf einmal auf Willow, die etwas verlegen in ihrem Kissen
herumrutschte. „Es ist eigentlich ganz einfach. Sie gehören zu den Alten. Aber
nicht zu irgendwelchen. Sondern zu den letzten, die auf der Erde zwischen
Menschen wandelten, ehe sie vertrieben, vernichtet, verbannt und verdrängt
wurden. Sie wollen die Welt wiederherstellen, die sie kannten und dazu muss
alles Unreine vernichtet werden. Unrein in ihren Augen – Dämonen, die sich
durch ihren Kontakt zu den Menschen „beschmutzt“ haben, die Natur und die
Umwelt, die vom Menschen zerstört und befleckt wurde und letztendlich der
Mensch selbst.“
„Das
klingt plausibel“, nickte Giles bedächtig. „Es ergibt langsam einen
Zusammenhang.“
„Schön
für Sie“, stöhnte Buffy und versuchte die neuen Informationen richtig zu
kombinieren.
„Es
ist wie Willow sagt – ganz einfach. Der Talisman stellt einen Übergang der alten
Dämonenwelt zur menschlichen Welt da und
umgekehrt. Die Reiter benutzen ihn, um ihre Kraft für diesen Übergang zu
sammeln und so mit aller Gewalt zu erreichen, was sie wollen. Wir brauchen also
den Talisman, um ihn zu zerstören.“
„Ich
glaube ’ne Nadel im Heuhaufen zu suchen wäre einfacher“, brummte Kennedy. „Wir
haben ihn doch damals als nicht so wichtig eingestuft und seitdem völlig aus
den Augen verloren.“
„Die
Hüterinnen sind sich aber einig: wir können die Reiter aufhalten“, sagte Willow
mit viel Kraft in ihrer Stimme.
„Sehr
schön, aber sie haben dir nicht gesagt wie?“ Buffy klang ein wenig frustriert.
„Ich
glaube, nicht direkt. Der Hinweis mit dem Talisman war doch schon mal etwas wert.“
Willow ließ sich tief in ihr Kissen zurücksinken und Kennedy sah alarmiert die
anderen an.
„Ich
glaube wir sollten Willow etwas Ruhe gönnen und erst einmal die neuen
Informationen weiterverarbeiten?“, schlug die dunkelhaarige Jägerin vor.
„Einverstanden.
Willow, du ruhst dich aus und falls dir noch etwas einfällt ruf uns bitte
sofort an“, bat Buffy sanft und klopfte ihrer Freundin aufmunternd auf den Arm,
ehe sie vom Stuhl aufstand. „Das wird schon wieder...“
„Genau.
Du bist stark und tapfer“, lächelte Kennedy auf Willow hinunter, beugte sich zu
ihrer Freundin und gab ihr einen langen, wenn auch anständigen Kuss auf die
Lippen. „Ich komme sobald ich wieder kann und berichte dir alles Neue.“
„Ich
kann es kaum erwarten. Und bring mir unbedingt etwas zum Naschen mit. Ich habe
einen Heißhunger auf Schokolade.“ Die beiden jungen Frauen lächelten sich an,
ehe Kennedy sich losriss und Buffy auf den Flur folgte.
„Ich
möchte, dass du hier bleibst, ganz gleich was dir Kennedy berichten wird. Du
musst gesund werden und erst einmal an dich denken.“
Mit diesen Worten nahm Giles von Willow Abschied, die langsam, wenn auch
widerwillig, nickte.
„Ich
versuche die Apokalypse einfach so zu verdrängen“, sagte die Hexe nicht ganz
frei von Zynismus.
Giles
musste schmunzeln, schüttelte den Kopf, als wüsste er, dass seine Worte als Rat
auf taube Ohren gestoßen waren und folgte den Jägerinnen auf den Flur.
Sie
waren bereits in der Notaufnahme angelangt, als Buffy plötzlich stehen blieb.
„Ach verdammt... Ich hab’ mein Handy in Willows Zimmer vergessen“, dabei
klopfte sie panisch auf ihre Manteltaschen. „Glaub ich zumindest... Mist...
wisst ihr was... geht schon mal vor zum Wagen. Ich komme gleich nach...“ Und
ehe die anderen beiden etwas erwidern konnten, war Buffy auf dem Weg zurück zu
Willow. Es gab noch etwas, das sie dringend mit der Freundin alleine besprechen
musste und bei dem keine Zeit verschwendet werden durfte...
Krankenhaus, Willows Zimmer
Nur ein paar Minuten später
Als
die Tür zu ihrem Zimmer erneut aufging, rechnete Willow mit Xanders
angekündigtem Besuch. Um so überraschter war sie, als
Buffy darin auftauchte, ihr einen verschwörerischen Blick zuwarf und dann die
Tür mit einem raschen Blick auf den Flur schloss.
„Okay…
ich hab’ geahnt, dass etwas nicht stimmt“, seufzte Willow. „Also... raus mit
der Sprache. Was ist los?“
„Nichts“,
sagte Buffy so unschuldig wie möglich. „Ich meine, wie kommst du auf so etwas?
Ich hab’ nur mein Handy liegen gelassen“, wich Buffy Willows Frage aus und tat
so, als suche sie nach dem Handy.
„Dein
Handy, ja?“ Willow blickte sich rasch im Zimmer um. „Merkwürdig… ich sehe gar
keines...“
„Okay... das war nur ein
Vorwand“, gab Buffy schließlich zu und blickte dabei auf den Boden. „Ich wollte
dir nur schnell noch einmal alleine unter Freunden sagen, wie froh ich bin,
dass meine beste Freundin wieder unter uns ist und... und ob du vielleicht noch
etwas auf dem Herzen hast?“ Buffys Plan mit Willow
über Dawn zu reden war so einfach gewesen, als sie ihn zu Hause beschlossen
hatte. Hier im Krankenzimmer, beim Anblick der gerade mal vor ein, zwei Stunden
erwachten Willow, war das nicht mehr so leicht über die Lippen zu bekommen.
Schließlich wollte Buffy etwas von Willow, nicht umgekehrt und ihre geschwächte
Freundin damit zu belasten, kam Buffy jetzt auf einmal sehr schändlich vor.
Doch nun war sie hier und es ging auch um das Leben von Dawn. Da durfte sie
keine Rücksicht nehmen.
Willow
sah Buffy einen Moment panisch an. Was genau meinte Buffy mit ihrer Frage, ob
sie noch etwas auf dem Herzen hätte? Wusste oder ahnte Buffy, dass Willow nicht
alles von ihrer Reise erzählt hatte? Von Tara zum Beispiel? Oder von den
Informationen über den Inneren Kreis, über den sie vorhatte mit Giles erst
einmal zu reden? Oder ging es hier sogar um D’Hoffryns
Warnung, die letztendlich doch nicht eingetroffen war? Aber woher sollte Buffy
davon wissen? Genau, sie konnte gar nichts wissen... daher entspannte sich
Willow wieder und sah fragend zu Buffy, als
die Freundin endlich den Blick wieder hob und die Hexe im Bett ansah.
„Ich
glaube hier geht es eher um dich“, gab Willow schließlich zurück und rückte im
Kissen wieder etwas nach oben.
Die
Jägerin seufzte ergeben und schüttelte jedoch verneinend den Kopf. „Nicht
direkt. Es tut mir leid, Willow, wenn ich dich damit jetzt belästigen muss,
aber wir dürfen keine Zeit verlieren. Und Giles, nun... Giles hält meine
Einstellung bei der Sache für nicht ‚objektiv’ genug...“
„Buffy“,
unterbrach Willow ihre Freundin sanft, aber bestimmt. „Von was redest du?“
„Von
Dawn... sie will sich opfern, damit wir die Reiter aufhalten können.“
„Dawn?“
Nun, da das ausgesprochen worden war, was Willow seit der Ankunft ihrer Freunde
gespürt und geahnt hatte, fühlte sie echte Panik
und Sorge in sich aufsteigen. „Dawn will sich opfern? Aber wieso? Gibt es
keinen anderen Weg?“
„Nein,
nicht laut Giles und Dawn. Sie hat erfahren, dass sie mit ihrer reinen Energie
in der Form des Schlüssels die Reiter als einzige aufhalten kann. Wir, die
Jägerinnen und ihre Freunde können angeblich nichts tun, außer die Reiter so lange in Schach zu halten, dass sie erstens die
Welt nicht zerstören und Dawn leichter und einfacher an sie herankommt.
Du weißt selbst, was euch dieses Lichtwesen über Dawns
endgültige Entscheidung über ihr Dasein gesagt hat“, fügte Buffy leise und
niedergeschlagen hinzu.
Natürlich wusste Willow noch davon und die Erinnerung daran und die Konsequenz
daraus für Dawn stimmte sie genauso traurig wie Buffy es im Moment zu sein
schien. Traurig und verzweifelt. Ihre kleine Dawn sollte bereits reif und
alt genug sein, eine solch wichtige Entscheidung alleine zu treffen?
„Irgendetwas
muss es doch geben, Willow. Einen Zauber, um Dawn zu schützen, damit sie sich
erst gar nicht verwandeln kann? Oder um sie wieder zurückzuholen?“ Die
Verzweiflung in Buffys Stimme schlug in Flehen um.
Als Willow den Kopf schüttelte, sackten Buffys
Schultern nach unten und sie lehnte sich gegen die Wand, als hätte sie von
selbst nicht mehr die Kraft sich auf den Beinen zu halten.
„Es
gibt nichts... da hat Giles leider recht. Es war uns schon beim letzten Mal
nicht gelungen etwas zu finden. Außer dem einzigen Versuch, Dawn in der anderen
Ebene zu finden. Aber damit hatten wir sehr großes Glück. Hätte das Lichtwesen
nicht ein Einsehen mit Dawn gehabt, hätte ich sie von dort nicht alleine
zurückholen können. Vielleicht könnte ich aber etwas erreichen, wenn ich erst
einmal aus diesem Zimmer raus wäre...“
„Kommt
gar nicht in Frage“, fiel ihr Buffy ins Wort. „Du bist verletzt worden und
ziemlich geschwächt. Du brauchst Ruhe und Erholung. Ich würde es mir nie
verzeihen, wenn dir etwas zustoßen würde, wenn du hier abhaust um Dawn zu
helfen. Ganz abgesehen davon was Ken oder Giles mit mir anstellen würden, wenn
sie den Grund erführen. Ich rede noch einmal mit Dawn. Vielleicht kann ich
etwas erreichen...“
„Wenn
es unsere einzige Möglichkeit ist zu gewinnen, Buffy, musst du anfangen...“
„Ich
weiß, Willow, ich weiß“, stöhnte Buffy. „Aber trotzdem muss ich alles
versuchen, um es zu verhindern.“
„Ich
verstehe“, nickte Willow mitfühlend und wurde kurz von einem Klopfen an der Tür
neben Buffy abgelenkt. Eine Schwester wollte sie jetzt nicht sehen und schon
gar keine Krankenhausroutine über sich ergehen lassen müssen.
„Wir
schaffen das schon irgendwie...“, versicherte Buffy hastig, bevor die Störung
an der Tür sie gleich vom Thema ablenken würde. Hoffentlich war es nicht Ken
oder Giles, die sicher inzwischen nach ihr suchten, weil sie viel zu lange
wegblieb.
Doch
als die Tür einen Spalt geöffnet wurde und Xander seinen braunen Schopf
hereinsteckte, konnte Buffy bereits wieder lächeln und Willow grinste erfreut
ihrem besten Freund entgegen.
Xanders
ernstes Gesicht hellte sich etwas auf, als er die beiden Freundinnen sah. In
Gedanken war er noch bei Eve und bei dem was sie gesagt hatte. Es fiel ihm
schwer seine Gefühle darüber zu unterdrücken und ein breites Grinsen für Willow
und Buffy aufzusetzen.
„Na
Mädels, habt ihr mit der Party schon ohne mich angefangen?“, Xander trat ein
und schloss die Tür hinter sich. Dabei wandte er sein Gesicht von den beiden
ab, damit sie nicht sahen, wie es wirklich in ihm aussah. Das Gespräch mit Eve
vor wenigen Minuten hatte ihn sehr mitgenommen. Es verlangte von ihm sehr viel
Selbstbeherrschung ab hier den gewohnt fröhlichen und witzigen Xander zu
spielen. Als er sich Buffy und Willow wieder zudrehte, sahen sie wieder sein
breites Grinsen. Doch die Augen blieben traurig. „Wo stecken Kenny und Giles?“
„Sind
schon beim Wagen. Ich muss auch gehen... sonst gibt es nur unangenehme Fragen“.
verschwörerisch blinzelte sie Willow zu. „Falls du noch Zeit übrig hast,
Xander... wir haben neue Informationen über die Reiter.“
„Mal
sehen.“ Xander runzelte die Stirn und sah auf seine Uhr. „Ich hab’ mich in
Malkuth verabredet. Ich ruf’ auf jeden Fall an. Aber jetzt gehört meine
kostbare Zeit erst einmal meiner allerliebsten Freundin.“
„Bis
später, ja?“ Und aus einem Impuls heraus trat Buffy plötzlich an Xander heran
und schloss ihn in die Arme. „Falls nicht… viel Glück in Malkuth.“
„Und
euch für den großen Kampf, falls sich da was tut“, murmelte Xander gerührt und
mit einer Vorahnung, dass dieser Kampf bald bevorstand. Dann löste sich Buffy
und ging zu Willow ans Bett, um auch die Freundin zu umarmen.
„Wir
telefonieren und Ken berichtet dir alles, ja?“
„Aber
sicher“, sagte Willow und blickte ein wenig besorgt Buffy hinterher, als diese schlussendlich
das Zimmer verließ und Xander mit der Hexe alleine ließ.
Malkuth, Straße des Glücks
Etwas später
„Andrew! Gott sei Dank, du
bist okay!“ Erleichterung durchströmte Warren, noch während er panisch aus der
Wohnung rannte. Er fasste den anderen Jungen bei den Schultern, als müsse er
sich vergewissern, dass dieser wirklich da war und nicht nur ein Hirngespinst
seines übermüdeten Geistes. „Ich hatte schon das Schlimmste befürchtet!“
„Warren,
was tust du hier?“ Andrew trat einen Schritt zurück und wich der Umarmung aus.
„Ich hab’ dir gesagt, dass du verschwinden sollst. Wenn sie dich kriegen, kann
ich dich nicht beschützen.“
„Ich
gehe aber nicht ohne dich!“ Entschlossen hob er das Kinn, jetzt, wo er Andrew
endlich gefunden hatte, würde er den Teufel tun, und ihn noch mal aus den Augen
lassen. Nie wieder! Nie wieder wollte er solch schreckliche Angst verspüren,
wie in den letzten Stunden.
„Warren,
ich geh’ nirgendwohin“, protestierte Andrew, „und am allerwenigsten mit dir. Du
weißt auch ganz genau, warum das so ist. Zwischen uns gibt’s nichts mehr zu
reden.“ Er wandte sich ab, und stapfte durch die Trümmer zurück auf die Straße.
„Verdammt,
lass’ mich doch erklären!“ Warren rannte ihm hinterher. „Ich weiß, du denkst,
der Angriff auf Malkuth war meine Schuld, aber so ist das nicht gewesen... ich
wollte das alles nicht... bitte, hör’ mir doch zu. Ja, ich hab’ Informationen
über Malkuth weitergegeben, aber ich konnte doch nicht ahnen, dass sie für
einen Krieg sein sollen. Von den Jägerinnen wusste ich nichts, ich dachte, D’Hoffryn will einfach ein paar Infos, das ist alles...“
„Das
ist alles?“ Andrew lachte bitter auf. „Mann, erzähl’ mir doch nichts, du
wusstest ganz genau, dass ein Angriff stattfinden würde. Du wusstest sogar,
wann.“
„Gretchen
hat mir den Tipp gegeben, übers Wochenende zu verschwinden. Ich hab’ auf sie
gehört, und nicht weiter nachgehakt“, versuchte Warren der Anschuldigung
auszuweichen. „Deshalb hab’ ich so darauf bestanden, dass wir auf diese Con
gehen.“
„Weil
du’s gar nicht wissen wolltest, stimmt’s?“ Andrew
hielt ihm immer noch den Rücken zugewandt und ging mit schnellen Schritten die
Straße entlang. „Weil du niemals über die Konsequenzen nachdenkst, wenn du
etwas tust. Du machst einfach die Augen zu, und schiebst die Schuld auf andere.
Das ist schon immer so gewesen, auch damals, als...“ Er brach ab, und lief
schneller. Seine Schritte klatschten durch das Wasser, welches die Straße
bedeckte, und immer tiefer wurde, je weiter sie abwärts führte.
„Als
ich mit ’ner Knarre Amok gelaufen bin, das ist es
doch, was du sagen willst, oder?“, setzte Warren den Satz fort. „Hör’ zu, ich
hab’ in meinem Leben verdammt viel Mist gebaut, niemand weiß das besser als
ich. Und du hast Recht, ich hab’ mich aus der Verantwortung gestohlen. Aber das
alles ist Vergangenheit. Ich hab’ mich geändert. Ich bin nicht mehr derselbe
Mensch wie früher. Und ich kann es dir sogar beweisen. Ich hab’ Willow das
Leben gerettet. Frag’ sie, frag’ Buffy und die anderen, sie können dir bestätigen,
dass es wahr ist.“
„Gut,
dann muss ich mir wenigstens keinen Vorwurf machen, dass ich dich hab’ laufen
lassen, anstatt dich an den Rat von Malkuth auszuliefern wie es meine Pflicht
gewesen wäre.“
„Andrew,
du verstehst das nicht, du weißt nicht aus welchem Grund...“
Andrew
fuhr so plötzlich herum, dass Warren erschrocken zurückwich. Seine blauen Augen
blitzten vor Wut. „Hunderte von Dämonen sind tot, hingeschlachtet in einem
sinnlosen Krieg. Ihre Familien sind zerrissen, ihre Heimat zerstört. Es war
auch deine Heimat, Warren. Und deine Freunde. Die Bewohner von Malkuth haben
dir ein Heim gegeben, eine Möglichkeit dein Leben in den Griff zu kriegen. Sie
haben nicht gefragt, ob du früher Mist gebaut hast, du hattest eine vollkommen
neue Chance. Ja, du hattest zum ersten Mal in deinem Leben eine wirkliche
Chance mit Leuten, die dich respektieren und sich um dich kümmern. Und wie hast
du es ihnen gedankt? Mit Verrat! Du hast ihnen bei deiner Aufnahme in die
Gemeinschaft geschworen, das Geheimnis zu wahren und die Stadt zu beschützen.
Aber stattdessen beschwörst du ihre Vernichtung herauf und nun willst du mir
etwas von Gründen erzählen? Was für einen Grund kann es geben, Leute wie Mo und
Clem und die kleine Clementine ans Messer zu liefern?
Mein Gott, sie ist noch ein Baby und jetzt liegt sie vielleicht irgendwo unter
diesen Trümmern...“
Die
Stimme brach ihm, er konnte nicht weiterreden, und
Warren fühlte sich, als wäre seine Kehle vollkommen zugeschnürt. All die schön zurechtgelegten Worte erstarben ihm noch auf den Lippen. „Ich
wär’ jetzt auch tot, wenn ich’s nicht getan hätte“,
stammelte er schließlich hervor, „ich hatte keine Lebensenergie mehr... ich war
hilflos... ich wusste nicht...“
„Warum
hast du mich nicht um Hilfe gebeten?“, flüsterte Andrew mit tonloser Stimme. „Warum
bist du nicht zu mir gekommen und wir hätten gemeinsam nach einer Lösung suchen
können? In Malkuth gibt es mächtige Dämonen, sie hätten uns sicher helfen
können. Oder Willow, sie kennt sich mit solchen Dingen aus.“
‚Willow
wäre die Letzte, die mir geholfen hätte’, wollte Warren einwerfen, doch er
schwieg, denn er wusste, dass es nicht stimmte. Er selbst war bereit gewesen
sie zu retten, auch wenn er es für jemand anderen getan hatte. Sie hätte
vermutlich genauso reagiert, wenn Andrew sie um Hilfe gebeten hätte.
Aber
dafür war es jetzt zu spät.
Wie
so oft schon stand er vor den Trümmern seines ganzen bisherigen Lebens. Wieder
einmal hatte er es geschafft, alles, was er sich gemeinsam mit Andrew aufgebaut
hatte, kaputt zu kriegen.
Aber
es durfte nicht das Ende sein. Es durfte einfach nicht das Ende sein. Er würde
es nicht zulassen.
„Weil
ich ein kompletter Idiot war“, antwortete er leise und senkte den Blick, um
Andrew nicht in die Augen sehen zu müssen. „Weil ich wieder in meine alten
Muster zurückgefallen bin, ohne zu merken, wie sehr sich mein Leben verändert
hat. Weil ich einfach noch nicht begriffen hab’, dass es jemanden in meinem
Leben gibt, an den ich mich mit allen Problemen wenden kann.“
„Gab“,
verbesserte Andrew ihn kühl. Er wandte sich wieder ab,
um seinen Weg fortzusetzen. Die Straße führte steil abwärts und das Wasser
reichte ihnen bereits bis zu den Knien. Vor ihnen tauchte im Halbdunkel die
Halle von Malkuth auf, ein riesiger See über welchen sich eine steinerne Marmordecke
wölbte. Die Bilder darauf schienen sich zu bewegen als sie den düsteren Schimmer
des Wassers zurückwarfen.
„Andrew,
bitte, lass’ uns wenigstens reden...“
„Nein,
ich hab’ keine Zeit mit dir zu reden. Ich muss etwas für Mo erledigen, und das
ist jetzt wichtiger.“
„Schön,
dann komm’ ich mit.“ Warren rannte Andrew hinterher. „Ich werd’ nicht eher hier
weggehen, bis du mir wenigstens zugehört hast.“
„Na,
meinetwegen.“ Andrew zuckte mit den Schultern. „Wir müssen ohnehin in dieselbe
Richtung.“
Er
funkelte Warren an. „Weil du die Stadt nämlich verlassen wirst, bevor ich den
Ausgang schließe.“
Buffy und Dawns Wohnung
Spät am Abend
Ein Schlüssel wurde in die
Wohnungstür gesteckt und Buffy, die gerade mit einem Arm voller Waffen aus
ihrem Zimmer auftauchte, blieb kurz stehen. Erwartungsvoll blickte sie zur Tür,
die kurz darauf aufgezogen wurde und Dawn, wie von ihr erwartet, darin
erschien.
„Hey,
Schwesterherz“, grüßte der Teenager und wirkte ziemlich erschöpft, während sie
die Tür wieder schloss, ihre Tasche und Jacke einfach fallen ließ und dann auf
dem Sofa breit Platz nahm.
Buffy
verstaute inzwischen Äxte, Schwerter und eine Armbrust in einer großen
Stofftasche.
„Wie
war es bei Willow? Geht es ihr gut?“
„Informativ
und ja“, lächelte Buffy geheimnisvoll und zog den Reisverschluss an der Tasche
zu. „Willow war auf einer langen Reise. Aber das kann ich dir auf dem Weg zu
Giles erzählen.“
„Bitte
was?“ Entrüstet richtete sich Dawn auf dem Sofa auf. „Zu Giles? Jetzt?“ Als
Buffy nickte, gähnte Dawn demonstrativ. „Ich weiß ja nicht wie ihr euch solche
spirituelle Sitzungen vorstellt, aber mich laugen sie vollkommen aus. Ich
dachte ich könnte jetzt duschen und schlafen gehen.“
„Ich
schätze daraus wird nichts. Giles hat vorhin angerufen. Er hat Neuigkeiten und
offensichtlich ist es dringend. Ich nehme mal an, dein Entschluss ist es noch
immer für uns alle den Weltuntergang zu verhindern? Dann wirst du wohl oder
übel mitkommen müssen.“
„Ach
und ich dachte, du hättest akzeptiert, was ich vorhabe?“ Dawn stand mit
gequältem Gesichtsausdruck auf. Natürlich war im Moment jeder Fortschritt bei
den Recherchen wichtiger, als Schlafen, Duschen, Essen... Dawn linste Richtung
Küche und Kühlschrank. Ihr Magen knurrte verdächtig.
„Das
tue ich doch“, sagte Buffy bestimmt. „Ich respektiere deine Entscheidung, aber
deswegen muss ich sie ja nicht gleich mögen oder akzeptieren.“
„Ich
wusste es“, sagte Dawn leicht aufgebracht, aber auch mit einer Spur
Enttäuschung in der Stimme, die Buffy dazu veranlasste schnell die wenigen Schritte
zwischen ihr und Dawn zu überbrücken, um Dawn fest aber sanft an den Schultern
zu packen und ihr tief in die Augen zu blicken. Es war vielleicht nicht der geeignetste Moment, um mit ihr über ihr Vorhaben zu reden,
aber Buffy rechnete nicht damit noch wirklich viel Zeit für ein ernstes
Gespräch zu haben. Also jetzt oder nie…
„Hör’ zu Dawn... du bist
alles was mir geblieben ist. Mom ist tot, Dad kümmert sich lieber um seine ‚neue’ Familie als um uns.
Und meine Freunde... nun sie leben langsam ihr eigenes Leben und können nicht
wie früher wie selbstverständlich ständig hier herumhängen. Du bist mir aber
nicht nur deswegen wichtig und das weißt du auch.“ Buffy machte eine kurze
Pause, als müsste sie für die nächsten Worte Anlauf nehmen. „Nun... ich liebe
dich – du bist meine einzige Schwester, die ich je hatte und je bekommen werde.
Also glaube ich nicht, dass ich zu viel von dir verlange, wenn ich dich darum
bitte auch mich zu verstehen.“
Dawn
senkte den Blick, während Buffys Worte auf sie wirkten.
Genau dieses Gespräch hatte sie gefürchtet und dem hatte sie versucht zu
entkommen. Jetzt war es leider zu spät dafür. Sie nickte schließlich langsam
und sah wieder zu ihrer Schwester auf. „Natürlich kann ich verstehen, dass dir
diese Entscheidung nicht gefällt. Mir gefällt sie genauso wenig. Ich bin viel
zu gerne auf dieser Welt als das was ich bin – ein Mensch mit allem was
dazugehört. Ich lache gerne, ich esse für mein Leben gern Pizza, hänge mit euch
schrägen Vögeln ab und werde ganz sicher schrecklich vieles vermissen... vor
allem dich Buffy. Aber gerade weil ich euch alle so schrecklich lieb habe, muss
ich das tun. Ich meine... mir hat deine Entscheidung damals auch nicht gefallen
und ich musste unvorbereitet zusehen, wie du dich von Glorys
Turm gestürzt hast.“
„Aber
damals hatten wir keine Zeit mehr für eine Alternative. Dieses Mal vielleicht
schon.“ Buffy klang verzweifelt.
„Komm
schon Buffy... du hast Giles gehört. Es gibt keine andere Möglichkeit und das,
was die Reiter mit unserer Welt anstellen werden, gibt mir in allem Recht.“
„Gut...
aber wir könnten trotzdem erst einmal abwarten, was Giles noch alles
herausgefunden hat und finden wird. Vielleicht gibt es doch noch andere Wege,
um die Reiter zu besiegen. Wege, an die wir bislang nicht gedacht haben oder
die in den Prophezeiungen verschlüsselt liegen.“ Hoffnung lag in Buffys Stimme, die von Dawn sofort zerschlagen wurde.
„Ich
bezweifle, dass Giles in der Lage sein wird anderes zu finden, wenn es nichts
anderes gibt.“ Mit diesen Worten schüttelte Dawn Buffys
Hände von ihren Schultern ab und lief im Wohnzimmer unruhig auf und ab. „Ich
schätze klarer kann eine Prophezeiung nicht sein.“
„Du
hast nur das Wort von diesem japanischen Onkel“, ereiferte sich Buffy plötzlich
aufgebracht und erntete von Dawn einen missbilligenden Blick.
„Giles
hat es bereits bestätigt… schon vergessen?“, kam es ein wenig spitz über Dawns
Lippen.
„Ich
will und kann es einfach nicht glauben“, sagte Buffy trotzig und starrte Dawn
an. „Du könntest zumindest versuchen Alternativen in Betracht zu ziehen.“
„Und
wie würden die aussehen?“ Dawn blieb stehen, verschränkte die Arme vor der
Brust und sah Buffy etwas herausfordernd an.
„Nun
ja... wir könnten doch alle gemeinsam erst einmal versuchen in einem Kampf die
Reiter zu besiegen. Vielleicht haben wir eine Chance. Und wenn absehbar ist,
dass das nicht funktioniert... nun, dann werde ich mich dir nicht in den Weg
stellen, sondern alles dafür tun, damit du die Reiter besiegen kannst.“
Dawn
schwieg zunächst und dachte über Buffys Worte nach.
Es tat weh zu sehen, wie verzweifelt ihre große Schwester nach einem Weg suchte
sie „zu retten“. Es machte nur noch deutlicher, wie sehr sie beide in den
letzten Monaten zueinander gefunden hatten. Das machte es aber für Dawn nicht
unbedingt leichter
„Wir
könnten es versuchen... ja“, willigte Dawn sehr zögernd ein, dann seufzte sie
selbst etwas frustriert auf. „Wir wissen ja noch nicht einmal genau, was ich
ausrichten werde. Kann ich als Schlüssel tatsächlich jemanden besiegen oder
diene ich nur dazu die Reiter erneut zu verbannen? Sie
wegzuschließen?“
„Ich
glaube wir sollten aufbrechen und hören was uns Giles dazu zu sagen hat“,
schlug Buffy vor und klang bereits viel entspannter als noch vor einigen
Minuten. Sie hatte Dawn nicht von ihrem Vorhaben abbringen können, auch wenn
sie selbst nicht wirklich mit einem Erfolg gerechnet hatte, aber dafür sie für
einen Alternativplan gewinnen können. Und das war schon einmal ein Anfang...
Wächterhaus
Später Abend
Faith kam als letzte in den
Konferenzraum, wo sich alle bereits am Tisch versammelt hatten. Selbst Xander
hatte es noch vor seiner Verabredung geschafft aufzutauchen, um zu erfahren,
was es Neues gab.
Ehe
Faith sich setzte, ging sie zu dem kleinen Radio in einer Ecke des Raumes und
stellte es an.
„Es
gibt Neuigkeiten, die ihr hören solltet“, kommentierte sie ihr Handeln und zog
den Stuhl neben Ronah zu sich heran.
„In weiten Teilen auf allen
Kontinenten kam es im Laufe des Tages immer wieder zu unerwarteten, heftigen
Unwettern, die durch gewaltige Wassermassen zu Überflutungen führten. In
anderen Teilen der Welt kam es zu gehäuften Erdbeben, obwohl Messungen
keinerlei Hinweise gaben und eine entsprechende Warnung der Bevölkerung nicht
möglich machten...“
„So
geht das schon den ganzen Tag“, erklärte Faith. „Hat das was mit unseren
Reitern zu tun?“
„Vielleicht
erstes Kräftemessen?“, schlug Buffy vor.
„Durchaus
möglich“, bestätigte Giles. „Da wir nicht wissen, wie sie vorgehen werden,
könnte vielleicht die Apokalypse schon ihren ersten zaghaften Anfang genommen
haben.“
„Gruslig“,
meinte Xander und schüttelte sich.
„Das
würde bedeuten, die Reiter haben den Talisman gefunden?“ Kennedy zog besorgt
ihre Stirn kraus.
„Nun...“
Giles rückte nervös an seiner Brille herum und blickt auf einen Notizzettel.
„Möglich wäre es, auch wenn ich angenommen hatte, dass uns mehr Zeit bleiben
würde.“
„Sehr
beruhigend“, befand Dawn etwas zynisch. „Und was wollen wir jetzt machen? Ich
meine, uns fehlt ja die halbe Mannschaft.“ Etwas besorgt sah der Teenager zu
den Anwesenden.
„Tja...
das ist höhere Gewalt“, lächelte Buffy lahm, die zwar wirklich Andrews und
Xanders Entscheidung verstand, aber im Angesicht der Bedrohung ein wenig an Mut
und Zuversicht die Sache alleine zu regeln, verlor.
„Hey...
ihr seid doch schon große Mädchen und schafft das sicher auch ohne den Xand-man?“ Xander sah sich kurz unbehaglich um, aber da
niemand wirklich über ihn und Andrew herzog, glaubte er, nicht nur Buffy und
Giles hätten ihre Entscheidung endlich verstanden und akzeptiert.
„Nun,
ich würde gerne zu dem Punkt kommen, weswegen wir hier sind.“ Wieder rückte
Giles an seiner Brille, ehe er sie schließlich abnahm und auf den Tisch legte.
Müde fuhr er sich durch das Haar und griff nach einem anderen Notizblatt. „Mir
ist es gelungen mit Willows Informationen eine der Prophezeiungen zu
entschlüsseln, die im Buch der Reiter des Todes stehen. Es ist richtig, was
Willow uns gesagt hat: Der Talisman gibt den Reitern die vereinte Kraft und
Macht, um gemeinsam die Welt zu zerstören. Allerdings geschieht dies nicht
automatisch, wenn sie ihn haben oder einfach berühren. Sie müssen sich erst
dazu an einem bestimmten Tag, an einem vorhergesehenen Ort einfinden. Nur wenn
bestimmte Ereignisse eintreffen, kann der Talisman seine Magie entfalten. Leider
habe ich noch keine Kenntnis darüber gewonnen, was diese Ereignisse sein
könnten, noch wo dieser Ort in Cleveland liegt. Möglicherweise hat es jedoch
etwas mit dem Stand der Sterne zu tun. Ich denke mir fehlen noch ein oder zwei
Quellenvergleiche, dann habe ich auch das entschlüsselt.“
„Klingt
doch gut“, meinte Ronah zuversichtlich. „Damit sind wir endlich mal einen
Schritt weitergekommen.“
„Oh
nicht nur hier“, sagte Giles nicht ganz frei von Stolz auf seine eigene
Leistung. „Ich habe zudem eine weitere Prophezeiung gelöst, die Dawn eindeutig
als Waffe gegen die vier Reiter beschreibt. Sie ist die einzige oder besser
gesagt, sie ist das einzige Wesen, das rein genug ist, um von den Reitern
unberührt zu bleiben. Daher wird sie die einzige von uns sein, die den Reitern
nahe genug kommen kann, um etwas auszurichten.“
„Ja,
aber was passiert mit ihnen?“, fragte Dawn interessiert. „Ich meine...
vernichte ich sie oder verbanne ich sie nur?“
„Es
wird von der Schlüsselfunktion gesprochen“, nickte Giles anerkennend über Dawns
Fragen. „Das schließt wohl aus, dass du sie töten wirst.“
„Das
ist doch verrückt-“ Buffy blickte verzweifelt Giles, dann Dawn an. „Wenn wir
sie damit nur erneut wegschließen, dann können sie doch jederzeit wieder befreit
werden. Es muss nur jemandem gelingen Dawn als
das zu finden, was sie ist...“
„Buffy,
wir haben doch darüber geredet“, unterbrach sie Dawn leicht ungehalten. Erneut
wollte sie die Diskussion nicht führen müssen.
„Ja
haben wir“, erwiderte Buffy ebenfalls gereizt. „Aber ich habe Fragen und möchte
eine Antwort darauf.“
„Niemand
kann uns heute sagen, was in hundert Jahren sein wird“, sagte Giles ruhig und
versuchte so die Situation etwas zu entspannen. „Oder in tausend oder aber auch
schon in fünfzig Jahren. Alles was wir im Moment tun können, ist unsere Welt so
wie wir sie kennen zu erhalten und alles dafür zu tun um sie zu retten.“
„Und
da ich zurückkehre an den Ort, von dem ich komme, wird das Risiko, dass mich
jemand missbraucht geringer“, ergänzte Dawn und sah sofort am Blick ihrer
Schwester, dass dies nicht gerade die Worte waren, die sie hören wollte.
„Ich denke, Dawns
Entscheidung steht nicht mehr zur Diskussion.“ Giles durchdringender Blick lag
auf Buffy, der durchaus bewusst war, dass erneute Diskussionen zu nichts
führten. „Daher schlage ich vor, ihr ruht euch heute Nacht aus und ich versuche
die letzten Rätsel zu lösen, damit wir wissen, wann und wo wir die Reiter
finden werden um zu kämpfen.“
Widerwilliges
Zustimmen war die Reaktion auf Giles’ Vorschlag, der ungeachtet der Stimmung
aufstand, um in seinem Büro die fehlenden Bücher, Schriften und Notizen
zusammenzusuchen.
Kaum war Giles aus dem Zimmer verschwunden sprang Faith von ihrem
Stuhl auf. „Ausruhen? Das kann doch nicht sein ernst sein!“, schrie sie wütend
und nickte Ronah zu, die skeptisch aufstand.
„Was wollt ihr denn machen?“, fragte Buffy besorgt.
„Wir sind Jägerinnen, Buffy. Es ist keine Zeit, um sich
auszuruhen. Wir müssen endlich die Reiter suchen und uns selbst davon
überzeugen, wie stark diese Affen wirklich sind!“ Faith sah sich kurz um, ehe
ihr Blick auf dem Waffenschrank hängen blieb. Kurz entschlossen marschierte sie
darauf zu, öffnete ihn und warf Ronah ein Schwert zu.
„Ich denke nicht, dass das eine gute Idee ist“, warf Dawn ein, die
besorgt und verwirrt von Buffy zu Faith und wieder zurück blickte.
„Da draußen sterben Menschen, Dawn! Willst du lieber zu Hause
sitzen und dich ausruhen, während die Reiter da draußen hunderte von Menschen
nur aus Spaß foltern und töten?“, sagte Faith genervt und nahm sich selbst eine
Waffe aus der Truhe. Fragend blickte sie Ronah an, die sich aber nicht vom
Tisch weg bewegte.
„Aber wir wissen doch gar nichts über die Reiter“, warf Buffy
wieder ein.
„Ein Grund mehr, endlich unsere Füße in die Hand zu nehmen und uns
aus erster Hand zu informieren!“, sagte Faith energisch. „Giles redet doch
nur...“
„Faith, eigentlich hast du ja Recht“, brachte sich nun auch
Kennedy ein, „aber ein übereilter Angriff kann uns alle das Leben kosten!“
„Was ist denn
mit euch los? Seid ihr bescheuert? Unsere Aufgabe ist es Leben zu retten. Da
draußen sterben unschuldige Menschen! Ronah, komm, wir gehen!“
„Ähm...“ Faith blickte fragend in die
Runde und erkannte, dass auch sonst niemand Anstalten machte, ihr zu folgen.
„Faith, wir sollten jetzt nicht unüberlegt handeln.“
„Seid ihr alle irre? Versteht ihr diese Sprache nicht mehr?“
Wütend deutete Faith mit dem Schwert aus dem Fenster. „Da draußen wüten
mächtige, uralte Dämonen, unschuldige…“
„Oh ja, wir haben deinen Standpunkt schon verstanden!“, schnitt
Buffy Faith das Wort ab. „Ich denke auch, dass es eine gute Idee ist, jetzt
ohne Plan loszuhetzen, die Reiter aufzuspüren, ohne auch nur die kleinsten
Informationen zu haben, wie wir sie besiegen können, um sie herauszufordern.
Der, der dann überlebt, kann Giles ja dann vielleicht sagen, wo ihre
Schwachstellen sind.“ Buffy sah Faith angespannt in die Augen. „Es ist kein
Platz mehr für überhetzte Entscheidungen. Es ist kein Platz mehr für Fehler!“
„Wenn ihr nicht den Mumm dazu habt, dann bleibt eben hier. Ich
muss hier raus. Ich muss etwas tun. Bis später!“ Faith verstärkte den Griff um
das Schwert, blickte Ronah und Kennedy kurz verwundert, verärgert und
enttäuscht an und stürmte dann aus dem Raum.
„Das kann doch nicht wahr sein!“, schrie Buffy aufgebracht. „Kommt
mit, wir müssen sie aufhalten!“
„Du hast Recht. Gehen wir!“ Kennedy nahm drei Schwerter aus der
Truhe, warf Buffy und Dawn je eines zu, und die vier Jägerinnen liefen aus dem
Konferenzzimmer.
Verdutzt blickte Xander den Jägerinnen hinterher. Sollte er ihnen
folgen? Könnten sie ihn brauchen, oder würde er sie sowieso nur stören? Was
konnte er schon gegen Faith, oder gar die Reiter ausrichten? Nein, er wurde
ganz wo anders gebraucht.
Xander stand auf, schnappte sich einen Zettel, hinterließ eine
Notiz und verließ den Konferenzraum als letzter:
„Ich bin wieder nach
Malkuth gegangen, dort brauchen sie dringend meine Hilfe. Ihr wisst, wo ihr
mich findet, wenn ihr mich braucht. Viel Glück. Xander.“
Cleveland, Straßen
Nacht
Faith lief durch die dunklen Straßen von Cleveland.
Sie dachte nicht viel nach, machte sich keine Gedanken darüber, wo sie jetzt
eigentlich genau war. Sie hörte Schreie in der Nähe, und Schreie bedeuteten,
dass es dort Probleme gab. Und zum jetzigen Zeitpunkt schien ihr jedes Problem
nur willkommen zu sein.
Ohne auch nur zu bedenken, dass sie ohne die Hilfe der anderen
Jägerinnen vielleicht in ihren Tod laufen könnte, bog sie um die nächste Ecke
und stieß direkt in eine Gruppe fliehender Dämonen. Sie zögerte keine Sekunde,
fasste sich einen der Gruppe am Kragen, und riss ihn hoch. „Hör auf zu
schreien, und sag’ mir, wovor ihr davon lauft!“, schrie Faith und schüttelte
ihn heftig durch.
„Oh mein Gott... mein Gott... Hilfe!“, brüllte der grüne Dämon und
Faith schlug ihm dafür mit ihrer freien Faust direkt ins Gesicht.
„WOVOR FLÜCHTET IHR?“, schrie sie in einem Tonfall, der keinen
Widerstand mehr duldete.
„Reiter... mächtige dämonische Reiter... sie... sie jagen uns. Sie
haben unseren Club in Brand gesteckt“, schluchzte der Dämon, und begann
hysterisch zu schreien. Ohne ihn weiter zu beachten, warf sie ihn in eine
dunkle Ecke und lief die Straße weiter nach oben.
Als sie das brennende Gebäude am Ende der Straße erblickte,
erhöhte sie die Geschwindigkeit ein weiteres Mal. Vor der Tür, die noch nicht
Feuer gefangen hatte, blieb sie kurz stehen und bemerkte die vier Pferde, die
direkt daneben standen und sie interessiert ansahen.
Dann riss sie ein Schrei aus dem Gebäude wieder aus den Gedanken
und im nächsten Moment lief Faith in den brennenden Club.
---
Kennedy und Ronah boxten sich den Weg durch die Gruppe von
flüchtenden Dämonen frei und merkten gar nicht, dass sie Buffy und Dawn
irgendwo verloren hatten. Als sie plötzlich Buffys
Stimme hinter sich hörten, blieben sie kurz stehen, und warteten, bis die
Summers Schwestern aufgeholt hatten.
„Wo ist Faith?“, fragte Buffy.
„Dort vorne, in dem brennenden Club“, antwortete Kennedy,
woraufhin sich die Jägerinnen wieder in Bewegung setzten.
„Ich sehe die Pferde!“, schrie Ronah, doch die Gruppe blieb
ruckartig stehen, als ein großer Gegenstand durch die Holzmauer geschleudert
wurde und voller Wucht auf die gegenüberliegende Hauswand knallte.
„Ach du Scheiße, das ist ja Faith!“, schrie Kennedy, und wollte
schon zu der Jägerin laufen, wurde aber von Buffy noch rechtzeitig
zurückgehalten.
Im nächsten Moment wurde die restliche Mauer von einer gewaltigen
Explosion zerstört, und die vier Reiter traten, gefolgt von einer
unvorstellbaren Feuerwalze, aus dem Club.
„Oh mein Gott…“, flüsterte Dawn.
AKT 3
Cleveland, brennender Club
Eine Sekunde später
Regungslos
standen die Jägerinnen nur wenige Schritte von Faith entfernt da und starrten
die vier Riesen an, während das Gebäude lichterloh weiter brannte, Holz
knirschte, Flammen züngelten und erste Teile des Hauses in sich zusammen
brachen.
Unheimliche
Schatten wurden an die Wände um sie herum geworfen, die im Tanz der Flammen
zuckten.
Keiner
von ihnen hatte sich die Reiter so vorgestellt. In ihren Prophezeiungsträumen
waren sie Furcht einflössend gewesen, aber die
Realität übertraf die Träume. Das sie mächtig und stark waren – ja, aber nicht dass sie auch Riesen waren, die zwei, nein
eher drei Meter groß waren. Ihre Pferde wirkten mehr wie kleine Panzer auf vier
Beinen, und die jeweilige Bekleidung der Reiter sorgte weiterhin für tiefen
Eindruck. Langsam wurde ihnen klar, wieso sie laut Prophezeiung alleine im
Kampf keine Chance haben würden.
Das
hier waren keine dahergelaufenen Dämonen, die glaubten mächtig genug zu sein,
um die Welt so zu gestalten, dass sie für sie
lebenswert wurde. Nein, diese wussten, dass sie diese Macht hatten und
Buffy, Kennedy, Dawn und Ronah wagten es für einen Moment vor Ehrfurcht nicht
zu atmen.
Die
Reiter starrten zurück. Überrascht über die plötzliche Gesellschaft, aber nicht
wirklich beunruhigt. Allerdings hielten sie dieses Mal die Menschen vor sich
wichtig genug, um nicht einfach auf ihre Pferde aufzusteigen und davon zu
reiten. Etwas ließ sie erahnen, dass diese fünf jungen Frauen nicht durch Zufall hier waren. Und das lag nicht allein an
den Schwertern in den Händen der Jägerinnen.
Der
kurze Moment, der den Jägerinnen wie eine kleine Ewigkeit vorkam, ging vorüber
und die vier Reiter setzten ihren Weg aus dem Club heraus fort. Faith hatte es
auf einmal sehr eilig auf ihre Füße zu kommen, auch wenn sie noch etwas schwankte,
um aus ihrer Reichweite zu kommen. Rasch gesellte sie sich zu den anderen vier
und ignorierte den vorwurfsvollen Blick von Buffy.
„Passt
bloß auf ihre Waffen auf. Wenn sie sie ziehen, dann haben sie die Kraft
irgendwelchen Hokuspokus damit anzustellen. Ich hab’ da drinnen gesehen, zu was
sie fähig sind – Verbrennen, zu Eis erstarren lassen... Weicht ihnen bloß aus.“
Unentschlossen
standen die Jägerinnen an ihrem Platz und wussten nicht, ob sie angreifen
sollten oder lieber weiterhin passiv blieben.
Zu Vieles sprach gegen einen offenen Kampf...
„Ich
weiß nicht, Faith“, gab Buffy schließlich ihre Bedenken zu. „Wir sollten von
hier verschwinden. Ein Kampf wäre ziemlich dumm. Wenn jemand von uns verletzt
wird, fällt er aus, wo Giles doch jeden Einzelnen von uns für die Apokalypse
braucht.“
„Und
wenn wir einen von ihnen jetzt töten, haben wir es nur noch mit dreien zu tun“,
sagte Faith entschlossen.
„Hey...
schon vergessen... wir können sie nicht so einfach töten“, mischte sich Kennedy
ein. „Buffy hat Recht. Lasst uns abhauen...“
„Wie
Feiglinge?“ Faith klang auf einmal etwas aggressiver. Offensichtlich sehnte sie
sich einen Kampf herbei, um all die angestaute Wut über Lily und ihre Verluste
herauszulassen.
Aber
dafür war ein Friedhof mit einigen Vampiren besser geeignet, fand Buffy. „Wir
wissen es erst besser, wenn wir es versucht haben...“
„ACHTUNG“,
brüllte in diesem Moment Ronah auf und stieß plötzlich Buffy mit aller Kraft
zur Seite. Gerade noch im rechten Augenblick – der helle Blitz aus der Waffe
des asiatischen Reiters traf die Stelle, an der eben noch Buffy gestanden
hatte. Der Blitz hinterließ einen tiefen Riss im Asphalt und, überraschend für die
Jägerinnen, eine tiefe Wasserpfütze.
„Was
war dass denn?“ Dawn starrte die vier Reiter an, die langsam aber sicher näher
kamen. Die anderen drei Dämonen zogen ebenfalls ihre Waffen, die sie gezielt auf
die Gruppe richteten.
„Ich glaube die Entscheidung
zu kämpfen oder nicht, wird uns gerade abgenommen“, grinste Faith erfreut und
sprintete mit gezogener Waffe los.
„NICHT
FAITH“, rief Buffy ihr noch nach, doch völlig umsonst. Die dunkelhaarige
Jägerin wollte oder konnte sie nicht mehr hören, als sie mit einem
ohrenbetäubenden Kriegsschrei und einer Flugrolle über die Blitzstrahlen der
Waffen sprang.
Die
anderen Jägerinnen hatten im ersten Moment selbst genug damit zu tun den
Strahlen auszuweichen, anstatt sich über Faith’ Dummheit aufzuregen. Kennedy
war dabei nicht schnell genug und wurde seitlich am linken Arm erwischt. Ihre
Jacke fing sofort Feuer und sie schlug panisch mit der rechten Hand auf die
kleine rauchende Stelle, um Schlimmeres zu
verhindern. Entsetzt sahen sich die Jägerinnen an.
Währenddessen
stand Faith inzwischen wieder auf den Beinen und sprang mit erneutem Anlauf die
Reiter an, nur um von der Brust des Wikingers abzuprallen. Sie ging zu Boden
und wurde von einer mächtig starken und großen Hand im Genick gepackt und hoch
gerissen.
„Helfen
wir ihr“, seufzte Kennedy und umfasste ihr breites Schwert fester.
„Dawn.“
Buffy sah sich rasch zu ihrer Schwester um. „Bleib in meiner Nähe. Zu zweit
haben wir eher eine Chance. Du deckst mich und ich deck dich. So wie ich dir
das beigebracht habe. Okay?“
Dawn
nickte zustimmend, während Ronah Buffys Worte
ebenfalls befolgte und Kennedy nachrannte, um mit ihr Faith zu unterstützen.
Diese hatte sich gerade mit einer geschickten Drehung und einem harten
Schwerthieb auf das Handgelenk des Reiters aus dessen Griff befreit. Jetzt war
sie dafür ganz damit beschäftigt die Waffen der vier Reiter mit dem eigenen
Schwert abzuwehren. Dabei ging sie langsam unter jedem
weiteren Hieb in die Knie, bis sie schließlich den Asphalt berührte. In
diesem Augenblick hatten die anderen Faith und die Reiter erreicht.
Waffen
trafen klirrend aufeinander, Funken spritzten auf, als sich die Schwerter
berührten, die Kriegsrüstungen knirschten, knackten oder bewegten sich einfach
nur mit unter den geschmeidigen aber kraftvollen Bewegungen ihrer dämonischen
Krieger...
Eine
Weile war der Kampf ausgeglichen. Niemand konnte einen Vorteil für seine Seite
erkämpfen, doch die Jägerinnen spürten rasch wie sie ermüdeten. Und da sie viel
zu viel Respekt vor dem Zauber der Waffen hatten, waren sie auch mehr damit
beschäftigt diesen auszuweichen oder die Reiter so zu beschäftigen, dass sie
die Waffen nicht benutzen konnten, anstatt eine gezielte Taktik einzusetzen.
So
bemerkten die Jägerinnen auch viel zu spät, dass die Reiter sie eingekreist
hatten. Doch ihre Kampferfahrung ließ sie alle
instinktiv reagieren: Dawn und Buffy traten Rücken an Rücken heran und hoben
ihre Waffen. Faith, Ronah und Kennedy machten es den beiden Jägerinnen nach und
bildeten ein geschlossenes Dreieckeck. So geschützt kämpften sie verbissen aber
ermüdet weiter. Ihre Arme begannen zu schmerzen und ihre Beine wollten sie
nicht mehr wirklich aufrecht halten. Jeder weitere Hieb eines Reiters, ließ
eine der Jägerinnen schwanken. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie zusammenbrachen.
Hin
und wieder gelang es sogar einem der Reiter seine Waffe auf eine Jägerin zu
richten, um sie mit seiner Macht zu vernichten. Aber jedes Mal reagierte die
Zielperson unerwartet schnell und entkam dem Blitz aus der Waffe in letzter
Sekunde.
Der
indianische Reiter trat plötzlich etwas nach hinten weg, um Platz und Zeit zu
gewinnen. Er richtete seinen Tomahawk auf die Jägerinnen, die zwar seine
Absicht bemerkten und seinem Blitz aus der Waffe auswichen, dabei aber nicht
sein eigentliches Ziel erahnten – der Blitz schlug wie gewollt in den Boden ein
und verursachte ein leichtes Erdbeben, das die Jägerinnen aus ihrer
Konzentration riss und dabei einen gefährlich tiefen Spalt erzeugte, in den
Ronah fast gestürzt wäre, hätte Buffy nicht sofort nach ihrem Arm gegriffen, um
sie zurück zu ziehen.
„Verdammt...
wenn das so weiter geht...“, rief Buffy den anderen zu. „Dann hat Giles in
wenigen Minuten keine Jägerin mehr, die die Apokalypse verhindert.“
„Und
ich hätte nie gedacht, dass ich das mal sagen würde, aber... wo ist Superman
wenn man ihn mal braucht?“ Kennedy versuchte etwas heiter zu klingen.
„Oder
Batman“, schlug Dawn schwer keuchend vor, während sie sich unter dem Schwert
des Wikingers duckte und ihn dann mit einem Fußfeger von den Beinen holen
wollte. Doch alles was sie erreichte, war eine schmerzhafte Prellung ihrer
eigenen Fußfessel. Der Reiter stand noch immer breitbeinig über ihr und holte
erneut mit seinem Schwert aus. Dawn rollte sich zur Seite und wurde von Buffy
gerade noch rechtzeitig zur Seite gezerrt: das Schwert sauste hernieder und
fuhr krachend in den Boden, wo es stecken blieb.
„Hey
ihr habt eines vergessen... wir sind bereits die Kavallerie – Superwoman in geballter Ladung“, sagte Buffy etwas außer
Puste.
Ronah
schwieg, denn sie hatte gerade alle Hände voll damit zu tun, nicht von der
scharfen Klinge des asiatischen Kriegers geköpft zu werden – sie duckte sich
geschickt weg, rollte sich über die Schulter ab, wobei sie ihre Axt ausfuhr,
und den Dämon einen tiefen Schnitt verpasste. Der Treffer war sogar von Erfolg
– der Schnitt hinterließ eine dunkel blutende Wunde in der Wade des Dämons.
Allerdings schloss sich diese unter Ronahs entsetztem
Blick nur wenige Sekunden später wieder von selbst.
Faith
hämmerte unermüdlich mit dem Knauf ihrer Waffe auf den afrikanischen Reiter
ein, der die Schläge mühelos wegsteckte, nur um dann mit einer einzigen Attacke
die Jägerin von sich wegzustoßen, die daraufhin
zwei, drei Meter durch die Luft segelte, um inmitten einiger Mülltonnen krachend
zu landen.
„Rückzug?“,
schrie Dawn gegen den Lärm des prasselnden Feuers und der einstürzenden
Gebäudeteile an.
„Ratsam“,
nickte Buffy und trat gleichzeitig nach der Waffe des Wikingers, der sie gerade
wieder mit beiden Händen in die Höhe reißen wollte, nachdem er Dawn nicht
getroffen hatte. Er schwankte leicht, was Buffy neuen Mut machte.
Offensichtlich ließen die Kräfte der Dämonen ebenfalls nach, wenn auch nur
bedingt.
Ronah
ging in diesem Moment mit einem Schrei zu Boden und entsetzt sahen alle, dass
die Spitze des Dao-Schwerts ihre Schulter
durchbohrte, während Ronah mit schmerzverzerrtem Gesicht auf die Knie gesunken
war.
Faith,
die sich gerade aus den Mülltonnen kämpfte, erstarrte für einen Moment. Sie
glaubte Ronah würde in der nächsten Sekunde tot zu Boden fallen und fühlte sich
nicht in der Lage sich zu bewegen, um etwas dagegen zu tun. Instinktiv sah sie
sich suchend nach Eve um, die bestimmt irgendwo stand und gehässig grinste.
Doch
von der Verrückten war nirgends eine Spur zu sehen. Das gab Faith wieder die
Kontrolle über sich zurück und als sie sah, wie Ronah nach der Klinge mit
beiden Händen fasste, um zu verhindern, dass der asiatische Reiter ihr die
Waffe weiter durch die Schulter bohren konnte, erwachte Faith vollends. Mit
einem lauten, schrillen Schrei hob sie ihr Schwert hoch und rannte auf die
beiden Kämpfenden zu. Weit kam sie nicht, denn der afrikanische Dämon stellte
sich ihr in den Weg und schlug ihr den Knauf seines Schwertes in den Rücken.
Faith ging zu Boden.
Buffy
sah in welchen Schwierigkeiten Ronah und Faith steckten und vergaß die einzige
Taktik, die sie hatten: zusammen zu bleiben, um mit vereinter Kraft zu kämpfen.
Sie rannte einfach los, sprang über das Breitschwert des Wikingers hinweg, kam
auf beiden Füßen wieder auf und überließ ihn und den Indianer Dawn und Kennedy.
Faith
versuchte wieder auf die Füße zu kommen, wurde aber mit einem Tritt in den
Rücken erneut niedergeworfen und Ronah stemmte sich noch immer mit aller Kraft
gegen den Dämon, der weiter versuchte sein Schwert tiefer in sie zu bohren. Als
Buffy ankam, drehte sich Faith gerade auf den Rücken, wobei sie ihr Schwert
nach oben riss, um den Dämon die Klinge in den Bauch zu rammen. Doch der Reiter
hatte ihre Taktik durchschaut und statt erneut nach ihr zu greifen, trat er
einen Schritt nach hinten weg. Die Klinge ging ins Leere.
Buffy
wusste, dass Faith sich alleine verteidigen konnte und daher hielt sie sich
nicht erst bei ihr auf. Ihr Ziel war der asiatische Reiter, dem sie von hinten
ihr Schwert in den Rücken rammte – oder es versuchte. Noch bevor sie ihn
erreicht hatte, wandte er sich blitzschnell herum, riss dabei Ronah sein Dao-Schwert mit einer einzigen, fließenden Bewegung aus der
Schulter und blockte damit Buffys Schwert. Ronah
sackte in sich zusammen und fiel keuchend nach vorne auf ihre Hände.
Das
Dao-Schwert traf mit solcher überraschenden Wucht Buffys Klinge, dass diese nach hinten taumelte und Mühe hatte, nicht zu Boden zu gehen.
Als sie sich gefangen hatte, starrte sie entsetzt ihr Schwert an: ihre Klinge
war gebrochen. In diesem Moment war es ihr mehr als deutlich, dass dieser Kampf
hier dumm und sinnlos war.
Als
sie sich rasch nach den anderen umsah, wurde ihr die Niederlage bestätigt –
Ronah lag inzwischen mit Schmerzen am Boden, Kennedy und Dawn wirkten müde und
unkonzentriert, während sie vergeblich versuchten durch die Deckung der beiden
anderen Dämonen zu dringen, um einen Schlag anzubringen, der Zerstörung oder
zumindest Verletzungen brachte.
Nur
Faith wirkte unermüdlich in ihren Attacken. Aber das Geheimnis lag wohl in
ihrem erlittenen Verlust, der ihr Kraft und Antrieb in einem war.
Als
Buffy zurück zu dem Dämon blickte, stellte sie ihren Fehler fest – sie war nur
für ein oder zwei Sekunden abgelenkt gewesen, aber das hatte ausgereicht, damit
der Reiter die kurze Distanz überbrückt hatte und nun direkt vor ihr stand. Sie
konnte nicht mehr rechtzeitig reagieren, als er mit seiner behandschuhten Hand
ausholte.
Seine
Faust traf auf Buffys ungeschützte rechte Wange.
Etwas
knirschte in ihrem Kiefer, doch der Jägerin blieb keine Zeit darüber
nachzudenken, denn der Schlag riss sie von den
Füssen und ließ sie nach hinten gegen eine Garagenwand krachen. Schmerz
durchfuhr ihren Körper, durch jede Faser und jeden Nerv.
Während
es Buffy vorkam, als würde sie wie in Zeitlupe von der Wand herunter auf den
Boden fallen, wandte sich der Dämon bereits einer anderen Jägerin zu – der
wehrlosen Ronah, die gerade versuchte sich an ihrem Schwert abzustützen, um
wieder auf die Beine zu kommen.
Wie
durch einen Schleier beobachtete Buffy dies und sie wusste, dass es keine
Rettung für Ronah gab, außer sie machte eine der anderen Jägerin lautstark
darauf aufmerksam oder rappelte sich selbst wieder auf die Füße um
einzugreifen. Beides erschien Buffy im ersten Moment unmöglich, denn ihr Körper
schmerzte noch immer durch den Aufprall und als sie hinter sich die Wand
betrachtete konnte sie entsetzt die Umrisse ihres Körpers im Mauerwerk sehen wo
sie aufgeprallt war.
Benommen
schüttelte Buffy ihren Kopf, rollte sich zur Seite und wollte aufstehen, als
eine Hand in ihrem Blickfeld erschien, die sich ihr helfend entgegenstreckte.
Irritiert
und auch überrascht sah Buffy auf und blickte in das ernste Gesicht des
Unsterblichen.
England, Ratsgebäude
Früher Morgen, europäische Zeit
Lenhardt saß mit düsterer
Miene bereits auf seinem Stuhl hinter dem großen Verhandlungstisch. Die
Fingerspitzen aneinander gepresst blickte er über die versammelten Wächter
hinweg. Es war noch gar nicht so lange her, da hatte er hier gesessen und
darüber abstimmen lassen, was mit Mr. Giles passieren sollte. Ein großer Tag,
wie er damals fand – und heute? Heute war er nicht mehr sicher, was er denken
sollte. Er war in den vielen Jahren immer ganz zufrieden mit seiner Wahl
gewesen. Mit der Wahl nach den Regeln beider Welten zu leben – denen des Rates
und denen des Inneren Kreises. So lange diese Wahl für ihn von Vorteil gewesen
war, fügte er in Gedanken hinzu. Jetzt sah das alles ganz anders aus. Nun
bedrohte es seine Karriere, alles für das er gelebt und zudem er von seinem
Vater erzogen worden war. Wenn irgendjemand Verdacht schöpfte, wenn es eine
Untersuchung gab und man ihm Verbindungen nachweisen konnte, war alles aus.
George hatte recht – es wurde für ihn Zeit sich zu entscheiden. Und es
fiel ihm leichter, sich vom Inneren Kreis zu verabschieden und von Lily, als
von den Werten und Regeln, nach denen er aufgewachsen war und denen er auch
heute noch in seinem Alter versuchte gerecht zu werden. Zudem war ein Leben
ohne den Inneren Kreis weitaus ungefährlicher.
Im
Saal selbst herrschte reges Leben. Die Sitzreihen waren bereits fast alle
belegt und Stimmengewirr hing in der Luft. Viele Wächter hatten ihr Handy in
der Hand und telefonierten mit befreundeten Wächtern, denen die Zeit nicht
gereicht hatte, um anzureisen. Sie wollten informiert werden oder per Telefon
ihre Stimme abgeben.
In
den vordersten Reihen saßen die zurückgekehrten Jägerinnen, schweigend und
ruhig. Sie wussten im Gegensatz zu den Wächtern wieso sie hier waren. Es
behagte ihnen zwar nicht allen, aber gegen die zurückgekehrten Erinnerungen und
die damit verbundene Wahrheit über Lily ließ sich nicht totschweigen, das war
ihnen bewusst.
An
der Tür kam es plötzlich zu einem kleinen Zwischenfall, als der angesehene Roger Wyndham-Price
einem jungen Wächter seine Meinung über Rupert Giles mitteilte,
nachdem dieser einen abwertenden Kommentar über Lily Usher hatte fallen lassen,
als er mit seinem Freund den Saal betrat. Ein Saaldiener brachte die beiden
Streithähne mit Hilfe dessen Freundes sofort auseinander und sorgte dafür, dass
sie weit voneinander getrennt saßen.
George
stand mit sorgenvollem Gesicht im Hintergrund und betrachtete sich das Treiben
beunruhigt. Die Stimmung war sehr gereizt und er zweifelte nicht eine Sekunde
lang daran, dass Lily bereits verloren hatte, noch bevor jemand für sie
sprechen konnte. Er hatte versucht sie mehrmals zu erreichen, aber nie war sie
an ihr Handy rangegangen. Hoffentlich war nichts passiert und er würde später
endlich Erfolg haben. Er ertrug es nicht, dass sie völlig unwissend in Amerika
weilte, während hier das Chaos ausbrach. Und alles nur, weil Lenhardt plötzlich
aus heiterem Himmel kalte Füße bekam. Er hatte diesem Deutschen noch nie
vertraut und sein Eintritt in den Inneren Kreis nie befürwortet.
Als
endlich Ruhe im Saal eintrat, stand Lenhardt auf und richtete sein Wort an die
Versammlung.
„Ladies
und Gentlemen, ich bin Ihnen allen sehr dankbar, dass Sie so kurzfristig Zeit
gefunden haben, um zu kommen. Aber unser Anliegen heute ist von sehr großer
Wichtigkeit und darf daher nicht verschoben werden.“ Lenhardt räusperte sich
kurz und blickte dann über die Reihen hinweg. „Wie Sie alle wissen hat uns Ms.
Usher von einer Apokalypse berichtet, die es aufzuhalten galt. Sie machte uns
bewusst, dass Mr. Giles als Vorstand des Rates nicht in der Lage sei, diese
abzuwenden. Sie selbst sorgte schließlich dafür, dass alle Jägerinnen auf der
Welt aufgefordert wurden hier bei uns in London ein Spezialtraining zu durchlaufen.
Mit diesem Training sollten sie auf den großen Kampf vorbereitet werden. Vor
weniger als zwei Tagen fand dieser Kampf statt – in einer Dämonenstadt unter
Cleveland.“ Hier machte Lenhardt eine Pause und sofort wurden die Stimmen im
Saal wieder lauter. Dieses kleine, nebenbei erwähnte Detail schien also nicht
nur ihn in Sorge gestürzt zu haben, als die Jägerinnen ihm von Malkuth erzählt
hatten.
Als
es wieder ruhiger wurde, fuhr Lenhardt fort. „Die Jägerinnen mussten hohe
Verluste in Kauf nehmen, nur um anschließend hier her zurückgeschickt zu werden,
ohne weitere Erklärungen über die Apokalypse, die nicht verhindert wurde. Es
mag vielleicht dem einen oder anderen merkwürdig erscheinen, dass wir uns hier
alle eingefunden haben, aber es gab einige Einzelheiten, die mir sehr
bedenklich erschienen. Einzelheiten, die unsere Abstimmung über Mr. Giles und
Ms. Usher in ein anderes Licht rücken lassen. Dinge, die Ms. Usher und ihr
Vorhaben merkwürdig erscheinen lassen. Wieso hat sie uns nicht von dieser Stadt
berichtet? Wieso ließ sie Jägerinnen zusätzlich in einer anderen Einrichtung
trainieren, gab ihnen Medikamente und möglicherweise manipulierte sie sogar die
Jägerinnen, damit sie hörig waren. Wieso schickte sie die Jägerinnen wieder
zurück, obwohl eine so unheimliche Bedrohung über der Welt liegt? Und die aller
wichtigste Frage: wieso war sie so sehr daran interessiert Buffy Summers und
ihren Freunden in dieser Stadt zu begegnen? Ich denke... auf diese Fragen
können uns diese drei Jägerinnen“, Lenhardt deutete auf die vorderste
Sitzreihe, wo Chao-Ahn, Kim und Emma unruhig auf ihren Plätzen hin und her
rutschten, „bestimmt bessere Antworten geben als ich.“
Er
nickte den drei jungen Frauen zu, die aufstanden und nach vorne traten. Es
beruhigte sie ein wenig, die meisten der Jägerinnen aus ihrem Kampf im Raum
sitzen zu sehen. Teilweise waren einige bereits aber wieder nach Hause
zurückgekehrt in ihre Länder. Sie wollten vergessen und nicht daran erinnert
werden, dass sie im falschen Glauben ein Massaker angerichtete hatten – auch
wenn es sich dabei „nur“ um Dämonen handelte. Und niemand hatte Mr. Wood
vergessen...
Chao-Ahn machte den Anfang und
berichtete von dem, an das sie sich noch oder wieder erinnern konnte. Von ihrer
Ankunft, dem Training in einem alten Gebäude, die „Vitaminspritzen“ und die
Gesprächssitzungen bei Ms. Usher. Sie fuhr fort mit den Erinnerungen an den
Verlust von Gefühlen und persönlichen Erinnerungen. Dann überließ sie es Emma weiterzusprechen, die erst einmal ihre Eindrücke wiedergab
und damit Chao-Ahns Worte bestätigte. Schließlich kam
sie zu Lilys Plan, ihrer Annahme die Apokalypse würde in der Dämonenstadt ihren
Anfang nehmen. Sie sollten dort nach dem Rechten sehen und alles töten, was
ihnen in den Weg käme. Lily erwähnte auch das Mr. Giles mit Buffy und den
anderen aus Blendung und etwas, das sie wohl als Freundschaft bezeichnen
würden, dort sein würden, um den Dämonen zu helfen. Das galt es zu verhindern,
auch wenn es den Tod eines Einzelnen bedeuten würde.
Buffy wollte Lily jedoch lebend haben. Der Grund war unbekannt.
Schließlich
bekam Kim das Wort und bedrückt berichtete sie, wie Ms. Ushers
Training dazu geführt hatte, dass sie kaltblütig und ohne nachzudenken ihre
Waffe auf einen Freund, Mr. Wood, abgefeuert hatte.
Robin sei nun tot und sie könnte nicht einmal auf seine Beerdigung gehen, noch sich
jemals wieder bei ihren Freunden blicken lassen.
Das Schlimmste daran: sie würde mit der Schuld einen Menschen getötet zu
haben leben müssen. Etwas, das ihr im Moment sehr schwierig erschien.
Chao-Ahn
beendete ihren Bericht mit einigen weiteren Erzählungen und Details vom
Kampfgeschehen in Malkuth. Als sie endete, herrschte zunächst völlige Stille im
Saal, die jedoch plötzlich erstarb, als die Wächter anfingen aufgeregt
durcheinander zu sprechen.
„Ruhe.
Ruhe im Saal!“, brüllte Lenhardt schließlich und brachte ein wenig Ordnung
zurück.
„Danke,
meinen Damen und Herren. Es ist ihnen gestattet Fragen an die Jägerinnen zu
stellen, jedoch bitte nach Wortmeldung und Zuteilung von mir.“
Zig
Hände fuhren daraufhin in die Luft und Lenhardt stöhnte. Um nicht als
parteiisch zu gelten, rief er einen jungen Mann auf, von dem er wusste, dass er
Giles blind folgen würde. „Sie mein junger Freund als erster.“
„Danke
Mr. Lenhardt“, nickte dieser ihm mit einem leichten skandinavischen Akzent zu.
„Mich würde interessieren, ob Mr. Giles mit seinen Freunden eine Jägerin
getötet hat?“
Die
drei Jägerinnen blickten sich an, dann zuckten sie mit den Schultern. „Soweit
wir wissen, nein.“
Der
nächste wurde von Lenhardt aufgerufen, dieses Mal jemand von Lilys Partei. „Hat
Ms. Usher je direkt von euch verlangt, einen von Mr. Giles Leuten zu töten?“
Diese
Frage wurde verneint und der Wächter setzte sich mit zufriedenem Lächeln wieder
hin.
Doch
Kim hatte das Gefühl ergänzen zu müssen. „Verlangt nicht, Sir. Aber ihre Worte
waren ziemlich deutlich, was wir zu tun hätten, falls sich jemand von Buffys Seite gegen uns stellt. Sie hätten dabei sein
müssen, dann würden Sie verstehen, was ich meine.“
„Und
was hat euch misstrauisch gemacht“, fragte eine Wächterin aus Russland, ohne
auf Kims Worte einzugehen.
„Misstrauisch
in wie weit“, fragte Emma zurück.
„Nun,
gegen Ms. Usher?“
„Nichts“,
sagte Kim. „Nicht im ersten Moment. Erst als wir wieder hier waren und uns
langsam zu erinnern schienen, was mit uns passiert ist, wurde uns klar, dass
wir schnellst möglich mit ihnen allen reden mussten. Es ist das, was Ms. Usher
mit uns gemach hat. Das heimliche Training, die Dringlichkeit die Gegenseite
auszuschalten, die Dinge die sie nur uns mitteilte und nicht dem Rat...“
Weitere
Fragen prasselten auf die Jägerinnen ein und sie waren ganz damit beschäftigt,
Fragen nach Malkuth, der Apokalypse, Lily und dem Gebäude, in dem sie trainiert
wurden, zu beantworten.
Als
die Jägerinnen das Gebäude näher beschrieben und sich auch dunkel an die Lage
zu erinnern schienen, gab es im Saal den einen oder anderen Wächter und
Wächterin, die untereinander einen besorgten Blick austauschten oder nervös auf
ihrem Sitz herumrutschten.
Langsam
wurde es den Wächtern im Saal bewusst, dass Lily Usher offensichtlich viele
Dinge vor ihnen verheimlicht hatte und die Jägerinnen missbrauchte, um ein Ziel
zu verfolgen, das dem Rat völlig unklar war. Das Chaos im Saal wurde noch
schlimmer, die Stimmen noch lauter und die ersten forderten lautstark nach
einer erneuten Abstimmung.
Lenhardt
lächelte leicht. Es war gut, dass dieses Verlangen von den Wächtern selbst kam
und er sie deswegen nicht erst anschubsen musste.
„Ladies
und Gentlemen“, verschaffte sich Lenhardt laut die
Aufmerksamkeit. „Wie sie sich überzeugen konnten, ist mein Misstrauen nicht
unbegründet und Sie werden einsehen, dass wir erneut darüber beraten müssen,
wer die Leitung des Rates verdient hat. Darüber hinaus müssen wir uns natürlich
auch darüber unterhalten, ob die alte Abstimmung überhaupt eine Gültigkeit
hatte...“
Cleveland, Flughafen
Nacht, amerikanische Zeit
Es war
spät in der Nacht und trotzdem herrschte vor dem Flughafen Clevelands
hektisches Treiben. Fluggäste, die ankamen und nach einem Taxi oder Bus
suchten, Fluggäste die abgesetzt wurden und ihren Flug erwischen wollten,
Polizisten, die Strafzettel an Falschparker verteilten und Sicherheitsleute,
die auf und ab liefen, um nach dem Rechten zu sehen.
In all dieser Hektik fuhr ein Taxi vor, parkte in der
zweiten Reihe und nahm wildes aufgebrachtes Hupen hinter sich in Kauf, nur weil
die Lady auf dem Rücksitz ein dickes Trinkgeld versprochen hatte, wenn er sie
ohne lange Fahrt direkt an den Flughafen bringen würde. Und direkt hieß direkt
– kein Parkplatz, kein Parkhaus...
Der Fahrer mit den halblangen, gekrausten, braunen Haaren
drehte sich zu Lily herum und nahm ohne Worte Fahrgeld und Trinkgeld entgegen.
Er nickte ihr dankend zu und ehe er es sich versah, war die Frau auch schon aus
dem Wagen gesprungen, ihren kleinen Handkoffer mit sich zerrend. Er hielt sich
nicht weiter auf, legte wieder den ersten Gang ein und fuhr los.
Das Hupkonzert verebbte.
Lily stand auf dem Gehsteig und suchte nach ihrem Handy, das
sie schließlich in der Handtasche fand. Nervös rief sie ihr Telefonbuch auf und
wählte Georges Nummer an. Dabei fielen ihr die ganzen unbeantworteten Anrufe
nicht einmal auf.
Das Freizeichen ertönte und Lily durchschritt die Schiebetür
in den Empfangsbereich des Flughafens hinein.
Endlich nahm jemand ab...
„George? Ich bin’s Lily. Was gibt es neues?“
„Lily?“
George brachte das Kunststück fertig, sowohl erfreut als auch besorgt zu
klingen. Und Lily entging das nicht. Sie wurde etwas nervös. „Gott sei Dank. Ich versuche dich schon seit
Stunden zu erreichen.“
„Es gab einen kleinen Zwischenfall“, wehrte Lily Details zu
erzählen ab und blickte sich nach einem Hinweis auf British Airways um. „Wie
läuft es in London?“
„Schlecht“,
gestand George niedergeschlagen. „Die
Jägerinnen sind zurückgekehrt und da Lenhardt sie gleich unter Beschlag
genommen hatte, hatten wir keine Zeit mehr sie mit dem Serum zu versorgen.“
„Mein Gott“, stöhnte Lily auf. „Das heißt, sie haben sich
erinnert und vor dem Rat eine Aussage gemacht?“
„Sehr richtig.“ Uberrascht über Lilys Weitsichtigkeit musste George erst
nach neuen Worten suchen, um ihr die Lage zu erklären. „Es gab eine neue Abstimmung... dieses Mal leider gegen dich und das
mit nicht nur einer Stimme Mehrheit.“
„Verdammt... ich schätze eine Rückkehr ist im Moment nicht
gerade... geschickt.“ Lilys Blick wanderte vom Wegweiser „British Airways“
weiter auf der Suche nach einer Alternative.
„Nein. Lenhardt eröffnet
gerade eine Hetzkampagne gegen dich und versucht indirekt den Inneren Kreis
anzugreifen.“
„Ihr wisst, was zu tun ist, wenn er zur Gefahr wird.“ Lily
traf eine Entscheidung und steuerte den Flugschalter von Delta Airlines an. „Es
darf niemand von unserer Existenz erfahren. Es reicht, was die Jägerinnen mit
ihren Aussagen offensichtlich angerichtet haben.“
„Natürlich. Du kannst dich
ganz auf uns verlassen. Ich melde mich, sobald sich das Problem gelöst hat.“
„Sehr schön. Und macht euch über die Apokalypse keine
Sorgen. Giles und Buffy kümmern sich ganz bestimmt darum. Unsere Pläne mögen
zwar im Moment nicht aufgegangen sein, aber noch ist es nicht zu spät.“ Lily
stellte sich an der kleinen Schlange an. „Kümmere dich bitte so lange um die
Angelegenheiten des Inneren Kreises, bis ich die Arbeiten selbst wieder
übernehmen kann.“
„Natürlich, mache ich. Ach
ja... bevor ich es vergesse. Ich hatte vorhin einen Besuch des Hexenclans. Sie
zeigten sich besorgt über deinen letzten Einsatz ihrer geliehenen Magie. Sie
halten es langsam für Anmaßung und Missbrauch. Sie wollen dir nicht noch einmal
helfen.“
„Das habe ich befürchtet“, seufzte Lily. „Aber ich musste es
tun, sonst wäre ich wohl nicht mehr am Leben. Ich erzähle dir das im Detail,
sobald ich dort angekommen bin wo ich hin möchte.“
„Miss?“
Die Stimme der Schalterfrau unterbrach das Telefonat und
Lily verabschiedete sich hastig von George und trat an den Schalter heran.
„Ich bräuchte so schnell wie möglich einen Flug nach
Mexiko“, gab Lily ihren Wunsch bekannt, während die Schalterbedienung
freundlich nickte und im PC zu recherchieren begann.
Cleveland, brennender Club
Ein paar Sekunden später
Dawn
flog zu Boden und schlug hart mit ihrem Gesäß auf dem
Asphalt auf. Ihr blieb für ein, zwei Sekunden die Luft weg und fast schon
benommen kämpfte sie sich auf ihre Füße hoch. Wenn das hier so weiter ging,
brauchten sie sich wirklich keine Sorgen mehr über eine Apokalypse machen –
denn sie würden sie gar nicht mehr miterleben. Wo steckte nur Buffy? Panisch
blickte sich Dawn um, konnte ihre Schwester aber nicht entdecken. Dafür sah sie
entsetzt, wie der asiatische Dämon sein Schwert hob, um Ronah mit dem letzten
Hieb zu töten.
„FAITH... PASS AUF! RONAH!“, war alles was Dawn in der
Situation tun konnte. Sie selbst hatte keine Möglichkeit rechtzeitig bei Ronah
zu sein. Zudem konnte sie Kennedy nicht alleine lassen, die selbst geschwächt
und müde wirkte und kaum noch die Hiebe des Tomahawks abwehren konnte
Erneut sah sich Dawn suchend nach Buffy um. Sie wurde
langsam unruhig und panisch, als sie sie auch jetzt nicht fand...
---
Der
Unsterbliche wartete und hielt die Hand ausgestreckt, ließ ihr Zeit, wieder
vollends zu sich zu kommen. Schließlich ergriff sie seine Hand und er half ihr
auf.
„Guten
Abend, Mylady“, grüßte er, wobei er eine kurze
Verbeugung andeutete und sich das hintergründige Lächeln, das sie von ihm
kannte, auf sein Gesicht stahl. „Mit Verlaub... du siehst furchtbar aus.“
Buffy
starrte ihn für einen Moment einfach nur an. Die Ereignisse schienen sich
zunehmend zu überschlagen.
„Was
machst du hier?“, fragte sie schließlich verblüfft.
„Würde die Erklärung
ausreichen, dass ich es ohne dich nicht mehr ausgehalten habe? Dachte ich mir.“
Er seufzte und blickte dann in die Richtung, aus der Buffy geflogen gekommen
war. Nachdenklich betrachtete er die kämpfenden Jägerinnen, die einige Meter
von ihnen entfernt einen erbitterten Kampf ausfochten. „Nun, ich wäre froh, wenn es so wäre,
aber es gibt ernstere Gründe für mein Hiersein.“
Im
Augenblick war sich Buffy nicht sicher, was sie davon halten sollte. Ein Teil
von ihr war froh, dass er hier war – wenigstens eine Person, der sie zumindest
bisher nicht misstrauen musste. Und vielleicht war er ja tatsächlich hier, um
ihr oder ihnen zu helfen.
Ein
anderer Teil aber war verwirrt... und wütend. Verwirrt, weil sie seit Rom
keinen Kontakt mehr gehabt hatten und er jetzt einfach hier war. Wütend, weil
dort vor ihnen ihre Freunde um ihr Leben kämpften und er machte keinerlei
Anstalten, in irgendeiner Form zu helfen.
„Die
da wären?“, fragte sie jedoch ohne sich etwas von ihren Gedankengängen anmerken
zu lassen. Sie versuchte gleichzeitig ihn dabei im Auge zu behalten und
festzustellen, ob es jemandem gelungen war Ronah zu retten, aber es war ihr bei
dem hektischen Treiben auf dem Kampfplatz vor dem Club kaum möglich
auszumachen, wer wer war. Also konzentrierte sie sich
lieber ganz auf den Unsterblichen.
„Ich
habe weitere Informationen“, sagte er schlicht, „aber dies ist wohl nicht der
Zeitpunkt, alles darzulegen. Ich kann im Augenblick so viel sagen, dass der
Talisman nicht die einzige Kraftquelle dieser Alten ist. Die Pferde und ihre
Waffen gehören ebenfalls dazu. Zerstört sie und sie werden geschwächt. Aber wie
gesagt, das sollten wir später in Ruhe näher erläutern.“
„Ja,
wenn es wieder ruhiger wird... wenn das irgendwann noch einmal passiert.
Jetzt...“
„Solltest
du zurückgehen. Deine Freunde brauchen dich. Das, was wir zu besprechen haben,
ist zu komplex, um es hier abzuhandeln“, unterbrach er sie sanft.
Was
Buffy wieder einmal erstaunte – und was in ihr ein gewisses Maß an Wut
emporsteigen ließ – war seine vollkommene Ruhe. Wenige Meter von ihm befanden
sich vier der mächtigsten Dämonen, die jemals auf der Erde gewandelt waren und
ihn ließ das offensichtlich völlig kalt! Er hatte alle Ruhe der Welt, um ein
Treffen auszuhandeln, als stünden sie irgendwo vor einem netten kleinen Cafe
und verabschiedeten sich für die Nacht von einander.
„So,
ist es das?“, fragte sie etwas kalt zurück. Wollte er etwa später mit ihr nur
über die Dämonen reden oder war da noch mehr? Sicher war da mehr... sie musste
nur an Rom denken. Er konnte nicht nur geschäftlich hier sein... „Das war es
schon? Ein kurzes Hallo, nett dich zu sehen, übrigens beachtet das und jenes,
bis später? Willst du hier etwa nur einfach so herumstehen?! Da vorne könnten
meine Freunde sterben! Ist dir so etwas völlig egal?!“, fuhr sie ihn an, als
die Wut und der Schmerz, den sie spürte, die Überhand gewannen.
Ihre
Augen schossen regelrecht Dolche in seine Richtung, aber er schien den kurzen
Ausbruch fast erwartet zu haben, denn er blieb völlig ruhig und schüttelte nur
den Kopf.
„Niemand
wird sterben, wenn du rechtzeitig zurückgehst. Das ist nicht mein Kampf und das
muss er auch nicht sein. Alle, die kämpfen müssen, tun dies bereits. Ihr seid
die Auserwählten, nicht ich. Du solltest daran glauben... dann würdest du mein
Handeln verstehen.“
Bevor
sie reagieren konnte, hatte er sich vorgebeugt und seine Lippen berührten
flüchtig die ihren.
„Nun
geh’ und rette deine Freunde. Wir werden uns später sehen. Beeil dich, du hast
nicht mehr viel Zeit. Und... vertrau dir selbst.“
Sie
starrte ihn für einen Moment einfach nur an, während sie sich fragte, ob er
über Wissen verfügte, dass er nicht mit ihr teilte. Aber als klar war, dass er
nicht mehr sagen würde, eilte sie zu den anderen zurück.
Er
starrte ihr eine Zeit lang nach und hörte auf die Kampfgeräusche, bevor er sich
umdrehte und langsam den Ort verließ.
In
all den Jahren hatte er gelernt, Körpersprache zu deuten und so war ihm auch
ihre unausgesprochene Frage nicht entgangen.
Ja, ich weiß Dinge, die ich dir nicht
offenbare. Ich habe die staubigen Straßen jenseits der Ewigkeit beschritten und
bin auf dornigen Pfaden weitab der bekannten Welten gewandelt. Doch, was ich
dort erfahren habe, war nicht einmal für meine Augen und Ohren bestimmt. Auch
wenn ich wollte... manche Dinge kann ich dich nicht erfahren lassen.
Er
seufzte tief, als er sich auf den Weg zu einem etwas ruhigeren Ort machte.
Wächterhaus
Zur selben Zeit
Die
einzige Lichtquelle im Konferenzraum war eine kleine, antike Leselampe auf dem
Tisch, die einen Berg Bücher, Notizen, Schriftrollen und einen übermüdeten
Giles mit hochgekrempelten Ärmeln beleuchtete. Der
Wächter legte in diesem Moment seinen Kugelschreiber auf seinen Notizblock ab,
fuhr sich mit der frei gewordenen Hand übers Gesicht und seufzte. Sie
hatten so viele Informationen und doch so wenig Anhaltspunkte, wo er suchen
konnte.
Wieso er erneut nach dem Buch vom Friedhof griff wusste er
nicht, er hatte es sich in den letzten Stunden schon mehr als nur einmal
angesehen und war zu keinem Ergebnis gekommen. Lustlos blätterte Giles Seite
für Seite um, bis er erneut das Bild vor sich hatte, auf dem die vier Reiter
mit gezogenen Waffen in einem Kreis standen. Die Waffen... wieso war er darauf
nicht früher gekommen. Sie hatten sicher eine symbolische Bedeutung. Wenn er
jetzt in dem ganzen Chaos vor sich seine Notizen finden würde, würde er einen
Quellevergleich machen können...
Ein plötzliches Geräusch an der Eingangstür ließ ihn
aufblicken und direkt in Willows Gesicht starren. Erstaunen machte sich auf dem
Gesicht des Wächters breit, während Willow versuchte entwaffnend zu lächeln, um
sich nicht gleich anhören zu müssen, wie dumm sie sich verhielt und
verantwortungslos ihrer Gesundheit gegenüber.
Doch Giles schwieg zu ihrer Überraschung und stand hastig
auf, um ihr bei den wenigen Schritten zu einem freien Stuhl behilflich zu sein.
Erst als sie saß, begann er mit der gefürchteten Rede.
„Willow, meine Güte. Mit jedem hatte ich gerechnet, aber
nicht mit dir. Du solltest im Krankenhaus liegen und dich erholen. Was du tust,
ist sehr leichtsinnig.“
„Ich
weiß Giles“, unterbrach Willow ihn ungeduldig. „Aber glauben sie ernsthaft, ich
könnte ruhig in meinem Bett liegen und mit ansehen wie die Welt untergeht oder
wie ihr sie retten wollt, ohne selbst meinen Teil dazu beizutragen? Zudem weiß
ich von Dawn und was sie vorhat. Ich möchte helfen, wenn möglich, um es zu
verhindern. Und drittens...“ Sie machte eine kurze Pause, um nachzudenken, wie
sie den dritten Punkt am besten erwähnen sollte, entschloss sich dann jedoch
für den direkten Weg. „Es gibt noch etwas, das ich
ihnen heute Abend im Krankenhaus nicht erzählt habe. Etwas von meiner Reise.
Und darüber müssen wir reden.“
Giles sah Willow einen Moment lang nachdenklich an, unsicher
darüber bei welchen der aufgezählten Punkte er eine Antwort geben sollte.
Erschöpft von den Recherchen verspürte er jedoch wenig Lust auf eine Diskussion
und nickte daher ergeben. „Ich denke, ich werde dich kaum über die Schulter
legen können, um dich zurück ins Krankenhaus zu schaffen?“ Die beiden lächelten
sich verlegen, fast schüchtern an, dann war das Eis gebrochen und Willow konnte
reden.
„Die Steinzeit ist schon längst vorüber Giles“, scherzte
Willow. „Wir Frauen brauchen nicht mehr an den Haaren mitgeschleift zu werde.“
Sie lachte leise und über sich selbst amüsiert, während Giles schmunzelte. Dann
wurde Willow wieder ernst. „Ich weiß Ihre Sorge wirklich zu schätzen, Giles.
Aber ich denke ich bin inzwischen alt genug, um selbst bestimmen zu können, was
gut für mich ist und was nicht. Das heißt natürlich, dass ich weiß, dass ich
ziemlich dumm handle. Aber ich kann und will nicht einfach nur Zuschauer sein.“
„Das verstehe ich durchaus, Willow. Aber du weißt dann
vielleicht auch, dass wir im Fall von Dawn keine großen Alternativen haben. Die
Prophezeiung ist recht deutlich – nur Dawn kann die Reiter erneut bannen oder
vernichten. Und es gibt keinen Weg, um Dawn zurück in einen Menschen zu
verwandeln.“
„Aber Prophezeiungen können sich irren. Das haben wir doch
inzwischen mehr als nur einmal gelernt.“ Willow klang verzweifelt. „Gerade was
Prophezeiungen in den Händen von Lily betrifft.“
„Nicht jeder deutet Weissagungen falsch“, mahnte Giles und
griff nach seinem Teebecher, der zwischen all den Büchern versteckt gestanden
hatte. „Und diese galt es dieses Mal nur zu übersetzen, nicht zu deuten.“
„Dann möchte ich anders helfen. Im Kampf. Vielleicht ist
meine Magie einsetzbar?“ Hoffnung erschien in Willows Augen und Giles nickte
zaghaft, aus Angst diese gleich wieder zu zerstören.
„Sobald wir wissen, wie dieser Kampf genau aussieht, können
wir einen Schlachtplan entwickeln.“ Willow nickte einsichtig zu Giles’ Worten,
während dieser sich unsicher über das Kinn
fuhr. „Uhm... und… ehm… was
genau meintest du vorhin damit, dass du uns etwas
verschwiegen hättest?“
Willow verzog ihr Gesicht. Wenn Giles so fragte – wo sollte
sie da genau anfangen? Klar war ihr bewusst, dass er sich nur auf den Punkt
bezog, den sie gerade eben selbst angesprochen hatte, aber vielleicht war der
Moment günstig genug, um auch von all den unausgesprochenen Dingen zu reden...
aber wieso jetzt noch jemanden damit belästigen, wo alles vorbei war? Es würde
nur unnötige Fragen geben, jemand würde sich verletzt und übergangen fühlen...
das war es nicht wirklich wert...
„Haben Sie schon einmal vom Inneren Kreis gehört?“, sagte
Willow stattdessen direkt heraus und beobachtete Giles Reaktion darauf, die ein
schlichtes Runzeln seiner Stirn war.
„Hm... ja“, kam es dem Wächter zögernd über die Lippen. „Es
gab und gibt Gerüchte über eine geheime Organisation innerhalb des Rates. Eine
Organisation deren Mitglieder treu den Traditionen und den alten Gesetzen des
Rates entsprechend gelebt und fungiert haben sollen. Doch soweit die Gerüchte
wahr sind, soll diese Organisation im Mittelalter verboten und aufgelöst worden
sein.“
„Sie wissen doch besser Bescheid“,
grinste Willow. „Allerdings klingt es aus Ihrem Mund harmlos und ein wenig
mythisch. Ich glaube so war das nicht ganz. Wussten Sie, dass diese Organisation Schuld am Tod fast aller Hüterinnen
trägt?“
Giles schüttelte den Kopf. „Ich wusste nicht einmal, ob es
den Inneren Kreis wirklich gab. Er ist ein Mythos wie die Tempelritter.“
„Mir wurde erzählt, dass es den Kreis noch immer gibt. Und
er niemals von mir und meiner Aufgabe erfahren dürfte.“
„Was genau ist deine Aufgabe?“ Giles schob die Notizen vor
sich zurück. Eine kleine Pause und Ablenkung vom Thema war sicher nicht
verkehrt. Zudem sprach Willow über ein sehr interessantes, wenn auch
beunruhigendes Thema. Eigentlich hatte er sie lieber danach fragen wollen,
wieso der Innere Kreis nichts von ihr wissen durfte, was eine Hüterin so
besonders machte, aber er wollte nicht gleich Willow vom Hauptthema ablenken.
„Es gibt eine Prophezeiung laut der eine neue Generation
Hüterinnen entstehen wird. Ich bin angeblich die erste von ihnen. Ich soll in
der Welt nach Frauen und Mädchen suchen, die es sich verdient haben eine
Hüterin zu werden. Aber vielleicht fang ich von vorne an und erzähle Ihnen
alles, was mir die Hüterin darüber berichtet hat...“
Und während Giles nickte, begann Willow ihm von den Dingen
zu erzählen, die sie bislang für sich behalten hatte und dabei vergaß sie auch
nicht ihre Visionen über die Verfolgung der Hüterinnen zu erwähnen und endete
schließlich damit, wie ihr die Hüterin gezeigt hatte, mit dem Stimmengewirr und
Gefühlsleben der Jägerinnen auf dieser Welt klarzukommen...
Malkuth, Halle von Malkuth
Etwas später
Die ersten Minuten schwiegen
sie beide und hingen ihren Gedanken nach. Das kleine Boot, welches sie über den
See bringen sollte, schwankte leicht, und von irgendwo her hörten sie weiteres
Wasser durch die Gänge rauschen.
Absurderweise
musste Warren plötzlich an seine Xena Comics denken.
Das fahle Licht, das schwarze Wasser, die düsteren Gewölbe um sie herum – genauso
stellte man sich die Reise über den Styx in die Unterwelt vor. Was hatte er
sich nur dabei gedacht, an einem solchen Ort leben zu wollen? Er war ein Mensch
und er gehörte nach oben in die lichte Welt der Straßen und Kaufhäuser. Und
Andrew ebenso.
„Es
tut mir leid, Warren“, unterbrach Andrew die Stille plötzlich. „Aber nachdem
was geschehen ist, kann ich nicht mehr mit dir zusammen sein. Nicht, nachdem
ich gesehen habe, was dein Verrat in der Stadt angerichtet hat.“
„Ich
hab’ gesehen, was in der Stadt los ist.“ Gedankenverloren starrte er in das
schwarze Wasser. „Und ich bin ebenso geschockt wie du. Ich hätte nie gedacht,
dass es so kommen würde. Aber du hast Recht, eigentlich hab’ ich gar nicht
darüber nachgedacht. Ich wollte nicht sterben, das war der einzige Grund, warum
ich es getan habe. Ich hab’ gesehen, wie mein Körper langsam zu Staub zerfallen
ist und ich hatte schreckliche Angst. Und dann war da dieser Talisman von
Gretchen und ich wusste, das ist meine letzte Hoffnung.“
„Zu
Leuten wie ihr und D’Hoffryn gehst du also, wenn du
ein Problem hast“, murmelte Andrew. „Und mich übersiehst du völlig. Soviel Wert
legst du also auf uns.“
„Ja,
ich weiß, dass es falsch war. Ich hätte sofort mit dir reden sollen, als die
Sache mit meinem Arm losging. Aber das hab’ ich nicht. Und dann haben wir uns
auch noch gestritten, und ich... es ist einfach alles zusammengekommen. Es tut
mir wirklich und ehrlich leid, Andrew. Ich verspreche dir, dass so etwas nie
wieder vorkommen wird. Ich werd’ mich ändern, du wirst sehen, ich krieg’ das
hin!“
Andrew
schüttelte den Kopf. „Das versprichst du jedes Mal. Immer und immer wieder
versprichst du, dass diesmal alles anders wird, es ist immer dieselbe Leier.
Und jedes Mal glaube ich dir. Und jedes Mal hoffe ich, dass es wirklich das letzte
ist, dass ich dir nur noch diese eine Chance geben muss und alles wird gut.
Aber das wird es nicht. Solange alles glatt läuft, okay, aber sobald es ein
Problem gibt, fällst du sofort wieder in dein altes Muster zurück. Du drehst
durch und es wird jemand verletzt, oder muss sogar sterben.“
„Aber
ich will nicht, dass das passiert“, versuchte Warren sich zu verteidigen.
„Das
ist mir schon klar.“ Andrew stieß das Ruder so heftig ins Wasser, dass das Boot
einen kleinen Sprung tat. „Du wolltest es auch damals bei Tara und Katrina
nicht. Und was hat sich seitdem geändert? Überhaupt nichts. Nur dass diesmal
nicht nur ein oder zwei Menschen davon betroffen sind, sondern eine ganze
Stadt.“
„Ja,
du hast Recht, ich hab’ schon wieder Mist gebaut“, wiederholte Warren. „Und ich
bitte dich auch nur um diese einzige letzte Chance. Bitte lass’ mich wieder gut
machen, was ich angerichtet habe.“
„Wie?“,
fragte Andrew fassungslos. „Du kannst die ganzen Toten nicht wieder lebendig
machen. Du kannst die Zeit nicht zurückdrehen.“
Die
Zeit zurückdrehen? Warren zog die Stirn in Falten. Vielleicht lag hier die
Lösung des ganzen Problems. Damals hatte sie doch Experimente mit der Zeit
gemacht, vielleicht...
„Denk’
nicht mal dran!“ Andrew schnitt ihm den Gedanken ab, noch bevor er ihn
überhaupt aussprechen konnte. „Das Letzte, was wir brauchen können, ist eines
von deinen tollen Maschinchen!“
„Was
soll ich denn tun?“, fragte Warren hilflos. Er spürte, wie ihm die Tränen in
die Augen stiegen. Andrew konnte das nicht meinen, er konnte ihn nicht einfach
hängen lassen. Nicht nach alldem, was sie zusammen durchgemacht hatten.
Verdammt, Andrew war der einzige Mensch auf dieser Welt, der immer zu ihm
gehalten hatte, ganz egal, was kam. Er konnte diesen Menschen nicht verlieren.
Nicht ihn. Alles andere, aber nicht ihn.
„Du
kannst nichts tun.“ Das Boot stieß auf Grund, und Andrew sprang über Bord, um
es an Land zu ziehen. „Das heißt, wenn du wirklich meinst, was du sagst, kannst
du versuchen, deine Fehler wieder gut zu machen und ein besserer Mensch zu
werden.“
„Genau
das will ich ja.“ Warren stieg ebenfalls aus und versuchte nach der Bootsleine
zu greifen, um Andrew zu helfen.
Dieser
wehrte ihn jedoch ab. „Aber du wirst es ohne mich tun müssen, Warren. Ich kann
dir nicht helfen, und bei Gott, ich hab’ es wirklich versucht.“
„Du
kannst mich doch nicht einfach im Stich lassen!“ Fassungslos schüttelte Warren
den Kopf, er gab sich jetzt keine Mühe mehr, seine Tränen zu unterdrücken.
Warum auch, wenn es irgendetwas gab, das Andrew noch erweichen konnte, dann
waren es Tränen, viel mehr noch als Worte. „Verdammt, es ist ein Wunder, dass
ich überhaupt in dieses Leben zurückkehren durfte, dass wir wieder zusammen
sein können. Genau das ist es, ein Wunder. Das hast du selbst gesagt, und du
hast mich festgehalten und wolltest mich nie wieder loslassen. Hast du das
alles schon vergessen?“
Er
holte tief Luft. „Andrew, verdammt noch mal, ich liebe dich. Hast du das immer
noch nicht begriffen?“
England, Rat, Versammlung
Etwas später
Im Saal war es mucksmäuschenstill
und Lenhardt ließ einen Moment lang diese Stille auf sich wirken, ehe er sie
mit seiner Stimme durchbrach.
„Gut,
dann kommen wir zur letzten Abstimmung für heute. Nachdem wir uns einig sind,
dass Ms. Usher nicht mehr die Führung des Rates zusteht und die Abstimmung
gegen Mr. Giles alles andere nur nicht fair gewesen war... sollten wir darüber
abstimmen, ob Mr. Giles zurück zu seinem Posten kehren kann und darf.
Vorausgesetzt, dass er dies selbst überhaupt noch möchte.“ Lenhardt war es zu
wider, das einmal erreichte wieder rückgängig machen zu müssen, aber die
Stimmen im Saal hatten vorhin viel zu laut nach Mr. Giles Rückkehr verlangt,
als das er dies ignorieren könnte. Seine persönlichen Probleme mit Rupert Giles
hatten da keine Rolle zu spielen.
Kamera zoomt aus dem
Saal heraus und umkreist plötzlich ein altes Gebäude auf dem Land...
Lenhardt. V.O.:
„Ich
schlage vor Sie nehmen sich den Stift und das Papier vor sich und schreiben den
Namen ihres Wunschkandidaten darauf. Der Saaldiener wird herumgehen und die
Zettel einsammeln. Da wir hier eine rasche Entscheidung brauchen, können wir
nicht den üblichen Wahlweg einhalten. Lenhardts Stimme wird leiser bis man sie fast nicht mehr
hört... Ich bitte daher um
ihr Verständnis...
Mehrere Kleinlaster
fuhren auf den großen Vorplatz des Gebäudes. Die Fahrer sprangen aus den
Führerhäusern, ließen die Klappen herunter und sahen zum Eingang, der sich
öffnete. Männer und Frauen kamen mit Kisten herausgeeilt und verstauten alles in
den Kleinlastern, die wenige Minuten später voll geladen wieder abfuhren.
Lenhardt V.O. – Stimme
ist wieder laut zu hören:
„Die
Abstimmung war ganz zufrieden stellend. Einige haben sich nicht beirren lassen
und für Ms. Usher gestimmt, einige andere hatten andere Kandidaten im Auge, aber
die Mehrheit hat sich für – Mr. Rupert Giles entschieden.“
Die letzten Wächter
und Wächterinnen des Inneren Kreises verabschiedeten sich auf der Türschwelle
und stiegen in ihre Autos, um zurück in die Stadt zu fahren. George trat in
Begleitung einer Dame in einem schicken Bürodress als letzter aus dem alten
Gebäude heraus. Sie schüttelten sich die Hände und während George selbst zum
Wagen ging, holte die Frau etwas aus einem Aktenkoffer. Es entpuppte sich als
ein Klebeschild, das sie an der Haustür anbrachte. Darauf waren der Name eines
Immobilen-Maklers zu erkennen, samt Telefonnummer, Fax, E-Mail und dem
Schriftzug „Zu verkaufen“.
Lenhardt V.O.:
„Sie,
George, bleiben natürlich als Wächter weiterhin tätig. Es gab keinen Grund Sie
wegen Ms. Usher in ein falsches Licht zu rücken. Allerdings sollten Sie ihr
raten, in den nächsten Wochen nicht nach London zurück zu kehren.
Möglicherweise könnten einige andere Wächter einen Prozess wünschen. Ich
schätze dagegen wird auch der Innere Kreis nichts unternehmen können...“
Die Jägerinnen hatten
sich im Flughafen getroffen. Heute würden die restlichen von ihnen, die nicht
in England lebten, in ihre Heimat zurückkehren. Sie fielen sich um den Hals,
hatten Tränen in den Augen, sprachen wild durcheinander und versuchten alle das
zu vergessen, was sie zu etwas machte, das sie nie sein wollten – einfache
Mörder. Auch wenn sie geglaubt hatten für die rechte Seite zu kämpfen und das
unter dem Einfluss von Ms. Usher geschehen war, änderte es nichts an dem
Unrecht, für das sie alle mitverantwortlich waren.
George V.O.:
„Wie
sie alle wissen, hat Mr. Lenhardt mit seinem Verhalten den Inneren Kreis
gefährdet. Es ist nur eine Frage der Zeit bis die Kollegen mit Nachforschungen
anfangen werden. Sie werden natürlich nichts mehr finden, außer ein leer
stehendes Haus, aber die Fragen und Zweifel sind geweckt. Ms. Usher hat mir
ihre Aufgaben übertragen bis sie sich darüber klar geworden ist, wie es weiter
gehen soll. Was Mr. Lenhardt betrifft, waren ihre Anweisungen deutlich... wenn
er zur Gefahr wird, sollen wir uns darum kümmern...
Es sah wie ein Unfall
aus, als der silber-metallic Mercedes ins Schlingern geriet und dabei von der
Fahrspur abkam. Er raste ungebremst durch die Leitplanke und stürzte in die
Tiefe der Küstenstraße, ehe er unten zwischen den Felsen aufschlug und sich
Metall krachend und quietschend zusammen schob. Nur wenige Sekunden später
explodierte der Wagen mit einem lauten Knall und eine Feuersäule schoss in die
Höhe...
... Rettungsmannschaften
seilten sich ab, während bereits Spurenermittler am Wrack standen. Einer von
ihnen griff ins Innere und fand im Fußraum ein Stück eines Flaschenhalses, auf
dem noch ein Stück Etikett klebte, auf dem man das Wort Scotch erahnen konnte.
Die verkohlte Leiche gab ihnen kein Hinweis auf ihre Identität. Das erledigte
für sie eine angekohlte Lederbrieftasche auf dem verbrannten Beifahrersitz. Ein
Sanitäter hatte sie entdeckt und öffnete sie. Der Führerschein fiel ihm
entgegen. Der Tote war demnach ein Deutscher namens Lenhardt...
Cleveland, brennender Club
Nur einen Augenblick später
Noch
ein wenig verwirrt und auch aufgebracht über ihre Begegnung mit dem
Unsterblichen stolperte Buffy zurück zu den anderen. Sie sah wie Faith neben
Ronah kniete und ihren Kopf in ihren Schoß bettete. Buffy hoffte, dass Ronah
nur verletzt war. So hinterhältig konnte das Schicksal gar nicht sein, um noch
jemanden aus Faith kleiner Familie zu töten. Aber für den Moment nahm Buffy das
Schlimmste an...
Dawn
und Kennedy saßen erschöpft auf dem Boden und Buffy blickte sich suchend nach
den Reitern um. Diese hatten sich einfach von den Jägerinnen abgewandt und
eilten auf den brennenden Club zu. Das Gebäude brach gerade ganz in sich
zusammen und ihre Pferde standen gefährlich nahe. So gefährlich nahe, dass sie
versuchten sich loszureisen. Der Schimmel stieg panisch in die Höhe und zerrte
an den festgebundenen Zügeln, der Fuchs versuchte nach hinten auszubrechen,
während die beiden anderen nervös auf die Seite tänzelten. Dem Schimmel gelang
es schließlich sich loszureißen und versuchte zu entkommen. Sein Reiter konnte
gerade noch nach dem Ende der Zügel greifen.
Stumm
sahen die Jägerinnen zu, wie die Dämonen auf ihre Pferde stiegen, um sich vor
dem Feuer in Sicherheit zu bringen. Ihre Angreiferinnen hielten sie wohl für so
unwichtig, dass man sie einfach zurücklassen konnte...
„Halt
durch, Ronah hörst du? Halt durch... ich kann nicht auch noch dich verlieren!“
Das waren die ersten Worte, die Buffy wieder hörte und bedrückt trat sie neben
Faith, die nur kurz aufblickte. Der Bereich um die getroffene Schulter von
Ronah war voller Blut, Blut klebte auch an Faith’ Hose und Blut war am Boden.
Da entdeckte Buffy erst die zweite Wunde am Unterleib.
„Was
ist passiert“, flüsterte sie entsetzt.
„Ich
habe es nicht mehr geschafft rechtzeitig bei ihr zu sein. Dieser Scheißkerl
hatte Zeit gehabt, ihr das Schwert mitten in den Bauch zu rammen...“ Faith sah
wieder zu Buffy auf. „Wo zum Teufel warst du überhaupt? Ich dachte du wolltest
uns helfen, statt dich irgendwo auszuruhen.“
„Hey…
ich kann nichts dafür“, erwiderte Buffy etwas gereizt. „Ich war hier, aber
wurde außer Gefecht gesetzt. Wenn jemand hier Schuld trägt, dann ganz bestimmt
nicht ich.“
„Ach,
jetzt bin ich selbst an Ronahs Zustand Schuld?“, Faith ließ Ronahs
Kopf sanft zurück auf den Boden gleiten und stand auf. Sie baute sich mit einem
musternden Blick vor Buffy auf. Ein Blick der Buffy gar nicht gefiel.
„Wessen
Idee war es denn die Reiter anzugreifen, obwohl sie laut Giles nicht zu besiegen
sind? Jedenfalls nicht mit unseren Waffen und unseren Mitteln?“ Buffys Blick verdüsterte sich.
„Sie
haben uns doch angegriffen, dass war nur Selbstverteidigung...“, keifte Faith
zurück.
„Schluss
damit!“ Kennedy trat plötzlich zwischen Buffy und Faith und sah zwischen den
beiden hin und her. „Für Ronahs
Verletzungen kann keiner was, okay? Es ist dumm gelaufen. Wir haben unser Bestes
gegeben und wenn diese Mistkerle nicht Sorgen um ihre Pferde gehabt
hätten, wären wir jetzt vielleicht alle schon tot. Lasst uns lieber Ronah ins
Krankenhaus bringen und dann Giles von hier berichten.“
„Kennedy
hat recht.“ Dawn legte Buffy beruhigend eine Hand auf die
Schulter. „Lasst uns jetzt erst mal an Ronah denken.“
Malkuth, Halle von Malkuth
Etwas später
„Ich liebe dich.“
Andrew blieb wie angewurzelt stehen. Er drehte sich nicht um, aber
Warren konnte sehen wie ein Zittern durch seinen gesamten Körper lief, und es
kam sicher nicht von der Kälte des Wassers her. Um sie herum war es vollkommen
still, nur das Ticken der mächtigen Uhr zerriss die Dunkelheit wie ein scharfes
Messer.
„Ich weiß, ich hab’ das noch nie zu dir gesagt“, setzte er nach,
“aber vielleicht...“
„Doch hast du“, unterbrach Andrew. Seine Stimme klang immer noch
kühl, aber ein leichtes Beben erschütterte sie. „Du hast es sogar zweimal
gesagt, aber das zählt nicht, ich kann dich nicht dafür verantwortlich machen,
was das Urböse getan hat.“
Er drehte sich langsam um. „Du hast es damals zu mir gesagt, als
du mich dazu überreden wolltest, dass wir Jonathan aus dem Trio kicken. Weißt
du das nicht mehr?“
„Ich... ich“, stammelte Warren und versuchte die richtigen Worte
zu finden. Andrew hatte Recht, das hatte er vollkommen vergessen. Damals hatte
es auch gar nicht gestimmt, er hatte nur versucht, Andrews Gefühle für sich zu
nutzen. Aber das war doch schon so lange her. Das konnte Andrew ihm doch jetzt
nicht mehr vorwerfen, oder?
„Wenn du mich manipulieren willst, musst du dir diesmal was
anderes ausdenken“, fauchte Andrew. „Haben dir deine ganzen Filme nicht
beigebracht, dass man nie zweimal den gleichen Trick verwenden darf? Und
übrigens, falls du’s noch nicht kapiert hast, ich bin ein Typ. Und alle deine
tollen Geschichten über Aliens und
Zuckerwatteplaneten können nichts daran ändern!“
„Ja, okay, du bist ein Typ. Zufrieden?“ Warren zuckte die
Schultern, er begriff nicht, dass Andrew dieser Punkt so wichtig war. Er hatte
Gespräche in dieser Richtung immer tunlichst vermieden, es passte einfach nicht
in sein Weltbild. Er war ein cooler Oberfinsterling und er stand natürlich auf
heiße Babes. So war das immer gewesen.
Und dann musste dieser bescheuerte Andrew daherkommen und alles
durcheinander bringen...
Aber egal. Es war alles egal, solange er nur bei ihm blieb. Und er
würde dafür sorgen, dass er es tat.
Andrew schüttelte den Kopf, und wich zurück, als Warren auf ihn
zutrat. „Nein. Es ist vorbei zwischen uns.“
„Verdammt, Andrew, mir ist klar, dass ich ein paar Dinge falsch
gemacht hab’...“
„Nein.“ Andrew schlüpfte unter dem Pendel der großen Unruhe hindurch,
um ihm auszuweichen. „Ich bin es, der etwas falsch gemacht hat. Dass ich mich
überhaupt auf einen Mistkerl wie dich eingelassen hab’.“
„Pass bloß auf“, zischte Warren. Er packte Andrews Arme und stieß
den anderen Jungen gegen die Wand, genau zwischen zwei Zahnräder, die sich
ratternd drehten. „Du weißt, was mit der letzten Person passiert ist, die so
etwas zu mir gesagt hat!“
„Hör’ auf, mir zu drohen!“ Andrew ließ sich nicht einschüchtern.
„Verdammt, ich will dir doch überhaupt nicht drohen!“ Warren ließ
Andrew los, und trat einen Schritt zurück. Einen Augenblick lang war er
versucht, die Hände gegen die Ohren zu pressen, um das furchtbare Rattern und
Quietschen der Uhr nicht länger ertragen zu müssen, aber dann wurde ihm klar, dass
es in absehbarer Zeit nicht leiser werden würde, und er ließ die Arme sinken. „Ich
will doch nur, dass du bei mir bleibst. Ich brauch’ dich! Ist dir das
vollkommen egal?“
„Darauf kommt es überhaupt nicht an“, schluchzte Andrew. „Ich kann
einfach nicht mehr. Ich hab’ alles für dich getan, hab’ immer an dich geglaubt,
selbst dann noch als alle anderen dich schon längst aufgegeben hatten. Ich
wusste, wer du bist, was du getan hast, aber ich hab’ gedacht, ich könnte dich
ändern... könnte einen besseren Menschen aus dir machen, weil meine Liebe mir
die Kraft dazu geben würde. Aber ich hatte Unrecht. Wenn meine Liebe dafür
nicht stark genug ist, hab’ ich nichts mehr, was ich dir noch geben kann... wir
sind gescheitert... es ist zu spät.“ Mit Tränen in den Augen blickte er Warren
an. „Es ist zu spät.“
„Gib’ mir nur noch eine letzte Chance“, flehte Warren. „Nur noch
eine einzige!“
Wenn er Andrew nicht mit Worten überzeugen konnte, und auch nicht
mit Tränen, dann blieb ihm nur noch eine einzige Möglichkeit...
Andrew wusste gar nicht, wie ihm geschah, als er plötzlich
gepackt, umschlungen und gegen die Wand geschoben wurde. „Hör’ auf“, wimmerte
er leise, aber sein Körper vermochte sich nicht gegen die wilden Küsse und
Berührungen zu wehren, sein Widerstand erlahmte, verblasste mit jeder der
tickenden Sekunden um sie herum...
„Er hat gesagt, du sollst aufhören!“
Eine Gestalt trat zwischen den Ketten und Hebeln hervor, und
Warren fuhr herum, starrte mit wutverzerrtem Gesicht in das sich drehende
Uhrwerk hinein. Einen Moment lang glaubte er, Jonathan vor sich zu sehen, doch
als der Eindringling näher kam, konnte er im schwachen rötlichen Licht des Pendels
sein Gesicht erkennen.
„Verschwinde“, schrie Warren. „Hau ab!“
„Lass’ ihn los, Warren!“ Die Stimme war nicht lauter geworden,
doch sie enthielt eine eindeutige Drohung.
„Verschwinde“, schrie Warren ein weiteres Mal, die Wut schüttelte
ihn... ohne zu überlegen, griff er in die metallene Masse des Getriebes, riss
eines der Zahnräder heraus und warf es in die Richtung des unerwünschten
Störenfriedes. Es traf natürlich nicht, aber das war auch gar nicht seine
Absicht gewesen. Es blieb irgendwo zwischen den Ketten stecken.
Und das Ticken verstummte. Das Uhrwerk stand still.
Ein leises Ächzen erklang über ihnen im Getriebe, ein weit
entferntes Stöhnen... wie ein Windhauch in einem alten Gebäude. Einen Moment
lang standen alle drei wie angewurzelt da, doch dann richtete Andrew die Augen
nach oben und riss sich mit einem angsterfüllten Blick aus Warrens Armen los. „Xander!“,
schrie er, jagte auf seinen ehemaligen Freund zu und stieß ihn mit aller Kraft
beiseite. Xander taumelte und ging beinahe zu Boden, als er neben Warren gegen
die Wand strauchelte.
Dann brach das Getriebe über ihnen und es regnete Ketten, Federn,
und messerscharfe Zahnräder auf sie herab.
Wächterhaus
Giles
und Willow saßen schweigend beieinander und blätterten in ihren Büchern vor
sich, verglichen ein paar Angaben und machten sich von Zeit zu Zeit Notizen.
Ihr Gespräch lag schon eine Weile zurück und Giles hatte alles Informative erfahren, was Willow über Hüterinnen,
ihre Aufgaben und ihre Berufung wusste. Es waren Informationen, mit denen er
sich auseinander setzen wollte und musste, aber erst, wenn die Reiter besiegt
waren. Dieser Meinung war auch Willow gewesen. Daher hatten sie ihr Augenmerk
zurück auf die abschließende Recherche gelenkt.
„Ha!“
Giles plötzlicher und ungewohnter Freudenschrei ließ Willow heftig
zusammenzucken. „Ich glaube ich habe es.“ Nervös fuhr Giles mit seinem Zeigefinger
über die Zeilen vor sich, dann lächelte er zufrieden und lehnte sich zurück.
„Es ist natürlich kein Anlass zur Freude, aber trotzdem denke ich, dass wir das
Recht haben uns dafür zu gratulieren, dass ich herausgefunden habe, wo sich die
Reiter treffen werden. Das war die gute Nachricht. Die schlechte – noch heute
Nacht wird das Ereignis stattfinden, das notwendig ist, damit der Talisman
seine Kräfte entwickelt. In weniger als... zwei Stunden“, sagte Giles mit einem
Blick auf die Uhr hinter sich, „werden sich die Planeten gegen uns wenden. Ich
befürchte, wir müssen versuchen Buffy über ihr Handy...“
Weiter
kam er nicht, denn in diesem Moment hörten sie
laute Stimmen auf dem Flur und kurz darauf öffnete Buffy die Hintertür in den
Konferenzraum. Giles und Willow sprangen beim desolaten Anblick der blonden
Jägerin gleichzeitig vom Stuhl auf, wobei es nur Willow war, die die rasche
Bewegung sofort bedauerte, als ein scharfer stechender Schmerz durch ihren
Bauch fuhr.
„Buffy...
um Himmelswillen, was ist passiert?“ Giles und Willow blickten den Jägerinnen
schockiert entgegen, die alle irgendwelche Verletzungen im Gesicht und am
Körper trugen. Buffys rechte Wange und Auge waren zugeschwollen, Dawn hatte einen tiefen Schnitt über der
Stirn, Kennedy trug ihren linken Arm in einer Schlaufe, wobei Willow besorgt
der versengte linke Ärmel auffiel, und Faith hatte zahlreiche kleinere Wunden
im Gesicht und Schnittverletzungen an den Händen. Und wo war Ronah?
„Faith
wollte unbedingt herausfinden, ob Ihre Prophezeiung lügt“, sagte Buffy gereizt
mit einem entsprechenden Seitenblick auf Faith.
„Das
heißt?“ Irritiert blickte Giles zu Faith.
„Die
Reiter. Wir sind auf diese verdammten Dämonen gestoßen, die sich für was Besseres halten“, kam es Faith aufgebracht über
die Lippen, wobei sie Buffys Kommentar zu ignorieren
versuchte. Sie verstand ja, wieso B. verärgert war, aber jetzt wussten sie
zumindest ihre Gegner besser einzuschätzen.
„Ihr
habt...“ Giles begriff langsam und blickte eine Jägerin nach der anderen
anklagend an. Dawn senkte ihren Blick und Kennedy hielt Willows Anblick für
viel interessanter, wenn auch für verwirrend. Sollte sie nicht im Krankenhaus
liegen...
Für
Faith und Buffy hatte Giles einen besonders langen, klagenden Blick übrig,
unter dem sich nur Buffy zu winden schien, während Faith ihren herausfordernden
Glanz in den Augen nicht verlor. „Ihr habt gegen die Alten gekämpft? Ja seid
ihr den von allen guten Geistern verlassen? Wir müssen eine Apokalypse
verhindern und zwar mit vereinter Kraft. Ich kann keinen Ausfall dulden. Wobei
wir beim Thema wären... wo ist Ronah?“
Endlich
zeigte Faith so etwas wie Reue, dachte Buffy, und überließ es der Kollegin
Giles die Wahrheit zu beichten. Faith’ Miene wurde eine Spur traurig und der
harte Glanz in ihren Augen erlosch.
„Na
ja... wir waren einen Moment unachtsam“, gab Faith drucksend zu. „Ronah hat’s
erwischt. Wir mussten sie ins Krankenhaus bringen. Aber es geht ihr den
Umständen entsprechend gut. Sie muss... operiert werden.“
„Da
– bitte“, sagte Giles fast ein wenig schnippisch und verdrehte die Augen. „Wie
ich befürchtet hatte.“ Doch seine Augen drückten seine Angst und Sorge um Ronah
aus.
„Wir
sind noch immer zu viert“, gab Dawn zu bedenken. „Genau wie es die Prophezeiung
verlangt.“
„Wir
verzichten schon auf Xander und Andrew“, erwiderte Giles etwas gereizt und
fühlte sich dabei ziemlich alleine auf seinem Posten. „Aber bitte... sehen wir,
wie wir damit klar kommen in... uhm... ein oder zwei
Stunden.“
„Ein
oder zwei Stunden?“ Entsetzt kamen die Worte fast gleichzeitig über die Lippen
der Jägerinnen, während Giles nickte.
„So
ist es. Willow und ich haben inzwischen ein paar Dinge mehr herausgefunden...“
„Willow...
genau... solltest du nicht im Krankenhaus liegen?“ Buffy sah ihre Freundin
anklagend an und setzte sich. Wobei dieses nur in Zeitlupentempo möglich war,
um alle schmerzenden Stellen ihres Körpers nicht zu sehr zu beanspruchen.
„Ich
glaube, das könnte ich euch inzwischen auch fragen.“ Willow blickte kurz mit
einem Stirnrunzeln zu jeder der verletzten Jägerin. „Wobei ihr ja eure
supertollen Heilkräfte habt.“ ‚Und wo waren ihre Fähigkeiten gewesen?’, fragte
sie sich im Stillen, nicht völlig frei von alten Zweifeln über ihr neue
Fähigkeiten. Hätte sie eigentlich nicht die Gedanken ihrer besten Freundinnen
empfangen müssen und somit vom Kampf erfahren? Willow glaubte noch einen langen
Weg vor sich zu haben, wenn sie eine gute Hüterin werden wollte. „Ich konnte
einfach nicht ruhig liegen bleiben und auf den Weltuntergang warten“, lächelte
Willow schwach.
„Als
hätte ich es geahnt“, erwiderte Buffy mit Schuldgefühlen behaftet.
„Das
hat nicht alleine etwas mit Dawn zu tun, okay?“, versuchte Willow die Freundin
zu beruhigen. „Ich will euch helfen und nicht tatenlos zusehen.“
„Mit
mir?“ Anklagend blickte Dawn zu Buffy, die sich schuldbewusst auf ihrem Stuhl
klein machte. Inzwischen sah es ja ganz so aus, als könnten sie wirklich nichts
mehr dagegen tun. Die Zeit arbeitete mal wieder gegen sie.
„Ich
musste es versuchen, okay?“, bat sie Dawn um Verständnis, die stumm nickte.
Aber ihre Enttäuschung war ihr offen ins Gesicht geschrieben.
„Okay...
Schatz.“ Kennedy war inzwischen zu Willow gegangen und umarmte sie mit dem
unverletzten Arm von hinten. „Ich kann zwar nicht behaupten, dass ich deine
Entscheidung gut heiße, aber ich schätze wir haben keine Zeit mehr, um darüber
zu streiten.“
„Ganz
recht“, mischte sich Giles wieder ein. „Heute Nacht in ein bis zwei Stunden
wird eine recht seltene Planetenkonstellation eintreten. Wenn ich mich recht
entsinne“, sagte er etwas zögernd und dachte angestrengt nach, ehe er mit
seinem Wissen gewohnt belehrend herausrückte. „Gab es die letzte 1475.“
„Ich
hasse es wenn er das tut“, flüsterte Buffy Dawn mit einem Grinsen zu und war
dann wieder ganz Ohr.
„Die
Planeten werden auf die Stunde genau einen vollkommenen sechszackigen Stern,
ein Hexagramm, bilden. Hinzu kommt dabei eine Zentrierung der Planeten um die
Sonne. Aber bevor ich euch jetzt mit den Bezügen zum Vollmond und diversen
Sternzeichen irritiere, kürze ich das Ganze ab – Astrologen sehen in diesem
Ereignis auch eine lang angekündigte Beendigung des Wassermann-Zeitalters und
den Beginn einer neuen Ära.“
„Also
den Weltuntergang?“, fragte Dawn.
„Eine
Interpretationssache“, erwiderte Giles. „Aber in unserem Fall sehr zutreffend.“
„Ist
doch völlig egal“, meinte Faith. „Es findet jetzt statt und das bedeutet für
uns Arbeit.“
„Richtig“,
nickte Giles. „Die Reiter werden dazu einen erhöhten Platz suchen, der frei von
Bäumen und Gebäuden ist. Es gibt drei Möglichkeiten wo dieser Ort sein könnte.“
Giles zog eine Karte von Cleveland unter dem Berg Bücher hervor. „Allerdings
nehme ich an, dass dabei, wie für gewöhnlich, die Anziehungskraft des
Höllenschlundes eine Rolle spielt. Und daher“, Giles tippte mit dem Zeigefinger
auf eine rot umkreiste Stelle. „Glaube ich wird es hier stattfinden. Eine
Erhöhung in der Nähe des Sees und damit auch in der Nähe des Höllenschlundes.
Hier werden die Reiter die Macht erlangen, um ihre Kräfte einzusetzen, um den
Weltuntergang zu bringen. Das wäre soweit kein Problem, wenn sich meine
Jägerinnen nicht völlig sinnlos verausgabt hätten, bei dem Versuch...“
„Stopp...“,
fiel ihm Faith ungehalten ins Wort. „Ich denke wir haben ihren Standpunkt
vorhin schon verstanden, Giles. Kein Grund uns das jetzt ständig unter die Nase
zu reiben.“
„Er
hat doch recht“, seufzte Buffy. „Ich war dagegen, du hast es in die eigene Hand
genommen. Ronah wäre fast drauf gegangen und wir sehen nicht besser aus.“
„Dafür
wissen wir jetzt, was sie mit ihren Waffen anstellen können, oder nicht? Wir
haben es mit eigenen Augen gesehen und nicht nur von Giles geschildert bekommen.“
Faith klang gekränkt. „Und wir wissen, dass sie kaum bezwingbar sind.“
„Da
hat Faith allerdings recht“, stimmte Dawn überraschend zu.
„Gut,
dann wissen wir das jetzt mit Bestimmtheit“, meinte Kennedy. „Aber wirklich
weiter gebracht hat es uns nicht.“
„Ich
muss euch etwas gestehen“, sagte Buffy plötzlich und leise genug, um alle
Blicke interessiert auf sich zu ziehen. „Als ich vorhin im Kampf gegen die Wand
flog und wieder zu mir kam, hatte ich plötzlich Gesellschaft.“ Buffy sah direkt
zu Giles. „Der Unsterbliche ist in der Stadt“, ließ sie dann die Bombe platzen.
Giles
verzog kurz das Gesicht zu einem missfallenden Ausdruck. „Hm... und... und was
will er hier?“
„Oh,
das hat er mir natürlich nicht verraten“, sagte Buffy leicht sarkastisch, wobei
sie sich innerlich sträubte Giles Recht geben
zu müssen – der Unsterbliche war undurchsichtig und seine Absichten erst recht.
Doch bisher hatte er nur Dinge getan, die ihnen weiterhalfen. Zudem sah er einfach
umwerfend aus und er konnte so gut küssen wie keiner, den sie je hatte… das
waren zwei sehr gute Gründe, um doch Vertrauen in ihn zu setzen. Einmal ganz
abgesehen davon, dass etwas Dunkles, Mystisches an ihm haftete und dem hatte
Buffy noch nie hatte widerstehen können.
„War
auch etwas ungünstig, so zwischen mordlüsternen Dämonen und verletzten
Jägerinnen. Aber er deutete neue Informationen an. Irgendetwas mit ihren Waffen
und den Pferden. Wir hatten keine Zeit das Gespräch zu vertiefen und ich
bezweifle, dass mir die Zeit bleibt nach ihm zu suchen, um alle Details zu
erfahren.“ Buffy fiel erschreckend ein, dass sie sich zwar für später
verabredet hatten, aber ohne Ort und Zeit auszumachen. Eine innere Stimme
verriet ihr jedoch, dass der Unsterbliche sie schon finden würde, sobald er das
nur wollte. „Jedenfalls sagte er, der Talisman alleine gibt ihnen nicht die
ganze Macht. Sondern auch ihre Waffen und die Pferde. Wenn es uns gelingt sie
zu zerstören, dann hätten wir sie geschwächt.“
„Ich
weiß noch immer nicht, ob wir ihm vertrauen können. Diesem Unsterblichen“,
murmelte Giles mehr für sich, ehe er etwas lauter weiter sprach. „Aber seine
Worte decken sich mit zwei Zeichnungen im Buch und dem dazugehörigen Text, der
jetzt für mich einen Sinn ergibt. Also wenn ich es richtig verstehe, haben wir
alle fehlende Teile zusammen und können uns um einen Schlachtplan kümmern.“
„Toll“,
sagte Kennedy voller Enthusiasmus, ehe sie etwas zweifelnder hinzufügte. „Toll
für Sie. Können Sie das irgendwie noch mal zusammenfassen?“
„Wir
haben den Ort, an dem sie sich versammeln, wir haben den Zeitpunkt zu dem die
Kräfte des Talisman erwachen und wir haben die konkreten Hinweise darauf, dass
wir mit der Zerstörung ihrer Waffen und der Tötung ihrer Pferde im Vorteil
wären“, zählte Giles geduldig auf.
„Gut,
dann ist der Plan ja schnell aufgestellt“, meinte Faith. „Wir holen uns unsere
Waffen, fahren zum See raus und erwarten dort die Reiter...“
„Vielleicht
sollten wir das Ganze etwas besser
durchdenken“, unterbrach sie Giles und sah erwartungsvoll zu Buffy, die mit den
Schultern zuckte, dann ergeben seufzte und aufstand.
„Wir
sollten den Überraschungsmoment ausnutzen. Vielleicht
gelingt es uns vor ihnen dort zu sein und uns zu verstecken oder aber wir
kommen an, wenn sie gerade beschäftigt sind... jedenfalls hätten wir einen
Vorteil auf unserer Seite. Wir greifen zu viert an, versuchen aber dieses Mal
nicht die Reiter selbst anzugreifen, sondern ihnen ihre Waffen wegzunehmen oder
sie gleich zu zerstören. Vielleicht gelingt es uns auch an ihre Pferde
heranzukommen...“
„Willow
und ich werden euch mit einem Schutzzauber unterstützen“, unterbrach Giles
kurz. „Wir haben über diesen Plan vorhin schon
geredet. Es ist ein sehr mächtiger Zauber, den ich ohne Willow nicht ausführen
könnte. Wir legen um jeden von euch eine Art Schutzschild, das euch vor
tödlichen magischen Angriffe schützen wird.“
„Ist
Willow dafür nicht zu geschwächt“, gab Kennedy besorgt zu bedenken.
Willow
nickte zu ihrer Besorgnis zustimmend und meinte: „Es wird meine letzten
Kraftreserven aufbrauchen, aber in diesem Kampf sollte das unser geringstes
Problem sein. Der Zauber wird funktionieren. Die Frage ist nur wie lange.“
„Na,
wir werden unser Bestes tun und uns beeilen“,
grinste Kennedy.
„Ihr
müsst nur dafür sorgen, dass wir am Ende an den Talisman herankommen. Ich werde
ihn mit meinen magischen Kräften zerstören, so wie es laut Prophezeiung zu
geschehen hat“, fügte Willow hinzu.
„Und
ich“, sagte Dawn mit fester Stimme. „Werde kämpfen, bis wir die Reiter so weit
haben, dass ich mich darauf konzentrieren kann meine Schlüsselform anzunehmen,
ohne von einem der Dämonen gegrillt oder in ’ne Eissäule verwandelt zu werden.“
„Na
bei deinem reinen Wesen sollte das kein Problem sein“. klopfte ihr Faith auf
die Schulter.
„Fein...
dann wollen wir mal nach geeigneten Waffen suchen.“ Buffy hatte ihr
durchtrenntes Schwert nicht vergessen. „Robust müssen sie sein und unheimliche
Kräfte aushalten können. Uns sollte klar sein, dass uns ein schwieriger Kampf
bevorsteht. Dieses Mal gibt es nur uns und keine Armee von Jägerinnen...“
„Dafür
gibt es aber auch keine Armee von Urvampiren“, murmelte Kennedy. „Ein Plus für
uns.“
„Vielleicht
versuchen wir doch Xander und Andrew zu informieren“, schlug Dawn vor.
Doch
Giles schüttelte sofort den Kopf.
„Dafür
reicht uns die Zeit nicht mehr. Wir
haben auch noch die Fahrtzeit vor uns...“
„Sie
würden so oder so nicht mitkommen“, meinte Buffy und hatte bereits den
Waffenschrank geöffnet. Sie warf den anderen Äxte, Breitschwerter, eine
Armbrust, einen Speer, mehrere Wurfmesser und einen Morgenstern zu. Sie selbst
suchte sich ein auffallend schön verziertes Samurai-Schwert aus, das in einer
schwarzen, gold verzierten Scheide steckte.
“Was ist eigentlich mit der Sense?“, fragte Willow und spähte Buffy über die
Schulter. Doch ihre Super-Wunder-Waffe war nicht im Schrank. „Die hatten wir
doch im Safe?“
„Ja,
gute Frage,“ Buffy drehte sich mit fragendem Blick zu
Giles herum.
Giles
machte ein sehr betretenes Gesicht und wirkte auf einmal etliche Jahre älter.
„Ehm.. ich gebe es ungern zu, aber sie ist nicht mehr hier?“
„Nicht
mehr... was?“, Buffy riss erstaunt die Augen auf. „Unsere mächtigste Waffe? Ich
dachte eigentlich wir hätten eine kleine Versicherung in der Hinterhand, um
wenigstens etwas gegen die Reiter ausrichten zu können..
wo ist sie?“
„Nun..
ich glaube Lily hat sie gestohlen. An dem Tag, als sie hier war und unsere
‚Kooperation’ in der Sache Reiter haben wollte. Sie muss vorher in meinem Büro
gewesen sein... der Safe stand am Abend offen und war leer. Ich hätte es euch
schon früher erzählt, aber der plötzliche Angriff auf Malkuth hat das völlig in
den Hintergrund gedrängt.“
Fassungslose
Augen starrten den Wächter an, der sich unter den anklagenden Blicken zu winden
schien. „Ich hätte die Kombination ändern sollen,“ gab
er kleinlaut und selbst anklagend zu.
„Nun,
da können wir nichts mehr daran ändern,“ sagte Kennedy
frustriert.
„Und
wenn sie Lily hat.. wieso hat sie sie in Malkuth nicht eingesetzt?“, fragte
Buffy und kam wieder an den Tisch zurück.
„Ich
schätze, ihr Plan wäre nicht ganz aufgegangen, wenn eine der Seiten diese
mächtige Waffe eingesetzt hätte,“ grübelte Giles.
„Eine Seite hätte gewonnen und das war nicht Lilys Ziel.“
„Verdammt,“ fluchte Buffy, dann zuckte sie mit den Schultern. „Ändern
können wirr das wirklich nicht mehr. Dann... sollten wir langsam gehen?“ Buffy
sah in die Runde.
Entschlossene
Blicke erwiderten den ihren, stummes Nicken begleitete die Aufbruchsstimmung und
mit den Taschen voller Waffen und magischen Büchern, strömte die kleine Gruppe
aus dem Gebäude hinaus in die klare Nacht hinein...
AKT 4
Ein Hügel über dem Erie-See
Nacht, zur selben Zeit
Die sternenklare und mild herrschende Nacht kündete den
Sommer in Cleveland an – unwissend von der Gefahr, die sie barg und die über
die ganze Welt kommen sollte. Warme Luft und das Mondlicht umhüllten eine
Stadt, der in den letzten 24 Stunden übel mitgespielt worden war und deren
Einwohner teilweise instinktiv und ohne behördliche Warnung langsam diese
Großstadt verließen. Eine Autoschlange nach der anderen schob sich aus der Innenstadt und von
den Vororten auf die Autobahnen zu. Das Ziel war unbekannt – man wusste nur,
dass man sicherer lebte, wenn man seinem Zuhause den Rücken kehrte.
Eine Stadt, die den Sommer vielleicht nicht mehr erleben
würde, wenn es den Jägerinnen nicht gelang, die Apokalypse zu verhindern, deren
Anfang in wenigen Minuten auf einer Anhöhe über dem Erie-See
ihren Lauf nehmen würde.
Umgeben von einem natürlichen Steinwall lag der Ort des
Geschehens geschützt vor neugierigen Augen ruhig da, während der unendliche
schwarze Teppich mit seinen Billionen kleinen Lichtpunkten ihn überspannte und
vier starke, mächtige Streitrosse mit vier Riesen auf ihren Rücken ausspuckte.
Sie stiegen aus diesem dunklen Nachthimmel herab, um auf der freien Ebene der
Anhöhe zu landen.
Kaum hatten die Hufe der Tiere den sandigen Boden berührt,
zogen die Dämonen an den Zügeln und lenkten die Pferde in die Mitte des Platzes,
wo sie sich in einem Kreis mit den Pferdeköpfen zueinander gewandt aufstellten.
Der Indianer zog den Talisman hervor und hielt ihn auf der ausgestreckten Hand
in die Mitte den anderen entgegen. Einer nach dem anderen berührte ein Teil des
magischen Steins.
Als der letzte von ihnen das Stück Metall berührte, zogen
dunkle Wolken am Himmel auf und bedeckten die ersten Sterne, bis sie auch den
runden, hellen Mond erreicht hatten. Dunkelheit machte sich breit, ehe sich die
Wolken wieder verzogen und der Vollmond mit seinem kalten Licht die Nacht
erhellte.
Genauso schnell wie sie gekommen waren, zogen die Wolken
wieder weiter. Rasch klärte sich der Nachthimmel wieder auf und als die letzte
Wolke verschwand, fuhr aus dem Nachthimmel ein mächtiger, heller, lilafarbener
Blitz hernieder. Der Blitz fuhr direkt in den Talisman hinein und brach darin
sein Licht so, dass der Platz für mehrere Sekunden in ein grelles Licht
getaucht wurde, während die Reiter und ihre Pferde von einem hellen, lilafarbenen
Schein durchströmt wurden. Es drang durch jede
Ritze in die Rüstungen und Bekleidungen und schien auf einmal aus den Dämonen
selbst zu scheinen.
Und dann fiel der Strahl auf einmal in einer Sekunde in sich
zusammen. Dunkelheit und eine drückende Stille kehrte auf dem Platz ein. Einzig
die Augen der Reiter und Pferde glühten im fahlen Licht des Mondes helllila
auf.
Erst jetzt zogen die Vier ihre Waffen mit einer synchronen,
anmutigen Bewegung hervor. Sie hielten die sie für
eine Sekunde zurück, ehe sie sie mit einem ohrenbetäubenden, schrillen
Schrei, der aus ihren Kehlen drang und das neue Zeitalter ankündigten,
in den Himmel reckten.
Scharlachrote Blitze fuhren aus den Waffenspitzen und
bündelten sich zu einem einzigen, starken Strahl in der Mitte über ihnen. Dieser
Strahl fuhr nach oben und verlor sich in der Weite. Jedoch breitete sich das rote Licht dort rasend schnell in
die Breite aus und erhellte den Himmel über Cleveland blutrot...
Die Welt
Im selben Augenblick
Als sich über Cleveland der dunkle Himmel plötzlich rot
verfärbte, begann das Erdbeben – zunächst zaghaft, dann in Intervallen, immer
stärker, bis unter seiner ansteigenden Heftigkeit Hochhäuser erzitterten und
schwankten – vereinzelt stürzten einige sogar ein, begruben unter sich Autos
und arglose Passanten. Autobahnbrücken brachen in sich
zusammen, Mauerwerk stürzte ein, Steinbrocken wurden zu gefährlichen Geschossen
für Cleveland’s Einwohner und Autofahrer. In
Cleveland erzitterte in nur wenigen Sekunden überall die Erde, brachte
verheerende Zerstörungen und setzt sich weiter fort, verschluckte kleinere
amerikanische Dörfer um Cleveland herum in einen Erdspalt und war noch lange
nicht aufzuhalten...
In Südamerika kamen zur selben Zeit in verschiedenen
Ortschaften größere Mengen an feuchter Erde ins Rutschen und begruben alles
unter einer Schlammlawine, das ihnen in den Weg kam...
Vor der nordeuropäischen Küste setzte fast überall eine
plötzliche Schlechtwetterfront ein, die zunächst eisigen Regen mit sich
brachte, der sich jedoch schnell in richtigen Eisregen verwandelte.
Fischerboote und Containerschiffe gerieten in Seenot und Deiche brachen unter
hohen, starken Brechern, die man sonst nur im Winter kannte. Dörfer direkt am
Meer standen in Sekundeschnelle unter Wasser....
Südliche Küstenländer sahen sich der Bedrohung eines Tsunamis gegenüber, der über die
Badestrände wütete, Tod und Zerstörung zurückließ. An anderen Strandländern
raste ein Hurrikan auf das Festland zu...
Schneelawinen kamen in allen möglichen Gebirgen ins Rutschen und begruben Dörfer an ihren Hängen
unter einer gewaltigen, zerstörerischen Schneedecke...
Die Vorboten der Apokalypse hatten sich eingestellt – die
„Reinigung“ hatte begonnen...
Unterhalb der Erhöhung
Zur selben Zeit
Mit
quietschenden Reifen brachte Giles den Van schlingernd zum Stehen. Im selben
Moment fuhr der scharlachrote Blitz in den Himmel und erhellte die Außenwelt um
sie herum mit einem blutroten Schimmer.
„Wir
kommen zu spät“, rief Kennedy panisch vom Rücksitz, wo sie zusammengequetscht
mit Faith, Dawn und Willow saß.
„Was
ist das?“, flüsterte Buffy erschrocken, während sie alle beobachteten, wie der
Lichtstrahl im Nachthimmel sein rotes Licht ausbreitete. Niemand von ihnen sah
die Reiter, die hinter dem Steinwall auf ihren Pferden da standen, doch jedem war
ihre Anwesenheit bedrückend bewusst.
„Es
hat begonnen“, erwiderte Giles gelähmt von der Erkenntnis.
Es
war Dawn, die alle aus ihrer Erstarrung riss, in dem sie die Autotür öffnete
und hinaus sprang. „Also was ist... schauen wir zu, wie die Welt und die
Menschheit untergeht, oder tun wir was dagegen?“
„Treten
wir ihnen in den Hintern“, stimmte Faith zu und folgte.
„Sorgen
wir dafür, dass sich unsere Welt morgen auch noch dreht.“ Mit diesen Worten
sprang Buffy aus dem Wagen.
„Klingt
ein bisschen nach Bond“, grinste Kennedy. „Aber ich bin dabei.“
„In
bester Hoffnung“, murmelte Giles und warf Willow über die Schulter einen
fragenden Blick zu. Sie nickte entschlossen und Giles fühlte sich trotz Willows
Bereitschaft noch immer nicht wohl bei dem Gedanken, die geschwächte Hexe
dieser Anstrengung auszusetzen. Aber tief in sich war er trotzdem froh mit
Willow eine Macht an ihrer Seite zu wissen, die ihnen einen klaren Vorteil
verschaffte. Das schlechte Gewissen blieb.
Ein
wenig Hektik brach um den Van aus, als man begriff, dass man noch immer etwas
gegen die Dämonen tun konnte und Eile angesagt war. Die Taschen mit den Waffen
wurden aus dem Kofferraum geholt und dann verteilt. Faith hängte sich eine moderne,
schwarz-silberne Armbrust um die Schulter, steckte sich zwei Dolche in den
Gürtel ihrer Lederhose und griff am Ende nach einem Schwert. Kennedy und Dawn
deckten sich jeweils mit einem Satz Wurfmesser ein. Zusätzlich nahm Kennedy den
Morgenstern an sich und steckte sich ein Kurzschwert in den Gürtel. Dawn begnügte
sich mit einer Axt und Buffy hatte nichts anderes in der Hand als das
Samuraischwert.
Giles
reichte am Ende Willow die Tasche mit den magischen Büchern und schloss leise
den Kofferraum. Bereit wie sie waren stürmten sie die Erhöhung hinauf.
Nur
Dawn, die eben noch alle mitgerissen hatte, zögerte. Es gab da jemanden, von
dem sie sich noch nicht verabschiedet hatte, weil die Zeit einfach nicht mehr
gereicht hatte. Niemand hatte heute am Tag ahnen können, dass sie in der Nacht
die Welt retten mussten. Dawn zog mit ihrer freien Hand ihr Handy hervor und
wählte rasch das Telefonbuch an, bis Shins Name auf
dem erleuchteten Display erschien. Egal wie die Nacht ausging, Dawn würde ihn
nie wieder sehen. Wenn alles vorüber war, war sie entweder eine Heldin ohne
menschliche Gestalt oder alle waren dem Weltuntergang zum Opfer gefallen. Sie
musste noch einmal mit Shin sprechen, seine Stimme
hören...
Aber
was wollte sie ihm am Telefon sagen, das nicht zu unpersönlich wirken würde?
Sie starrte das Handy an und bemerkte nicht, dass Buffy zurückkam.
„Hey...
alles klar?“, frage die ältere Schwester leise und
besorgt, als sie bei ihrer Schwester angekommen war.
„Alles
klar“, nickte Dawn mit etwas Traurigkeit in ihrer Stimme. „Es ist nur...“
„Shin“, sagte Buffy und sah sie verständnisvoll an. „Ich
verstehe, wenn du dich von ihm verabschieden möchtest, aber die Zeit drängt...“
„Ich
weiß doch“, seufzte Dawn und schaltete ihr Handy ab. Sie steckte es wieder ein
und zog dann einen Umschlag hervor, den sie Buffy entgegen hielt. „Den habe ich
vorhin schnell bei Giles geschrieben... für alle Fälle. Würdest du dafür
sorgen, dass Shin ihn bekommt? Er weiß nicht was ich
vorhabe. Er denkt, ich würde nur einen Kampf führen und hinterher gehen wir
einfach ins Kino.“
Buffy
nahm ihr den Brief ab und nickte. „Sicher...“ Ihre Stimme war leise und als
Dawn sich herum wandte und zu den anderen blickte, die dort auf sie warteten,
löste sich aus Buffys Auge eine Träne und rann über
ihre Wange. Nicht nur Shin wünschte sich solch einen
Ausgang... nicht nur er...
Hügelplateau
Wenige Sekunden später
Auf
dem freien Platz über dem See standen die Reiter weiter konzentriert in einem
Kreis, die Waffen emporgereckt. Sie hörten nicht, wie sich die kleine Gruppe
ihnen näherte, bekamen nichts davon mit, wie Buffy den anderen per Handzeichen zu
verstehen gab, dass sie sich trennen sollten, um einen Ring zu bilden. Sie
wollte die Reiter eingekreist überraschen. Giles und Willow blieben zurück im
Schatten der Steinformationen und öffneten ihre Bücher um sich vorzubereiten.
Als
Buffy die anderen auf Position sah, wollte sie zu verstehen geben, dass sie
noch einen Moment warten sollten, bis sie von Giles das Okay bekamen, dass sie
für den Schutzzauber soweit waren, als Faith und Kennedy ohne auf die anderen
zu achten hervorsprangen ....
Malkuth, Große Unruhe
Etwas später
„Andrew?“ Benommen zog sich Xander vom Boden hoch. Sein Knie war
aufgeschrammt, er hatte ein paar blaue Flecken abbekommen, doch ansonsten
schien alles heil geblieben zu sein. Offenbar war er gerade noch rechtzeitig
aus der Gefahrenzone gebracht worden.
„Andrew?“ Warren war bereits dabei, sich durch die Masse an
heruntergefallenen Metallteilen zu wühlen. „Wo bist du? Alles okay bei dir?“
„Ja, hier und nein.“ Die beiden jungen Männer stießen Seufzer der
Erleichterung aus, als sie eine dumpfe Stimme unter den Trümmern vernahmen.
„Bist du verletzt? Bleib ganz ruhig liegen, wir holen dich raus.“
Xander half Warren das mächtige Pendel beiseite zu schieben. Mit etwas Glück
hatte es Andrew vor den spitzen und gefährlicheren Trümmerteilen geschützt.
„Ich glaub’ schon.“ Andrews Gesicht kam darunter zum Vorschein, es
war blass, aber zumindest an Kopf und Brust schien es ihn nicht erwischt zu haben.
„Mein Bauch... es tut so weh.“
„Nicht!“, schrie Xander. Warren hatte Anstalten gemacht, nach dem
mächtigen, schwarzen Zahnrad zu greifen, welches in Andrews Unterleib steckte.
„Wenn du es raus ziehst, verblutet er. Wir müssen so schnell wie möglich Hilfe
holen.“
„Und wie?“, fragte Warren und starrte mit panischem Blick um sich.
„Der Ausgang ist zu, jetzt wo die Uhr zerstört ist. Und von der anderen Seite
kommt das Wasser. Wir können ihn in seinem Zustand doch nicht durch die Gänge
schleppen? Das nächste Lager für Verletzte ist meilenweit entfernt.“
Xander überlegte fieberhaft. Warren hatte Recht, mit Andrew war
der Weg in die Stadt unmöglich. Vielleicht konnte einer von ihnen losrennen und
Hilfe holen, während der andere hier blieb.
Verdammt, alles wäre so einfach, wenn sie es nur schaffen könnten,
Andrew auf die andere Seite der Uhr zu bringen. Dann könnten sie innerhalb von
Minuten einen Krankenwagen rufen, und er wäre in Sicherheit...
„Die Uhr“, fiel es Warren siedendheiß ein, „wir müssen die Uhr
wieder zum Laufen bringen.“
Derselbe Gedanke war Xander auch gekommen, aber im ersten Moment
schien die Idee undurchführbar zu sein. Gut, sie verstanden beide etwas von
Elektronik und Warren hatte schon weitaus kompliziertere
Maschinchen gebaut. Aber sie konnten unmöglich jedes der riesigen Zahnräder
wieder an seinen Platz schaffen. Nicht jetzt, wo jede Minute zählte...
„Der magische Energiekern der Uhr ist noch intakt.“ Warren deutete
auf eine gold schimmernde Spirale, die sich über ihnen drehte, kleine leuchtende
Kugeln schwebten darin. „Wir müssen nur eine Verbindung zum Ziffernblatt
schaffen, die ein paar Minuten durchhält... wir kriegen das hin, Andrew. Wir
bringen dich hier raus. Du musst nur noch ein bisschen durchhalten... alles
wird gut.“
Er beugte sich über seinen Freund und strich ihm die Haare aus der
verschwitzten Stirn. „Alles wird gut“, wiederholte er hilflos.
„Vielleicht in einem anderen Leben.“ Andrew lächelte, griff in
einer spielerischen Geste nach oben und umfasste die Hälfte des zerbrochenen
Anhängers, welche aus dem Ansatz von Warrens T-Shirt gerutscht war und nun über
ihm in der Luft baumelte. „Wenn wir beide Katzen sind.“
Wenn Andrew wieder Filme zitierte, dann war das auf alle Fälle ein
gutes Zeichen. Xander wandte den Blick nach oben zum Ziffernblatt, welches
nicht sehr stabil wirkte, aber zumindest noch an Ort und Stelle hing. Sie
konnten...
„Andrew!“, schrie Warren. „Du darfst jetzt nicht einschlafen,
Andrew, du musst wach bleiben! Verdammt, tu mir das nicht an, Andrew, wach auf!
Wach doch auf!“ Sein Schrei ging in ein Schluchzen über, als er den reglosen
Körper bei den Schultern packte und schüttelte. „Andrew, wach auf!“
Einen schrecklichen Augenblick lang stand Xander wie erstarrt,
dann kniete er nieder, löste Andrew aus Warrens Griff und legte ihn behutsam auf
den Boden zurück. „Du kannst ihm nicht mehr helfen“, sagte er leise. „Es ist zu
spät.“
Hügelplateau
Kennedy und Faith sprangen hervor, bemerkten im Kampfesrausch
nicht einmal, dass Dawn und Buffy ihnen nicht gefolgt waren und stürmten gegen
den Sturm direkt auf den Kreis zu, den die Reiter in der Mitte des Platzes
gebildet hatten.
„Ich nehme den staubigen Typ!“, schrie Faith und bemerkte
innerhalb eines Bruchteils einer Sekunde bevor sie lossprang, dass zwei
Jägerinnen fehlten. Doch da war es schon zu spät... Kennedy nickte und visierte
den eisigen Reiter an, der direkt vor ihr auf dem Pferd saß. Die Reiter
schienen sie entweder nicht zu bemerken oder nicht zu beachten, denn sie
starrten noch immer wie hypnotisiert in den Himmel.
Mit voller Wucht knallten die zwei Jägerinnen auf die kräftigen
Körper der Reiter, schafften es, den Überraschungsmoment zu nutzen und
schleuderten sie tatsächlich von ihren Pferden.
Mit einer Wucht spürte Faith, wie das enorme Gewicht des Reiters
auf ihr landete, als sie zusammen auf den Boden krachten und für kurze Zeit
blieb ihr die Luft weg. Erstaunt starrte sie der afrikanische Reiter an. ‚Oh mein Gott…’, schoss es Faith erst
jetzt durch den Kopf, ‚das ist genau der
aus meinem Traum!’
Faith nahm all ihre Kräfte zusammen und schaffte es endlich, den
massiven Körper von sich zu stoßen, als sie plötzlich einen Schrei hörte und
sie, wie Kennedy, ihrem Angreifer kräftig in den Magen trat. Kenny hatte wohl
mehr Glück gehabt und ihr Reiter war nicht auf ihr gelandet.
Faith sprang auf und blickte dem ihren nun wieder tief in die
Augen, auch wenn sie dafür ihren Kopf in den Nacken legen musste.
„Verschwindet!“, knurrte der Reiter gereizt und wollte nach seiner Waffe
greifen, die allerdings eben einige Meter weit weg geschleudert wurde.
„Oh nein... DAS haben wir definitiv nicht im Sinn!“, antwortete
Faith, holte noch einmal tief Luft und lief erneut auf ihn zu. Mit voller Wucht
schlug sie ihn mit ihrer linken Faust mitten in seine Schamanenmaske, woraufhin
ein harter Kampf ausbrach.
Kennedy hörte Faith’ Kampfgeschrei und sah sich kurz nach Buffy
und Dawn um, erkannte aber zu ihrem Erstaunen, dass auch Willow langsam wie
eine Katze am Rand rund um den Kampfplatz schlich. So hatte sie sich das mit
dem Zauber nicht vorgestellt und hoffte, dass ihrer Freundin nichts passieren
würde.
Der Eisdämon nutzte sofort den Moment ihrer Unachtsamkeit aus,
packte sie an ihrem Hals, riss sie vom Boden hoch und schleuderte sie einige
Meter weit weg. Er stieß einen lauten Schrei aus, als er aufsprang. Der
schrille Ton erweckte die beiden anderen Reiter aus ihrer Starre, die ihren
Blick vom Himmel nahmen und auf die Angreifer richteten.
Der Indianer richtete sogleich seinen Tomahawk auf Faith und
Kennedy erkannte die Gefahr sofort. „FAITH, pass auf!“, schrie sie und wollte
auf den Indianer zulaufen, als sie plötzlich von ihrem alten Angreifer gepackt
und kräftig nach hinten gerissen wurde.
Faith wirbelte geschockt herum und hatte gerade noch Zeit genug,
zu erkennen, dass ein gewaltiger Riss im Boden auf sie zuraste. Sie schrie auf
und rechnete schon damit, in der nächsten Sekunde in einem Erdspalt zu
verschwinden, als direkt vor ihr plötzlich ein transparentes Schild zum
Vorschein kam. Faith hörte einen Schrei von Giles, als der Riss auf den Schutzzauber
traf und direkt vor ihren Schuhspitzen zum Stillstand kam.
„BUFFY! Verdammt noch mal, kommt endlich!“, schrie Faith, als sie
von ihrem alten Angreifer, dem Feuerdämon, gepackt und mit voller Wucht auf den
Boden geschleudert wurde, während der Indianer und der Asiate
ihre Pferde auf sie zu lenkten...
Malkuth, Höhle der großen Unruhe
„Lass
die Finger von ihm“, schrie Warren und stieß Xander beiseite. “Es ist alles
deine Schuld! Alles war okay, bevor du aufgetaucht bist und dich eingemischt
hast. Was hast du überhaupt hier zu suchen? Du...“
Xander
hörte nicht mehr zu. Er sank in sich zusammen und versuchte zu begreifen, was
soeben geschehen war, doch alles in ihm war eine dumpfe, düstere Leere...
„Andrew,
verdammt, wach auf!“
Es
konnte einfach nicht sein. Andrew konnte nicht tot sein. Nicht er. Nicht
nachdem er aus so vielen kniffligen Situationen rausgekommen
war. Andrew geriet immer in knifflige Situationen. Die ganze Zeit.
Rachedürstende Hexen versuchten ihn umzubringen, blondgefärbte
Vampire ihn auszusaugen, hässliche Todesboten in schwarzen Roben jagten mit
ihren Schwertern hinter ihm her...
„Tu
mir das nicht an! Lass mich nicht allein!“
Und
er kam immer wieder raus. Wie eine kleine Maus, die sich in letzter Sekunde ein
Schlupfloch suchte. Und damals, als es keinen anderen Ausweg gab, hatte sie ihn
gerettet... gerettet auf Kosten ihres eigenen Lebens...
„Es
tut mir leid, hörst du! Ich hab’ das nicht gewollt!“
Genauso,
wie Andrew es jetzt für ihn getan hatte...
Warrens
Schreie waren verstummt. Eine eisige Stille breitete sich in der dunklen Höhle
aus, die nun nicht mehr vom Ticken und Rattern der Unruhe erfüllt war. Nur der
schimmernde Energiekern über ihnen verbreitete noch einen schwachen Schein. Die
kalten, metallischen Oberflächen der Trümmerteile warfen ihn zurück, metallisch
wie der drückende Geruch, welcher das Atmen schier unmöglich machte. Warren
hielt ein von Blut überströmtes Zahnrad in der Hand...
Der
erste Schlag hätte Xander mitten ins Gesicht getroffen, hätte er nicht zufällig
den Kopf zur Seite genommen, um seinen Blick von Andrews regloser Gestalt
abzuwenden. So fuhr Warrens Hand dicht an seinem Kopf vorbei, Fingerknöchel
schrammten die Wange, als das Zahnrad mit lautem Klirren gegen die felsige
Höhlenwand krachte. Warren heulte vor Schmerz auf und schlug mit der Faust ein
weiteres Mal zu, doch diesmal war Xander vorbereitet. Er blockte den Schlag mit
dem Unterarm, und versuchte den anderen von sich wegzustoßen.
„Hör
auf!“, schrie er. „Du hast für heute schon genug angerichtet!“
„Du
verdammter... du verdammter...“ Warrens Worte waren nicht mehr als ein Zischen,
seine unbändige Wut machte jedes Sprechen unmöglich. Xander schrak zurück, als
er in diese nachtdunklen Augen blickte, erfüllt von Raserei und grenzenlosem
Hass wie die Augen eines Dämons.
Das
letzte Mal, als er diesen Blick gesehen hatte, hatte Warren mit einer Pistole
in der Hand auf seine beste Freundin gezielt...
Und
abgedrückt...
Hügelplateau
Etwas zeitversetzt, ein paar
Minuten früher
„Verdammt, Ken...“, war alles was Willow in dem Moment erschrocken
aufschrie, als Faith und Kennedy einfach lossprangen ohne auf das Zeichen zu
warten. Willow sprang aus dem Sitzen hoch und wäre fast auf den Kampfplatz
gestürmt, hätte sie Giles nicht schnell festgehalten.
„Um Himmelswillen, Willow. Sie brauchen uns hier. Lass uns schnell
anfangen, bevor wir nichts mehr für sie tun können.“
„Natürlich“, murmelte Willow abwesend und beobachtete weiter mit
Herzklopfen das Kampfgeschehen. Dann riss sie sich zusammen und griff nach dem
Buch. „Ich bin bereit.“
„Passt bloß auf euch auf“, sagte Buffy leise und sowohl Willow als
auch Giles nickten ihr zu.
„Mach dir keine Sorgen um uns, sondern hilf den anderen“, bat
Giles seine einstige Jägerin, während Willow bereits anfing um den Kampfplatz
zu laufen. Giles trennte sich von Buffy und Dawn und lief in die entgegengesetzte Richtung von Willow los.
Kurz darauf begannen sie in einem leisen, stetigen Singsang ihre
Zaubersprüche aufzusagen – Satz für Satz in einer fremden Sprache. Kaum hatten
sie damit angefangen, legte sich um die Jägerinnen ein kaum sichtbares
Schutzschild. Und wie Giles erkannte, keine Sekunde zu früh... Faith wurde im
rechten Augenblick vor einem klaffenden Erdspalt gerettet. Leider wurde diese
Aktion von einem schmerzhaften Ziehen in Giles’ Schläfen begleitet und während er
erstaunt und unter Schmerzen aufschrie, begann er Schlimmes für seine und
Willows Kraftreserven zu ahnen.
Kampfplatz
Aktuelle Zeit
„Ich denke du hast das hier verloren!“, schrie Buffy und warf
Faith das Schwert zu, das ihr beim Sprung am Anfang aus der Hand gerutscht war.
Faith sprang hoch, fing es aus der Luft und wehrte in der nächsten Sekunde den
Angriff des dunkelhäutigen Reiters ab.
Buffy sondierte den Kampfplatz erneut. Die beiden herrenlosen
Pferde standen noch immer in der Mitte und sahen ihnen verwundert zu. Faith
stand mit dem schwarzen Reiter links, Kennedy mit dem blassen Eisreiter rechts.
Der Erd- als auch der Wasserreiter stiegen nun von ihren Pferden ab, nachdem
sie sich aus der Mitte gelöst hatten und richteten ihre Waffen in die Richtung
von Buffy und Dawn.
„Oh mein Gott!“, schrie Dawn und stieß Buffy aus dem Weg, als wie
aus dem Nichts eine Wassersäule auf sie zuschoss. Buffy landete hart auf dem
Boden, während Dawn verwundert und erleichtert auf das knisternde, gold
schimmernde Schild sah, welches Giles und Willow auf sie projiziert hatten.
Besorgt blickte sich Buffy kurz um, als sie im Augenwinkel sah,
dass Willow kurz zusammengebrochen war. ‚Wir
können uns auf das Schild nicht verlassen’, schoss es ihr durch den Kopf. ‚Ihre Kräfte reichen nicht aus...’ Mit
dieser erschreckenden Erkenntnis sprang Buffy sofort wieder auf, umgriff ihr Samurai-Schwert fester und stürmte auf den
asiatischen Reiter zu.
Dawn ging einige
Schritte nach rechts und sah dem Reiter, der erst vor kurzem aus dem Höllenschlund
unter Cleveland ausgebrochen war, mutig entgegen. In letzter Sekunde ließ
er den Talisman in seiner Tasche verschwinden, ehe er ihr entgegen trat. ‚Na
toll...’, dachte sie sich, ‚jetzt kann ich auch noch eine Leibesvisitation
machen!’
Doch davon unbeirrt ließ sie dabei langsam ihre Hand nach unten
gleiten, zog in Sekundenschnelle eines der Wurfmesser und schleuderte es direkt
auf den Kopf des Dämons zu. Vergeblich. Mit einer lächerlichen Gleichgültigkeit
hob er die Hand, fing es im Flug ab und warf es zu Boden.
„Du schmutzige Göre, was fällt dir ein?!“, schrie er wütend,
strich mit seiner Hand noch einmal kurz und beruhigend über die Schnauze seines
Pferdes und hob dann schreiend den Tomahawk.
---
Willow kam keuchend wieder auf die Beine, schüttelte benommen
ihren Kopf und starrte über das Kampfgetümmel hinweg zu Giles, der besorgt
stehen geblieben war und zu ihr herüberblickte.
Sie schüttelte als Zeichen, das alles in Ordnung war, ihren Kopf
und begann weiter zu laufen. Selbst wenn der Zauber so mächtig war, dass er ihr
und Giles alles abverlangte, war das noch lange kein Grund klein beizugeben. Es
galt ihre Freundinnen zu beschützen – egal zu welchem Preis...
---
Kennedy griff nach dem Morgenstern, den sie vorhin verloren hatte
und hob ihn auf. Erneut schrie der isländische Reiter wütend auf, riss sein
Breitschwert kurz nach oben, richtete es dann wieder auf sie und schleuderte
erneut einen mörderischen Eiszapfen in ihre Richtung, der wieder auf dem
Schutzfeld abprallte. Kennedys Puls schlug so heftig, dass er ihr in den Ohren
pochte. Jedes Mal wieder fürchtete sie, dass der magische Schild nachgeben
würde. Besorgt blickte sie zu Willow. Wie lange würde sie diesem Zauber noch
standhalten? Oder Giles, der zwar magisch erfahren war, aber nicht die Macht
von Willow besaß? Er war es, der dieses Mal nach dem Abwehren des Angriffes
bedrohlich schwankte und sich an einem Stein abstützen musste. Und Willow, nun –
sie war eine mächtige Hexe, aber sie war geschwächt... und das hier waren
gleich vier große Alte auf einmal.
Verwundert und verwirrt blickte sich der isländische Reiter um.
Auch die anderen schienen mit ihren magischen Angriffen nicht weit zu kommen.
Aber es gab auch andere Möglichkeiten, diese unreinen Gören vom Antlitz der
Erde zu entfernen.
Er stärkte seinen Griff um sein Schwert und trat dann einige
Schritte näher an die Jägerin heran. Kennedy betrachtete ihn abschätzend,
begann ihren Morgenstern zu schwingen und sprang sofort auf ihn zu. Sie traf
seinen Arm mit voller Wucht und sie dachte auch, einen Knochen splittern zu
hören, doch sonst passierte nichts. Der Dämon lachte auf, riss ihr die Waffe
aus der Hand und schleuderte sie aus Kennedys Reichweite. Dabei schlug der
Morgenstern auf einem der Felsen auf, der unter der Wucht des Aufpralls einfach
in sich zusammenbrach.
Ohne eine weitere Sekunde zu verschenken sammelte Kennedy ihre
Kräfte neu, lief auf ihn zu, rutschte in der letzten Sekunde unter seinem
massiven Körper hindurch, sprang hinter ihm auf und rammte ihm ihr Kurzschwert
in den Rücken, bevor er sich auch nur umdrehen konnte.
Dunkles, kaltes Blut spritze ihr ins Gesicht, als sie die Waffe
heraus zog, und mit voller Wucht ein weiteres Mal auf den Rücken des Reiters
einstach.
---
Der Asiate hob sein Dao-Schwert
und Buffy sah mit teilnahmslosen Gesicht der Wassersäule entgegen, die erneut
auf sie zuraste, nur um am Schutzschild abzuprallen. Buffy hörte Willows
Schrei, aber um die Freunde im Verborgenen nicht zu verraten, vermied es Buffy
in ihre Richtung zu blicken.
„Gott, ihr seid wohl auch nicht die schnellsten. Hast du es noch
nicht geschnallt? Euer Hokuspokus funktioniert so nicht“, schrie Buffy ihm
entgegen und zog ihr Samuraischwert in einer anmutigen Bewegung nach oben über
ihren Kopf. Sollte sich der Dämon nur wagen zu kommen...
Verwirrt legte der Reiter kurz seinen Kopf schief und sah sich um.
Tatsächlich... die anderen waren alle in den Nahkampf übergegangen.
Buffy nutzte diese Gelegenheit, lief auf ihn zu und holte mit
ihrem Schwert aus. Doch sie hatte sich täuschen lassen. Er zögerte nicht eine
Sekunde lang, fuhr mit seiner rechten Hand nach, riss ihr das Schwert aus der
Hand und packte sie mit der Linken am Genick. Langsam hob er sie nach oben und
drückte ihr dabei die Luft ab. Buffy strampelte, trat ihm mit voller Wucht in
das maskierte Gesicht, doch das schien ihm nichts auszumachen. Er lachte
amüsiert auf, als Buffy ihre Hände hob und mit aller ihr zur Verfügung
stehenden Kraft versuchte, seinen Griff zu lockern. Vergeblich. Er ließ nicht
nach. Buffy drohte zu ersticken.
„Dawn!“, krächzte Buffy mit ihrem letzten Atemzug und ihre
Schwester schien es wie durch ein Wunder zu hören. Diese duckte sich unter
einem Angriff ihres Reiter hinweg, machte eine Rolle nach vorne, griff nach
einem Wurfmesser und wollte es in die Richtung des asiatischen Reiters
schleudern, als sie allerdings plötzlich von ihrem eigenem von hinten gepackt
wurde und so kräftig nach hinten geschleudert wurde, dass er ihr dabei fast die
Schultern ausgekugelt hätte.
Buffys rotes Gesicht nahm
schon eine leichte Blaufärbung an und unermessliche Panik stieg in ihr hoch.
Das konnte doch nicht wahr sein. Sie konnte hier nicht sterben, bevor der Kampf
nicht einmal wirklich angefangen hatte.
Sie spürte das Knistern des magischen Schutzfeldes, das Willow und
Giles aufrechterhielten, doch in ihrer Situation konnten sie ihr damit nicht
helfen. Langsam wurde alles dunkel.
Malkuth, Höhle der großen Unruhe
Xander
sprang ein weiteres Mal zur Seite, als das Zahnrad wieder auf ihn zuschnellte
und suchte mit hastigen Blicken nach einer Möglichkeit, sich zu verteidigen.
Worte würden nicht zu Warren durchdringen, nicht in diesem Zustand. Er griff
nach einer riesigen Sprungfeder, über die er beinahe gestolpert wäre und
versuchte, sich den Angreifer damit vom Leib zu halten.
Was
verdammt, sah Andrew nur in diesem Kerl? Hatte... hatte in ihm gesehen? Warum
war es ihm nicht gelungen, Andrew rechtzeitig... ihn rechtzeitig...
Warren
hob die Arme, als wolle er ein weiteres Mal zuschlagen, ließ aber stattdessen
das Zahnrad fallen und versuchte, seinem Gegenüber die Feder zu entreißen. Xander trat zu – wenn
es ihm jetzt gelang, den Gegner von den Beinen zu holen, konnte er vielleicht
Schlimmeres verhindern...
‚Sie
hat ihr Leben geopfert, um dich wertloses kleines Miststück zu retten und ich
wollte bei Gott, sie hätte es nicht getan! Ja, ich wollte dieses verdammte
Schwert hätte dich in Stücke gehauen, und sie wäre jetzt hier bei mir!'
Worte,
die er niemals wieder zurücknehmen konnte. Konnten Wünsche die Wirklichkeit
beeinflussen?
War
es seine Schuld, was Andrew zugestoßen war?
Nein,
verdammt, es war Warrens Schuld gewesen. Warren hatte Andrew immer nur als
Besitz angesehen, hatte versucht, ihn von seinen Freunden zu entfremden. Und
als Andrew das Spiel nicht mehr länger mitmachen wollte, hatte Warren versucht,
ihn mit Gewalt bei sich zu behalten.
Alles
war ganz genauso gekommen wie er, Xander, es vorausgesehen hatte...
Warren
stürzte zu Boden, doch im selben Moment gelang es ihm mit dem spitzen Ende der
Feder zuzustoßen, und das scharfe Metall bohrte sich in Xanders Schulter.
Eigentlich hätte er Schmerz empfinden müssen, doch seine Wut war in diesem
Moment zu mächtig. Wie von selbst schlugen seine Fäuste auf Warren ein,
schnellten wieder und wieder nach vorne, als seine Beine ins Straucheln
gerieten, als sein Körper auf dem Steinboden aufschlug und ihm für einen Moment
die Sinne schwanden. Instinktiv rollte er sich beiseite, weg von Warren,
welcher stöhnend versuchte, wieder auf die Beine zu gelangen.
Hätte
er es nur geschafft, Andrew von diesem
Mistkerl fernzuhalten. Hätte er nur nicht so überreagiert und dem Jungen solche
Vorwürfe gemacht. Hätte er sich doch wenigstens entschuldigt und sich wieder
mit ihm versöhnt. Als noch Zeit war. Als noch nicht alles zu spät war...
Oh
Gott, es war alles seine Schuld gewesen... wenn er nur anders gehandelt hätte,
dann könnte Andrew jetzt noch...
Hügelplateau
Faith riss ihr Schwert hoch, wehrte einen Angriff ab
und sprang zur Seite. Ohne weiter nachzudenken drehte sie sich wild herum,
sprang erneut nach links und nutzte die kurze Verwirrung ihres Gegners dafür,
um ihm von hinten mit voller Kraft in den Rücken zu springen.
Der afrikanische Reiter stolperte nach vorne, stürzte jedoch nicht
wie gehofft und drehte sich wutentbrannt wieder zu ihr um. Seine Augen waren
rot wie Glut, und er sah sie hasserfüllt an.
„Eure minderwertige Rasse wird diesen Lebensraum nicht länger für
sich beanspruchen können!“, schrie er sie an, hob sein Elfenbeinschwert erneut
und raste auf sie zu. Faith hob das ihrige ebenfalls, drehte sich allerdings im
letzten Augenblick wieder weg und beförderte ihn nun mit einem gezielten Tritt
wirklich zu Boden.
Als sie kurz aufblickte, sah sie Buffy, die auf der anderen Seite
um ihr Leben rang. Hilflos. Aussichtslos. Ohne eine Sekunde zu zögern machte
sie eine Rolle nach vorne, zog dabei die Armbrust, die sie noch immer umhängen
hatte, zielte und drückte ab. Der Pfeil schoss durch die Lüfte, über die Pferde
hinweg und bohrte sich durch die hölzerne Maske durch den Kopf.
Im nächsten Moment wurde Faith gepackt und über das halbe
Schlachtfeld geschleudert.
---
Buffy spürte, wie sich der Griff löste, und sie zu Boden knallte.
Benommen öffnete sie die Augen, zwang sich aufzustehen. Die Welt drehte sich
rund um sie, allerdings nur kurz. Sie war eine Jägerin, sie hatte jetzt keine
Zeit für diese Schwächen. Das Schicksal der Welt hing von ihnen ab.
Ihr Blick klarte auf und erschrocken stolperte sie zurück. Ihr
Hals schmerzte schrecklich, doch das, was sich gerade vor ihren Augen
abspielte, lenkte sie sofort davon ab.
„Oh mein Gott..!“, flüsterte Buffy. Faith
hatte genau in die Mitte des Schädels getroffen. Der Reiter fasste sich an seinen
Hinterkopf, und tastete nach dem Pfeil. Als er ihn gefunden hatte, begann er
ihn langsam aus seinem Kopf zu ziehen. Es dauerte einige Zeit und Buffy hätte
sie eigentlich besser nutzen können, als ihn dabei nur anzustarren, aber sie
konnte das einfach nicht glauben.
Er schrie auf, als er den letzten Rest des Pfeils aus seinem Kopf
zog. Blut und Gehirnfetzen hingen daran, aber der Reiter schien keine weiteren
Beschwerden zu haben. Als er kurz seinen Kopf drehte, war die Eintrittswunde
verschwunden.
---
„Ähm, Leute!“, schrie Kennedy panisch,
als sie von ihrem Reiter zurückstolperte. Sie hatte mindestens zehn Mal auf den
Rücken des ihres Gegners mit der blassen, eisigen Haut eingestochen, doch die
Wunden waren alle wieder verheilt. Komplett.
Erneut sprang sie ihr Reiter an, doch ihr gelang es, seinen
Angriff abzuwehren. Sie riss ihr Kurzschwert hoch und ging damit auf ihn los.
Gut, sie konnte ihn damit nicht töten, aber sie musste alles tun, um an sein
Schwert zu kommen, denn das war vielleicht die einzige Waffe, mit der sie ihn
vernichten konnte.
---
Willow und Giles waren stehen geblieben, als ihnen bewusst wurde,
dass die Reiter ihr Schutzschild durchschaut hatten
und die Jägerinnen im Nahkampf attackierten. Es gab nichts, was die beiden für
die vier hätten tun können. Sie mussten warten und hoffen, dass ihre Kräfte
noch stark genug waren, falls einer der Reiter sich vergaß und doch mit einer
magischen Macht angriff.
Giles Kopf hämmerte, seine Ohren dröhnten und er war über die
kleine Pause ganz froh, auch wenn sein Herz beim Anblick der schier
aussichtslosen Lage auf dem Kampfplatz wild aufgeregt gegen seine Brust
hämmerte.
Willow fühlte sich wie Giles ausgelaugt und die Wunde an ihrem
Bauch brannte höllisch. Sie ersparte es sich danach zu sehen. Nach dem Kampf,
falls es ein später gab, konnte sie sich noch immer um ihre Wunden kümmern. Sie
wollte jetzt hier ihre Konzentration nur auf ihre vier Freundinnen richten, für
die sie im Moment jedoch nichts tun konnte...
---
Der Asiate schnaufte laut, als er nach seinem Dao griff und Buffy erneut anvisierte. Wasser sammelte sich
an der Schneide der Klinge, kleine Wassertropfen. Sie schienen von überall her
zu kommen, von dem Reiter, aus der Luft, sogar aus dem Boden. Buffy machte sich
wieder bereit, versuchte all ihre inneren Kräfte zu mobilisieren und stärkte
den Griff um ihr Samuraischwert.
Plötzlich begann es stark zu regnen und die Tropfen schlugen auf die
Erde ein, als bestünden sie aus Eisen. Buffy spürte das Knistern des
Schutzfeldes, welches ihr Willow und Giles spendeten.
Aber es ließ nach und dessen war sich die Jägerin bewusst. Sie mussten diesen
Kampf zu Ende bringen, hier konnte sie nicht darauf hoffen, dass die Kondition
ihrer Gegner früher nachließ als ihre.
Plötzlich setzte sich der Reiter in Bewegung und lief auf Buffy zu, sein
Schwert zog noch immer das Wasser der Umgebung an. Als er bei der blonden
Jägerin angekommen war, ließ er einen mörderischen Schrei aus seiner Kehle
entweichen, holte mit seinem Schwert aus, und ließ es auf die Jägerin herab
fahren.
Buffy riss ihres zur Abwehr hoch, drehte sich daraufhin zur Seite, und
wollte ihm ihr Schwert in den Rücken schlagen, doch ihre Waffe glitt nur durch
die Wassermassen, die wie aus Kübeln auf sie herab regneten. Wie aus dem Nichts
tauchte der Reiter wieder vor ihr auf, schlug sie mit der Faust und beförderte
sie erneut zu Boden.
Sie drehte sich sofort weg, als das Dao-Schwert
auf sie herab fuhr, sprang hoch und... schlug erneut in leere Luft. Unerwartet
wurde sie von hinten gepackt, doch sie reagierte schnell, griff hinter sich,
packte zu, duckte sich, und schleuderte den Reiter mit einem kräftigen Wurf,
für den sie all ihre Kräfte mobilisiert hatte, über sich hinweg. Doch mitten im
Flug verlor sie ihn erneut aus den Augen. Wo kam überhaupt diese Menge Wasser her?
Doch Buffy hatte keine Zeit, sich umzusehen, denn im nächsten Moment wurde sie
von links von dem Reiter gerammt und mit voller Wucht über einen Stein
geschleudert.
Schmerzen durchzuckten ihren Körper, als sie wieder aufsprang und sich zwang,
die Kontrolle zu behalten und die Schmerzen zu verdrängen. Der Regen hatte so
schnell wieder aufgehört, wie er angefangen hatte. Langsam und schnaufend kam
der Reiter nun wieder auf sie zu. Aus den Augenwinkeln erblickte Buffy Willow, die
sich in ihrer Nähe aufhielt und weiter ihren Schutzzauber murmelte, auch wenn
er langsam keinen Nutzen mehr hatte...
---
„Ihre
Waffen!“, hörte Dawn plötzlich Willows Stimme in ihrem Kopf, als sie eine Rolle
nach vorne machte, damit einen weiteren Treffer vermied und daraufhin wieder
aufsprang.
„Nehmt ihnen
die Waffen ab. Nur mit ihnen könnt ihr sie besiegen!“, hörte sie Willow weiter
sagen. Kurz suchte sie die Hüterin, konnte aber nur Giles erkennen, der in der
Nähe von Faith stand und weiter aus seinem Zauberbuch las. Die Pferde standen
noch immer unbeteiligt in der Mitte des Kampffeldes und sahen ihren Herren beim
Kampf zu.
Sie wandte
sich wieder dem Reiter zu, der sie mit hasserfülltem Blick ansah und dann
erneut attackierte. Dawn sprang ebenfalls nach vorne, parierte seinen Angriff
mit dem Tomahawk mit ihrer Axt und schlug ihn daraufhin mit voller Wucht gegen
den Panzer aus Knochen, der seinen Oberkörper schützte. Mit Genugtuung hörte
sie, wie diese brachen, drehte sich weg und ersparte sich damit einen weiteren
Treffer.
Wütend fuhr
er herum und wollte erneut auf sie einschlagen, doch sie riss ihre Kampfaxt
hoch und schaffte es, ihn damit vollkommen zu überraschen. Sein Tomahawk wurde
aus seiner Hand katapultiert und landete einige Meter wieder im Matsch, den der
plötzliche, kurze Regen verursacht hatte. Wütend schrie er auf und drehte sich
in die Richtung seines Pferdes, hob seine Hand als wollte er ein Zeichen geben,
doch Dawn stellte sich ihm in den Weg, sprang hoch und trat ihn mit ihrem linken
Fuß direkt ins Gesicht. Leicht benommen stolperte er nach hinten und stürzte zu
Boden.
Dawn schrie
auf, als sie plötzlich wie aus dem Nichts kräftig in den Rücken getreten wurde
und ebenfalls mit dem Gesicht voran in den Schlamm knallte. Vollkommen überrascht
fuhr sie herum und drehte sich sofort nach links, als die Hufe des Pferdes
erneut auf sie herabsausten.
Malkuth, Höhle der
großen Unruhe
Etwas später
Warrens Hände
umschlossen einen der riesenhaften Kolben, als er mühsam versuchte, wieder auf die
Beine zu gelangen. Er wandte die Augen nach links und
rechts und sah Xander unweit von sich auf dem Boden liegen.
Dieser
verdammte Schweinehund war immer noch nicht tot.
Aufstehen
schien unmöglich, irgendwie musste er sich an einem der spitzen Metallteile
sein Bein verletzt haben, doch er nahm sich nicht die Zeit, es zu untersuchen.
Er kroch weiter am Boden entlang, nur von dem einzigen Gedanken besessen, Rache
zu nehmen. Seine Hände, glitschig von all dem Blut, legten sich um Xanders
Kehle. Für diesen verfluchten Bastard war Andrew gestorben, diesen Mistkerl,
der ihn fortgejagt und ihm die Freundschaft gekündigt hatte. Er würde dafür
bezahlen und zwar mit seinem Leben...
Keuchend und
hustend schnappte Xander nach Luft, versuchte den Klammergriff um seinen Hals
zu lösen. Es schwindelte ihn, seine Arme hatten keine Kraft mehr, sei es vom
Blutverlust, oder dem mangelnden Atem, er würde es wohl nicht herausfinden.
Mehr instinktiv als von einem klaren Gedanken gelenkt griff er nach dem
nächsten Gegenstand, der sich heben ließ und schlug ihn gegen Warrens Kopf.
Dieser schrie auf und sackte in sich zusammen, ließ aber nicht los. Seine Hände
krallten sich nur noch fester in Xanders Kehle...
Schmerz
explodierte wie ein Feuerwerk hinter seinen Augen und seine eigene Stimme klang
so fremd, als gehöre sie einem anderen. Warren fühlte wie ihm das warme Blut
übers Gesicht lief und ihm die Sicht raubte, die Höhle verschwamm vor seinen
Augen zu einem tosenden Wirbel aus Schwarz und Rot...
Xander hörte
das Ächzen und Krachen über sich, als ein weiteres Zahnrad aus seiner
Verankerung fiel und irgendwo neben ihnen zu Boden stürzte. Die Erschütterung
war wie ein Erdbeben, brachte die Wände zum Erzittern und den Boden zum
Schwanken. Die Uhr würde nicht weiterbestehen, sie
würde vollends zusammenbrechen und wenn dies geschah, gab es für keinen von
ihnen beiden ein Entkommen. Auch Warren schien dies irgendwie bewusst geworden
zu sein, denn sein tödlicher Griff um Xanders Kehle lockerte sich für einen
Augenblick...
‚Verdammt, ich
muss hier raus‘, schoss es Warren durch den Kopf. ‚Wenn ich jetzt draufgehe,
kann ich Andrew nicht mehr retten... ich muss eine Möglichkeit finden, ihn
zurückzubringen... das ist wichtiger als Rache... es gibt Möglichkeiten... ich
weiß es... ich muss...‘
Xander sog die
Luft in seine Lungen und fühlte wie sein Kopf wieder klar wurde. Er nutzte den
Moment, um ein weiteres Mal nach Warrens Händen zu greifen, bevor diese wieder
zudrücken konnten, bekam einen der blutverklebten Finger zu fassen und brach
ihn mit einem Knacken entzwei. Warren machte – für den Moment wenigstens – keinerlei
Versuche mehr, ihn anzugreifen, seine Hände glitten zu Boden. Tief in sich
spürte Xander die Versuchung, ein weiteres Mal auf ihn einzuschlagen, doch die
Vernunft siegte, er musste jetzt jedes Bisschen seiner Kräfte darauf verwenden,
hier heraus zu kommen. Um ihn herum türmten sich Berge von Trümmern auf,
versperrten den Weg ins Innere, seinen einzigen Fluchtweg. Er musste zurück zum
See gelangen, das war die einzige Möglichkeit...
Auf den
Ellenbogen kroch Warren über den Boden, folgte Xander auf den rettenden Ausgang
zu. Hinter den Trümmern war ein dunkler Schimmer zu erkennen, war dies schon
das schwarze Wasser in der Halle von Malkuth? Nur noch wenige Fuß und er würde
aus der Gefahrenzone der in sich zusammenfallenden Uhr gelangen...
„Xander? Alles
okay, Junge, ich hab‘ dich, du bist in Sicherheit.“ Xander fühlte sich
plötzlich hochgehoben, als habe er keinerlei Gewicht und im nächsten Moment
wurde er vorsichtig im Boot niedergelegt. „Nichts ist okay“, stammelte er, als Mos freundliches Gesicht sich über ihn beugte. „Andrew ist...
er ist gestorben, um mich zu retten...“
Mos Augen hatten jeden Funken von
Freundlichkeit verloren, als er sich umwandte und auf Warrens verkrümmte
Gestalt hinunterblickte. „Wenn ich die Macht dazu hätte, würde ich dich für
alle Ewigkeit in die tiefste Hölle schicken und nicht zurück in die Arme deines
Gefährten“, donnerte seine Stimme und noch niemals war er so sehr Dämon
gewesen, wie in diesem Augenblick. Dies war nicht der freundliche Barbesitzer,
auch nicht der weise Zaddik von Malkuth, dies war ein
altes, mächtiges Geschöpf aus einer anderen Welt und sein Zorn war schrecklich.
Wie eine Puppe packte es den Mann, der soviel Unheil über seine Welt gebracht
hatte und schleuderte ihn mit aller Gewalt zurück in den Trümmerhaufen aus
Zahnrädern, metallenen Kolben und spitzen Federn.
Warren
versuchte noch, den Sturz irgendwie abzufangen, doch seine gebrochene Hand
erwies sich dabei als wenig hilfreich. Hart schlug er auf dem Boden auf,
überschlug sich und fühlte ein Brennen in der Seite als etwas Scharfes ihm das
Fleisch aufriss. Beinahe hätte er geschrieen, doch die Stimme versagte ihm noch
bevor er einen Laut hervorbringen konnte. Stattdessen bahnte sich ein
Blutschwall seinen Weg nach oben, die dunkle kupfrige Flüssigkeit stürzte ihm
über die Lippen und raubte ihm den Atem.
‚Die Uhr, die zerstörte Unruhe... Andrew, verdammt, wo bist
du?’
Die Dunkelheit
um ihn herum war so vollkommen, dass nichts die Schwärze durchdringen konnte.
Selbst das schwache Leuchten des Energiekerns über ihm war verschwunden.
‚Verdammt, ich wollte das nicht, du weißt, dass ich es nicht
wollte. Es ist alles schiefgelaufen... du hattest
Recht, ich schaff‘ es immer wieder, alles kaputt zu kriegen... es tut mir
leid... bitte verzeih mir.’
Seine Hände
tasteten um sich herum, seine Gedanken wiederholten die Worte wie ein Mantra, als müsse er sich daran festklammern. ‚Es tut mir leid, hörst du, es tut mir
leid... bitte verzeih mir noch dieses eine Mal. Ich will’s wieder gut machen.’
Der
zerbrochene Anhänger. Andrew trug ihn noch, obwohl er nicht mehr mit ihm
zusammen sein wollte. Hätte er ihn nicht abnehmen müssen, wenn er nichts mehr
für ihn empfand? ‚Lass es mich wieder gut
machen, gib‘ mir noch ‘ne Chance. Nur diese eine noch, ich werd's
nicht wieder verhauen, hörst du?“
Andrews Hände
waren voll Blut, genau wie seine eigenen.
‚Lass uns noch mal ganz von vorn anfangen...’
Er riss den
warmen, schlaffen Körper in seine Arme und vergrub das Gesicht in seinem
Pfirsichhaar, während über ihnen die Große Unruhe in sich zusammenstürzte und
sie unter sich begrub.
Kampfplatz
Geschwächt,
mit schmerzendem Rücken, stellte sich Faith erneut dem afrikanischen Reiter
entgegen.
„Du
sollst eine Auserwählte sein… ach dass ich nicht...“, schrie der Reiter los,
schwenkte dabei sein Schwert, doch er konnte seinen Satz nicht beenden.
„Ach
halt doch die Klappe!“ Faith lief auf ihn zu, schwang ihr Schwert mit aller
Kraft und traf auf seines, sie parierte, und trat erneut seine Klinge.
Unerwartet drehte sie sich zu Seite, schlug ihn mit der Faust in die Rippen,
wich einem erneuten Angriff aus, und schlug
dann wieder mit dem Schwert auf seines ein.
Der
Reiter schien noch keine Müdigkeitserscheinungen zu
haben, als sich Faith erneut nach vorne wagte und versuchte, ihm die Waffe aus
der Hand zu schlagen. Vergeblich. Er erwischte sie mit seiner rechten Faust
mitten im Gesicht. Benommen torkelte sie nach hinten, stolperte über einen
Stein und knallte mit ihrem Hinterteil auf den matschigen Boden. Sie versuchte
sofort wieder aufzustehen, rutschte allerdings weg.
Bedrohlich
trat der Reiter näher und als Faith versuchte aufzuspringen, trat er ihr mit
voller Wucht gegen den Schädel und beförderte sie so wieder zu Boden.
„Du
bist lächerlich!“, sagte der Dämon und trat direkt neben ihren Körper. Langsam
ließ er die Klinge seines Schwertes über Faith’ nach Atem ringenden Körper
gleiten. Geschockt und völlig entkräftet verfolgte sie den Weg der Waffe und sah
ihm schlussendlich wieder in die Augen.
„...
aber um ehrlich zu sein, war es der beste Kampf, den ich seit... Jahrtausenden
hatte!“, sagte er lächelnd und seine Augen leuchteten rot auf. Langsam blieb er
mit seiner Klinge über ihrem Hals stehen.
Tränen
schossen ihr in die Augen, als sie plötzlich an Vi
und Robin denken musste. Sie waren nicht mehr da. Ronah lag im Koma. Was machte
das alles für einen Sinn.
„Du
gibst auf? Nun ja, dass erleichtert einiges!“, sagte der Reiter triumphierend,
und holte mit dem Schwert aus.
Er
ließ einen lauten Schrei los, als die Waffe nach unten sauste und Faith hielt
den Atem an, als plötzlich die Klinge immer langsamer auf sie zukam und
schließlich kurz über ihrem Hals in der Luft hängen blieb. Erstaunt blickte sie
den Reiter an, doch er bewegte keine Miene. Überhaupt bewegte sich gar nichts
mehr. Faith rutschte unter der Klinge weg und stand auf. Die Zeit war stehen
geblieben. War das möglich? Oder war sie nur gestorben und dies war eine Art
Zwischenwelt, in der sie warten musste, bis sie vom Überbringer mitgenommen
wurde.
Langsam glitt sie an
dem steifen Reiter vorbei und betrachtete die anderen Jägerinnen. Sie alle
waren müde, doch sie kämpften. Sie erblicke Willow und Giles, deren Gesichter
Schmerzen zeigten. Schmerzen, die sie ihnen abnahmen.
„Faith...“, bohrte
sich eine Stimme durch die Stille und die Jägerin fuhr erschrocken herum. Eine
nicht auszumachende Gestalt stand im Dunkeln.
„Die Zeit ist schon
eine lustige Sache…“, sagte sie lachend, fuhr mit ihrem Finger über den
afrikanischen Reiter und blickte sich kurz auf dem Kampffeld um.
„Was soll das? Was ist
hier los? Wer bist du?“ Faith sah die dunkle Gestalt gespannt an und stärkte
den Griff um das Schwert.
„Wer ich bin?“ Der
Unbekannte lachte auf und trat dann ins Licht. Der dunkle Magier stand vor ihr.
„Hör’ mir zu,
Jägerin!“ Er kam auf sie zu und blickte sie besorgt an. „Die Regeln haben sich
geändert. Das war so… nicht geplant. Regeln werden am Anfang eines Spieles
festgelegt, genauso wie die Anzahl der Mitspieler. Es ist nicht erlaubt, dass
Leute frühzeitig abbrechen, oder neue Spieler einsteigen, die in dem Spiel
eigentlich nichts zu suchen haben!“
Verwirrt blickte die
Jägerin den Magier an. Was sollte das? Was redete er eigentlich für einen Mist?
Sie kämpften hier gerade um das Schicksal der Welt und er hatte nichts Besseres
zu tun, als über seine bescheuerten Spiele zu schwafeln?
„Was willst du?“, fuhr
Faith ihn an, und hielt im die Klinge an den Hals.
„Es wurde ein Spieler
in das Spiel mit eingebracht, der nicht vorgesehen war. Das Spiel muss abgebrochen
werden!“ Er trat auf sie zu und berührte ihren Bauch, bevor Faith sich wehren
konnte.
Bilder schossen ihr in
den Kopf. Silent Hill. Eve. Vi. Robin. Ronah. Die
Nacht, die sie mit Robin im Motel verbracht hatte, nachdem sie den Wächter für
Giles aufgesucht hatten. Die Übelkeit. Robins letzte Worte. Das Gefühl…
Er ließ ihren Bauch
los und fuhr zurück. Faith starrte ihn geschockt an.
„Die Regeln haben sich
geändert, ich dachte, du solltest das wissen, bevor du leichtfertige
Entscheidungen triffst!“
Der Magier sah sich
noch einmal kurz um, nickte ihr dann zu und ließ eine verdutzte Faith zurück.
Konnte das sein? War sie etwa…?
Mit
einem Knall fuhr die Klinge des Reiters in den Boden, als Faith automatisch den
Kopf zur Seite drehte. Kampfgeschrei war wieder erklungen...
Nein,
noch war sie nicht soweit. Sie konnte jetzt nicht aufgeben. Sie DURFTE nicht
aufgeben.
„Hey!“,
schrie sie dem verdutzten Reiter zu, der noch immer auf die Stelle starrte, an
der sie vorhin gelegen hatte, woraufhin er sich sofort in ihre Richtung drehte.
Faith
sammelte erneut alle Kräfte. Sie musste diesen Kampf überleben. Für Vi. Für
Robin. Für Ronah. Und für sich. Hier zu sterben stand nicht einmal mehr zur
Debatte.
Das
Schwert des Reiters traf erneut auf ihres und Funken begannen zu sprühen. Ein
harter Kampf brach aus, in dem die Klingen nur so klirrten. Die Augen des Angreifers wurden immer roter und Faith sprang
geschockt zur Seite, als das Schwert ihres Gegners in Flammen aufging.
„Na,
hast du etwa Angst vor Feuer?“ Er lachte auf und kam wieder näher.
Faith
lief auf ihn zu, schlug wieder auf ihn ein, parierte seine Angriffe und
schaffte es wirklich, sich an der brennenden Klinge nicht zu verbrennen. Mit einem
Mal schlug sie
ihm mit ihrem Schwert die Waffe zur Seite, sprang hoch und trat ihn so fest in
den Magen, dass er einige Meter zurückstolperte. Faith zögerte nun keine
weitere Sekunde, zog ihre Armbrust, die sie wieder auf den Rücken geschnallt
hatte, hervor, zielte auf den Kopf des Reiters und drückte ab. Der Pfeil bohrte
sich in den Kopf ihres Gegners, der daraufhin zu schreien begann und versuchte,
das Geschoss zu entfernen. Faith sprintete nach vorne, rutschte unter ihm
hindurch, riss dabei seine Füße vom Boden und brachte ihn zu Fall. Mit einem
lauten Knall schlug er auf dem Boden auf, woraufhin sie ihr Schwert durch
seinen Oberkörper bohrte und ihn damit fürs erste fixierte.
Sie
trat nach vorne, riss ihm das Schwert aus der Hand, welches zwar nicht mehr
brannte, aber noch immer glühend heiß war und sah sich siegesbewusst um.
---
Kennedy
fixierte das Breitschwert ihres Gegners. Aus den Augenwinkeln konnte sie gerade
sehen, wie auch Dawn es schaffte, ihrem Reiter den Tomahawk aus der Hand zu schlagen
und nickte zufrieden. Es lief besser als gedacht...
Der
Reiter lachte leicht auf, als er plötzlich sein Schwert in der Luft kreisen
ließ und es hell zu leuchten begann. Kennedy spannte alle Muskeln an, bereitete
sich auf einen Abwehrschlag vor und blickte verdutzt, als der Reiter seine
Waffe mit voller Wucht in den Boden stieß. Von einer Sekunde auf die andere
bildete sich rund um die Eintrittsstelle eine dichte Eisfläche auf dem Boden.
Und sie breitete sich mit rasanter Geschwindigkeit aus. Kennedy schrie auf, als
sie spürte, wie die eiskalte Masse ihre Füße berührte und spürte dann aber mit
Erleichterung, wie das Kraftfeld das Eis von ihrem Körper fernhielt.
Als
sie einen lauten Aufschrei von Giles hörte, der gerade in ihrer Nähe stand,
musste sie all ihren Willen aufbringen, um sich nicht nach ihm umzudrehen. Die
Reiter hatten überraschenderweise noch keine Notiz von den beiden am Rand des
Geschehens genommen und Ken wollte nicht dafür verantwortlich sein, dass sich
das änderte.
Ihr
blieb allerdings keine Zeit, sich weitere Gedanken darum zu machen, denn ihr
Angreifer stürmte schon wieder auf sie los… und im Gegensatz zu ihr schien er
kein Problem damit zu haben, sich auf der Eisfläche, die einen Umkreis von
einigen Metern hatte, fortzubewegen.
‚Ich
muss sofort hier herunter!’, schoss es Kennedy durch den Kopf, doch schon wurde
sie gerammt, stürzte und schlitterte auf der kalten Fläche einige Meter, bis
sie gegen einen der großen Steine knallte, die am Rand des Kampffeldes lagen.
Ohne
eine weitere Sekunde zu zögern sprang sie wieder auf, schaffte es nicht
auszurutschen, holte weitere Wurfmesser aus ihrer Tasche und schleuderte sie in
die Richtung der Füße ihres Angreifers. Mit Leichtigkeit drangen die
Wurfgeschosse durch die Lederstiefel des Kämpfers, und brachten ihn zum Sturz.
Als er brüllend auf das Eis aufschlug, donnerte es förmlich und die gesamte
Fläche splitterte. Weil er den Sturz auffangen wollte, entglitt ihm dabei seine
Waffe.
Als
sich der Reiter wieder aufkämpfen wollte, rutschte Kennedy
nach vorne, trat ihm mit voller Wucht auf den Hinterkopf und schnappte sich
seine Waffe.
Ein
lautes Schnaufen brachte sie dazu, sich umzudrehen und geschockt stellte sie
fest, dass das Pferd des Reiters hinter ihr stand und sie mit dunkelblauen Augen
eiskalt anstarrte. Im selben Moment veränderten sich die Augen und strahlten
dunkelrot und bedrohlich auf. Es fixierte sie, trat unruhig mit den Hufen auf
und lief schließlich auf Kennedy zu. Ohne weiter nachzudenken holte sie mit dem
eisigen Breitschwert aus.
---
Buffy
duckte sich unter einem weiteren Angriff hinweg. Sie war müde. Sie hatte
Schmerzen. Dieser Kampf war sicherlich einer der kräfteraubendsten,
die sie je gehabt hatte. Doch sie hielt stand und sie würde auch standhalten,
bis sie gewonnen hatten. Sie war nicht bereit, Dawn an diese Monster zu
verlieren. Es musste einen Weg geben, sie zu besiegen und zufrieden sah sie,
wie die Jägerinnen den Reitern eine nach der anderen die Waffen abnahmen.
„Gut,
jetzt bin ich dran...“, murmelte sie und machte sich bereit.
„Beeilt
euch. Wir können die Felder nicht mehr lange halten!“, hörte sie Willows Stimme
wieder in ihrem Kopf.
Sie
nickte und sah dem asiatischen Reiter tief in die Augen. Er schwang sein Dao-Schwert und stürmte wieder auf sie zu. In der letzten
Sekunde sprang die Jägerin zur Seite, drehte sich um, duckte sich unter einem
weiteren Angriff hinweg und sprang hoch. Sie umfasste ihr Schwert mit beiden
Händen, holte aus und schlug es mit voller Wucht direkt durch die Gesichtsmaske
mitten durch den Kopf des Reiters. Dieser ließ einen unglaublich lauten
Schmerzensschrei los, ließ seine Waffe fallen, und riss beide Hände zu seinem
Gesicht hoch. Buffy schnappte sich das magische Schwert ihres Reiters und
lächelte zufrieden. Jetzt hatten sie es geschafft. Die Reiter waren erledigt.
Dawn musste sich nicht opfern. Erleichterung machte sich auf Buffys Gesicht breit.
Sie
musste sich allerdings beeilen, denn der Reiter war schon wieder dabei, ihr
Samuraischwert aus seinem Kopf zu ziehen.
„Buffy,
das Pferd!“, hörte sie plötzlich Willows warnende Stimme und sprang zur Seite,
nur eine Sekunde bevor sie von dem wahnsinnigen Tier niedergetrampelt worden
wäre.
Buffy
sah sich um. Auch Dawn, Kennedy und Faith wurden von den Pferden attackiert.
‚Sie
schützen ihre Reiter…’, schoss es ihr durch den Kopf.
„ERLEDIGT
DIE PFERDE!“, schrie Buffy, fuhr herum und ließ das mächtige Dao-Schwert auf das Pferd herab sausen.
Dawn
drehte sich zur Seite, schnappte sich den Tomahawk des amerikanischen Reiters
und schlug dem Tier mit voller Wucht den Schädel entzwei.
Kennedy
sprang zur Seite, wich dem tollwütigen Pferd
aus und schlitzte es der Länge nach auf, während es an ihr vorbei lief.
Überraschend blieb die Waffe mitten im Körper stecken und Ken musste sie loslassen,
um nicht mitgerissen zu werden.
Faith
holte mit dem Elfenbeinschwert aus und erstach das Tier, kurz bevor es sie mit
voller Wucht rammen konnte.
---
„OH mein Gott!“, schrie Dawn
und stolperte einige Schritte zurück. Das Tier löste sich vor ihren Augen
auf und das mitsamt der Waffe. Panisch suchte sie Buffy, doch auch der erging
es nicht anders. Die Reittiere verschwanden, doch damit auch ihre letzte Chance,
die Reiter zu töten.
Buffy
blickte geschockt zu Dawn. ‚Oh nein’, ging es ihr durch den Kopf… ‚vielleicht
waren die Tiere der Schlüssel zu ihrer Unsterblichkeit... vielleicht kann man
sie jetzt töten… ich kann nicht zulassen, dass sich Dawn opfert. Das kann und
will ich nicht!’
---
Die
Reiter waren mittlerweile wieder zu Kräften gekommen, starrten aber ungläubig
auf die Mitte des Platzes, wo am Anfang des Kampfes ihre Reittiere gestanden
hatten. Es schien, als würden sie um die Tiere trauern. Oder trauerten sie
ihren Waffen und ihren unglaublich mächtigen magischen Kräften nach, die sich zusammen
mit den Tieren aufgelöst hatten?
Die
Jägerinnen wandten sich rasch von den Reitern ab und liefen auf Buffy zu. Außer
Atem standen sie beisammen, sagten nichts und starrten nur die Reiter an, die
ebenfalls eine kurze Auszeit genommen zu haben schienen.
„Ich
dachte schon, wir hätten den Kampf gewonnen…“, flüsterte Kennedy nach Luft
ringend. „Ich dachte, wenn wir sie mit ihren eigenen Waffen vielleicht töten
könnten...“
„Da
haben wir wohl alle dasselbe gedacht“, nickte Faith grimmig.
„Und
geirrt. Ich glaube sie waren nie gut genug, um die Reiter selbst damit zu
töten…“, sagte Buffy ermüdet und wischte sich Blut aus dem Gesicht, das aus
einer kleinen Platzwunde auf ihrer Stirn lief.
„… aber
zumindest mir kam es so vor, als seien ihre elementaren Kräfte mit den Waffen
verbunden. Wir haben sie vernichtet. Zusammen mit
ihren Reittieren. Vielleicht sind sie jetzt nur noch normale Dämonen“, gab Dawn
zu bedenken.
„Das
bezweifle ich!“ Faith zog ihre Armbrust hervor, legte einen neuen Pfeil ein,
zielte und schoss dem ägyptischen Reiter direkt durch den Hals. Er schien kurz
zu stocken, dann riss er ihn jedoch wieder heraus und die Wunden schlossen
sich. Mit hoch gezogenen Augenbrauen drehte sich Faith zu Dawn. Die junge
Jägerin schwieg... mehr Beweise brauchte sie wohl kaum...
„Seht
mal!“, sagte Buffy plötzlich aufgeregt und deutete auf den Asiaten. „Ihr“
Reiter hatte das Samuraischwert, welches er sich vorhin aus dem Kopf gezogen
hatte, in der Hand und es schien, als würde er seine Kräfte in die Waffe übertragen,
denn es zuckten Blitze aus seiner Hand und fuhren direkt in das Schwert.
„Sie
brauchen nur neue Waffen aufzuladen…“, sagte Dawn panisch und blickte ihre
Schwester geschockt an.
„Los,
dann schauen wir, dass sie das nicht tun können. Wir können nicht riskieren,
dass sie ihre alten Kräfte wieder bekommen!“ Buffy, waffenlos, ballte ihre
Hände zu Fäusten.
„Ich
weiß nicht“, murmelte Dawn, die sich kaum Chancen in einem langen Nahkampf für
sie alle ausrechnete, doch die anderen hörten ihre leise Stimme nicht mehr,
denn sie liefen bereits zurück auf das kleine Kampffeld.
Die
Reiter drehten sich ruckartig um und sahen sie hasserfüllt an.
---
Buffy
rannte mit ihrer ganzen Geschwindigkeit auf den Reiter zu, rammte ihm die
übereinander gelegten Fäuste hart gegen die Schulter und der Dämon war vom
Angriff so überrumpelt, dass er nicht reagieren konnte, sondern schwankte.
Buffy hielt sich nicht lange auf, wirbelte herum und trat dem Asiaten von
hinten in die Kniekehle. Der Dämon ging in die Hocke
und beim Versuch sich auf das Schwert zu stützen sah Buffy ihre Chance
gekommen. Sie trat gegen die Waffe, die nachgab und vom Boden gerissen wurde.
Der Dämon verlor das Gleichgewicht und flog nach vorne in die Erde. Das
Samuraischwert hielt er zwar noch immer in seiner Hand, jedoch nicht mehr allzu
fest. Buffy trat ihm fest auf den Handrücken und drehte ihren Absatz tief in
die behandschuhte Hand. Der Dämon brüllte auf und ließ endlich los. Rasch
bückte sie sich und ergriff das Schwert. Doch bekam sie dabei solch einen
starken elektrischen Schlag, dass sie einige Meter durch die Luft flog. Doch
sie hatte es geschafft. Sie hatte ihr Schwert wieder in der Hand – in einer
schmerzenden, leicht zitternden Hand. Aber sie hatte es!
„Du
dumme Göre!“, schrie der Reiter auf, kam auf die Beine und lief auf sie zu. Er
riss sie vom Boden und schleuderte sie gegen einen der großen Steine am Rand
des Feldes. Buffy schrie auf vor Schmerzen.
„Es
reicht! Das ist kein Spiel mehr. Was denkt ihr eigentlich, wer ihr seid? Es ist
nicht eure Aufgabe, zu entscheiden, ob unsere Zeit gekommen ist oder nicht!“,
schrie der Reiter wutentbrannt und wollte mit seiner enormen Faust auf Buffy
einschlagen, doch diese drehte sich, wenn auch unter
starken Schmerzen, geschickt weg und kam wieder auf die Beine.
„Ach,
aber es ist eure?!“, konterte die Jägerin. „Eure Zeit ist längst Vergangenheit.
Ihr hattet die Chance, doch ihr habt es vergeigt. Ihr seid doch nur verdammte
Loser! Und nicht einmal gute! Verschwindet! Lasst uns unsere Zeit auf diesem
Planeten, wie ihr eure hattet!“ Buffy nahm eine Abwehrstellung ein, bereit
jedem Schlag auszuweichen, zumindest solange ihre starken Rückenschmerzen das
zuließen.
„Niemals!
Wir sind zurückgekehrt, um uns zu holen, was uns gehört.“ Er fuhr mit seinem
Angriff fort, holte aus und schlug ihr mit seiner Faust mitten ins Gesicht.
Buffy spürte, wie ihre Nase brach und stolperte zurück. „Ihr seid
minderwertige, unreine Kreaturen. Bloßer Abschaum. Das LETZTE!“ Der Asiate holte mit seinem Fuß aus und trat Buffy so fest in
den Magen, dass sie einige Meter auf dem Boden weggeschleudert wurde.
Faith
versuchte gerade vergeblich, an das Schwert heran zu kommen, welches ihr der
Reiter vor einigen Sekunden aus der Hand geschlagen hatte, doch es schien
aussichtslos. Erneut packte der Afrikaner sie, riss sie an ihren Haaren nach
hinten, packte sie am Hals und hob sie daran hoch. Faith zog ihren Fuß unter
enormer Anstrengung an und schaffte es, mit den letzten Kraftreserven, ihm damit
so fest ins Gesicht zu treten, dass seine Schamanenmaske splitterte und er sie
fallen ließ.
Kennedy
stolperte zurück, als sie einem weiteren Schlag auswich, fiel dabei allerdings
über einen Ast, der am Boden lag und knallte mit dem Hinterkopf hart auf einen
alten Eisbrocken auf, der noch immer nicht geschmolzen war. Sie schrie und kurz
fürchtete sie, ohnmächtig zu werden, doch sie kämpfte erfolgreich dagegen an.
Sie drehte sich weg, als ihr der Reiter fest in den Magen treten wollte und
sprang auf. Entkräftet und voller Schmerzen drehte sie sich zu Dawn um, die
einen entschlossenen Gesichtsausdruck hatte und Willow zunickte, die am Rande
des Feldes stand und einen geschockten, jedoch gefassten Eindruck machte.
Anscheinend sah Dawn die Zeit gekommen...
„Lenkt
die Reiter von Dawn ab!“, hörten die Jägerinnen plötzlich wieder Willows Stimme
in ihrem Kopf, „ich werde Dawn soweit es geht, helfen!“
Buffy
hielt inne, hob eine Hand und fing den Schlag des Reiters damit in der Luft ab.
Sie suchte Dawn mit ihren Augen und als sie sie gefunden hatte, wandte auch diese instinktiv ihren Kopf zu ihr. Lange
blickten sich die beiden Schwestern tief in die Augen. Buffy wusste, dass Dawn
tun musste, was sie vorhatte. Der Kampf verlief unausgeglichen und jeder Sieg
von ihnen war nur ein kleiner, kein endgültiger Schlag gegen die Dämonen. Sie
hatten wohl wirklich nur die einzige Chance mit Dawns Opfer... und doch...
Buffy wollte und konnte es nicht zulassen. Egal was sie in den vergangenen
Stunden darüber zu Dawn gesagt hatte... all das Gerede davon, dass sie es verstehen
würde, dass sie natürlich das Wohl der Menschheit nicht über das ihrige und das
von Dawn stellen möchte... sie liebte ihre Schwester viel zu sehr, um dabei
zuzusehen wie sie starb. Vielleicht mussten sie einfach nur länger durchhalten,
dann würden sie doch die Reiter durch ihre Hände besiegen...
„NEIN!“,
schrie Buffy plötzlich auf und ließ damit ihren ganzen Schmerz heraus. Sie
wollte auf ihre Schwester zulaufen, doch sie wurde von hinten gepackt. Bereit,
ihrem Angreifer den Schädel einzuschlagen, fuhr sie herum und erblickte
allerdings nur Faith, die sie festhielt und sie traurig, entkräftet und gefasst
ansah.
Dawn
hatte sich inzwischen vom Kampffeld zurückgezogen, stand in der Nähe von Willow
und schloss konzentriert ihre Augen. Sie versuchte an all die Dinge zu denken,
die ihr Akira geraten hatte, um sich zu lösen und langsam, ohne es selbst zu
bemerken, verlor Dawn den Boden unter den Füßen und begann in die Höhe zu
steigen. Ein helles Leuchten umgab plötzlich ihren Körper, das aus ihr selbst zu
strahlen begann.
Die
Reiter waren mittlerweile in ihren Bewegungen erstarrt und blickten nach oben,
wo Dawn hell und rein strahlte. Sie schienen zu ahnen, was als nächstes
passieren würde...
„Neeeiiiiiin. DAWN! HÖR AUF DAMIT! ICH... ich kann nicht ohne
dich weiterleben! DAWN... BITTE! KOMM ZURÜCK. WIR STEHEN DOCH GAR NICHT SO
SCHLECHT DA. WIR HABEN EINE CHANCE. BITTE!“ Buffy brach zusammen und blickte
mit tränengefüllten Augen zu ihrer Schwester empor. Faith legte ihre Arme um
die blonde Jägerin und drückte sie fest an sich. Sie selbst hätte heute fast
aufgegeben und Buffy war jetzt so weit. Sie brauchte sie jetzt. Brauchte jemanden,
der sie verstand.
Kennedy
blickte überwältigt zu Dawn, die wie ein Engel über ihnen schwebte, ein
Lichtkreis um sie herum und ein Gefühl der Erleichterung durchfuhr sie. Sie
wusste innerlich, dass nun alles in Ordnung kommen würde. Alles würde wieder
seinen geregelten Rahmen finden. Sie trat neben Willow, die immer noch am Rand
stand und weiterhin einen Spruch, jedoch nun mit voller Intensität aufsagte.
Dabei nahm ihr Haar langsam einen weißen Schimmer an.
Dawn
öffnete ein letztes mal die Augen und Faith staunte, als ihre blaue Augen förmlich strahlten wie zwei
reine Diamanten. Nun lief auch ihr eine Träne über die Wange, während sie Buffy
an sich drückte. Diese starrte nach oben und weinte. Sie konnte nicht anders.
Dawn war so schön. Es war so überwältigend. Doch sie wollte sie nicht
verlieren. Konnte sie nicht. Es war... zu schmerzhaft.
„Ich
werde euch vermissen!“, sprach Dawn und lächelte, während auch ihr Tränen über
das Gesicht liefen.
Dann
wurde es auf einmal so hell, dass die Jägerinnen, Willow und Giles ihre Augen
abwenden mussten...
Doch
Dawn lächelte noch immer im hellen, strahlenden Licht, das sie umgab, hob ihre
Arme in einer kreisenden Bewegung, wobei sie einen regenbogenfarbenen
Lichtschweif nach sich zog und war plötzlich nur noch eine schattenhafte Kontur
im grellweißen Licht, das langsam wie ein Regenbogen farbenfroh zu glitzern
begann, bis auch der Schatten in ihm verschwunden war.
Das
Licht bündelte sich zu einem einzigen kräftigen Strahl, Energie erfüllte
knisternd die Luft und die Kämpfer konnten ihre Augen wieder auf das Geschehen
richten.
Die
Dämonen hingegen sammelten sich in der Mitte des Platzes und wirkten verstört,
ganz so als wüssten sie nicht, was sie als nächstes tun sollten. Doch ehe ihnen
ein Plan einfiel, ehe sie sich wieder fassen konnten, raste der Energiestrahl
auf sie zu und drang durch ihre Rüstungen, durch jede noch so kleine Ritze in
sie ein.
Buffy
wandte ihren Blick ab und vergrub ihren Kopf an Faith’ Schulter. Sie wollte
nicht sehen müssen, wie Dawn ihren letzten Kampf ausfochte,
um dann zu verschwinden. Es war einfach zu viel für sie.
Die
dämonischen Reiter wurden nach hinten gerissen, taumelten umher und stießen
gegeneinander, während die Energie aus ihnen herausstrahlte – das Licht kam aus
ihren Augen, ihren Nasen, Mündern, Ohren, Rüstungsöffnungen... und verschlang
schließlich die Reiter vollständig.
Als
der Indianer gegen den Wikinger stieß, fiel der Talisman aus seiner Tasche und
blieb von den Dämonen unbeachtet auf dem Boden liegen. Sie waren zu sehr mit
der Erkenntnis beschäftigt, dass sie aufgehalten wurden, dass man sie erneut
verbannen wollte, dass es ein reineres Wesen als sie gab...
Der
Wind begann sich langsam zu legen, die letzten Eisflächen schmolzen, der
Erdriss zu ihren Füßen schloss sich und dann war es auf einmal vorüber. Die
Reiter waren in dem Licht verschwunden und die Energie löste sich mit einem letzten
aufflackernden Knistern in sich auf...
Die Erde
Zur selben Zeit
Das
tobende Meer an der europäischen Nordküste beruhigte sich so schnell, wie die
hohen Wellen plötzlich aufgetaucht waren. Auch der Eisregen hörte plötzlich auf
und die wenigen glücklichen Schiffe, die nicht gekentert waren, konnten ihren
Kurs wieder aufnehmen.
Die
gewaltigen Flutwellen, die die Küsten bedrohten fielen in sich zusammen und
verschwanden im Meer. Zurück blieben zerstörte Hütten, Land, das unter Wasser
stand, zerstörte Anlegestellen und Verletzte.
Die
Erdbeben auf der Welt stoppten plötzlich und der rote Schimmer, der den Himmel
überall überzog verschwand genauso rasch, wie er aufgetaucht war.
Stürme,
Überflutungen, Eisregen, Schneestürme, Flutwellen, Erdrutsche, Vulkanausbrüche,
Waldbrände... alles nahm ein plötzliches Ende und wenn auch Zerstörung als
Resultat zurückblieb, so war das Schlimmste nicht eingetreten...
...
in völliger Stille und nächtlicher Dunkelheit lag der Kampfplatz vor den müden
zurückgebliebenen Jägerinnen da. Ein erschöpfter, von Schmerzen gezeichneter
Giles und eine Willow, die blass war und sich kaum noch auf den Beinen halten
konnte, traten stumm an ihre Seiten und starrten mit ihnen an die Stelle, wo soeben
noch Dawn und die Reiter gewesen waren.
So
etwas wie Triumph, Siegesfreude, wollte sich bei allen nicht einstellen.
Das
einzige Geräusch hier oben war Buffys leises
Schluchzen, das sie nicht zu unterdrücken wusste. Doch wollte sie das im Grunde
gar nicht – der letzte ihr noch wirklich verwandter Mensch, den sie liebte,
hatte sie verlassen. Sie war alleine!
Und
in diesem Augenblick verstand Buffy zum ersten Mal, was sie Dawn und ihren
Freunden vor drei Jahren angetan hatte, als sie von ihnen verlangte, zu
akzeptieren, dass sie lieber sich selbst opferte, als Dawn.
Willow
sah traurig ihre Freundin an und um sich selbst über Dawn hinwegzutrösten,
schloss sie ihre Arme um Kennedy, um sie zu halten, um ihre Nähe zu spüren,
während Giles beruhigend eine Hand auf Buffys
Schulter legte. Er wollte etwas sagen, irgendetwas, das es für Buffy
erträglicher machte, doch dabei versagte er völlig. Buffy sah ihn zwar
erwartungsvoll mit feuchten Augen an, doch er konnte nur niedergeschlagen den
Kopf schütteln. Die blonde Jägerin holte tief Luft, löste sich von Faith und
ließ es zu, dass Giles seine Arme um sie legte, während sie hemmungslos ihren
Tränen freien Lauf ließ.
Giles
Blick wanderte in die Dunkelheit und er glaubte sein Herz würde zerspringen...
all das Leid, das sie in den letzten Monaten erfahren hatten... nur um einmal
mehr unerkannt und ohne Dank die Welt gerettet zu haben...
Faith
starrte ebenfalls in die Ferne, doch ihre Hand schob sich dabei auf ihren Bauch
und ein kleines, entrücktes Lächeln erschien auf ihren Lippen... Bei all den
Verlusten gab es jetzt doch wieder einen Grund, um zu Leben und sich sogar
darauf zu freuen.
Plötzlich
löste sich Willow von Kennedy und trat auf die Mitte des Platzes, um sich nach
dem Talisman zu bücken, den sie dann wie eine Trophäe in die Höhe hielt.
„Ich
glaube deswegen sind wir noch hier, oder nicht?“, sagte sie grimmig und
unterdrückte die Tränen, die sie gerne über Dawns Opfer vergossen hätte. Doch
wären es keine Tränen für Dawn gewesen, sondern sie hätte aus Selbstmitleid
geweint – weil eine liebe Freundin nicht mehr unter ihnen war, weil sie die
Zukunft ohne Dawn gestalten musste... und Selbstmitleid war jetzt fehl am
Platz. Sie brauchte ihre letzten Kräfte, um den Talisman zu zerstören.
„Tu
es“, sagte Buffy entschlossen. „Wer auch immer in Zukunft die Reiter befreien
wird... es wird ihnen das Werkzeug zu ihrer zerstörenden Macht fehlen.“
Willow
nickte ihr zu, legte den Talisman wieder auf die Erde und kam zu ihnen zurück.
„Am besten ihr geht zwischen den Felsen in Sicherheit. Ich habe keine Ahnung,
was passieren wird.“
Willow
wartete, bis ihre Freunde im Schutz der Felsen verschwunden waren, dann drehte
sie sich dem Talisman wieder zu. Der Mond brach sich in der kleinen Scheibe und
Willow konnte nicht fassen, wie viel Macht in diesem kleinen Schmuckstück lag,
das sie bereits vor fast zwölf Monaten schon einmal in ihren Besitz gebracht
hätten. Vieles wäre dann sicher anders gelaufen. Sie seufzte leise, ehe sie
schließlich ihre Hände hob. Sie richtete die Fingerspitzen auf den
Purificatio-Talisman.
Der
weiße Schimmer in ihrem Haar verblasste und machte einem dunklen, fast
schwarzen Glanz Platz. Ihre Augen weiteten sich und wurden schwarz, als Willow
sich innerlich auf den zerstörenden Zauber vorbereitete.
Dann
erhob sie ihre Stimme und durchbrach die unheimliche Stille:
„Màttar funðast ykkur
Farga sem ber
eyðing
Farga sem ber
tjòn
Farga sem er illur
FARGA!“
Energieblitze
schossen aus ihren Fingerspitzen auf den Talisman zu. Willow hob ihre Hände
nach oben und ließ die Blitze in den Nachthimmel aufsteigen.
„FARGA!“
Die
Energieblitze bündelten sich zu einem starken Strang aus blauer, weißer
Energie.
„FARGA!“
Der
dicke Strang kehrte um und raste auf den Boden zu, direkt in den Talisman
hinein, begleitet von einem einzigen, laut gebrüllten „FARGA“, ‚zerstöre’, von
Willow.
Im
ersten Moment schien nichts zu passieren, doch dann vibrierte der Talisman,
begann über den Boden zu hüpfen, sprang in die Höhe, kam wieder zu Ruhe... ganz
als würde er sich gegen den Zauber aufbäumen wollen.
Dann
explodierte die Stille – ein lauter Knall, gefolgt von einer Explosion des
Talismans – eine Explosion, die die ganze Anhöhe zum Erzittern brachte, eine
unvorstellbare Druckwelle riss Willow von den Füßen und brachte einige der
Felsen am Rande zum Zerbersten. Die Nacht wurde einmal mehr für wenige Sekunden
taghell erleuchtet.
Schnell
kam Willow wieder auf die Beine, richtete ihre Hände auf die Mitte des Platzes
und brüllte ein letztes:
„FARGA SEM ER ILLUR.“, zerstöre das Böse...
Die
einzelnen Talismanstücke leuchteten blau auf, dann lösten sie sich einfach in
Nichts auf.
Und
die Anhöhe verstummte aufs Neue.
Erschöpft
stürzte Willow zu Boden, wo sie keuchend nach Kraft rang. Kennedy war sofort an
ihrer Seite und obwohl selbst müde, geschwächt und verletzt, half sie Willow auf
die Füße.
„Alles
in Ordnung, Schatz?“, flüsterte Ken besorgt. Willow hatte nur noch die Kraft zu
nicken. Es entsprach nicht der Wahrheit, aber das spielte im Augenblick keine
Rolle...
„Wir
sollten von hier verschwinden“, sagte Faith leise. „Wir haben es geschafft...
Zeit für die Party“, fügte sie sarkastisch hinzu.
„Ja
gehen wir“, nickte Giles zustimmend, dem es davor graute in seinem Zustand den
ganzen Weg zurückfahren zu dürfen.
Die
Aufbruchstimmung steckte alle an, nur nicht Buffy, die in die Dunkelheit
starrte. „Ich kann nicht“, hauchte sie. „Dawn... vielleicht kommt sie doch zurück.“
„Hör’
zu Buffy“, räusperte sich Giles und trat zu ihr zurück. „Dawn hat eine
Entscheidung für sich getroffen, die nicht mehr rückgängig gemacht werden kann.
Wir sollten lieber zurück nach Cleveland fahren und Xander und Andrew über
unseren Erfolg aufklären. Dawn ist jetzt in ihrer Welt. Sie wird nicht wieder
kommen...“ Sanft lenkte Giles bei seinen Worten Buffy mit sich, den anderen
hinterher. Niemand von ihnen bemerkte, dass hinter ihnen ein heller, klarer
Lichtpunkt am Himmel erschien, der schnell größer wurde.
„Dawn
hat das Richtige getan. Das einzige, was uns den Sieg ermöglich hat“, fuhr
Giles fort, während eine dunkle Kontur in dem Licht hinter ihnen Gestalt annahm.
„Wir sollten das honorieren, anstatt es zu betrauern.“
Buffy
blieb plötzlich stehen, riss sich aus seiner Umarmung frei und starrte ihn mit
feuchten Augen an. „Anstatt es zu betrauern? Sie ist meine Schwester. Der
einzige Mensch, der mit mir verwandt war und der mir noch etwas bedeutet hat.
Ihr habt doch alle keine Ahnung was es bedeutet, den letzten Menschen auf Erden
verloren zu haben, der Halt gab...“
„Oh
doch“, flüsterte Faith und behielt den Rest für sich. Sie verstand, dass Buffy
wütend war und so ihre Trauer vielleicht besser verarbeiten konnte. Ihr war es
nach Vis Tod und erst recht nach Robins nicht anders ergangen. Allerdings
wusste Faith, dass weitere Worte für Buffy keinen Trost bedeuten würden. Daher
schwieg sie.
Mit
traurigen Augen sah Buffy ihre Freunde an. Sie realisierte trotz Wut, trotz
Trauer, dass sie eben etwas sehr Dummes gesagt hatte. Jeder hier oben, Kennedy
vielleicht ausgenommen, hatte das durchgemacht was sie jetzt durchmachen musste
– jeder auf eine andere Art, aber sie wussten, was sie fühlte. Beschämt drehte
sich Buffy herum und wollte zurück auf die Anhöhe rennen – alleine sein war
jetzt eine willkommene Alternative, als sie völlig durcheinander in der
Bewegung erstarrte.
Die
anderen blickten in die Richtung, in die Buffy sah und rissen erstaunt ihre
Augen auf.
Der
kleine helle Lichtpunkt war zu einer großen hellen Spalte geworden, dessen
Licht sich in ihren Gesichtern widerspiegelte. Eine Schattengestalt trat aus
dieser Spalte heraus, blieb kurz stehen, wandte ihren Kopf suchend herum und
entdeckte die anderen. Die Gestalt rannte auf sie zu.
„Dawn...“,
flüsterte Buffy ungläubig, doch als die Gestalt näher kam, erkannten auch die
anderen, dass es tatsächlich Dawn war, die freudestrahlend auf sie zu eilte.
Die
beiden Schwestern fielen sich in die Arme und ohne Fragen hielten sie sich
einfach für einen Moment fest. Doch dann löste sich Buffy von Dawn und blickte
ihr prüfend in die Augen.
„Ich
bin es wirklich“, lachte Dawn und grinste dann. „Wir haben alle die Worte des
Lichtgottes nicht richtig bedacht – nur weil ich mich in meine Schlüsselgestalt
verwandeln konnte, hieß das nicht, dass ich mich damit auch für die Gestalt
entscheiden würde, die ich für den Rest meines Lebens behalten werde.“
„Das
heißt…“, hauchte Buffy und in ihren Augen spiegelte sich die völlige Hoffnung
wider.
„Das
heißt, dass ich die Worte des Lichtgottes jetzt verstehe und mich endgültig
entschieden habe.“
Überglücklich
schloss Buffy ihre Schwester erneut in die Arme. Sie hatten heute Nacht nicht
nur die Apokalypse besiegt, sondern auch dem Schicksal einen kleinen Sieg
abgerungen...
NACHWORT
Malkuth, Straße des Todes
Ein paar Tage später
„Aus der Einheit wurden wir
geschaffen und zur Einheit sollen wir wieder werden. Die Vielheit kann nicht
trennen, was zur Einheit bestimmt ist.“
Die
Worte klangen hohl in seinen Ohren, doch Mo war sich darüber im Klaren, dass er
vor seinem Volk keine Schwäche zeigen durfte. Nicht jetzt, wo die Bewohner von
Malkuth auf seine Gelassenheit und Stärke vertrauten. Er griff nach der ersten
Urne, las den Namen darauf vor und senkte sie anschließend in die schwarze
Erde.
Lakshmi, Zaddik von Malkuth. Die
Gesichter ihrer beiden Kinder waren wie blasse Schatten in der Menge. Sie
wussten nicht, dass ihre Mutter von einem Dämon getötet worden war, den sie in
gewisser Weise selbst heraufbeschworen hatte. Vielleicht würde er ihnen irgendwann
die Wahrheit sagen.
Doch
ganz sicher nicht heute.
Babette,
Zaddik von Malkuth. Obwohl sich ihre Asche in dieser
Urne befand, bestand durchaus die Möglichkeit, dass sie in einer anderen der
dämonischen Dimensionen weiter existierte. Dieses mysteriöse Wesen lebte nicht
linear in der Zeit wie es andere taten. Selbst in ihren langen gemeinsamen
Jahren waren ihm viele ihrer Geheimnisse verschlossen geblieben.
Irgendwo
in der Menge schrie ein Kind, ein kleines hautfaltiges Mädchen. Vater und
Mutter beruhigten es mit liebevollen Worten, doch es brauchte eine ganze Weile,
bis die Kleine schließlich verstummte.
Name
um Name ging es weiter, es waren so viele. Opfer des Krieges und der
Zerstörung. Opfer eines grenzenlosen Hasses, geschürt von Menschen wie der
Wächterin Lily Usher. Er wusste, dass nicht alle Menschen so wie sie waren,
aber trotzdem würde er dem Wächterrat weiterhin mit Misstrauen begegnen. Rupert
Giles hatte Malkuth zwar Immunität zugesichert, aber selbst, wenn er aufrichtig
war, so konnte er doch nicht für den gesamten Rat und alle Jägerinnen bürgen.
Mo
blickte in die müden Augen des grauhaarigen Wächters, in sein zerfurchtes
Gesicht. Giles stand ebenso vor einem zerbrochenen Traum wie er selbst, und er
würde ebenso darum kämpfen, ihn wieder aufzubauen. Sie waren beide zu alt und
hatten zu viel erlebt, um sich noch Illusionen zu machen und doch würden sie
das Zerstörte wieder aufrichten, Stein für Stein, Stück für Stück.
Die
Anwesenheit der Menschen bei der Zeremonie war schon ein erster Schritt, auch
wenn nicht alle Bewohner der Stadt darüber besonders erfreut waren.
Misstrauische Blicke streiften Giles, die Jägerinnen und deren Freunde. Die
kleine blonde Jägerin, ebenso wie die dunkelhaarige erwiderten sie entschlossen
und ohne Furcht, aber die Hüterin hielt ihren Blick gesenkt, ebenso wie Kenny.
Xander stand hilflos neben der kleinen Dawn, nicht wissend, ob er sie trösten sollte,
oder ob er die Angelegenheit doch besser ihrem Freund überließ, dem
dunkelhaarigen, jungen Mann mit den dämonischen Vorfahren.
Eine
weitere Jägerin stand ein wenig abseits, den Kopf gesenkt, als wolle sie ihr
Gesicht unter ihrem langen, blauschwarzen Haar verbergen. Vielleicht hätte sie
nicht hier sein sollen – immerhin war sie verantwortlich für einige der Toten,
deren Urnen jetzt hier zur letzten Ruhe gebettet wurden. Aber dann, sie sollte
mit eigenen Augen sehen, was ihre blinde, von Drogen und dämonischer Magie
verstärkte Wut angerichtet hatte. Und sehen würde sie es, denn sie sollte das
ganze nächste Jahr hier in der Stadt verbringen. Ihre Familie wollte es so, und
Mo hatte diese Entscheidung unterstützt.
Schmerz
zuckte durch die Gesichter der Menschen, als Mo die nächste Urne in seine Hände
nahm und Andrews Namen vorlas. Den zweiten Namen auf der Urne sprach Mo nicht
aus, keine Stimme, und keine Inschrift sollten jemals den Namen desjenigen
künden, welcher Malkuth verraten und sie alle ins Unglück gestürzt hatte. Es
würde eines der vielen gut gehüteten Geheimnisse dieser Stadt bleiben.
Regil und Dozer würden sich jetzt um
die Stromversorgung der Stadt kümmern. Vielleicht würde er ihnen eines Tages
die Wahrheit sagen. Doch ganz sicher nicht heute.
Er
brachte die Urne an ihren Platz und schloss den Grabstein über ihr. Das Grab
lag zu Füßen einer weiß schimmernden Statue, ein Engel, oder eine Göttin, so
genau konnte man das nicht sagen. Sie trug ein wehendes Kleid und ein
zickzackförmiger Scheitel teilte ihr schulterlanges Haar. Ihre Hände hielten
eine Kerze, welche sanft im Dunkeln leuchtete und ihr mädchenhaftes Gesicht
erhellte...
Cleveland, Friedhof
Eine kühle Brise strich über
den Kieselboden, über die Grashalme und die Blumen. Die Vögel sangen ihre
eigene Morgenmelodie, als sich Faith dem Grabstein näherte. Langsam.
Zurückhaltend. Sie trug einen schwarzen, körperbetonten Filzmantel. Die Wunden
des Kampfes waren so gut wie verschwunden, ihre Haare wirbelten leicht durch
die Luft als sie vor dem frischen Grab stehen blieb und für einige Augenblicke
innehielt.
Ihre
Augen füllten sich zaghaft mit Tränen, als sie ihre Hand hob und sie sanft auf Ronahs Schulter legte. Diese sah vom Grab auf, zuerst zu
Faith und dann zu Cliff, der schräg hinter ihr stand, da er ihren Rollstuhl
geschoben hatte. Sie nickte ihm zu, reichte daraufhin den Strauß roter Rosen,
der auf ihrem Schoß lag, an Faith weiter und sah den beiden zu, wie Faith die
Blumen auf die dunkle Erde legte und Cliff mit ruhiger Hand die Grabkerze
anzündete und sie neben den Strauß stellte.
Dann
standen sie einige Minuten nur vor dem Grab und blickten traurig in die Ferne.
In die Vergangenheit. Zu Robin. Zu Vi. Es war eine schöne Zeit gewesen, doch
alles musste einmal enden – und so war es auch mit ihrer kleinen Familie
gewesen.
Der
Wind wurde stärker, fuhr den Frauen in das Haar und wirbelte es vor ihren
Gesichtern herum. Die Vögel wurden aufgeschreckt, verstummten und flogen davon.
Faith schloss die Augen, trat einen Schritt nach vorne und ließ ihre Finger
langsam, einfühlsam, über den Stein gleiten.
„Robin
Wood…“, flüsterte sie und spürte dabei, wie ihr die Tränen langsam über die
Wangen liefen. Sie wehrte sich nicht. Sie ließ es zu. Es war Zeit dafür.
Endlich.
Sie
öffnete die Augen, hob ihre Hand und fuhr langsam über ihren Bauch. Einfühlsam.
Voller Liebe.
„…
die Zeit, die du mir geschenkt hast… sie war die schönste meines Lebens… und
ich werde für ewig einen Platz in meinem Herzen nur für dich reservieren…“
Faith holte Luft, drehte sich kurz um und lächelte Ronah liebevoll zu, die
traurig Cliffs Hand drückte und voller Ehrfurcht die
ältere Jägerin beobachtete.
„…
ich bin nicht alleine. In keiner Hinsicht. Ich liebe dich. Und ich werde leben.
Für dich. Für mich…“ Faith lächelte, fuhr noch einmal sanft über ihren Bauch
und sah dann in den Horizont, in dem gerade der schönste Sonnenaufgang
vonstatten ging, den sie jemals gesehen hatte.
„...
für uns!“
Flughafen
Buffy fühlte sich im Gewirr der
Menschen irgendwie fehl am Platz. Um sie – und ihren schweigsamen Begleiter
herum – schien sich ganz Cleveland versammelt zu haben.
Der Flughafen war zwar noch im Wiederaufbau begriffen, aber
dennoch hatte man sich beinahe krampfhaft bemüht, den Flugverkehr so schnell
wie möglich wieder aufzunehmen.
Normalität einkehren lassen... und alles andere vergessen.
Ja, auch in Cleveland funktionierte der
Verdrängungsmechanismus äußerst gut.
Sie ließ ihren Blick wieder zurück zum Unsterblichen
wandern. Er betrachtete die Menge mit kaum verhohlenem Desinteresse – was wohl
auch damit zu tun hatte, dass die meisten Menschen automatisch um ihn einen
Bogen machten.
Sie wollte nicht einmal wissen, weshalb.
„Das war’s wohl“, sagte er schließlich, als das Schweigen
begann peinlich zu werden.
Buffy sah ihn kurz an. Was genau meinte er? Den Kampf... oder
das, was sich zwischen ihnen beiden abgespielt hatte?
Zerknirscht gab sie zu, dass beides passen würde. Sein
unangekündigtes Auftauchen, seine Unwilligkeit zu helfen... das hatte einen
Keil zwischen sie getrieben.
‚Oder hat es mich nur daran erinnert, dass wir
in zwei völlig verschiedenen Welten leben?’, fragte
sie sich.
„Nun, es ist gut zu wissen, dass man sich schnell erholt
hat“, sagte er nach einer Minute weiterem Schweigens.
„Ja. Wiederaufbau hat schon in Sunnydale
gut funktioniert... bis auf das eine Mal...“ Ihre Stimme wurde leiser, als ihre
Blicke sich erneut trafen und seine Augen ihre gefangen hielt.
Sie konnte in darin noch immer die Leidenschaft sehen, die
sie so an ihm fasziniert hatte... aber da war auch eine Aufforderung verborgen.
Sie sollte ehrlich sein.
„Weißt du...“, begann sie, zögerte dann aber. ‚Weißt du, ich
glaub’ das wird nichts mit uns’... das klang irgendwie total bescheuert. Und
nebenbei ziemlich abgegriffen. „Ich denke...“, begann sie erneut, zögerte
wieder und sah ihn an. Er erwiderte ihren Blick, ohne den geringsten Hauch von
Ungeduld.
‚Buffy, reiß dich zusammen,
sonst stehst du nächstes Jahr noch hier’, fuhr
sie sich selbst an, bevor sie Atem holte. „Ich glaube, das geht so nicht. Du
lebst in Rom, ich hier... und ich habe meine Verpflichtungen und du deine... und...“
Er lächelte sanft. „Ich weiß“, sagte er dann, „ich wusste es
schon, als wir begannen. Du weißt noch so wenig von diesen Dingen... sonst
hättest du gewusst, dass es zwischen uns nie mehr sein kann als ein paar
Treffen, die eine oder andere Nacht zusammen... und dann wieder ein Abschied.
Unsere... Beziehung ist nicht dauerhafter Natur.“
Buffy atmete erleichtert auf. Hatte er sie doch noch vom
Haken gelassen...
Seine Augen blitzten belustigt. Er hatte wohl wieder einmal
ihre Gedanken erraten.
„Dann ist das wohl erst einmal der letzte Abschied...“,
sagte sie leicht betrübt, aber nicht wirklich enttäuscht. Auch wenn man die
Wahrheit kannte, bequemer wurde sie dadurch nicht.
Auf seine Reaktion war sie allerdings nicht gefasst.
Plötzlich packte er sie, hob sie leicht an... und küsste sie
leidenschaftlicher, als er es jemals vorher getan hatte. Es schien eine
Ewigkeit zu dauern und während um sie herum die Hektik des Flughafens wirkte,
kam es Buffy so vor, als wäre die Zeit zwischen ihnen stehen geblieben... dann
war es auf einmal vorbei.
„Vielleicht... aber trotzdem seid Ihr jederzeit in Rom
willkommen, Mylady“, wisperte er.
Plötzlich, ohne ein weiteres Wort, wirbelte er herum... und
schien in die Menge einzutauchen, regelrecht mit ihr zu verschwimmen. Noch ehe
Buffy wirklich wusste, was geschah, war er verschwunden.
Sie stand noch ein paar Minuten dort und starrte zwischen
die Menschen, ehe sie sich endlich losreißen konnte, um den Flugplatz zu
verlassen.
Irgendwo vom Gelände stieg ein Schwarm pechschwarzer Krähen
auf. Ein aufmerksamer Beobachter hätte das leicht bedauernde Flackern in ihren
Augen wirklich seltsam gefunden...
Xanders Apartment
Xander tauchte den feinen Pinsel in den
Spezialkleber und bestrich vorsichtig ein Stückchen grünes Plastik, welches vor
ihm auf der Zeitung lag. Er legte den Pinsel beiseite und griff nach einer
Pinzette, um es sorgfältig aufzuheben und millimetergenau an seinen Platz
setzen.
Danach kam das
nächste Stück Dinosaurier. Und das nächste.
Er wusste
nicht, wie lange er schon arbeitete, er hatte jedes Gefühl für Zeit verloren.
Es waren so viele Einzelteile, allein sie zu sortieren hatte Stunden gedauert
und bei manchen war er sich immer noch nicht sicher, wohin sie gehörten. Wie
viel einfacher war es da gewesen, sie aus den verschiedenen Cornflakespackungen
zusammenzusuchen?
Bilder
schossen durch seinen Kopf, wie sie stapelweise
Kartons aufrissen, um nach den neuesten Teilen zu fahnden, immer auf der
Suche nach dem nächsten noch fehlenden Stückchen Dinosaurier.
Der Kopf des
Dinos lag schräg vor ihm und blickte ihn aus kleinen schwarzen Plastikaugen an.
Wie machen das die Hersteller eigentlich, dass, egal aus welcher Perspektive
man etwas anschaut, man immer das Gefühl hat, angesehen zu werden?
Er war
wirklich weg… wirklich weg…
Das Klingeln
der Türglocke riss ihn aus seinen Gedanken, er schrak hoch und schlurfte hinaus
in den Flur, um die Gegensprechanlage zu betätigen. „Ja?“
Keine Antwort.
Einen Moment lang stellte er sich vor, Andrew wäre nach Hause gekommen, doch er
verwarf den Gedanken sofort. Es war albern, sich so etwas auszumalen. Wenn er
sich schon etwas ausmalen wollte, dann doch lieber wie Andrew sich mit Anya um ein nicht-existentes Fernsehprogramm stritt.
„Hallo?“ Xander fragte ein weiteres Mal in die
Gegensprachanlage, doch es kam keine Antwort. Verwirrt und enttäuscht drehte er
sich um, steuerte wieder den Dinosaurier an und stoppte plötzlich, als es an
der Tür klopfte. Einmal. Zweimal, nun fester.
Xander machte am Absatz kehrt und sah die Tür
unsicher an. Es konnte doch nicht wirklich…? Bevor er den Gedanke zu Ende
führen konnte, trat er nach vorne und öffnete sie mit einem Ruck. Überrascht
weiteten sich seine Augen.
„Eve?“ Xander blickte seine blonde Ex-Freundin
erstaunt an. Was machte sie hier? Wie war sie eigentlich hier herauf gekommen?
„Xander…“
Sie sah im tief in die Augen, trat nach vorne, hob ihre linke Hand und strich
ihm sanft über sein Gesicht.
„Xander... es tut mir so leid, ich habe mich geirrt.
Mit allem. Ich bin ein solcher Dummkopf…“ Eve wandte ihren Blick dem Boden zu,
schluchzte und eine einsame Träne wanderte über ihre Wange.
Xander hob nun seine Hand, berührte sanft ihr Kinn
und hob den Kopf leicht an. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, küsste er sie
leidenschaftlich.
„Was ist passiert?“, fragte er sie, nachdem sie sich
geküsst und die Tür geschlossen hatten.
„Das ist nicht so wichtig… Ich möchte jetzt nicht
darüber sprechen…“, sagte Eve, wich dabei seinem Blick aus und rieb sich
unbewusst die linke Hand. „Was hast du gerade gemacht?“
„Ähm... na ja... ich wollte
den Dinosaurier... den ich mit Andrew gebaut hatte... wieder fertig stellen.
Aber es kann warten…“ Xander lächelte sie sanft an. Er wusste nicht, warum Eve
so plötzlich ihre Meinung geändert hatte, doch es war ihm im Augenblick auch
ziemlich egal. Sie war da, das war das Wichtigste.
„Nein, es kann nicht warten… komm, ich helfe dir!“
Eve trat zu dem Dino, fasste zwei Teile und steckte sie zusammen. Xander trat
hinter sie, liebkoste sie noch einmal kurz am Nacken und setzte dann ebenfalls
seine Arbeit an dem Modell fort. Für sich. Für Andrew.
Straßen Clevelands
Dawn
trat in die Pedale ihres Kurierrades, als wäre ein wild gewordener Dämon hinter
ihr her, während die Sonne schon gefährlich tief am Himmel stand. Ein Auto
hupte ihr wild nach, als sie aus einer Seitenstraße auftauchte und sich einfach
zwischen den Autos hindurchzwängte, um auf der gegenüberliegenden Seite erneut
in eine kleine Gasse einzubiegen. Das Haar hing ihr feucht und vom Fahrtwind
zerzaust im Gesicht, die schwere Kuriertasche zog an ihren Schultern, aber sie
ließ sich davon nicht beirren...
Keuchend
trat sie in die Bremse, als sie ihr Ziel – ein Lagerhaus – endlich erreichte
und kam nur knapp einen Millimeter vor einem Paar weißen Turnschuhen zum
Halten.
„Jägerin
hin oder her... ich habe gewonnen“, grinste Shin, der
gegen sein Fahrrad gelehnt lässig vor der Lagerhalle stand und nicht einmal mit
der Wimper gezuckt hatte, als Dawn so knapp vor ihm zum Stehen gekommen war.
„Du
hast bestimmt geschummelt“, lachte Dawn außer Atem.
„Nee,
nee... Wette ist Wette. Das Eis bezahlst du nach der letzten Lieferung.“
Dawn,
inzwischen abgestiegen, lachte und legte ihren Arm um Shin.
„Ich will mich ja gar nicht beschweren. Vorgestern hast du bezahlen müssen, und
gestern, und .....“
„Schon
gut, schon gut“, grinste Shin. „Ich weiß ja, dass du
aus Mitleid heute mal mit Absicht verloren hast.“
Lachend
betraten sie gemeinsam die Halle, um ihre Lieferung abzugeben und für beide war
die Welt so, wie sie immer war. Nur für Dawn war sie ein wenig heller und
bunter geworden...
Giles’ Wohnung
Giles
stand in seinem Schlafzimmer und ließ gerade die Schlösser seines alten Koffers
zuschnappen. Im Türrahmen lehnte Buffy und beobachtete ihn stumm. Als er sich
aufrichtete, geschah es langsam und ebenso ohne Eile drehte er sich zu Buffy
herum, deren ernster Gesichtsausdruck einem Lächeln Platz machte.
„Den
nehme ich“, sagte sie und trug den fertigen Koffer raus ins Wohnzimmer.
Dort
herrschte ein heilloses Durcheinander. Gepackte Koffer standen zwischen
halbausgeräumten Kartons und achtlos beiseite geworfenem Wickelpapier. Willow
stand in der Küche und räumte Geschirr ein, während Dawn Bücher in die leeren
Regale stellte.
„War
das der letzte?“, fragte die Hexe mit einem raschen Blick auf den Koffer. Buffy
nickte und drehte sich zum Flur, aus dem Giles auftauchte.
„So...
das war es dann fürs erste“, meinte der Brite mit etwas Bedauern in der Stimme
und nahm seine Brille ab.
„Ich
find’s klasse, dass Buffy und Dawn hier wohnen
können“, meinte Willow, um das bedrückende Thema „Abreise“ schnell zu umgehen.
„Es ändert sich dadurch fast nichts.“
„Und
ich erst“, seufzte Buffy. „Spart uns sehr viel Geld.“
„Ich
denke, meine Vertretung hier sollte auch angemessen wohnen“, schmunzelte Giles
und sah auf die Uhr. Buffy hatte so oder so genug Sorgen, da musste sie nicht
auch noch ständig an ein leeres Bankkonto denken müssen. „Xander sollte jetzt
langsam auftauchen, damit mein Gepäck rechtzeitig verschifft werden kann.“
„Er
wird schon kommen.“ Buffy warf sich auf das Sofa, das ab sofort ihres sein
würde.
„Keine
Bange, sie kommen schon noch schnell genug von hier weg. Und wenn wir sie hier mal
brauchen... wir haben ein Gästezimmer“, meinte Dawn vom Regal aus.
„So
lange ich nicht wieder in pinkfarbiger Mädchenwäsche schlafen muss...“, grinste
Giles und Buffy lachte zurück.
„Ich
denke, wir haben soweit alles geklärt, Buffy. Du und Xander vertretet hier den
Rat mit Kennedys und Dawns Hilfe. Und sobald es Probleme geben sollte... ruft
an. Ich sitze sofort im nächsten Flieger. London wird sicher auch mal einige
Wochen ohne mich klarkommen.“ Sein Stolz über die Wendung im Rat war jedoch
sehr deutlich in seiner Stimme zu hören.
„Aber
sicher...“, nickte Buffy, nicht ganz frei von einer Spur Traurigkeit. Es war
nicht das erste Mal, dass sie diese Abschiedsszene hatten, doch dieses Mal
hatte sie etwas Endgültiges. Sie würden hier alleine den Höllenschlund managen
und Giles hatte wieder seinen alten Vorstandssitz im Rat, dessen Aufbau endlich
weiter gehen konnte und das ganz nach Giles’ Vorstellungen. Auch wenn es sicher
nicht einfach werden würde. Für sie alle...
Schritte
auf der Treppe waren zu hören und Buffy schnappte sich zwei Koffer um Xander
entgegen zu gehen...
Kennedys Wohnung
Lächelnd fuhr Willow mit der Hand über das schmale Regal,
drehte sich dann zu dem Karton um, der hinter ihr stand und begann
schlussendlich damit die Bücher einzuordnen. Es war schon komisch, wie lange
sie diesen Umzug aufgeschoben hatte. In den letzten Wochen war
ihr angesichts der drohenden Apokalypse einfach keine Zeit dafür geblieben, ihr
Zimmer am Campus leer zu räumen – ein Versäumnis, das sie nun schnellstens nachholen
wollte.
„Und du bist dir sicher, dass du mit den Möbeln leben
kannst? Wir können uns auch neue besorgen…“ Lachend trat Kennedy näher und
stellte den letzten Karton auf den Boden.
Willow drehte sich um, legte das Buch, welches sie gerade in
der Hand hatte, beiseite, streckte ihre Arme aus und zog Kennedy an sich heran.
„Solange du da bist, ist mir der Rest eigentlich ziemlich
egal!“ Willow lächelte, küsste Kennedy sanft und fuhr ihr zärtlich durchs Haar.
„Was hat es nun eigentlich genau mit dieser Rose auf sich?“,
fragte die Jägerin plötzlich, löste sich aus der Umarmung ihrer Freundin und
trat an eine kleine Vase heran, die am Fenster stand. „Du hast mir zwar
erzählt, was du in dieser Zwischenwelt erlebt hast, aber so ganz verstehe ich
das alles nicht. War das wirklich real? Das Dorf. Die Hüterinnen. Und…“
„Tara?“, beendete die Rothaarige Kennedys Satz, der ihr
allem Anschein nach nicht so leicht über die Lippen gehen wollte.
Die andere nickte. „Ich meine, müsste sie nicht schon längst
verblüht sein? Es ist ja nun schon einige Zeit her, dass du im Krankenhaus
warst…“ Fragend drehte sie sich zu Willow um.
Diese blickte ihr daraufhin einen Moment lang tief in die
Augen, ehe sie mit einem vertrauensvollen Lächeln antwortete. „Diese Rose…“,
begann sie langsam, „ist eine Erinnerung an eine wundervolle Person und die
Zeit, die ich mit ihr verbringen durfte. Eine Zeit, die ich wohl nie vergessen
werde…“
Willow unterbrach sich kurz, als sie Kennedys nun besorgt
wirkendes Gesicht erblickte, ging auf sie zu und umfasste sanft ihr Hände, ehe
sie weiter sprach.
„Ebenso ist sie aber auch ein Abschied, verstehst du? Es
geht nicht darum, ob diese Erlebnisse real waren oder nicht. Das Wichtige ist,
dass ich die Chance hatte, endgültig mit dem Vergangenen abzuschließen, um mich
der Zukunft voll und ganz zuwenden zu können.“
Dieses
Mal war es Kennedy, die ihre Hände aus Willows Griff löste und sie daraufhin um so inniger umarmte. „Heißt das etwa, ICH bin deine
Zukunft?“, flüsterte sie leise in das Ohr ihrer Geliebten und grinste dabei
leicht.
„WIR sind Zukunft“, antwortete diese mit einem warmen Lächeln,
gefolgt von einem langen, liebevollen Kuss.
„Aber jetzt komm, wir müssen endlich meine Sachen
verstauen“, sagte Willow, drehte sich wieder zu den Büchern und stellte drei
Weitere ins Regal. Im nächsten Moment spürte sie nur noch, wie ein Stich
blitzartig in ihren Kopf fuhr.
Sie ließ die Bücher zu Boden fallen und ihre Füße gaben
nach. Sie hob ihre Hände an den Kopf und musste einen Schrei unterdrücken.
„WILLOW?“ Kennedy rannte näher, bückte sich und sah ihre
Freundin besorgt an. „Schatz, was ist los?“
Willow ließ den kurzen Schmerz zu. Er war schon weniger
geworden. Und bald würde er verschwinden, dessen war sie sich sicher.
„Gib mir sofort einen Stift!“ Kennedy wusste was los war,
stand auf und brachte ihrer Freundin so schnell wie möglich einen Block und
einen Schreiber.
Willow kritzelte einen Namen und eine Adresse auf das leere
Blatt und als der Schmerz wieder verschwunden war, blickte sie mit einer
Mischung aus Erleichterung und Besorgnis zu Kennedy.
„Eine Jägerin braucht unsere Hilfe. Ruf sofort Buffy an...“
Mexiko
Die
Sonne von Mexiko schien ein wenig heißer, heller und greller auf die Touristen
in dem kleinen Café herunter – einfach weil Urlaub war und den genoss man
gewöhnlich ganz anders als den Alltag. Viel Sonne gehörte dazu, auch wenn sie
einen leiden ließ. Mit Sonnenhüten, Caps und
Sonnebrillen geschützt genossen die Gäste kühle Drinks und leichte Salate.
Inmitten
der bunt aus allen Ländern gewürfelten Gäste saß Lily alleine an einem runden
Tischchen, auf dem ein Laptop stand. Der Strohhut warf einen Schatten in ihr
gebräuntes Gesicht, während sie langsam an einer Caipirinah
nippte und das Handy von ihrem Ohr nahm, um ein Telefonat mit George zu
beenden.
Sie
lehnte sich entspannt zurück, während sich dem Café ein Mann in einem hellen
Sommeranzug näherte. Sein Gesicht wurde von einer dunklen Sonnebrille
verborgen, in seiner rechten Hand trug er einen Aktenkoffer mit sich und spähte
über die Köpfe der Gäste hinweg.
Lily
entdeckte ihn, winkte und machte etwas Platz auf dem Tisch.
„Ms.
Usher?“
Sie
nickte ihm mit einem Lächeln zu und bot ihm den leeren Platz an. Er setzte
sich, nahm die Sonnenbrille ab, um ein jugendliches, sonnengebräuntes Gesicht
zu offenbaren.
„Ms.
Usher, ich darf Ihnen die freudige Mitteilung machen, dass Mr. Lenhardt kein
Problem mehr sein dürfte. Und hier“, er schob ihr den Aktenkoffer unter dem
Tisch mit dem Fuß zu. „Hier drinnen finden Sie Berichte aller Ereignisse, seit ihres Abtauchens. Auch die Berichte über Mr. Giles und
seiner kleinen Bande in Cleveland. Den neuen Zusammenkunftsort
des Inneren Kreises, sowie die Termine aller Treffen. Und nicht zu vergessen...
ihre Päckchen.“
„Wunderbar!“
Auf Lilys Gesicht machte sich endgültige Entspannung breit. Sie bückte sich,
hob den Koffer auf den Tisch hoch und öffnete ihn. Sie ließ die Schlösser
aufschnappen und warf einen kurzen Blick ins Innere. Für einen Moment brach
sich ein Sonnenstrahl auf silber farbiges und rot
farbiges Metal. Endlich gehörte die Sense ihr und dem Inneren Kreis.
Sie schloss den Koffer wieder, nickte dem Mann zu und lehnte sich zurück. Es
gehörte einfach mehr dazu, um eine Usher daran zu hindern, das zu bekommen was
sie wollte. Und nicht mehr lange... und sie würde mächtiger und stärker
zurückkehren. Mit einigen Überraschungen...
Wächterzentrale, Cleveland
Einige Wochen später
Buffy trat leise in den Konferenzraum ein und sah sich in dem abgedunkelten
Zimmer um. Es roch nach Giles' alten Büchern, die er
ihnen da gelassen hatte und wenn sie sich ganz stark darauf konzentrierte,
konnte sie noch einen zarten Hauch seiner Teesorte in der Luft wahrnehmen. Aber
das konnte auch die bloße Einbildung auf Grund von Sehnsucht sein.
Staub tanzte in einem schmalen Lichtstreifen der untergehenden Sonne,
der zwischen einem der Vorhänge in das Zimmer fiel und Buffy
machte ein paar Schritte weiter in den Raum hinein.
Sie fühlte sich ihrer Aufgabe nicht wirklich gewachsen, aber
gleichzeitig war sie auch ungemein stolz, dass ihr Giles
zutraute, ihn hier zu vertreten. Es war etwas das sie konnte, etwas mit dem sie
ihr Geld verdienen wollte. Etwas, das sich richtig anfühlte. Es war ein Zeichen
ihrer sich fortentwickelten Beziehung zwischen Mentor und Schülerin.
Jetzt wo jeder seinen Platz in dieser neuen Welt der Jägerinnen und Wächter
gefunden hatte, tat es ihr ungemein gut, dass sie ihren endlich gefunden zu
haben schien.
Ein Geräusch schreckte sie aus ihren Gedanken auf und sie ging an das
Fenster, zog den Vorhang etwas zurück und erstarrte. Dawn und Ronah prügelten sich mit drei Vampiren.
,Verdammter Höllenschlund’‚ seufzte Buffy in
Gedanken auf. Seit seiner Aktivierung waren sie bei Sonnenuntergang nicht mehr
ganz so sicher wie die Monate zuvor. Zudem fühlten sich die Vampire von der
geballten Jägerinnen-Power in der Zentrale wie magisch angezogen.
Buffy rannte zum Waffenschrank, riss ihn auf und suchte nach einer Waffe.
Plötzlich ergriff ihre Hand einen vertrauten, kühlen Gegenstand aus Holz. Sie
zog ihn mit einem breiten Lächeln heraus und starrte auf Van Helsing herunter.
Eilig rannte sie mit der Waffe in der Faust ins Freie, wo Dawn und Ronah versuchten den letzten Vampir, wie Buffy erstaunt feststellen musste, aus den ersten langen
Schatten in das letzte Tageslicht zu drängen.
„Hey!“ Eine Hand griff nach ihrer Schulter und bremste sie unsanft aus. Buffy wandte ihren Kopf und sah Faith
erstaunt aber auch zornig an. „Nur ruhig Blut, B. Die beiden schaffen das auch
ohne uns.“
Buffy musste gestehen, dass Faith recht hatte. Sie konnte in Bezug auf Dawn einfach noch immer
nicht loslassen. Trotzdem blieb sie neben Faith
stehen und sah zu, wie Ronah dem Vampir die Füße mit
einem Fußfeger unter dem Körper wegriss und Dawn auf seine Brust sprang, um ihn
mit einem Pflock zu pfählen.
Grinsend standen die beiden auf, klopften sich die Asche aus den
Kleidern und kamen zu Faith und Buffy
geschlendert.
„Na hat euch die Vorstellung gefallen?“, grinste Ronah.
„Nicht schlecht“, sagte Faith gespielt lässig,
dann lächelte sie Ronah anerkennend zu. „Ihr seid ein
tolles Team. Fast wie wir damals, was B.?“
Buffy spielte mit Van Helsing und machte ein
nachdenkliches Gesicht. Dann sah sie Dawn vor sich an und nickte langsam bei Faith' Worten. „Ja“, sagte sie gedehnt und hielt Dawn dann
plötzlich den Pflock entgegen.
Ja... jeder hatte in ihrer neuen Welt einen Platz gefunden. Sie hatte
begriffen loszulassen, das alte Leben hinter sich zu lassen, neue Aufgaben
wahrzunehmen. Ihre Berufung zu akzeptieren war der erste Schritt gewesen, den
sie mit 16 hatte machen müssen. Diese Berufung abzugeben war der letzte in
einer langen Reihe von Schritten gewesen, doch es fühlte sich richtig an.
„Nimm ihn“, sagte sie schließlich als Dawn sie fassungslos anstarrte.
„Du wirst ihn auf Patrouille besser gebrauchen können als ich hier beim
Verwaltungskram.“ Sie grinste schräg und war erleichtert, als ihre Schwester
endlich danach griff, sie dankbar anstrahlte und schließlich in die Arme nahm.
Eine neue Welt, die doch die alte geblieben war - Dämonen, Vampire,
Monster, Höllenschlund, Wächter und Jägerinnen... sie würden weiter dafür
kämpfen, dass diese Welt sich weiterdrehte und sicherer wurde. Auch wenn nie
ein Normalsterblicher ihnen dafür ein Dankeschön aussprechen würde.
Lachend und gelöst betraten die vier Jägerinnen die Zentrale und
schlossen hinter sich die Tür...
ENDE