AUTOR: Angie (VampiressAngie@aol.com)
TITEL: Egyptian Darkness, Part Three
TEIL: 3/?
FREIGABE: ab 12
SPOILERS: 4. Staffel
INHALT: Die Gang muss dem Angriff einer Schlange trotzen, hinterher ist Angel seltsam verändert und macht eine erschreckende Entdeckung...
DISCLAIMER: I do not own the characters in this story, nor do I own any rights to the television show `Buffy the Vampire Slayer´. They were created by Joss Whedon and belong to him, Mutant Enemy, Sandollar Television, Kuzui Enterprises, 20th Century Fox Television and the WB Television Network.
KOMMENTAR: Das tut Angel und Bitch mehr weh als mir...
PS: Über Kritik freue ich mich immer! Schreibt mir!


Egyptian Darkness
Part Three

5

Dunkle Schatten krochen in Ecken und Winkel, machten aus einfachen Tonvasen, Krügen und Töpfen seltsam verzerrte Gebilde, aus schön anzusehenden Wachsfiguren und uralten Statuetten hässliche und ekelerregende Krüppel.
 
 

Die Ägyptenabteilung war am schlimmsten: Überall standen Sarkophage mit uralten Mumien, einbandagiert. Einige Sargdeckel waren geöffnet, ein leichter Leichengestank zog durch den Raum. Skarabäen lagen aufgespießt auf einer Anrichte, Tontafeln mit Hieroglyphen zeigten einem, wie kompliziert ein einziges Wort in einer anderen Sprache und Schrift zu schreiben war. Englisch und Deutsch sind ja noch einfach; es sind die selben Buchstaben, sie werden nur anders ausgesprochen. Aber altägyptisch... Puh!
 
 

Auf einem anderen Tisch lagen Gegenstände zur Einbalsamierung. Haken, Löffel, Gefäße, so allerlei  eben.
 
 

Plötzlich sprang das Licht an und Willow entfuhr ein geekeltes „Uäh!“.
 
 

Buffy stand neben dem Lichtschalter und zuckte nur die Schultern. „Was ist denn so eklig an... Ihh! Käfer!“
 
 

„Das sind keine Käfer“, korrigierte Angel und strich mit der Hand über die Glasplatte auf der Anrichte mit den vermeintlichen Käfern. „Na ja, zumindest nicht wirklich. Es sind Skarabäen. Nette  Krabbeltierchen. Vor allem wenn sie hungrig sind. Es gab früher eine ganz besonders schlimme Todesstrafe, keine Ahnung, wie sie genannt wurde. Jedenfalls wurde dem Verurteilten die Zunge abgeschnitten. Dann wurde er einbandagiert und in einen Sarg gelegt. Dort hinein wurde dann eine ganze Armee von Skarabäuskäfern gekippt. Der Verurteilte musste grausame Schmerzen erleiden, und das wohl über Jahre.“ Angels Stimme war zu einem verschwörerischen Flüstern geworden. „Skarabäen sind Fleischfresser, aber sie fressen dich nicht blitzschnell auf. Sie graben sich in deinen Körper und verharren dort Ewigkeiten. Du erleidest größte Schmerzen, während sie dich Stück für Stück auffressen. Von einem einzigen Menschenkörper können sie sich über Jahrhunderte, vielleicht sogar über Jahrtausende hinweg
ernähren.“ Er lachte kurz und bitter auf. „Natürlich lebt der Mensch nicht so lange. Aber wenn ihr einen Sarg öffnet, werdet ihr sofort erkennen, ob sein Inhalt – oder das, was davon übrig ist – ein solcher Verurteilter ist. Die Leiche wäre dann nämlich noch recht... saftig.“
 
 

Willow hielt sich die Hand vor den Mund, Buffy blickte angewidert drein, Oz nahm Willow in den Arm, Xander war noch etwas grüner geworden und Giles spielte nervös an seiner Brille herum. Bitch zuckte die Schultern und hob gleichzeitig die Augenbrauen. Dann ging sie zu Angel und betrachtete die Skarabäen genauer.
 
 

„Und ich dachte immer,“ meinte sie trocken, „Dämonen wären grausam.“
 
 

Angel betrachtete derweil weitere Ausstellungsstücke. Mit den Fingerspitzen strich er über die Tonkrüge, Vasen und Statuetten. Vor den Einbalsamierungsgegenständen blieb er schließlich stehen.
 
 

Die anderen traten hinter ihn, Bitch und Buffy neben ihn.
 
 

„Was sind das für Dinger?“ fragte Buffy und Bitch meinte: „Altägyptisches Besteck?“
 
 

„Nein“, antwortete Angel. „Das war für die Einbalsamierung der Toten. Die Gefäße da hinten sind heilige Urnen, in denen die Innereien der Leichen aufbewahrt wurden. Mit diesem Löffel hier vorne stach man durch die Nase bis ins Gehirn und rührte das Gehirn kräftig zu einem netten Shake. Dann nahm man den Haken und zog das Zeug Stückchenweise durch die Nase raus.“
 
 

Allgemeines Nasenrümpfen.
 
 

„Später,“ fuhr Angel mit seiner Geschichtslektion fort, „kamen die Ägypter dann darauf, dass ein toter Pharao keine Augen mehr braucht. Also wurde der ganze Matsch durch die Augen entfernt.“
 
 

Allgemeines Hand vor den Mund halten.
 
 

„Und schließlich,“ beendete Angel, „kamen sie auf den Trichter, dass man ja auch einfach den Schädel hinten aufbrechen und das Hirn in einem Stück entfernen kann.“
 
 

Allgemeines Würgen.
 
 

Bitch kratzte sich am Hinterkopf. „Autsch!“ war ihr einziger Kommentar.
 
 

„Nö,“ entgegnete Angel, „der Kerl war ja schon tot.“
 
 

„Trotzdem. Eklig. Bäh! Dagegen bist du ja ein Lämmchen gewesen.“ Bitch schlug erschrocken die Hand vor den Mund, als sie Angels gekränkten Blick bemerkte. „Ich bin so blöd!“ fluchte sie und bemerkte Buffys Kopfnicken nicht. „Das wollte ich wirklich nicht, Angel. Es tut mir leid. Ich... ich... ich... oh, bitte, bitte, sei nicht sauer!“
 
 

Angel lächelte. Es war niedlich, wie sehr es sie traf, ihn zu kränken. „Okay, genug gelitten. Jetzt wird nach der Kiste gesucht.“
 
 

Bitch und er bogen um ein paar Glasvitrinen, Buffy und Willow gingen in die andere Richtung und die drei Jungs nahmen den dritten Weg.
 
 

Angel entdeckte eine schwarze Truhe, verziert mit Ornamenten, Gold und Hieroglyphen. Auf einer kleinen Tafel stand: Altägyptische Truhe zur Aufbewahrung heiliger Gegenstände. Erkennbar an den Drohungen die auf der Truhe verfasst sind. Angel rollte nur mit den Augen. Und so was nannte sich dann Wissenschaftler, der das geschrieben hatte.
 
 

„Ich hab die Truhe gefunden“, verkündete er laut und strich mit den Fingerspitzen über den Deckel. Plötzlich löste sich eine Lampe von der Decke; die herumfliegenden Kabel versprühten eine Menge Funken und erwischten Bitch mit voller Wucht. Sie wurde einige Meter über den Boden geschleudert und knallte gegen eine Glasvitrine, die daraufhin krachend und klirrend über ihr zusammenbrach. Dann war das Licht aus.
 
 

„Bitch!“ schrie Angel panisch, ohne sich selbst zu hören. „Nein!“
 
 

Plötzlich fühlte er, wie sich ein großer, kräftiger Kiefer um seinen Oberarm schloss und zwei lange, spitze Zähne sich in sein Fleisch gruben, es wegrissen und eine klaffende Wunde hinterließen. Angel stieß einen panischen Schmerzenschrei aus, der wahnsinnig weit entfernt klang. Weit weg hörte er Buffy nach ihm rufen. Wie in Zeitlupe sank er auf die Knie, blickte zur Truhe und bemerkte, dass sie offen stand. Irgendetwas kaltes, glitschiges glitt über seinen Handrücken Er drehte den Kopf ruckartig um ein Stück und sah Buffy und die anderen nacheinander hinter einer Vitrine auftauchen. Willow stieß einen Schrei
des Entsetzens aus, Buffy schrie erneut seinen Namen und auch die anderen wirkten entsetzt.
 
 

Spinnenweben legten sich um seinen Verstand, vernebelten ihn. Er bekam keine Luft mehr, spürte einen unheimlich schweren Druck auf der Brust, würgte. Sein Kopf fühlte sich ganz taub an, den einen Arm spürte er aufgrund des Bisses mittlerweile schon gar nicht mehr. Angel hatte den Geschmack seines eigenen Blutes im Mund, es lief aus seinem Mundwinkel und tropfte auf den Boden. Er wollte schreien, doch er konnte nicht mehr. Er spürte, wie etwas in seiner Brust nachgab; der Schmerz war unerträglich.
 
 

Angel klappte leblos auf dem Boden des Museums zusammen...
 
 

Buffy schrie, als sie um die Ecke der Glasvitrine bog. Angel hatte gerufen, dann hatte es einen Knall gegeben, eine Vitrine war umgefallen, das Licht war ausgegangen, Angel hatte nach Bitch gerufen, dann hatte er geschrieen.
 
 

Und nun kniete er dort auf dem gefliesten Boden des Museums, mit einer blutenden Wunde am Oberarm, Blut lief aus seinem Mundwinkel und die Schlange hatte sich um seinen Brustkorb gewickelt. Angel würgte um an Luft zu kommen, doch das Tier drückte unerbittlich zu, quetschte Angel zusammen. Er brach zusammen, nachdem es in seiner Brust laut geknackt hatte.
 
 

Und diese Schlange... Sie war nicht zwei und auch nicht fünf Meter lang. Sie mochte an die zehn Meter messen!
 
 

„Oh Gott!“ schrie Willow. „Sie wird ihn zerquetschen!“
 
 

Buffy schlug mit der Hand die Glasvitrine ein und griff sich einen altägyptischen Fischerspeer. Sie warf damit nach der Schlange. Doch der Speer zerbrach an der dicken Haut des Reptils.
 
 

„Wir müssen was tun, bevor sie Angels Brustumfang aufs Minimum reduziert!“ schrie Buffy.
 
 

„Das ist besser als ’n Korsett!“ stotterte Xander vor Furcht erstarrt.
 
 

„Xander,“ brüllte Buffy ihn an, „nun beweg dich endlich!“
 
 

Alle schlugen die Vitrinen ein, schnappten sich, was sie greifen konnten und schmissen damit nach der Schlange. Die jedoch zischte nur und bleckte ihre Zähne. Wie um ihre Macht zu demonstrieren schlug sie das Gebiss in Angels Schulter. Sein Körper spannte sich an, der eine Arm reckte sich nach oben, um Hilfe flehend. Immer mehr Blut wurde aus ihm raus und in seinen Mund gequetscht. Wieder halb bei Bewusstsein musste der Vampir husten und ein Schwall Blut ergoss sich über ihn und die Schlange.
 
 

Ein leises Wimmern drang aus seiner Kehle als die Schlange ihren Wickel nur noch verstärkte. Sein Kopf fiel zur Seite und seine Augen starrten Buffy direkt an. In ihnen stand der Schmerz geschrieben, den Angel ertragen musste, die Angst zu sterben. Eine Träne lief ihm über die Wange.
 
 

Buffy drehte sich weg. Sie konnte diesen Anblick nicht länger ertragen. „Giles,“ bettelte sie, „was soll ich tun?“
 
 

„Ich... ich weiß es nicht.“ Giles schüttelte den Kopf und senkte den Blick.
 
 

Plötzlich bewegte sich die umgekippte Vitrine und Bitch kämpfte sich frei. Einige Brandwunden standen in ihrem Gesicht. Als sie Angel und die Schlange sah, funkelte es wütend in ihren Augen. Augenblicklich veränderte sich ihr Gesicht. „Lass ihn los!“ fauchte sie wild. „Oder es gibt was auf’s Maul!“
 
 

Und wie um Bitch zu verspotten zischte die Schlange und grub ihre Fänge in Angels Bein. Er zuckte vor Schmerz zusammen, Schweißperlen standen ihm im Gesicht, während er verzweifelt versuchte sich gegen die Schlange zu wehren. Dann wurde ihm erneut schwarz vor Augen.
 
 

„Mistvieh!“ brüllte Bitch mit Tränen in den Augen. „Lass ihn doch endlich zufrieden!“
 
 

Ihr Blick fiel auf die funkensprühenden Kabel, die noch immer von der Decke herabhingen. Schmerzlich wurde sie sich deren Wirkung bewusst. Doch wie sollte sie an die Kabel herankommen, wo doch der Weg von der Schlange versperrt wurde?
 
 

„Buffy!“ rief sie. „Kommst du irgendwie an die Kabel ran? Damit könnten wir die Schlange brutzeln.“
 
 

Buffy blickte zu den Kabeln, die dort an der Decke hin und  her schwangen, Funken sprühten und nicht allzu nahe an der Schlange waren. Sie nickte Bitch zu und antwortete: „Ich denke schon. Auf deine Verantwortung tu ich’s.“
 
 

„Dann würde ich mich aber beeilen,“ drängte Bitch, „denn ich glaube nicht, dass Angel es lustig finden wird, in meine Klamotten reinzupassen, wenn das Mistviech ihn um ein paar Kilo reduziert hat.“
 
 

Buffy holte tief Luft. Dann fiel ihr was ein. „He, und was, wenn ich ’nen Stromschlag krieg? Ich bin da nicht so widerstandsfähig wie du!“ warf sie ein.
 
 

Bitch blickte auf ihr ledernes Top. „Äh, kann ich mir deine Jacke borgen?“
 
 

„Wozu?“
 
 

Bitch presst zwischen den Zähnen hervor: „Mach einfach!“
 
 

Buffy zog die Jacke aus und warf sie der Vampirin zu. „Da, fang!“
 
 

Bitch schnappte die Jacke, drehte sich von den anderen weg, zog das Top aus und die Jacke an. Dann warf sie Buffy das Top zu. „Zerreiß es in zwei Streifen,“ wies sie die Jägerin an, „und knote sie dir um die Hände. Angel hat mir mal erklärt, dass der Strom dadurch nicht geleitet wird.“
 
 

Buffy tat wie ihr geheißen und griff im Springen nach den Kabeln. Sie erwischte sie gerade eben, landete hinter der Schlange, riss die Kabel noch weiter raus und steckte sie in das aufgerissene Maul des Tieres. Grelle Stromblitze erhellten den dunklen Raum, und Bitch, Buffy, und der Rest der Gang mussten sich die Augen zu halten. Die Schlange schrie entsetzlich. Dann war es vorbei. Sie lag qualmend und verbrannt auf dem Museumsboden, hatte Angels schlaffen Körper freigegeben.
 
 

Xander stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. „Der Strom ist Gelb“, witzelte er bitter.
 
 

Bitch rannte zu Angel, nahm ihn in den Arm und streichelte sein Gesicht. „Hey, Großer, sag was“, schluchzte sie. „Mach doch bitte die Augen wieder auf. Bitte! Angel!“ Sie begann ihn zu schütteln. „Angel!“
 
 

Willow hüpfte mit kleinen Sätzen über die Überreste der Schlange hinweg zu Bitch und Angel. Mit einem Finger zog sie das Augenlid des bewusstlosen Vampirs hoch. Sein Auge war so weit verdreht, dass man nur noch das Weiße in ihnen sah. Außerdem lief aus der Wunde an seinem Arm jetzt eine seltsame, grüne Flüssigkeit.
 
 

„Gift!“ entfuhr es Willow. „Die Schlange hat Angel mit ihrem Biss vergiftet!“ Sie überlegte kurz, dann fügte sie hinzu: „Kann er daran sterben?“
 
 

„Ich weiß es nicht“, schluchzte Bitch unter Tränen. „Ich weiß nur, dass ich gleich anfange zu schreien, wenn er nicht bald aufwacht.“
 
 

Xander kniete sich neben Willow, Bitch und Angel. „Bitch,“ erinnerte er sie, „du schreist schon.“
 
 

KLATSCH!!!
 
 

Bitch hatte ausgeholt und Xander eine geknallt. Und zwar heftig. Seine Wange war feuerrot und blutig. Und auch an ihrer Hand klebte Blut.
 
 

Buffy stürzte zu Bitch, zerrte sie vom Boden hoch – wobei Angels Kopf beinahe auf den Fliesenboden geknallt wäre, wenn nicht Willow ihn aufgefangen hätte – und schrie sie an: „Spinnst du eigentlich? Warum ohrfeigst du Xander?“

„Ich verliere vielleicht meinen einzigen richtigen Freund und dieser Trottel reißt auch noch solche Sprüche! Du hast ja keine Ahnung wie das reinhaut!“ schrie Bitch zurück.
 
 

„Oh doch,“ entgegnete Buffy, „ich habe sehr wohl eine Ahnung! Als Angel meinetwegen seine Seele verloren hat, da hat Xander auch solche Sprüche losgelassen. Am Schlimmsten war es, als Willow und ich den Spruch zur Wiederherstellung seiner Seele gefunden haben. Da meinte Xander, ich würde doch bloß den Tod von Miss Calendar verdrängen, um meinen geliebten Freund wiederzubekommen. Das hat wehgetan!“
 
 

Mittlerweile fragte sich Xander, wer von den beiden Mädchen wohl zuerst heiser würde, bei dem ganzen Geschrei und Gebrüll.
 
 

„Das hat nichts mit dem hier zu tun!“ kreischte Bitch wutentbrannt, und ihre Fänge blitzten in der Dunkelheit. „Angel hat mich erschaffen, er hat mir beigebracht zu überleben. Er ist alles an Familie, was ich noch habe! Den Rest habe ich ja getötet. Und jetzt tu nicht so geschockt! Schließlich habe ich von Angelus höchstpersönlich gelernt, und der hat das ja auch getan. Angel ist nicht nur einfach mein Seelenverwandter, er ist meine Familie, alles, was ich noch habe! Außer ihm gibt es nichts in meinem Leben! Nichts, verstehst du? Nichts! Du hattest wenigstens noch deine Freunde, deine Mom, als er gestorben ist, ich werde dann niemanden mehr haben!!!“
 
 

Buffys Blick wurde von Mitleid schwer. Bitch hatte ein härteres Schicksal zu ertragen, als sie gedacht hätte. „Bitch,“ entschuldigte sich Buffy betrübt, „es tut mir ja leid, aber versteh doch, dass es keine Lösung ist, deswegen gleich jemanden zu schlagen.“
 
 

Bitch war kurz vorm Überkochen und kreischte: „Du verstehst es einfach nicht, Jägerin. Ich bin nicht wie du, und auch nicht wie er. Ich habe keine richtige Seele. Als Angel mich in LA getroffen hat, war ich böse. Aber er hatte Mitleid mit mir und hat mir einen Teil seiner Seele abgegeben. Deswegen raste ich leicht aus.“ Sie machte eine lange Atempause, bevor sie mit tränenerstickter Stimme flüsterte: „Es war ein Fehler von mir hierher zu kommen. Ich gehöre nicht in den Kreis seiner Freunde und will euch nicht länger im Weg stehen.“
 
 

„Aber...“, stammelte Willow, doch Bitch machte auf dem Absatz kehrt und rannte zwischen den Glasvitrinen hindurch auf den Ausgang zu. Sie riss die Tür zum Treppenhaus auf und verschwand in der Dunkelheit. Scheppernd fiel die Tür hinter ihr wieder ins Schloss.
 
 

Buffy blickte beschämt zu Boden und spielte mit den zerrissenen Teilen des Ledertops herum. „Wir,“ stammelte sie, „sollten Angel hier wegschaffen. Giles, bei Ihnen wäre er am Besten aufgehoben. Bei uns im College kann er nicht bleiben.“
 
 

Giles nickte, und in der Dunkelheit war deutlich zu erkennen, wie unbehaglich ihm nach Bitchs Wutanfall zumute war. „Ich denke, wenn Angel wach ist, wird er am ehesten wissen, wohin Bitch flüchten würde. Oder vielleicht will sie auch lieber allein sein und es ist besser, man lässt sie erst einmal zufrieden. Er kennt sie besser als wir“, meinte Giles.
 
 

„Wir sollten ihm eine Trage bauen“, schlug Willow vor. „Sonst könnten wir ihm das Rückgrat oder so brechen. Er ist ja ohnehin schon schwer verletzt. Außerdem sollten wir ihn ein bisschen warm halten. Kälte tut ihm jetzt ganz bestimmt nicht gut.“ Sie dachte kurz nach. „Giles, Sie haben doch einen Kamin, oder?“
 
 

Giles nickte.

„Gut“, freute sich Willow. „Wir können die Couch vor den Kamin schieben und Angel auf die Couch legen. Dann hat er’s warm und gemütlich. Außerdem könnten wir einige Sessel und Stühle und den Tisch daneben stellen, wie in einem Halbkreis, dann können wir sehen, ob sich sein Zustand verbessert oder verschlechtert und wir müssen ihn nicht unbeaufsichtigt lassen, wenn jemand mal weggeht.“ Willow klatschte in die Hände. Anscheinend machte es ihr Spaß Krankenschwester zu spielen.
 
 

Es dauerte nicht lange, da hatten sie aus den Eisenstangen und Brettern der zerstörten Vitrine eine behelfsmäßige Trage gebastelt. Giles packte Angel unter den Schultern, Willow hielt vorsichtig seinen Kopf und Buffy hievte ihn an den Beinen hoch. Ganz langsam legten sie ihn auf die Trage und deckten ihn mit ägyptischen Wandteppichen zu.
 
 

„Können wir da nicht wegen Diebstahls verhaftet werden?“ schmunzelte Xander.
 
 

„Wir hätten mindestens schon hundertmal wegen Einbruchs, Diebstahls und Mordes an toten Leuten und Dämonen ins Kittchen wandern müssen“, gab Buffy zurück. „Außerdem gilt es jetzt, das Leben eines Toten zu retten, also ist das eine Ausnahme.“
 
 

„Das Leben eines Toten retten“, überlegte Willow. „Das ist genau so ein komischer Spruch wie relativ genau. Relativ ist relativ und genau ist nun mal genau. Aber relativ genau gibt’s einfach nicht.“
 
 

„Äh, Leute“, meldete sich Oz zu Wort. „Was machen wir eigentlich mit der toten Schlange?“
 
 

Sekunden später wurde das Tier durch ein Fenster in eine Mülltonne in einer Seitengassen befördert.
 
 

Vorsichtig trugen Buffy und Giles die Trage mit Angel zum Treppenhaus. Gerade wollte Buffy einen Schritt abwärts machen, als Willow warnte: „Achtet darauf, dass ihr ihn nicht kippt. Er muss möglichst waagerecht liegen.“
 
 

Gesagt getan, und mit einigen Mühen kamen sie dann doch auf der Straße an.
 
 

„Jetzt,“ stellte Buffy unsicher fest, „müssen wir ihn nur noch zu Giles kriegen, ohne von neugierigen Passanten bemerkt zu werden.“
 
 

Böses ahnend blickte die Gang auf die Reisegruppe, die ihnen entgegenkam...
 
 

6

„Uff!“ schnaufte Buffy und ließ sich in den Sessel fallen. „Das war knapp.“
 
 

Besorgt blickte sie auf Angels ruhiges Gesicht. Man konnte ihm nicht ansehen, was er durchgestanden hatte. Höchstens an den Wunden an seinem Körper, an dem Blut an seinem Mund und den Schweißperlen auf seiner Stirn. Immerhin ging sein Atem ruhig.
 
 

Als Buffy Angel so betrachtete, fiel ihr gleich wieder Bitch ein, und ein Stich fuhr durch ihr Herz. Nicht weil Bitch weg war, sondern vielmehr, weil die beiden sich liebten. Anscheinend.
 
 

Wie sollte sie Angel nur das Verschwinden seiner kleinen Bitch beibringen? Ob sie überreagiert hatte? Nein, eigentlich war Bitch doch diejenige, die an allem Schuld war. Oder? Oder doch nicht? Oder ja? Oder nein? Buffy schüttelte den Kopf. Jetzt machte sie sich schon selbst ganz verrückt.
 
 

Willow kam mit einer Schüssel kaltem Wasser und einem nassen Waschlappen in der Hand ins Wohnzimmer. „Giles kocht uns Tee,“ erklärte sie, „und die Jungs suchen nach etwas Essbarem was zugleich auch schmackhaft ist in Giles Kühlschrank. Anscheinend vergeblich. Jedenfalls müssen wir uns vorerst um Angel kümmern.“ Vorsichtig legte sie Angel den Lappen auf die Stirn und zog die Decke hoch.
 
 

Buffy strich mit der Hand über seine blasse Wange. Daraufhin neigte er leicht den Kopf in ihre Richtung und seufzte: „Bitch...“ Buffy biss sich auf die Unterlippe.
 
 

„Bin ja mal gespannt“, eröffnete Xander, als er und Oz mit einer Tüte Chips den Raum betraten, „auf seinen Gesichtsausdruck, wenn du ihm erklärst, dass Bitch weg ist.“
 
 

„Ich?“ Buffy sprang auf. „Du hast doch angefangen. Hättest du nicht so ’nen dummen Spruch fahren lassen, hätte sie dir keine geknallt, ich wäre nicht sauer auf sie gewesen und sie wäre nicht weggerannt.“
 
 

„Ähh, Buffy“, versuchte Willow sie zu warnen, doch Buffy war noch nicht fertig.
 
 

„Willow, nicht jetzt, okay? Also, Xander, ist es eigentlich unser beider Schuld. Du hast sie beleidigt, ich hab sie angeschrieen. Schätze damit wäre das dann auch erledigt.“
 
 

Xander verschränkte die Arme. „Dennoch ist es deine Schuld, dass Bitch weggelaufen ist“, entschied er.
 
 

„Bitch ist weg?“
 
 

Buffy, Xander und Oz wirbelten herum, und auch Giles betrat erschrocken den Raum. Angel saß kerzengerade auf der Couch, die Augen weit aufgerissen.
 
 

Willow zuckte die Schultern. „Davor wollte ich euch warnen. Angel ist wach.“
 
 

„Wie konnte das passieren?“ Angel richtete sich auf und machte einen reichlich wackligen Schritt auf Buffy zu. „Wieso ist sie weg?“
 
 

Buffy ging auf Angel zu und drückte ihn nach unten auf das Sofa. „Du darfst noch nicht aufstehen, du bist schwer verletzt.“
 
 

Doch Angel gab nicht so leicht auf. Energisch stellte er sich wieder auf die Beine und knurrte: „Sag mir sofort, was passiert ist.“
 
 

„Angel,“ stotterte Buffy nach einer Ausrede suchend, „setzt dich wieder hin. Die Schlange hat dich ganz schön traktiert. Ein paar Rippen sind gebrochen. Prellungen, Schürfwunden, Quetschungen. Du bist ganz und gar nicht in der Verfassung aufzustehen. Du bist jetzt ein bisschen empfindlich.“
 
 

„Empfindlich?“ schrie Angel panisch. „Ich bin nicht empfindlich. Aber du hast ja keine Ahnung, was Bitch alles anstellt, wenn man sie alleine lässt.“
 
 

„Ich fürchte, das ist meine Schuld“, meldete sich Xander zu Wort. „Ich hab sie beleidigt. Daraufhin hat sie mir eine gescheuert und Buffy hat sie angeschrieen. Dann ist sie abgehauen.“
 
 

„Beleidigt? Angeschrieen?“ Angels Gesicht verzog sich zu der dämonischen Fratze, die sich hinter seinem unglaublich hübschen Gesicht verbarg. „Seid ihr denn des Wahnsinns? Man kann doch einen dermaßen schizophrenen Vampir nicht anschreien!“
 
 

Er schnappte sich sein Hemd und seine Jacke, warf beides hastig über – ohne sich dabei auch nur annähernd die Mühe zu machen, Hemd oder Jacke zuzuknöpfen – und stürmte wütend auf die Tür zu.
 
 

„Angel,“ rief Buffy nach ihm, „wo willst du hin?“
 
 

„Ich geh sie suchen“, antwortete er knurrend.
 
 

„Du bist nicht in der Verfassung irgendwo hin zu gehen.“ Sie baute sich vor ihm auf. „Bleib hier.“
 
 

Doch Angel packte sie nur hart am Oberarm und schob sie zur Seite. „Ich warne dich, Buffy, stell dich mir nicht in den Weg.“
 
 

Damit schlug die Tür hinter sich lautstark ins Schloss. Buffy rollte ihren Pulloverärmel hoch und sah sich die Stelle an, an der Angel zugepackt hatte. Langsam wurde ihre Haut dort blau.
 
 

„Man,“ entfuhr es Xander erstaunt, „was hat der denn Falsches zu sich genommen?“
 
 
 
 

Den ersten Tropfen hatte Bitch vor einigen Minuten auf der Wange gespürt, mittlerweile goss es in Strömen und weder ihre Lederhose noch Buffys Jacke schützten sie vor der Kälte. Wenigstens wies die Hose das Wasser ab, ganz im Gegensatz zur Jacke.
 
 

Bitch strich sich eine Strähne ihres pechschwarzen Haares aus dem Gesicht. Als etwas über ihre Wange kullerte, wusste sie nicht einmal, ob es ein Regentropfen oder eine Träne war.
 
 

Noch immer spukten in ihrem Kopf und vor ihren Augen die schrecklich grausamen Bilder aus dem Museum herum. Das viele Blut, ihr Angel im todbringendem Griff der Schlange. Der Schock seines Anblicks saß ihr noch tief in den Knochen. Ganz zu schweigen von den Schmerzen, die ihr der Stromschlag und der Segelflug gegen die Vitrine bereitet hatten. Aber das allerschlimmste war, dass sie Angel nicht hatte helfen können.
 
 

Immerhin wusste sie jetzt, dass es Tränen waren.
 
 

Frustriert und resigniert trat Bitch gegen eine halbvolle Bierdose, die daraufhin einige Meter durch die Luft eierte, bevor sie scheppernd auf den Boden knallte und gegen eine Hauswand rollte. Eine Menge Bier war durch die Gegend geschleudert worden und in der Luft machte sich der ekelerregende Geruch schalen Alkohols breit.
 
 

Bitch musste würgen.
 
 

Ihr Magen knurrte gierig, als sie in einiger Entfernung einen Jungen Buffys Alters an einem Laternenmast lehnen sah. Er hielt einen Regenschirm in der Hand und zog ruhig an einer Zigarette.
 
 

Schön, Raucher waren nicht unbedingt Bitchs Fall, aber was tat man nicht alles gegen den lieben Hunger?
 
 

Sie setzte eine möglichst bedauernswerte Mine auf und stolzierte auf den Typen zu. Die Gier machte sich immer mehr in ihr breit.
 
 

Doch dann setzte die Erinnerung ein...
 
 
 
 

Ihr Kopf hämmert wie verrückt, sie hat Schmerzen, ihr ist schlecht. Sie will sich nur noch übergeben. Was ist passiert?
 
 

Dann erinnert sie sich. Erinnert sich an ihre Taten, ihre Opfer, ihre bestialischen Absichten und Gedanken. Dabei ist sie noch so jung... nein, eigentlich nicht mehr. Viele Jahre sind vergangen, seit sie... seit sie sich verändert hat.
 
 

Sie schlägt die Hände vors Gesicht und weint. Ja, sie erinnert sich an die Qualen, die sie ihren Opfern bereitet hat. Und diese Qualen, muss sie die jetzt selber durchleiden? Was hat sie nur mit ihrem Leben gemacht? Warum ist sie so grausam geworden?
 
 

Auch an die Sache mit diesem Verräter ihrer Rasse erinnert sie sich jetzt. Dieses penetrante Arschloch, das sie damals erschaffen hat, das ihr nun einen Teil seiner Seele geschenkt hat. Nur, dass sie ihn jetzt gar nicht mehr als Verräter, sondern eher als Wohltäter sieht. Und ein penetrantes Arschloch ist er auch nicht mehr. Er ist eher... nett und freundlich. Gütig. Wie ist doch gleich sein Name? Angel? Stimmt. Er ist so gut zu ihr. Sie wollte ihn umbringen...
 
 

Jemand legt sanft einen Arm um ihre Schultern. Es ist Angel und er lächelt sie an. Sein Gesicht ist schmutzig und zerkratzt. Blut läuft über seine Wange. Das alles hat sie getan. Es ist allein ihre Schuld.
 
 

„Hey, nicht weinen. Ist doch alles gut“, tröstet er sie.
 
 

„Warum bist du so nett zu mir?“ fragt Bitch verwirrt.
 
 

„Schließlich bin ich an deinem Zustand Schuld. Ich habe dich damals erschaffen. Aber das weißt du ja. Wir sind Seelenverwandt. Wusstest du das auch?“ Er grinst noch etwas breiter und wischt ihr die Tränen aus dem Gesicht. „Deswegen wollte ich dich gern bei mir haben. Seit wir uns hier in LA wiedergesehen haben, habe ich mich durch alle möglichen Bücher gewälzt, habe Bekannte angerufen und nach der Formel zur Wiederherstellung einer Seele gefragt. Die habe ich auch bekommen. Aber keine Thesula, die dazu dringend nötig gewesen wäre. Irgendwann habe ich ein anderes Ritual gefunden, das dir einen Teil meiner Seele gibt.“
 
 

„Ich... ich will so gerne rückgängig machen, was ich verbrochen habe“, schluchzt sie verzweifelt.
 
 

„Ich weiß“, flüstert er und nimmt sie noch etwas fester in den Arm. „Das will ich auch. Aber leider ist es nicht möglich.“
 
 

Eine Weile herrscht Schweigen zwischen den beiden. Sanft drückt er ihr einen Kuss auf die Stirn. Er ist so lieb und... vorsichtig.
 
 

„Wird man mir je vergeben?“ fragt sie schüchtern.
 
 

„Ganz bestimmt“, versichert er ihr. „Du musst nur genug Gutes tun. Die Vergebung wird der Dank in den Gesichtern der Hilfesuchenden sein.“
 
 

Bitch lächelt. „Ich will von dir lernen. Wie damals.“ Sie macht eine kurze Pause und denkt über ihre Worte nach. „Nur will ich diesmal lernen, gut zu sein.“
 
 

„Dann fangen wir mit einem Versprechen an.“ Er hält ihr den kleinen Finger hin. „Versprich mir, nie wieder menschliches Blut zu trinken.“
 
 

Sie hakt ihren kleinen Finger bei seinem ein. „Versprochen.“
 
 

Es ist ein Schwur, der auf Freundschaft und reinem Vertrauen basiert...
 
 
 
 

Ja, ein Schwur. Weil er ihr damals vertraute und es noch es noch immer tat.
 
 

Und Bitch wollte dieses Vertrauen nicht missbrauchen. Auf keinen Fall würde sie ihn anlügen. Mit Angel konnte sie über alles reden, es gab keine Tabus. Für alles hatte er Verständnis. Angel hatte ihr einmal gesagt, wenn sie Probleme hätte, wolle er der erste sein, mit dem sie darüber spricht.
 
 

Bitch seufzte und ging weiter, an dem Typen vorbei.
 
 

„Hey, Zuckerpuppe.“
 
 

Bitch wirbelte herum.
 
 

Der Kerl musterte sie von Kopf bis Fuß und hatte ein perverses Grinsen im Gesicht.
 
 

„Willst du nicht unter meinen Schirm kommen?“ Er machte eine einladende Geste.
 
 

„Nein, vielen Dank“, erwiderte Bitch. Erst jetzt bemerkte sie ein paar Bierflaschen neben dem Jungen auf dem Bürgersteig stehen, alle leer. Eine hielt er noch immer in der Hand. So jung und schon Säufer, dachte Bitch. Es gibt auf der Erde tatsächlich noch Angelus Liam Callaway Verschnitte. „Ich steh nicht auf Alkoholiker.“
 
 

„Ach, komm, Babe“, lallte der Kerl betrunken und lüstern. „Das wird geil. Ich weiß doch, dass du ganz wild darauf bist.“
 
 

„Leck mich“, knurrte Bitch gereizt. „Ich will nichts mit so ’nem ekelhaften Kerl wie dir zu tun haben. Kapisch?“
 
 

„Außerdem verträgt sie keinen Alkohol“, meldete sich eine Stimme hinter ihr zu Wort. Bitch fuhr herum. Dort stand Angel. Mit offenem Hemd und ziemlich wacklig auf den Beinen. „Also mach ’n Abgang.“
 
 

Der Kerl starrte Angel nur perplex an und musterte den Fremden von oben bis unten. „Du solltest dir dein Hemd zumachen, Alter.“
 
 

Angel knurrte bedrohlich und fauchte: „Und ich sollte dir dein Herz rausreißen und darauf Tango tanzen.“ Blitzschnell stand er vor dem schmierigen Kerl, drückte ihm die Luft ab und grinste hämisch: „Na, wer von uns beiden sieht jetzt alt aus, häh?“
 
 

Damit stieß er den Betrunkenen von sich weg. Er lief torkelnd die Straße hinab, jammerte nur etwas von >Spinner, hat zu tief ins Glas geschaut. Säufer< und verschwand um eine Biegung.
 
 

Um Angels Wahrnehmung legten sich plötzlich Spinnweben, er spürte, wie er das Bewusstsein zu verlieren drohte. Stöhnend sank er auf die Knie, hielt sich den Kopf mit der einen Hand, mit der anderen schlug er auf den Bürgersteig.
 
 

Allmählich war Bitch wieder fähig sich zu bewegen. Sie wusste zwar, dass Angel einen sehr ausgeprägten Beschützerinstinkt hatte was sie anging, aber dass er gleich dermaßen ausrasten würde war irgendwie zuviel des Guten.
 
 

Besorgt kniete die Vampirin neben ihrem Erschaffer nieder, legte einen Arm um seine Schultern und stützte ihn mit dem anderen. Vorsichtig half Bitch ihrem Gefährten auf die Beine. Gefährte?, schoss es ihr durch den Kopf. Angel ist nicht mein Gefährte. Und das wird er auch nie sein. Irgendwie schade... nein, es hat schon seine Richtigkeit. Außerdem könnten wir nie... Bitch, verdammt, hör auf an die Kombination Angel und Sex zu denken. Das geht ja doch nicht. Frustriert stieß sie einen Seufzer aus. Gut, dass Angel ihre Gedanken nicht lesen konnte.
 
 

„Angel... warum... Du bist so schwer verletzt. Du hättest nicht aufstehen dürfen.“ Bitchs Blick fiel auf einige Wunden, die mit Mullbinden versorgt worden waren und durch die mittlerweile Blut sickerte. „Du siehst ja, was dann passiert.“
 
 

Er wandte ihr seine Vampirfratze zu, stieß sie kräftig von sich weg, knurrte.
 
 

„Angel?“ fragte sie, leichte Angst schwang in ihrer zittrigen Stimme mit. „Was hast du?“
 
 

„Ist doch alles deine Schuld!“ schnauzte der Vampir unbeherrscht. „Wärst du nicht weggelaufen, wäre ich nicht vor Sorge beinahe umgekommen. Und ich wäre nicht hier.“
 
 

Bitch fühlte Tränen in ihre Augen schießen. Warum war er so gemein zu ihr? Sie hatte es doch nicht böse gemeint. Sie hatte nicht beabsichtig, ihn wütend zu machen.
 
 

Nein, das musste daran liegen, dass er einfach Angst um sie hatte. Noch nie hatte Angel mit ihr geschimpft. Schon gar nicht in diesem Tonfall. Es lag wohl wirklich daran, dass sie ihm Sorgen bereitet hatte, große Sorgen.
 
 

Sie lächelte zaghaft entschuldigend. „Angel,“ meinte Bitch sanft, „ich finde es lieb, dass du dir Sorgen gemacht hast. Aber ich wollte dir nicht...“
 
 

Doch in diesem Moment geschah etwas, was für Bitch völlig unverständlich war, was noch nie passiert war... nachdem sie ihre Seele hatte. Es war, als würde jemand Angel vor ihren Augen foltern, nur schlimmer: Angel schlug ihr brutal ins Gesicht.
 
 

„Ach, Halts Maul!“ fauchte er bloß. Angel ging einige Schritte. Bitch blieb einfach stehen, spürte Blut über ihre Wange laufen. Blut und Tränen. Ein leiser Schluchzer drang aus ihrer Kehle. Dann fing sie unbeherrscht an zu heulen. Was hatte sie ihm bloß getan? Sie wollte doch nichts böses. Warum schrie er sie an? Warum schlug er sie?
 
 

Plötzlich blieb Angel stehen. Ruckartig drehte er sich um und drohte: „Wenn du nicht sofort deinen verdammten Arsch hierher bewegst, dann setzt es noch was.“
 
 

Verängstigt folgte Bitch dem Vampir, der sonst immer so sanft und lieb zu ihr war, und der sich von einem Augenblick auf den anderen plötzlich so verändert hatte...
 
 
 
 

Buffy blieb die Pizza fast ihm Hals stecken, als mit einem lauten Krachen die Tür zu Giles Wohnung aufflog. Angel betrat wahnsinnig wütend, mit grausam verzerrtem Vampirgesicht den Raum, stürmte sogleich auf das Bad zu, schloss lautstark die Tür hinter sich und verriegelte den Raum von innen.
 
 

In die entstandene Stille brach eine verstört heulende, zitternde Bitch in die Wohnung, die Wange blutig geschlagen. Angst stand in ihren Augen, abgrundtiefe Trauer in ihren Tränen.
 
 

Buffy mochte Bitch nicht besonders gern – gut, das lag daran, dass sie eifersüchtig war – aber jetzt tat die Vampirin ihr sehr, sehr leid.
 
 

Willow war aufgesprungen und zu Bitch gestürmt, hatte ihr sanft einen Arm um die Schultern gelegt und führte sie vorsichtig zur Couch. Xander macht Platz für die Vampirin. Buffy konnte sehen, wie mitleidig Willow schaute, Xander und Oz ebenfalls, Giles schien entsetzt. Scheinbar wusste er, was abging, oder ahnte es zumindest, was Buffy nicht tat. Die Jägerin tappte im Dunkeln.
 
 

Nachdem Bitch sich wieder einigermaßen beruhigt hatte, versuchte Willow, etwas aus ihr herauszubekommen. Xander und Oz versuchten mittlerweile vergebens, Angel aus dem Bad zu locken. Buffy, Willow und Giles waren bei Bitch geblieben.
 
 

„Was ist passiert?“ fragte Will beruhigend. „Du kannst es uns sagen, wenn du willst, wenn nicht, haben wir Verständnis dafür.“
 
 

Lange blickte Bitch starr auf die Tischplatte, auf die Reste der bestellten Pizza vor sich. Dann hob sie ruckartig den Kopf, sah Will in die Augen und flüsterte: „Er hat mich geschlagen.“
 
 

„Wer?“ fragte Buffy alarmiert. Wer brachte es fertig Bitch zu schlagen, ohne von Angel gelyncht zu werden?
 
 

Bitch reagierte gar nicht auf Buffy, sie sah Willow unverwandt in die Augen. Ihre Stimme zitterte, sie stand kurz vor einem erneuten Heulkrampf, als sie verwirrt fortfuhr: „Er hat mich noch nie geschlagen. So kenne ich ihn gar nicht. Angel ist doch sonst auch immer so lieb gewesen.“

„ANGEL?“ entfuhr es allen entgeistert, auch Xander und Oz, die es mit Angel mittlerweile aufgegeben und sich zum Rest der Truppe gesellt hatten.
 
 

Buffy starrte die Badezimmertür an. Was war los? Konnte das wirklich wahr sein? Die Jägerin konnte es nicht glauben, dass Angel zu etwas derartigem fähig war, wenn er eine Seele besaß...
 
 
 
 

Irgendwie war es ihnen dann doch gelungen, Angel einigermaßen zu beruhigen und aus dem Bad zu holen. Giles hatte Bitch und ihn zur Villa gefahren, Angels altem Versteck nach seiner Zeit als Angelus. Für einen Moment dachte Giles daran, dass hier beinahe mal die Welt durch Angels Hand untergegangen wäre.
 
 

Giles wollte Bitch noch zu Buffy fahren, aber die Vampirin hatte darauf bestanden, bei Angel zu bleiben. Sie wollte ihn jetzt einfach nicht allein lassen. Sie lief zwar Gefahr, erneut von ihm geschlagen zu werden, aber das nahm sie in Kauf. Außerdem hatte sie seit ihrer Veränderung zum Guten noch keine einzige Nacht in einem anderen Haus als dem, in dem Angel war, verbracht. Und das würde sich auch nicht so schnell ändern, da es Bitch sehr bei ihm gefiel.
 
 

Als sie das Schlafzimmer betrat, lag er bereits im Bett. Wie immer trug er nichts als eine Jogginghose. Zum ersten Mal fiel Bitch auf, dass er so ohne Hemd verdammt sexy war, doch blitzschnell verdrängte sie diesen Gedanken. Eine Weile betrachtete sie sein Tatoo, denn er lag mit dem Rücken zu ihr. Dann ging sie zu ihrem Bett.
 
 

Bitch trug ein seidenes Nachthemd, es ging ihr bis zur Hälfte des Oberschenkels. Da es schwarz war, kam ihre blasse Haut darunter noch besser zur Geltung. Mit einem leisen Seufzer schlüpfte das Vampirmädchen unter ihre Bettdecke. Und obwohl der Tag bereits dämmerte und sie heute verdammt viel erlebt hatte und lange per pedes unterwegs gewesen war, verspürte sie keinerlei Müdigkeit.
 
 

Es verging nach Bitchs innerer Uhr ungefähr eine Stunde, dann setzte sie sich auf die Bettkante. Vielleicht sollte sie beim Pizzadienst anrufen und sich einen Snack gönnen. Eine Pizza Salami wäre gut. Einen leises, betrübtes Lächeln huschte über ihr geisterhaftes Gesicht, als sie erinnerte, wie Angel ihr den guten Geschmack menschlichen Essens gezeigt hatte.
 
 

Damals hatte sie sich mit Händen und Füßen gegen die Gabel mit den aufgedrehten Spagetti gewehrt, doch Angel hatte zu einer List gegriffen. Er hatte nach einer Schere gegriffen, war Bitchs Haaren gefährlich nahe gekommen. Sie wollte schreien: „Wehe, Angel, tu das bloß nicht!“, doch kaum hatte sie den Mund geöffnet, war die Gabel auch schon darin. So war sie auf den Appetit gekommen.
 
 

Hinter sich hörte Bitch das leise Rascheln der Decke. Bewegungslos blieb sie sitzen, denn sie wusste nicht, ob Angel sich nur im Schlaf gedreht hatte oder aufgestanden war. Einige Sekunden später beantwortete sich diese Frage von selbst, als die Vampirin spürte, dass sich jemand zu ihr aufs Bett gesellt hatte.
 
 

Bitch wappnete sich gegen einen harten Schlag, doch stattdessen legte Angel ihr sanft die Arme von hinten um den Oberkörper, legte seinen Kopf an den Übergang von Hals und Schultern. Sie fühlte, dass er heftig zitterte. Wenn sie es nicht besser wüsste, dann würde sie sogar sagen ihr Herz klopfen zu hören. Zwar war sie es gewöhnt, dass Angel seine Streicheleinheiten manchmal brauchte, aber so hatte er sie noch nie im Arm gehabt.
 
 

Ihre Hände wanderte nach hinten, ganz langsam auf sein Gesicht. Als sie seine Wange streichelte, spürte Bitch, dass diese feucht war; Angel musste geweint haben. Die Vampirin konnte sich nicht daran erinnern, ihn je weinen gesehen zu haben.
 
 

„Shhh!“ machte Bitch leise, als er schluchzte. „Ist gut, ich bin ja da. Nicht weinen, mein Großer, alles ist okay.“
 
 

„Nein“, flüsterte er unter Tränen. Eine davon lief über Bitchs Schulter, bis in ihren Ausschnitt. Kurz schauderte sie. „Nein, gar nichts ist in Ordnung.“ Angel nahm den Kopf hoch, löste die Arme von ihr. Bitch drehte sich um, sah ihn an. Nun war er wieder das sanfte, liebe Kerlchen von einem Kuschelvampir, das sie liebte. Ich liebe ihn im väterlichen Sinne!, herrschte Bitch sich selber an. Einbildung ist ja auch ’ne Bildung. „Ich habe dich geschlagen. Grundlos. Habe dich angeschrieen. Mein Gott, es tut mir so leid. Ich weiß ja selbst nicht, was plötzlich in mich gefahren ist. Ich wollte es nicht, bitte glaube mir. Ich könnte dir nie wehtun, mein Liebling, bestimmt nicht. Ich war mit einem mal so wütend. Keine Ahnung warum.“
 
 

Zärtlich nahm Bitch ihn in den Arm, drückte seinen Kopf an ihr Schlüsselbein und fuhr mit den Fingerspitzen durch sein Haar. Einen sanften Kuss drückte sie ihm auf die Stirn. „Ich wusste, dass du es nicht absichtlich gemacht hast. Du warst wohl nur überreizt von dem Unfall im Museum, du weißt schon, mit der Schlange. Und als ich dann weg war, ist bei dir wohl ’ne Sicherung durchgebrannt.“ Sie lächelte ihn liebevoll an. „Das muss man manchmal einfach haben. Ist so. Du solltest öfters Luft ablassen. Sonst passiert es dir, dass du von Zeit zu Zeit total abdrehst.“
 
 

Angel schaute zu ihr auf. Kurz schniefte er, dann strich er vorsichtig über die fast verheilte Wunde an ihrer Wange. Bitch grinste. Dann schmiss sie ihm ihr Kissen an den Kopf. „Ich hatte tierisch Angst vor dir“, lachte sie verspielt.
 
 

„Ich vor mir auch.“ Er musterte kurz ihr lachendes Gesicht, beschloss dann: „Du musst ab jetzt öfter so fröhlich und ausgelassen sein. Das steht dir. Du kannst ruhig Gefühle zeigen. Das macht einen menschlicher.“
 
 

Grinsend fiel sie ihm um den Hals. „Sei nie wieder so aggressiv. Versprich es.“ Sie hielt ihm den kleinen Finger hin.
 
 

Er lächelte dieses schiefe, sexy Lächeln und hakte ein. „Ich schwöre“, versprach er. „Lass uns schlafen.“
 
 

Gerade wollte er aufstehen, da hielt sie seine Hand fest. „Bleibst du diese Nacht bei mir?“
 
 

„Ich sehe schon,“ grinste er, „in einem Raum reicht es dir einfach nicht, es muss schon ein Bett sein.“
 
 

Zufrieden lächelnd schlief Bitch in Angels Armen ein, eingehüllt in seine angenehme Wärme. Und er roch so gut. Hugo, erinnerte sich die Vampirin lächelnd. Hugo for men.
 
 

Doch in dieser Nacht träumte sie nicht gut. Bitch träumte von einem Angel, der in tausend Schlangen zerfiel...
 
 
 
 

Schatten sind nicht tödlich. Wohl aber, was sich in ihnen verbirgt. Häufig verschließen wir die Augen vor der Realität, doch sie ist überall. Sie war, sie ist und sie wird bleiben. Und weiterhin wird sie uns mit Angst konfrontieren, mit Schatten und Schattenwesen. Kleine Kinder können das Böse in den Schatten am Besten spüren. Wie oft wecken sie ihre Eltern mitten in der Nacht, weil da ein Gespenst unter ihrem Bett ist. In den Augen der Erwachsenen ist dieses Gespenst nichtexistent. Doch es ist da. Man kann es ruhig glauben.
 
 

Es waren Stunden vergangen, gerade versank die Sonne hinter einem Wäldchen an Sunnydales Rand. Angel wurde immer tiefer und tiefer in seinen traumlosen Schlaf gezogen.
 
 

Schatten sind nicht tödlich. Wohl aber, was sich in ihnen verbirgt.
 
 

Die Schlange kroch aus ihrem Versteck im Schatten des Raumes, glitt lautlos auf das eine der beiden Betten. Sie konnte ihn fühlen. Außerdem verriet die Tätowierung, der Drachen, seine Bestimmung, seine Aufgabe.
 
 

Unruhig drehte er sich im Schlaf. Schließlich wandte er dem Mädchen den Rücken zu. Gut so, dass war für die Schlange am einfachsten. Sie biss in seinen Bauch, biss sich durch seinen Körper. Wäre er wach, hätte er unsägliche Schmerzen gehabt, doch in diesem hypnotischen Tiefschlaf spürte er rein gar nichts. Ein Kubikzentimeter dünner Faden schoss durch seinen Körper und verankerte sich in seinem Gehirn. Fertig. Werk vollbracht.
 
 

Angel schreckte hoch. Er war ein wenig hungrig. Leise verließ er das Schlafzimmer, um ja Bitch nicht zu wecken. Er stieg die Treppen hinab, kam dabei an einem Spiegel vorbei. Als er diesen bereits hinter sich gelassen hatte, machte Angel noch einmal kehrt und blickte entsetzt in den Spiegel. Was er sah konnte nicht wahr sein. Er sah etwas in dem Spiegel, das war eigentlich schon seltsam genug,  aber die Person in dem Spiegel war ja nicht mal er. Es war ein finsterer Gott mit Schlangenmaske, Apophis, der den Leichnam der ägyptischen Königin aus Angels erstem Traum auf Händen trug...