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Generalprobe

 

 

Der Tag war anstrengend für sie gewesen. Langweilig aber anstrengend. Simone war nie ein sonderlich aufregender Mensch gewesen. In der Schule war sie stets der Außenseiter und auch sonst besaß sie nur eine geringe Anzahl von Freunden. Wenn andere Leute abends durch die Straßen zogen, oder auf irgendwelchen Partys waren, saß sie für gewöhnlich alleine zu Hause, las oder befasste sich mit ihrem Computer.

Bis vor wenigen Minuten hatte sie noch an ihrem Referat geschrieben und im Hintergrund ein Video ablaufen lassen, wie sie es oft zu tun pflegte.

Ihre Unterlagen lagen sortiert auf ihren Schreibtisch und eine Kerze brannte auf dem kleinen Tisch neben ihrem Bett. Sie griff nach einem ihrer Bücher und begann darin zu lesen.

Dies war ein Grund, weshalb sie ein Außenseiter war. Die anderen sahen sie als Freak an. Sie hatte eine nicht unerhebliche antike Buchsammlung, prallvoll mit angeblichen Zauberbüchern und anderen Schriften. In Momenten der Einsamkeit vertiefte sie sich in sie und hoffte, dass es ihr eines Tages gelingen würde auch nur die kleinste Formel in die Tat umzusetzen.

Völlig in Gedanken vertieft schlief sie ein...

 

„Hey, pass auf! Du stehst im Weg!” Eine Männerstimme riss sie aus ihrem Schlaf.

Panikerfüllt nahm sie erst langsam und dann immer schneller wahr, dass sie mitten auf einem überfüllten Fußweg saß. Langsam rappelte sie sich auf und sah zum Himmel empor. Es war heller Tag. War sie nicht grade eben noch in ihrem Zimmer gewesen und hatte gelesen? Ihre Blicke schweiften über die Umgebung. Die Stadt kam ihr bekannt vor, doch sie wusste nicht woher. Zögernd sah sie an sich hinunter und musste feststellen, dass sie sich verändert hatte. Sie konnte zwar noch sagen, dass sie, sie war, aber sie sah nun erwachsener aus. Als sie in ein nahes Schaufenster sah, bestätigte der Blick der jungen Frau, die sie daraus hinaus anstarrte dies. Es war sie selber, die sich dort anstarrte. Auch ihre Kleidung hatte sich verändert. Aus dem alten Wollpullover und der ausgewaschenen Jeans, waren ein schwarzes Top und eine gute Hose geworden. Um die Schultern trug sie einen Wildledermantel und in der Hand eine Tasche. Seltsam. Als ob sie etwas spürte, wanderte ihre Hand langsam in die Manteltasche und zog einen Ausweis heraus, von dem aus sie sich selbst anschaute. Kathleen Parker stand dort.

 

Völlig desorientiert und verwirrt ging sie die Straße entlang, nahm weder die Menschen noch die Läden war, als sie plötzlich in eine junge Frau hineinlief, die anscheinend ebenfalls in Gedanken war. Sie viel rücklings auf den Hosenboden und blieb benommen sitzen.

„Hey, ist ihnen was passiert?“ Die Fremde beugte sich hinunter.

„Wo bin ich?“, Die Rothaarige kam ihr bekannt vor.

„Kann ich ihnen helfen?“

Aber Simone packte sie am Kragen und zog sie dicht zu sich.

„Wo bin ich? Träume ich?!“

„S-s-sunnydale.“

„Was? Das kann nicht sein. Ich muss träumen! Sagen sie mir, dass ich träume!“

„H-hören sie, ich kann jemanden rufen, der ihnen helfen kann.“

„Nein! Warten sie!“ Sunnydale... Sunnydale gab es nicht. Das war eine Fiktion im Fernsehen. Doch die Rothaarige schien den Verdacht Sunnydale zu bestätigen.

„Willow Rosenberg?“

Die Augen der Fremden wurden groß. „Woher kennen sie meinen Namen? Haben sie mich beobachtet?“

„Nein! Nein, bei Gott nicht. Ms. Rosenberg, das ist anscheinend eine ziemlich verdrehte Geschichte.“

Sie rappelte sich auf und streckte Willow die Hand hin. „Ich bin Kathleen und ich glaube, nein ich hoffe, dass sie mir helfen können.“

„Willow, nenn mich Willow, dass tun alle!“ Sie schien nun etwas freundlicher gestimmt.

„Ich weiß“, grinste Kathleen zurück. „Und ich weiß noch so einiges mehr, aber das ist eine lange Geschichte.“

 

Doch ehe sie sich weiter unterhalten konnten, übermannte Kathleen eine unbändige Müdigkeit, sie sank in die Knie und war auf der Stelle eingeschlafen.

 

Simone öffnete die Augen. Ihr kleiner Bruder stand vor ihr und hatte ihren Arm ergriffen.

„Wo bin ich?“

„In deinem Zimmer schätze ich, Mom will, dass du ihr im Garten hilfst.“ Er zuckte mit den Schultern und ließ die Tür knallend hinter sich ins Schloss fallen.

Simone setzte sich auf und lehnte sich mit dem Rücken an die Wand. Alles war okay, es war nur ein Traum gewesen, nichts weiter. So etwas konnte durchaus einmal vorkommen. Sie hatte schon öfters reelle Träume gehabt.

Als sie aus dem Fenster blickte, sah sie, dass die Sonne schon recht hoch am Himmel stand und ihre Mutter unten im Garten nach ihr winkte.

 

„Na kleines, wie hast du geschlafen? Man konnte dich ja gar nicht mehr wach kriegen!“

„Ganz gut, ich habe zwar wirres Zeug geträumt, aber ich habe gut geschlafen.“

„Du arbeitest abends zu lange und zu viel. Du hast doch gerade Ferien bekommen, dreh doch einen Gang runter.“

Ob sie in ihrem Traum auch noch zur Schule gegangen wäre? Während sie den Rasenmäher einschaltete dachte sie darüber nach. Sie hatte älter gewirkt, weiblicher und sie war, sie konnte es nicht ohne etwas stolz denken auch schöner gewesen. Ihre langen schwarzen Locken hatten nicht mehr wirr und fehl am Platz gewirkt, sondern feminin und passend. Leider war es nur ein Traum gewesen, aber er würde ihr weiterhin gewiss in Erinnerung bleiben, denn er hatte etwas sehr echtes an sich gehabt. War es sowohl der Schmerz beim Zusammenstoß mit Willow, als auch die vielen vielen kleinen Einzelheiten, wie zum Beispiel der Ausweis, ihr Spiegelbild, der langsame Prozess des Wiedererkennens.

 

Am Abend legte sich Simone in ihr Bett und las noch ein paar Seiten in einem Roman, bevor sie das Licht löschte und augenblicklich in einen tiefen Schlaf viel.

 

Die Kissen und das Laken fühlten sich weich auf ihrer Haut an und trotz der geschlossenen Augen bemerkte sie, dass es Tag sein musste. Die Nacht war schnell vorüber gegangen, hatte sie sich doch gerade erst hingelegt um zu schlafen.

Langsam öffnete sie die Augen und erstarrte. Dies war nicht ihr Zimmer, zwar kam es ihr auf eine skurrile Weise bekannt vor, doch sie konnte nicht sagen woher.

„Hey, du bist wach!“ Eine vertraute Stimme sprach zu ihr und als sie den Kopf wendete stellte Kathleen fest, dass sie Willow ansah, die neben ihr auf der Bettkante hockte und wohl bis eben gelesen hatte.

Kathleen stieß einen spitzen Schrei aus, schnellte im Bett auf und warf die Laken beiseite um sich in eine Ecke des Zimmers, vermutlich dem von Willow zu verkriechen.

„Ich kann nicht hier sein!“ Schrie sie „euch gibt es nicht, ihr wart nur ein Traum! Verschwindet!“

Die Tür öffnete sich und drei andere Leute stürmten in das Zimmer.

„Kathleen, ruhig, beruhige dich doch. Du hattest wohl einen Alptraum, wir sind ganz real.“ Versuchte es Willow nun, „wieso glaubst du, dass du träumst?“

Kathleen gab es auf. Hier geschah irgendetwas, dass sie sich nicht erklären konnte. Sie war hellwach, daran bestand kein Zweifel, aber sie stand in einem Zimmer, das nicht ihres war und vor allem sah sie Leute die nicht existierten, oder doch?

„Willow, hier passieren Sachen, die ich mir nicht erklären kann... Grade lege ich mich zu Hause in mein Bett um zu schlafen und dann wache ich hier auf. Ich meine, wie soll das gehen?“

„Hört sich nach Parallelwelt an“, meinte eine junge Frau mit blonden Haaren. Vermutlich Anya.

„Eine was?“

„Eine Parallelwelt. Es gibt viele Parallelwelten, um nicht zu sagen unendlich viele und du“, sie zeigte mit dem Finger auf Kathleen, „du wechselst im Schlaf anscheinend zwischen ihnen.“

„Aha“, Kathleen ließ sich entkräftet auf den Boden fallen. „Aber wieso ich? Wieso? Ich bin ein ganz normaler Mensch, ich habe nichts an mir, weshalb das mit mir passieren sollte. Ich habe nichts falsches gegessen, oder mit den Zauberbüchern rumgespielt. Ehrlich ich habe immer nur ganz leichte Sachen probiert. Die haben aber auch nie funktioniert.“

„Du hast was?“ Willow hockte sich neben sie.

„Uhm, Zauberbücher. Aber ich kann damit nichts anfangen.“

Kathleen brach in Tränen aus. Sie wusste eigentlich nicht warum sie anfing zu weinen. Wahrscheinlich waren es die vielen neuen und unfassbaren Nachrichten und der seelische Druck der schwer auf ihr lastete. Doch Willow legte einen Arm um sie, half ihr auf und wollte sie aufs Bett setzen, doch schnell ging Anya dazwischen.

„Nicht aufs Bett! Sie darf unter keinen Umständen einschlafen, dann wechselt sie wieder zwischen den Welten!“

„Buffy!“, Also, doch dachte sich Kathleen, ich drehe total ab, Willow schaute ihre beste Freundin an, „Helf mir sie runter zu bringen und du Dawn, kochst einen Kaffee. Aber brenn nicht die halbe Küche ab!“

„Als ob ich ein kleines Kind wäre!“ Maulte Buffys kleine Schwester und zog dann beleidigt die Treppen hinunter.

 

Zu viert saßen sie im Wohnzimmer der Summers. Kathleen hatte sich auf dem Sofa zugedeckt und die Decke fröstelnd bis zum Kinn gezogen.

„Frierst du?“ Erkundigte sich Dawn erstaunlich fürsorglich.

„Das ist normal“, Erwiderte Anya ihr fix, „der Wechsel zwischen den Welten kostet Energie.“

„In Form von Wärme?“ Willow sah sie zweifeln an.

„Unter anderem auch in Form von Wärme, ja du Megahexe und Superhirn. Wärme ist eine Form von Energie.“

„Keinen Streit ihr zwei!“ Schnell setzte sich Buffy zwischen die beiden und sah Kathleen erwartungsvoll an.

„Seit wann kannst du so was?“

„Vermute seit gestern Abend.“ Kathleen nahm einen tiefen Schluck Kaffee.

„Seltsam, in deiner Tasche, verzeih, dass wir geschnüffelt haben, aber in deiner Tasche lag ein kompletter Lebenslauf.“ Buffy nahm ein kleines Bündel Papier aus der Tasche. „Kathleen Parker, 22 Jahre alt, in der Nähe von L.A. geboren. Ledig, keine Kinder, besucht zur Zeit das College hier. Du studierst unter anderem Kunst und Psychologie.“

„Oh, cool.“ Nach einem weiteren tiefen Schluck Kaffee sah sie in die Runde. „Ihr wisst mehr als ich, aber ich schätze, dass ich mehr über euch weiß als ihr denkt.“

„Wie meinst du das?“ Buffys Schwester sah sie an, die Augenbrauen hochgezogen und die Nase leicht gekräuselt.

„Wisst ihr... ihr müsst mich eh für verrückt halten – ich tue es ja selber. Parallelwelten, ein Leben von dem ich vorher nichts wusste... und ihr lieft zu Hause... also in der anderen Welt, sagen wir so... als Fernsehserie.“

Die Sunnydaler begannen laut zu lachen, doch als Kathleen sie todernst ansah hielten sie bald inne.

„Sie wusste wer ich bin“, begann Willow.

„Ich weiß über euch alle so einiges. Buffy ist die Jägerin, Dawn der Schlüssel, Anya ein Ex-Dämon, Willow eine Hexe... soll ich weitermachen?“

„Das soll mal einer verstehen.“ Buffy schüttelte den Kopf.

Kathleen sah Anya hoffnungsvoll an: „Das geht doch mit dem Weltenwechsel nicht ewig so weiter, oder?“

„Nun ja“, die Ex-Dämonin runzelte die Stirn als dächte sie angestrengt nach und gab dann völlig kalt zurück, „eigentlich doch.“

„Also würde ich sagen, wir haben ein neues Scoobie-Mitglied.“ Dawn wirkte erfreut.

„Ich fürchte, dass ich euch keine große Hilfe sein werde.“

„Jeder der nicht gegen uns ist, kann nur hilfreich sein“, grinste Willow sie an, „außerdem hast du doch gesagt, dass du gerne Zauberformeln ausprobierst, wir könnten ja heute abends mal was ausprobieren.“

„Ich fürchte daraus wird nichts.“ Meinte Anya, „irgendwann wird sie dort aufwachen und dann ist sie hier eingeschlafen.“

„Und wenn wir sie hier wieder wecken? Könnte doch nicht so schwer sein, ich als Jägerin könnte sie ja ein paar Mal ohrfeigen.“

„Dann riskieren wir, dass sie in einem Mittelding zwischen den beiden Welten wandelt. Keine gute Idee, sie könnte verrückt werden.“

„Also müssen wir dafür sorgen, dass sie unter keinen Umständen nachts geweckt wird!“, Stellte Dawn letztendlich fest.

„Du hast doch ein Zimmer auf dem Campus, wie steht es damit?“ Buffy sah Kathleen fragend an, doch diese zuckte nur mit den Schultern.

„Ich habe keine Ahnung. Wie schon einmal gesagt, ich bin gestern das erste Mal hier gewesen und habe keine Ahnung davon, wo ich wohne, was ich hier tue, überhaupt. Wer bin ich eigentlich? Ich heiße Simone Stäker, bin 17 Jahre alt und wohne in einem kleinen Kaff in Deutschland??!“

„Vielleicht in der anderen Welt. Hier ist alles ganz anders. Die Leute die es in deiner Welt gibt, gibt es hier unter umständen gar nicht, oder sie sind ganz anders.“ Anya setzte sich auf einen Sessel.

„Wir sollten zum Campus gehen und uns deine Wohnung ansehen.“, Schlug Buffy vor.

„Ja Buff, das ist eine gute Idee...“ Willow grinste Kathleen breit an, „Wie sieht’s aus. Hast du Lust auf einen kleinen Campusausflug?“

Kathleen nickte und stand auf. „Wo sind meine Sachen?“

„Oh die sind in der Wäsche!“ Verlegen kratzte sich Dawn am Kopf. „Sie waren dreckig, weil du gestern in den Dreck gefallen bist, als du eingeschlafen bist.“

„Du kannst etwas von mir haben!“ Bot Willow sich an.

„Ehrlich?“

„Klar, kein Problem. Ich habe noch Sachen oben, die dir passen könnten...“ auf einmal wurde Willows Blick düster und leer, als sie Kathleen ansah. „Sie sind ein bisschen weit, aber du bist ungefähr so groß wie sie.“

Fragend sah Kathleen sie an, doch der Rotschopf verschwand schnell die Treppen hinauf, sodass Kathleen laufen musste um ihr zu folgen.

Die Tür zu ihrem Zimmer stand offen und Kathleen klopfte kurz an den Türrahmen, bevor sie die Tür einen Spalt weiter aufschob und den Kopf ins Zimmer steckte.

„Kann ich reinkommen?“

Willow saß auf ihrem ungemachten Bett und nickte. Kathleen schloss leise die Tür hinter sich und setzte sich neben Willow. Der Blick der jungen Hexe jedoch, war starr auf die Wand gerichtet und als sie ihren Blicken folgte, sah sie auch den Grund für Willows plötzliche Stimmungsschwankung.

Ein großes Foto mit einer hübschen jungen Frau in Willows Alter, die blonde Haare hatte hing umrahmt von vielen kleineren Fotografien der beiden an der Wand. Auf einem kleinen Tischchen, das darunter stand, war eine Kerze positioniert, deren Flamme blau leuchtete. Blau wie die Augen der jungen Frau.

„Ist das Tara?“ Kathleen hatte Angst zu sprechen. Willow nickte, ließ jedoch die Bilder nicht aus den Augen.

„Willst du darüber reden? Ich weiß wir kennen uns noch nicht lange, aber ich mag dich. Ich mag dich wirklich und wenn du über irgendetwas reden möchtest dann...“

„Ich weiß“, unterbrach Willow sie.

„Wie... wie ist es passiert?“

„Ich dachte du weißt es?“ Ihre Stimme klang bitter.

„Anya sagte, die Welten seien unterschiedlich und ich denke kaum, das geschehen ist, was ich bis jetzt dachte zu wissen.“

„Wir waren auf einer Feier. Es war vor 4 Monaten und 3 Tagen. Es war spät und glatt draußen und wir hatten einiges getrunken.“ Ihre Stimme klang nun weit entfernt, „Sie hatte noch einen halbvollen Pappbecher in der Hand und wir haben herumgealbert und sie hat einen Schritt auf die Straße gemacht. Es war nur eine Nebenstraße. Normalerweise ist dort nichts los.“ Tränen liefen ihr die Wangen hinab. „Sie sagte, ich sähe gut aus heute Abend, sie wäre stolz auf mich. Wir haben ihn nicht gehört, alles ging so schnell. Sie machte diesen Schritt auf die Straße und dann hupte etwas, sie drehte sich zu mir, sah mich fragend an. Dann gab es ein knacken und dann habe ich nur noch den Truck vorbeirasen sehen. Anschließend wurde es dunkel. Und das ist es heute noch. Dunkel.“

Sie sackte vollkommen in sich zusammen. Kathleen legte einen Arm um ihre Schulter, zog sie nah an sich heran und ließ sie weinen. Einfach weinen. Sie hatte so oft weinen wollen und nie jemanden gehabt, bei dem sie sich ausweinen konnte. Obwohl das stimmte nicht. Sie, Kathleen hatte Freunde bei denen sie sich ausweinen konnte, wenn sie es wollte. Sie war nicht Simone und langsam begann sie zu spüren, dass es richtig war, dass sie hier eine Aufgabe hatte und das die andere Welt unwichtig und zweitrangig zu werden schien. All dies wurde ihr in dem Moment bewusst, der falscher nicht hätte sein können. Dennoch ließ sie den Gedanken zu, strich Willow durchs Haar und fühlte sich zum ersten Mal in ihrem Leben im Gleichgewicht.

 

Zwei Stunden später gingen sie über den Campus. Natürlich waren Taras Kleider um einiges zu weit für Kathleen. Dennoch beschwerte sie sich nicht, sondern war froh überhaupt etwas anzuhaben.

„Ravenshouse, da ist es!“ Willow hielt einen Zettel in der Hand und zeigte auf eines der Zahlreichen Gebäude. „Ich habe hier auch mal eine Zeit lang gewohnt, habe dann aber gewechselt, weil es immer so laut war.“ Sie seufzte. „Scheint kaum die richtige Adresse für einen Tiefschlaf zu sein.“

Sie betraten das Haus und bogen im Erdgeschoss nach rechts ab, bis sie vor Kathleens Zimmertür standen. Willow gab ihr den Zimmerschlüssel und Kathleen schloss zögernd die Tür auf. Mit einem kleinen Stoß schwang die Tür auf und verschlug den beiden den Atem.

Die Wände waren in einem leuchtenden orange gestrichen, ein großes Bett nahm den meisten Platz in dem Zimmer ein. Die Wand gegenüber dem Bett war vollgestellt mit Büchern. Drei große Fenster zeigten direkt auf den Campus und ließen viel Licht ein. An der Wand hingen unzählige selbstgemalte Bilder und in der Ecke standen Staffelei und Malerutensilien.

Kathleen fand als erstes ihre Sprache wieder: „Sicher, dass wir hier richtig sind?“ Sie trat dicht gefolgt von Willow ein und drehte sich ein paar Mal um sich selbst. Die Idylle schien perfekt, als plötzlich in Ohrenbetäubender Lautstärke Bass und E-Gitarre die Ruhe störten und das Trommelfell zu zerreißen schienen.

„Ich schätze du wirst erst einmal bei uns bleiben!“ Brüllte Willow gegen den Lärm an. „Die Campusband scheint nebenan ein Mitglied zu besitzen!“

Kathleen nickte und ging zu dem Schrank der an der Türwand stand. Sie zog einen Rucksack heraus, doch Willow nahm ihn ihr aus den Händen und zeigte auf einen Koffer der unter das Bett geschoben war. Sie formte mit den Lippen ein „größer“ und klappte ihn auf dem Bett auf. Während Kathleen Kleidungsstücke hineinstopfte sah sich die junge Wicca Kathleens Büchersammlung genauer an. Von Zeit zu Zeit griff sie nach einem Band, der besonders alt und staubig aussah und ließ ihn in dem Rucksack erschwinden. Der Lärm trieb sie schnell hinaus und so kam es, dass sie eine Stunde nach ihrem Aufbruch wieder im Haus der Summers standen.

„Keinen Erfolg gehabt?“, Buffy stand in der Küche und sorgte für Mittagessen, während Dawn den Tisch deckte. „Giles kommt zum Essen. Er will sich das Wunder ansehen.“

„Sie ist doch kein Ausstellungsstück.“

„Wie war nun euer kleiner Ausflug?“

„Eine einzige Katastrophe. Die Campusband hat nebenan ihr Stelldichein. Ravenshouse halt. Ich dachte sie kann hier schlafen, bis wir eine akzeptable Lösung gefunden haben. Bei mir ist doch genug Platz!“

„Das kann ich nicht annehmen!“, Platzte es aus Kathleen heraus. „Ich werde mir so schnell wie möglich eine eigene Wohnung suchen.“

„Damit du dann irgendwann verrückt wirst und wir dich in der Klapse besuchen können?“ Buffy hob das Messer und zeigte damit auf sie, „du bleibst hier, damit das mal klar ist. Willow wird schon für dich sorgen!“

Willow legte eine Hand auf die Schulter der neu gewonnenen Freundin.

„Mit dir geschieht etwas übernatürliches und damit bist du nirgends besser aufgehoben als hier. Wir kriegen das schon wieder hin.“

 

Zu dritt saßen sie am Tisch und warteten auf Giles und das Essen. Kathleen musste insbesondere Dawn in vielen Fragen Rede und Antwort stehen. Den Teenager faszinierte es, dass Kathleen in der anderen Welt nur wenig älter als sie selbst war.

„Du kannst froh sein eine solche Familie zu haben Dawn. Bei mir, nein bei Simone zu Haus ist es anders, viel unselbstverständlicher, gezwungener und liebloser.“ Sie seufzte hörbar und sah versonnen in die kleine Runde. „Hier ist es schöner. Wir kennen uns keine zwei Tage und doch behandelt ihr mich wie eine alte Freundin und ich weiß, dass ich euch vertrauen kann, denn es geht mir genauso. Hätte ich die Wahl, sie würde auf Sunnydale fallen.“

„Du hast Sunnydale noch nicht bei Nacht erlebt“, grinste Willow sie an.

„Und das werde ich wohl auch nie tun“, grinste sie zurück, „Vergiss nicht mein kleines Schlafproblem.“ Sie zwinkerten sich zu.

„Könnt ihr damit nicht aufhören oder später weitermachen? Das ist ja nicht zum aushalten!“

Eine raue Männerstimme kam von der nahegelegenen Couch und ein platinblonder Kopf schob sich hinter den Polstern hervor und grinste Kathleen mit einer ziemlich hässlichen Vampirfratze an.

„Soll ich mich jetzt erschrecken oder Angst bekommen?“ Ermüdet winkte Kathleen ab und nahm einen Schluck Kaffee aus ihrer Tasse.

Spike verdrehte die Augen und schwang sich aus den Polstern hinaus.

„Ich habe nichts gesagt!“ Abwehrend hielt Willow die Hände hoch und grinste Spike an.

„Zieh die Lachmuskeln wieder ein, du kriegst sonst noch `nen Krampf und guckst vielleicht für immer so dämlich!“

„Sie kommt aus einer anderen Welt Spike!“, Platzte es aus Dawn heraus.

„Soso und wer sagt euch dann, dass sie kein Dämon ist?“ Hämisch grinste Spike in die Runde.

„Spike vergiss es!“ kam Buffys Stimme aus der Küche, „Ich hätte das gespürt, vergiss nicht den 6. Sinn einer Jägerin!“

„Oh ja der sechste Sinn, wahrscheinlich genauso wirksam wie er bei Blondi war!“, kaum hatte er diese Worte ausgesprochen, sprang Willow auf. Ihre Augen leuchteten schwarz. Wenige Augenblicke später schwebte Spike ein paar handbreit über dem Wohnzimmerboden.

„Hey Rotschopf war nicht so gemeint sorry!“ Er zappelte hilflos herum und sah sie entschuldigend an.

„REDE – NIE – WIEDER – SO – VON – IHR!“ Das Schwarz in ihren Augen verschwand und der Vampir viel unsanft auf den Boden.

„Wenn es mir nicht höllische Kopfschmerzen bereiten würde, würde ich dir das heimzahlen, Hexe!“ Doch Willow ignorierte ihn und setzte sich zu den anderen an den Tisch.

„Ach der Herr kann immer noch nicht wieder beißen?“ Belustigt sah Kathleen zu ihm herüber. „Muss schon schlimm sein das Le... das Dasein als liebeskranker handzahmer Vampir.“

„Kein Streit in meinem Wohnzimmer!“ Drohend schwang Buffy den Kochlöffel, als es auch schon an der Tür schellte.

„Will, machst du mal auf? Das wird Giles sein!“

Die rothaarige Hexe stand auf und ging zur Tür. Spike der sich gegenüber von Kathleen niedergelassen hatte begann ihr zuzuzischen.

„Treff ich dich alleine, gnade dir Gott!“

„Gnade dir dein Kopfschmerz!“

„Miststück!“

„Schoßhund!“

Dawn, die am Tischende zwischen den beiden saß konnte sich das kichern nicht verkneifen.

„Kathleen ist auch eine Hexe!“ Sie zwinkerte Spike zu.

„Auch das noch!“

„Vertragt euch!“ schalt es aus der Küche.

„Mhm wer soll sich vertragen?“ Eine fremde Männerstimme klang aus der Diele zu ihnen herüber.

„Das ist sie!“ Willow kam zusammen mit Giles in das Zimmer und streckte die Hand in Richtung Kathleen aus. Giles nahm ungläubig seine Brille von der Nase und begann sie zu putzen. „Interessant.“

„Wie wäre es mal mit einem netten hallo, sie beißt ja nicht!“ warf Dawn fröhlich ein, als sie merkte wie gespannt die Situation im Raum auf einmal war.

„Tja, da ist sie ja nicht die einzige!“ Gehässig und überlegen blickte Willow zu Spike, der verächtlich schnaubend seinen Blick abwandte.

„Oh ja selbstverständlich. Giles, Rupert Giles!“ Kathleen ergriff seine Hand und erwiderte den leichten Druck mit einem Lächeln.

„Simone Stä... äh Kathleen Parker! Sehr erfreut.“

„Buffy hat mir einiges am Telefon über sie erzählt... eh und von den Vermutungen die Anya angestellt hat. Es scheint so als ob wir zusammenarbeiten sollten. Wissen sie, es gibt da nämlich...“

„Sie weiß es“, warf Willow schnell ein und als sie Giles gleichzeitig entsetzte und verständlichlose Blicke sah fügte sie hinzu, „Sie wusste es schon vorher, wir liefen bei ihr zu Hause im Fernsehen.“

Kathleen nickte eifrig.

„Ich eh, ich denke außerdem, dass sie eine Hexe ist.“

„Nur weil ich ein wenig rumgespielt habe und mich dafür interessiere...“

„Nein ich spüre so was Kath. Lass es uns nachher ausprobieren.“

Gleichgültig zuckte Kathleen die Schultern und sah kurz darauf entzückt auf die Pizza, die Buffy auf den Tisch stellte.

Das Essen verlief größtenteils still, jeder genoss die Stille und das Essen. Buffy hatte beste Arbeit geleistet es schmeckte Göttlich. Als die anderen satt ihre Teller von sich wegschoben und ihr *zu-viel-gegessen-Gesicht* aufsetzten griffen Willow und Kathleen nach den Resten und vertilgten auch diese ohne mit der Wimper zu zucken.

„Wo steckt ihr das nur hin, ihr seit doch nur zwei halbe Hemden“, rieb Buffy ihren prall gefüllten Bauch, während die Beiden genüsslich auf den letzten Bissen herumkauten.

„Keine Ahnung, ist das erste mal, dass ich hier bewusst esse!“

„Man isst nicht mit vollem Mund!“

„Das heißt man spricht nicht mit vollen Mund, Dawnie!“ Berichtigte Willow sie kauend.

„Und für dich gilt das auch!“

„Willfst bu nifst effen fpike?“ kaute Kathleen, die gerade in der Laune war sich wieder zu vertragen.

„Danke nein, zwei Hexen haben mir den Appetit verdorben!“

Willow und Kathleen grinsten sich an und nahmen auch seine Pizza.

 

„Ich weiß gar nicht wie ich dir dafür danken kann.“

„Ach red nicht. Das ist doch kein großes Ding. Hier leg deine Sachen da rein.“ Willow hatte ein Fach in ihrem Schrank freigeräumt, damit Kathleen ihre Sachen dort unterbringen konnte.

„Trotzdem ,wenn es etwas gibt, das ich für dich tun kann, musst du es nur sagen! Was hast du da?“

Willow hatte den Rucksack ergriffen und nahm ehrfürchtig die Bücher heraus, die sie am Vormittag aus ihrem Zimmer mitgenommen hatte.

„Zauberbücher, ich wusste doch, dass du eine Hexe bist“, ein nettes Lächeln breitete sich über ihren Lippen aus, als sie ein neueres Buch aus der Tasche zog.

„Und was ist das? Neue Hexenrezepte für Anfänger?“

„Ein Fotoalbum.“

„Nicht wahr?“

„Doch, fang!“ Eilig warf sie der Schwarzhaarigen das Buch zu und setzte sich schnell neben sie auf das Bett. Gespannt schlug Kathleen die erste Seite auf und erstarrte.

„W-w-wie kann das sein? Das sind meine Eltern und mein kleiner Bruder u-u-und mein großer auch. Vor unserer Garage!“ Willow zeigte mit dem Finger auf eine Beschriftung unter dem Foto.

„Vielen Dank für die schöne Zeit, viel Glück in deinem weiteren Leben, deine Gastfamilie. Ich war während einem Austausch bei ihnen.“ Langsam nahm sie das Album hinunter, schloss es und schüttelte den Kopf. „Nimm du es, ich will es nicht sehen!“

Sie sprang auf. „Ich will nach Hause Will!“ Ihre Faust flog gegen die Wand. „Nach Hause! Sofort!“ Sie drehte sich im Kreis und schrie immer wieder „Nach Hause! Nach Hause!“

„Kathleen!“ Willow versuchte sie zu beruhigen, griff nach ihrer Hand, doch Kathleen riss sich los und donnerte ein weiteres Mal mit der Faust gegen die Wand.

Vom Lärm allarmiert kamen die Anderen in das Zimmer gestürmt und wurden so Zeuge der skurrilen Szene.

Willow blickte die anderen Hilfesuchend an und als Giles zustimmend nickte, drückte sie Kathleen zwei Finger zwischen die Augenbrauen und sprach mit fester Stimme „Dormus!“

Kathleens Augen drehten nach innen und sie war eingeschlafen.

 

Tastend griff sie in die Laken, versenkte ihre Fingernägel in den weichen Stoff. Sie war wieder zu Hause. Sie sog die Luft ein und öffnete die Augen. Benommen blinzelte sie ein paar Mal, hob den Kopf an, um ihn kurz darauf wieder in die Kissen fallen zu lassen und die Bettdecke über das Gesicht zu ziehen.

„Hat es nicht geklappt?“

Kathleen schüttelte unter der Bettdecke mit dem Kopf und kam sich kurz darauf albern vor. Sie zog das Bettdeck wieder herunter und richtete sich im Bett auf.

„Wegen vorhin.“

„Gestern!“ berichtige Willow, die wiedereinmal neben ihr auf dem Bett saß und las, „Aber es muss dir nicht leid tun. Ist verständlich. Möchtest du was essen? Du siehst nicht gut aus. Wirst du krank?“

Besorgt legte sie ihr die Hand auf die Stirn.

„Hey, du glühst ja!“ Schnell stand sie auf und eilte in das Bad um einen kalten Lappen zu holen. Als sie das Zimmer wieder betrat sah sie, wie Kathleen an sich hinabsah. Sie war nun in ein weites grünes T-Shirt und graue Boxershorts gekleidet.

„Oh, die Sachen!“

Kathleen sah sie mit einem Blick an, der fragender nicht sein könnte.

„Also die Sachen gehören Xander. Ich weiß, du kennst Xander noch nicht, er hat dich gestern Nacht nur schlafend gesehen und ich... ich dachte mir, dass es nicht bequem wäre, wenn du deine anderen Sachen... und nun ja... ich...“

„Danke.“

„Was?“

„Danke, danke wie in ‚ich danke dir, für das, was du getan hast’.“

„Oh gern geschehen.“ Sie lächelten sich an, doch im gleichen Moment schob Dawn ihren Kopf in die Tür.

„Ist sie wach?“

„Putzmunter!“

Breit grinsend kam Dawn ins Zimmer und setzte sich neben Willow auf das Bett. Der Teenager fühlte sich sichtlich wohl in Kathleens Nähe.

„Du warst nicht [drüben] oder?“

„Nein“, Kathleen lächelte, „Nein war ich nicht.“

„Hast du also den ganzen Tag dort durchgeschlafen?“

Geschockt sahen sich Willow und Kathleen an. An diese Tatsache hatten sie beide nicht gedacht.

„Ehm, du, du hast doch gestern gesagt, dass wenn du dir aussuchen könntest wo... ich meine, na du weißt schon“, hilfesuchend sah sie die neue Freundin an, „Also es ist so... wir haben einen Weg gefunden... besser gesagt Anya hat einen Weg gefunden, wie es klappen könnte... vielleicht.“

„Ja und?“ Gespannt sahen sie Buffys kleine Schwester an.

„Naja... du müsstest 13 Nächte wach bleiben...“

„Dawn, das würde heißen, dass sie fast zwei Wochen lang nicht schlafen dürfte, sie würde umkommen!“

„13 Tage und dann kann ich hier bleiben?“

„So stand es in dem Buch.“

„In welchem Buch Dawnie?“ Willow sah sie zweifelnd an.

„In dem, von dem du dich verhalten sollst.“

„Ach ja, aber dich lassen sie daran?“ entrüstet stemmte Willow die Fäuste in die Hüften.

„Ich kann damit doch eh nichts anfangen!“

 

Plötzlich spürte Kathleen wie sich in ihrem Geist etwas vernebelte und sich ein anderes Bewusstsein öffnete. Etwas zerrte an ihr, bekam sie allerdings nicht vollständig zu fassen und ließ sie wieder zurückgleiten. Wiederum griff es nach ihr, sie hörte fremde Stimmen, sah wie Willow und Dawn vor ihren Augen verschwammen. Sie spürte wie ihre Beine nachgaben und sie spürte wie sie lag. Sie sah fremde Leute in weißen Umhängen – dann sah sie wieder die entsetzt sehenden Sunnydaler. Dawn schrie und Willow packte sie am Arm, doch sie spürte nichts, sie spürte Laken unter ihrer Haut.

„Willow!“ Ein erstickter Laut kam aus ihrer Kehle.

„Sie wacht auf!“ Eine Männerstimme.

„Sie entgleitet uns!“ Willow.

Ihr Bewusstsein wurde hin und hergerissen, sie wusste weder wo noch wer sie war und als wäre es der einzige Ausweg begann sie zu schreien, in der Hoffnung aufzuwachen und in ihrem Bett zu liegen. Egal wo. Sie spürte wie sie Leute an den Armen hielten und tief in die Matratze drückten. Sie sah wie Willow mit weit aufgerissenen Augen über ihr hockte und versuchte sie zu beruhigen. Sie hörte die verzerrte Stimme ihrer Mutter. Buffy und die anderen stürmten in das Zimmer. Eine Männerstimme brüllte Anweisungen, woraufhin noch mehr Männer sie in die Laken drückten, gegen die sie sich brutal aufzulehnen versuchte.  Aus den Augenwinkeln nahm sie eine Spritze wahr und danach nur noch schwärze.

Langsam ließen die Betäubungsmittel nach, doch sie spürte sich immer noch hin und hergerissen, in keiner Welt fest verankert. Sie hatte die Augen geöffnet, das hatte sie schon die ganze Zeit. Sie sah wie Willow, Anya, Giles und Buffy um ihr Bett saßen und ihr gut zuredeten und im gleichen Moment sah sie ihre Mutter und ihren Vater an ihrem Bett sitzen und heftig streiten. Ihr Verstand schien von hier nach dort zu gleiten und ihre Nerven waren angespannt wie Drahtseile, die kurz vor dem Zerreißen waren.

„Willow!“ Angestrengt versuchte sie ihre Gedanken und ihre Lippen zu Koordinieren, doch alles schien durcheinander. Sie nahm wahr wie der Rotschopf sich zu ihr hinabbeugte und ihr Ohr nah an ihren Mund hielt und sah im gleichen Augenblick ihre Eltern gespannt zu ihr hinabblicken.

„Willow! Schlafen! Bitte!“ Die Hexe nickte, drückte ihr die Finger zwischen die Augenbrauen und bewegte die Lippen. In beiden Welten drehten sich ihre Augen ins Weiße und sie viel in einen tiefen Traumlosen Schlaf.

 

„Erwache!“ Sie spürte wie etwas ihre Lippen streifte und gleichzeitig fühlte sie ein unendlich großes Glücksgefühl in ihr aufsteigen, denn sie konnte sich wieder koordinieren. Wenn sie ihre Finger bewegte, bewegte sich unter ihnen die Bettdecke. Sie roch einen wunderbaren und bekannten Geruch und sie hörte leise Straßengeräusche im Hintergrund.

„Kathi?“

„Will!“

Stürmisch wurde sie von der Freundin umarmt.

„Was war das?“

„Anya meinte, dass sie dich in der anderen Welt wohl versucht hätten mit aller Macht zu wecken.“

„Sie haben mir ein Beruhigungsmittel gespritzt.“

„Du warst im Krankenhaus?“ Besorgt sah Willow sie an. „Was machen wir, wenn sie es wieder versuchen?“

„Ich werde nicht aufwachen, ich werde hier bleiben!“

Willow strich mit ihrer Hand über Kathleens Stirn.

„Das geht nicht, das weißt du doch. Sie werden es bestimmt immer wieder versuchen, außerdem hast du dort doch auch Familie.“

„Was heißt denn auch? Habe ich hier etwa eine?“

Willow seufzte und kräuselte ihre Lippen. „Das weißt du doch! Bleib liegen, ich sage den anderen, dass es dir besser geht, sie haben die ganze Nacht kein Auge zugetan.“

Während Willow das Zimmer verließ, ließ Kathleen sich dankbar zurück in die Kissen sinken.  Sie fühlte sich trotz ihrer Odyssee frisch und wach, doch das klare Gefühl, ihre Umgebung wieder genau wahrnehmen zu können tat gut.

Sie entschloss sich aufzustehen und in das Wohnzimmer zu den anderen hinunter zu gehen. Doch als sie die Treppe hinunterging hörte sie Spikes vorwurfsvolle Stimme.

„Ich denke nach wie vor, dass sie euch an der Nase herumführt, die will doch irgendwas, lasst mich doch zuschlagen, dann werdet ihr schon sehen.“

„Das kommt gar nicht in Frage!“ Willow.

„Aber es ist doch schon seltsam, dass sie so viel über uns wusste!“, warf Anya ein.

„Du warst doch diejenige, die mit den Parallelwelten anfing Anya!“ Auch Buffy schlug sich auf ihre Seite.

„Vielleicht ist sie ja eine böse He...“, Xander unterbrach seinen Satz als er Kathleen entgeistert starrend auf der Treppe stehen sah.

„Kath!“ Willow sprang auf und wollte zu ihr eilen, doch Kathleen war schneller und stürzte weinend aus der Tür. Sie hatte immer noch die Schlafsachen und keine Schuhe an, doch sie spürte nichts, außer der Kälte um ihr Herz.

„Kathi warte!“ Willow war hinter ihr hergestürzt und packte sie nun an der Schulter.

„Was willst du?“ Eigentlich wollte sie den Rotschopf ärgerlich anfauchen, doch aus ihrer Kehle erklang nur ein heißeres Flüstern, während sie unbeirrt weiterging.

„Sie haben es nicht so gemeint!“ Die Hexe hatte Probleme damit, der ärgerlichen Kathleen zu folgen.

„Was denn dann?! Nenn mir doch einen Grund, warum ich länger dort bleiben sollte!“ Ruckartig wurde sie umhergewirbelt und dazu gezwungen Willow anzusehen.

„Weil ich möchte, dass du bleibst.“

Verzweifelt versuchte Kathleen den Blicken auszuweichen, doch es wollte ihr nicht gelingen.

„Ich... Ich möchte auch bei dir bleiben.“ Zögernd trat sie einen Schritt vor. „Ich... Ich kann mir das nicht erklären, ich kenne dich nicht... aber trotzdem...“

„Shh...“, Willows Zeigefinger ruhte auf ihren Lippen und bereitete ihrem Gestammel ein jähes Ende, „Es geht mir genauso...“.

Zögernd bewegten sich ihre Gesichter aufeinander zu, schon konnten sie den Atem der anderen auf ihren eigenen Lippen spüren, als die erleichterten Rufe der Scoobies zu ihnen schallten.

Schnell hatten sie sie eingeholt und eingekreist.

„Da bist du ja, ich wusste, dass du nicht weglaufen würdest!“ Glücklich umarmte Dawn die neue Freundin und auch die anderen, legten ihr eine Hand auf den Rücken.

„Es tut uns Leid!“, begann Xander zerknirscht, „Wir hätten nicht vorschnelle Schlüsse ziehen dürfen. Ich bin Xander.“

„Komm, wir gehen nach Hause, dir muss doch kalt sein.“ In der Tat war ihr kalt. Sie stand Bahrfuß auf dem kalten Asphalt und war auch sonst nicht gerade der kalten Jahreszeit entsprechend gekleidet. „Ja!“, murmelte sie, „Nach Hause!“